Читать книгу Privatdetektiv Joe Barry - Todeskuss von Lily Belle - Joe Barry - Страница 4
Оглавление„Well, Johnny“, sagte der Blonde am Steuer, „jetzt bist du dran. Vier Uhr, hat der Boß gesagt; pünktlich vier Uhr.“
„Viel Zeit“, erwiderte der Bullige, der Johnny hieß. „Massenhaft Zeit. Wir können uns noch bequem ins Gras hauen und pennen.“
„Fang lieber schon an. Der Boß reißt uns die Ohren ab, wenn etwas schiefgeht.“
„Wär bei deinen Elefantenohren kein Unglück“, meinte Johnny. Er stieß die Tür auf, kletterte hinaus und langte sich einen Werkzeugkasten. Er brachte verschiedene Gegenstände zum Vorschein und sortierte sie auf der Kühlerhaube.
Der Blonde hatte inzwischen die rückwärtige Wagentür geöffnet und schleppte ein Kabel heran. Dann brachte er noch ein paar Steigeisen.
„So ein bißchen Bewegung tut dir ganz gut“, sagte er zu Johnny. „Du sitzt viel zuviel in Kneipen herum und qualmst deine stinkigen Zigarren.“
„So etwas kann nur ein ungebildeter Stallhase wie du sagen“, knurrte Johnny und nahm die Steigeisen an sich. „Das sind feinste Havannas. Ein Kumpel besorgt sie mir Es ist Konterbande, verstehst du?“
„Bleib mir mit deinen dämlichen Fremdwörtern, vom Leibe“, brummte der Blonde. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und sah zu, wie Johnny sich die Steigeisen anschnallte.
„Fertig“, sagte Johnny. „Gib mir mal die Kopfhörer ’rüber.“
Er hängte sich die Kopfhörer um den Hals, steckte verschiedene Werkzeuge ein und legte die Lederschlaufe um den Telegrafenmast. Dann kletterte er behend wie ein Klammeraffe den Mast hoch.
„Sag etwas, bevor du runterfällst!“ rief ihm der Blonde nach.
„Keine Angst, ich bin der begabteste Kletterer von der ganzen Ostküste. Früher haben wir Burschen immer an der Fassade des Empire State Building trainiert.“
„Klar, den Kopf nach unten und ein Klavier auf den Bauch gehängt.“
„Es waren keine Klaviere“, sagte Johnny mit Würde. „Es waren Stutzflügel, und zu den Spielregeln gehörte, daß wir unterwegs etwas spielten, aber etwas Klassisches.“ Er war jetzt oben angekommen und lehnte sich in seinem Haltegurt zurück. Prüfend betastete er den Telefondraht.
Der Blonde sah nervös auf die Uhr und legte dann den Kopf in den Nakken.
„Gibt es Schwierigkeiten?“ rief er.
„Hier ist ein Draht — nein, zwei“, sagte Johnny.
„Zum Teufel, willst du mich auf den Arm nehmen?“
„Es hätte ja sein können, daß Sie schon etwas von drahtloser Telegrafie gehört haben.“
„Den Burschen möchte ich mal kennenlernen, der dir gesagt hat, du wärst witzig.“
„Das wird dir kaum gelingen. Der hat sich über meine Witze schon totgelacht.“
„Haha“, machte der Blonde. „Weißt du, daß es gleich vier Uhr ist?“
„Ich wäre längst fertig, wenn ich nicht dauernd auf dein Gequassel eingehen müßte. Denk dir mal selber ein paar passende Antworten aus.“
Mit geschickten Bewegungen befestigte Johnny die Enden des Kabels an den Drähten. Dann setzte er die Kopfhörer auf und lauschte gespannt.
„Nun?“ rief der Blonde ungeduldig.
„Ich glaube, da spricht gerade ein General.“
„Was heißt, du glaubst es?“
„Sieh doch, wie der Draht zittert! Den Ton kenne ich, seit die Brüder mich Anno 39 durch die Wüste von Nevada gescheucht haben. Gott, ist mir das widerlich.“
„Wird es noch lange dauern?“
„Wir können ja mal fragen.“ Johnny nahm das Kabel, an dessen Ende ein Telefonhörer befestigt war, und ließ es nach unten gleiten.
„Jetzt bist du dran“, sagte er. „Ich gebe dir ein Zeichen, wenn es soweit ist. Hast du deinen Text auch schon gelernt?“
„Witzbold“, knurrte der Blonde und fing den Hörer mit beiden Händen auf.
Johnny schaltete inzwischen ein Gerät an, mit dem er einen Ruf erzeugen konnte, und lauschte gespannt auf das Freizeichen im Kopfhörer. Dann klickte es, und eine männliche Stimme sagte:
„Home Guard — Außenstelle Camp Morehouse.“
Johnny grinste nach unten.
„Ihr Gespräch mit der Home Guard, Sir“, sagte er.
Der Blonde sah ihn ärgerlich an und sagte dann rasch: „Hallo, spreche ich mit der Schreibstube.“
„Ja — Gefreiter Miller am Apparat.“
„Hier spricht Ed Jones. Ich bin Gefreiter im Vorzimmer von Colonel Blakely.“
Erwartungsvolles Schweigen am anderen Ende der Leitung.
„Ich möchte euch Brüdern einen Tip geben“, sagte der Blonde. „Bei euch findet in einer halben Stunde eine Revision statt. Hier ist eben ein Colonel aus New York gekommen, einer von der ganz scharfen Sorte. Macht überraschend unangemeldete Blitzbesuche in den Camps. Er ist gerade zu euch losgefahren. Ganz kleiner Stab. Er, ein Leutnant und der Fahrer. Und dann ist da noch ein Zivilist — angeblich einer vom FBI.“
„Mann“, schnaufte der Gefreite Miller. „Das ist ja ein Ding.“
„Ist bei euch irgend etwas nicht in Ordnung?“
„Hast du schon mal ein Camp erlebt, wo im Frühjahr alles in Ordnung ist? Bei uns herrscht der schönste Schlendrian. Die Revisionen finden doch sonst immer erst im Herbst statt?“
„Ich frage wegen des FBI-Bullen. Ist bei euch mal was geklaut worden?“
„Das meine ich ja. So etwas wissen wir immer erst im Herbst.“
„Was macht ihr Brüder bloß, wenn der Krieg einmal im Sommer ausbricht?“ kicherte der Blonde. „Also, ich habe euch gewarnt. Vielleicht könnt ihr noch ein bißchen Ordnung schaffen. Der Colonel ist scharf wie Cayenne-Pfeffer. Drüben in Camp Arthur wurde eine ganze Schreibstube nach seinem Besuch degradiert.“
„Ach, du großer Gott! Na, jedenfalls vieleh Dank.“
„Keine Ursache. Ich weiß doch, wie es bei euch armen Schweinen in den Camps zugeht.“ Der Blonde nickte Johnny zu, und der trennte das Gespräch.
Er hatte gerade die Kontakte abgeklemmt, als er unten ein zischendes Geräusch hörte. Es klang wie ein Reifen, aus dem Luft entwich, aber es war der Blonde, der zwischen den Zähnen Luft abblies.
„Wir kriegen Besuch!“ sagte er.
Johnny sah sich um und entdeckte einen offenen Jeep, der in rascher Fahrt über den Waldweg heranholperte.
„Ach, ihr guten Geister von Chikago!“ sagte Johnny.
„Was wollen wir tun?“ fragte der Blonde.
„Abwarten!“ knurrte Johnny ihn an.
Der Jeep rollte heran und bremste schneidig. Ein junger Mann in der Leutnantsuniform der Home Guard beugte sich vom Beifahrersitz hinaus.
„Was machen Sie denn hier?“ fragte er und beäugte Johnny auf dem Mast.
Der Blonde nahm Haltung an.
„Leitung reparieren, Sir!“
„Aha!“ Der Leutnant nickte verständnisinnig. „Wohl kaputt, was?“
„Ja, Sir!“
„Na, dann sehen Sie mal zu, daß der Schaden schnellstens repariert wird. Ich will heute abend mit einer guten Bekannten telefonieren.“
„Wir tun unser Bestes, Sir“, sagte der Blonde und erwiderte das Grinsen des Leutnants.
„Also dann — weitermachen“, sagte der Leutnant, und der Blonde salutierte, als wolle er sich ein Auge ausschlagen. Der Leutnant lächelte amüsiert, der Jeep ruckte an und war gleich darauf hinter den Bäumen verschwunden.
Jetzt war Johnny an der Reihe, Luft abzulassen.
„Mann“, stöhnte er, „wo hast du denn den Tonfall her?“
„Aus Nevada“, sagte der Blonde. „Da haben sie mich nämlich auch durch die Wüste gescheucht. — Los, Johnny, verschwinden wir. Ein dämlicher Leutnant reicht vollauf. Mehr zu erwarten, hieße das Glück versuchen.“
*
Es war genau fünf Uhr nachmittags, als der braune Chevrolet mit dem schneidigen Stander auf dem Kotflügel durch das Haupttor des Camp Morehouse rollte. Er platzte in eine Atmosphäre vollkommener Auflösung. Das Camp glich einem aufgestörten Ameisenhaufen.
Der Wagen rollte vor die flache Baracke des Kommandanten. Vier Männer stiegen aus. Drei trugen Uniformen, einer war in Zivil. Captain Holmes, der Kommandant von Camp Morehouse, gab später folgende Beschreibung zu Protokoll:
1 Ein Mann in der Uniform eines Colonel. Er wies sich als Colonel Andrews vom Oberkommando der Home Guard in Washington aus. Groß, volles, dunkles Haar. Etwa fünfzig Jahre alt. Energisches Gesicht, harte Augen, sportliche Figur. Benahm sich wie ein Offizier. Vermutlich ehemals aktiver Offizier. Ausweis und Beglaubigung wirkten echt.
2 Ein Mann in Leutnantsuniform. Alter etwa dreißig Jahre. Mittelgroß, sehr durchtrainiert. Hageres Gesicht, dunkle Haare. Nannte sich Leutnant Miller.
3 Ein Mann in der Uniform eines Gefreiten. Mittelgroß, massiv gebaut. Dünnes, blondes Haar. Aufgedunsenes Gesicht. Spielte den Fahrer. Name wurde nicht genannt.
4 Ein Mann in Zivil, angeblich FBI — Agent namens Baxter. Wies sich nicht aus, wurde von dem Colonel vorgestellt. Alter etwa vierzig Jahre. Flaches, hartes Gesicht, leblose Augen, braunes Haar mit Bürstenschnitt.
Während der Fahrer beim Wagen blieb, stiegen die drei anderen die Treppe zur Veranda empor, wo ihnen Captain Holmes entgegenstürzte. Der Captain war kurz zuvor vor seiner Schreibstube aus dem Mittagsschlaf gestört worden und wirkte so erfreut wie ein Huhn beim Anblick des Fuchses. Er salutierte, und die beiden Offiziere erwiderten den Gruß. Der FBI-Mann steckte die Hände in die Taschen.
„Captain Holmes?“ Der Colonel hatte eine tiefe Stimme. „Mein Name ist Andrews, vom Oberkommando in Washington. Das hier ist Leutnant Miller, und das ist Mr. Baxter. Mr. Baxter ist FBI-Agent in der Zentrale in Washington.“
„Angenehm“, knurrte Holmes und führte sie in sein Büro. „Ich nehme an, Sie wollen das Camp einer Revision unterziehen?“
„Offensichtlich nehmen das noch mehr Leute an“, sagte der Colonel und beobachtete das geschäftige Treiben durch das Fenster. „Wie es scheint, hat man uns bereits angemeldet. Ich kenne diese Vorwarnungen. Wir könnten uns glücklich schätzen, wenn unser nationaler Frühwarndienst vor den Russen ebenso gut funktionierte wie der unserer Schreibstuben vor überraschenden Revisionen.“
Captain Holmes knurrte etwas, was ebensogut Zustimmung wie Ablehnung bedeuten konnte.
„In diesem Falle ist mir das ganz angenehm“, fuhr der Colonel fort. „Auf diese Weise können wir den eigentlichen Zweck unseres Besuches verbergen. Es ist der Sache nur dienlich, wenn die Leute nicht wissen, warum wir hier sind.“
„Sie wollen also keine Revision vornehmen?“ fragte Holmes.
Der Colonel schüttelte den Kopf.
„Nein. Wir sind aus einem anderen Grunde gekommen. — Mr. Baxter, würden Sie es bitte dem Captain erklären.“
„Gern.“ Der FBI-Agent schob sich den Hut in den Nacken. „Es handelt sich um die Aufklärung eines Verbrechens. Seit Monaten sind wir einer Bande auf der Spur, die in großem Stil Waffen aus Beständen der Home Guard entwendet und auf dunklen Kanälen ins Ausland schafft. Neuerdings weisen die Spuren auch in Ihr Camp, Captain.“
„Wollen Sie damit sagen, daß bei uns gestohlen wird?“
„Genau das will ich damit sagen!“
„Unsere Bücher haben immer gestimmt!“ brauste Holmes auf.
„Solche Eintragungen kann man frisieren“, wandte der FBI-Agent ein.
„Aber nicht bei uns!“
„Captain Holmes“, sagte Colonel Andrews scharf, „wären Sie imstande, mir binnen einer Viertelstunde eine Bestandsliste sämtlicher M-3-Karabiner Ihres Lagers vorzulegen, die einer Revision Standhält?“
„Nun, ich glaube, wir sind da nicht ganz auf dem laufenden …“
„Nach den Bestimmungen müssen Sie das aber sein. Und die Liste muß Ihre Unterschrift tragen.“
„Well, unsere letzte Liste vom Herbst trägt meine Unterschrift.“
„Haben Sie den Bestand damals auch selbst nachkontrolliert?“
„Ich habe einen sehr tüchtigen Sergeant, und ich war schon immer der Ansicht, ein Offizier, der sich nicht auf seine Leute verlassen kann, kann seine Aufgabe nicht erfüllen.“
„In unserem Fall“, sagte Colonel Andrews, „handelt es sich nicht um die Ansichten eines Offiziers, sondern um die Einhaltung sehr eindeutiger Vorschriften. Damit wollte ich Ihnen sagen, daß in Ihrem Lager sehr wohl Diebstähle vorgekommen sein können. Damit verbindet sich keineswegs ein Vorwurf gegen Sie persönlich. Wir wollen diese Geschichte lediglich aufklären und erwarten Ihre Unterstützung.“
„Was haben Sie vor?“
„Ich bearbeite den Fall schon seit einigen Monaten“, schaltete sich der Mann vom FBI wieder ein. „Vor einigen Wochen beobachtete ich in einem Lokal mehrere Männer, die in Verdacht stehen, an dem Waffenschmuggel beteiligt zu sein. Jetzt habe ich Hinweise erhalten daß diese Männer Angehörige der Home Guard in Zivil waren, die in Ihrem Camp stationiert sind.“
Und Colonel Andrews sagte: „Mr. Baxter möchte sich alle Leute in Ihrem Camp ansehen und festslellen, ob das stimmt.“
„Aber das sind mehr als dreihundert Mann!“ gab Holmes zu bedenken.
„Wir haben Zeit“, erklärte der Colonel. „Lassen Sie die Männer in Ihr Büro kommen.“
„Sir“, mischte sich der Leutnant ein. Er hatte bisher geschwiegen. „Ich möchte nur darauf hinweisen, daß wir heute noch Camp Arthur überprüfen müssen. Wäre es nicht besser, wir ließen die Leute antreten, und Baxter sähe sie sich draußen an? Wir könnten eine Menge Zeit sparen.“
„Richtig“, sagte Andrews. „Camp Arthur hätte ich fast vergessen. — Ja, das ist eine gute Idee. Wie lange dauert es, bis Ihre Leute angetreten sind, Captain?“
„Sollen alle antreten? Auch die Posten draußen im Gelände?“
„Es dauert ja nur kurze Zeit. Und wir müssen jeden Mann sehen. In der halben Stunde wird wohl niemand einen Einbruch versuchen.“ Er lächelte, und Captain Holmes rang sich auch ein Lächeln ab.
„Okay“, sagte er. „Ich schätze, in zwanzig Minuten haben wir alle hier.“
„Fein“, sagte der Colonel. „Und sorgen Sie dafür, daß wirklich keiner fehlt. Es wäre denkbar, daß die Schuldigen versuchten, sich zu drücken. Und das wäre verdammt peinlich für Sie.“
*
Genau um siebzehn Uhr dreißig setzten sich die beiden Trucks in Bewegung. Sie hatten in einer Waldlichtung in der Nähe des Camps gewartet. Jeder Truck war mit vier Mann besetzt.
Sie erreichten den Schlagbaum, öffneten ihn und fuhren weiter. Etwa eine halbe Meile vor dem Camp bogen sie in einen schmalen Weg ein und erreichten kurz darauf den Drahtzaun, der das Lager umgab. Normalerweise patrouillierten hier Posten, aber jetzt war keiner zu sehen.
„Das klappt ja prächtig“, murmelte der hochgewachsene Mann in dem ersten Truck, der das Unternehmen leitete. Er trug als einziger einen Straßenanzug, während die anderen in Overalls steckten.
Die Trucks brummten über den Weg, der am Zaun entlangführte, und stoppten schließlich. Auf der anderen Seite des Zaunes breiteten sich einige Steinbaracken aus. Weit und breit war kein Posten zu sehen.
Das Camp war sehr weitläufig angelegt, und der Exerzierplatz eine gute Meile entfernt. Dort standen sie jetzt alle, auch die Posten. Die Verantwortung für diesen Verstoß gegen die Dienstvorschriften hatte der Mann übernommen, der sich Colonel Andrews nannte.
Die Männer sprangen von den Wagen und brachten Drahtscheren zum Vorschein. Innerhalb weniger Minuten hatten sie ein, großes Stück aus dem Zaun herausgeschnitten. Die Trucks wendeten und schoben sich rückwärts durch die Lücke, bis unmittelbar vor die Steinbaracken. Die Ladeklappen wurden geöffnet. Inzwischen hatten andere schon das Tor der ersten Baracke aufgebrochen. Die Zivilist, der das Kommando anführte, warf seine Zigarre weg und stelzte herbei. Prüfend wanderte sein Blick über die Reihe der im Inneren der Baracke aufgestapelten Kisten.
„Die da sind die richtigen“, sagte er und bezeichnete einen Stapel länglicher Kisten.
Sofort begannen die Männer, die Kisten herauszutragen und auf die Trucks zu verladen. Der Anführer warf einen Blick auf seine Uhr. Es war kurz nach achtzehn Uhr.
„Beeilt euch, Leute!“ drängte er. „In zehn Minuten müssen wir verschwinden.“
Die Männer arbeiteten fieberhaft. Kiste um Kiste wurde herausgetragen und in den Trucks verstaut.
Inzwischen ging der Mann im Straßenanzug zur nächsten Baracke und inspizierte das Tor. Es war genau wie das erste mit einem modernen Sicherheitsschloß versperrt. Er brachte einen Spezialdietrich zum Vorschein und fingerte eine Weile daran herum. Dann öffnete er das Tor so mühelos, wie man ein Brötchen aufschneidet. Bei dieser Prozedur trug er Handschuhe.
Der Torflügel schwang auf und gab den Blick auf das Innere der Baracke frei. Sie war leer.
Er nickte vor sich hin und sah auf die Uhr.
„Noch fünf Minuten!“ rief er.
Die Männer verdoppelten ihre Anstrengungen. Er sog nachdenklich an seiner Zigarre und beobachtete die Umgebung. Nichts rührte sich. In den Bäumen zwitscherten die Vögel. Der Appellplatz war weit und von hier aus nicht zu sehen. Bäume versperrten die Sicht.
Nach einem erneuten Blick auf die Uhr ging der Mann hinüber zu dem Truck, wo einer seiner Leute die Anzahl der Kisten in eine Liste eintrug.
„Wieviel haben wir, Sam?“
„Gleich zweihundert!“
„Das reicht. Machen wir Schluß!“
Kommandos schwirrten durch die Luft; die Ladeklappen wurden geschlossen. Die Männer sprangen auf die Trucks. Ihr Anführer warf einen letzten Blick auf den Schauplatz und schwang sich dann in das Fahrerhaus des ersten Trucks.
„Abfahren, Sam!“ schnarrte er.
Zwei Minuten später hatte sich das Motorengeräusch der Trucks hinter den Bäumen verloren.
*
Eine Viertelstunde später war der Appell vor der Kommandeursbaracke beendet. Dann gab es noch eine Verzögerung, weil die Wachablösung unmittelbar bevorstand. Die Männer, die an sich noch Dienst hatten, wollten nicht mehr auf Posten gehen, und die Ablösung fand, daß es keinen Grund gab, den Dienst zu früh zu beginnen.
Die Zugführer schlichteten den Streit und schickten die Posten hinaus. Murrend folgten die Leute. Postenstehen in Camp Morehouse war eine höchst langweilige Angelegenheit. Es passierte doch nie etwas.
Um genau neunzehn Uhr fünfzehn tauchte Soldat Ronny Regan vor den Steinbaracken auf. Er hatte den Helm zurückgeschoben, das Gewehr lässig auf den Rücken gehängt und gedachte, eine ruhige Kugel zu schieben.
Er merkte trotzdem, daß etwas nicht stimmte. Er sah das offene Tor und die Lücke im Zaun, sperrte den Mund auf und dachte angestrengt nach. Das Ergebnis dieser Überlegungen war dergestalt, daß er den Mund nicht mehr zubekam.
Fünf Minuten später war Captain Holmes informiert. Der Captain schlug ein halbes Dutzend Saltos und brachte binnen drei Minuten das gesamte Lager auf Trab. Dann schoß er ans Telefon. Aber er mußte feststellen, daß die Leitung gestört war.
So jagte er einen Jeep nach Morehouse Village.
Es verging wertvolle Zeit, bis das Oberkommando, die Polizei, FBI, CIC und CIA von dem erfuhren, was die New Yorker Zeitungen später den „unverschämtesten Armeeeinbruch des ganzen Jahrhunderts“ nannten.
Die Gangster hatten an diesem Tag fast zweitausend Armeekarabiner erbeutet. Legte man einen Stückpreis von hundert Dollar zugrunde, betrug der Wert der Beute zweihunderttausend Dollar. Auf dem freien Markt — ganz besonders in gewissen heißen Gegenden der Welt — lag er vermutlich noch beträchtlich höher.