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1. Kapitel

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Little Tupper wußte, wieviel das Geheimnis wert war, das er als einziger kannte, und trotzdem machte er einen entscheidenden Fehler

Little Tupper trug seinen Namen zu Recht. Er hafte nicht nur ein Spitzmausgesicht mit lückenhaften Zähnen, sondern maß keine fünf Fuß. Dazu trug er das Kinn ständig auf der Brust und blinzelte mit seinen Knopfaugen wie eine Eule im Luftzug. Er trug seit genau 24 Stunden den praktischen Drillichanzug aus der staatlichen Kleiderkammer und als besondere Verzierung eine vierstellige Nummer aufgepinselt.

Little Tupper hing trübseligen Gedanken nach. Seine knochigen Finger trommelten nervös auf das eiserne Bettgestell seiner Pritsche im Untersuchungsgefängnis New Brunswick. Vor einer halben Stunde hatte er erfahren, daß er noch heute in das berüchtigte New Yorker State Prison gebracht werden sollte. Seine Gedanken kreisten immer wieder um die Möglichkeit, sich möglichst schnell und endgültig zu empfehlen. Daran hinderten ihn im Moment nur ein paar Dutzend Wärter und etliche gut verschlossene Türen.

Little Tupper wußte, daß er kostbares Wissen in seinem mittelmäßigen Gehirn beherbergte. Es gab Leute, die ihm glatte 50 000 Dollar dafür hinblättern, würden. Oder auch eine Kugel, je nach Veranlagung.

Zwanzig Minuten vor fünf war es soweit. Rasselnd drehte sich der Schlüssel im Schloß. Mit sattem Schmatzen flog die Eisentür auf. Zwei Wärter erschienen, nickten dem Untersuchungshäftling zu und packten ein Paar solide Handschellen aus.

„Vorschrift“, nuschelte der eine. „Steck deine Pfötchen durch und sei ein braver Junge.“

„Und mein Rheuma?“ empörte sich Little Tupper. „Könnt ihr nicht mal eine Ausnahme machen?“

Trotzdem ballte er die Hände zu Fäusten und streckte sie vor. Klickend schlossen sich die Handschellen, und mit einer Spepzialkette schloß der eine Wärter Little Tupper an sich an. Dann nahmen sie ihn in die Mitte und führten ihn durch den endlos längen Korridor. Dumpf hallten die schweren Schritte auf dem eisenbeschlagenen Fußboden. Sie mußten vier Tore passieren, stiegen eine Treppe hinab und kamen an der Hauptwache vorbei. Hier erhielt einer der Wärter die nötigen Papiere, und kurz darauf standen sie vor dem Transportwagen, der einsam auf dem gepflasterten Hof parkte. Ein Mann in blauer Polizeiuniform saß hinter dem Steuer und sah ihnen mit unbewegtem Gesicht zu.

Die Tür zur Ladefläche wurde aufgeschlossen, dann nahmen sie Little Tupper seine Handschellen ab.

„Amüsier dich gut“, brummte einer der Wärter und ließ ihn einsteigen.

„Wo bleibt der Whisky?“ kicherte Little Tupper, während die Tür sich schloß. Sie wurde zweimal verschlossen, dann stieg einer der beiden in das Fahrerhaus. Der andere Wärter ging zum Tor und gab den Weg für den Gefangenentransporter frei. Tuckernd sprang der Diesel an, dann setzte sich der Wagen in Bewegung.

Little Tupper hatte nicht die geringste Lust, dem Staatsanwalt Rede und Antwort zu stehen. Er wußte als einziger, wo sich die Beute aus dem Überfall auf die Farmers Bank von Edmunston befand, und war sich bohrender Fragen gewiß. Seine beiden Kollegen hatten den Fehler begangen, die Polizisten mit einer Maschinenpistole zu empfangen. Der Schußwechsel hatte zehn Minuten gedauert. Zurück blieben zwei tote Gangster und drei verwundete Polizisten, Er jedoch hatte keinen falschen Ehrgeiz entwickelt und folgsam die Hände gehoben, als sie ihn morgens um halb sieben in dem Motel am Stadtrand von New Brunswick verhafteten.

Little Tupper saß auf der Holzbank und preßte die Nase an das vergitterte Luftloch. Er sah noch die Holzhäuser von New Brunswick mit den vielen Ahornbäumen. Es würde noch fünf Minuten dauern, bis sie die Bundesstraße erreicht hatten.

Blitzschnell huschte er von der Bank, kauerte sich unterhalb des kleinen vergitterten Fensters zum Fahrerhaus hin, so daß er im toten Winkel saß und nicht gesehen werden konnte. Es war das Werk weniger Sekunden, das rechte Hosenbein bis obenhin zu rollen und das dort angebrachte Heftpflaster zu lösen. Er hatte es neben einer Kratzwunde angebracht, die er sich selbst beigebracht hatte, und war unbehelligt durch die Untersuchung gekommen. Zufrieden grinsend holte er den kleinen Universaldietrich heraus, den er auf der Haut getragen hatte, und ließ ihn in der Hosentasche verschwinden. Er wußte, daß er in New York nicht damit durch die Kontrolle kommen würde. Diese faulen Tricks waren dort schon seit Jahren bekannt.

Das Schauloch nach vorn konnte er nicht verhängen. Andererseits hatten ihn die Fahrer ziemlich genau im Blickfeld, wenn er hinten stand und das Schloß zu knacken versuchte. Little Tupper überlegte eine Minute, dann schlüpfte er mit den Armen aus der Jacke und steckte die leeren Ärmelenden in die Seitentaschen. Vorsichtig schob er sich nach hinten und stellte sich breitbeinig vor die Tür, die ebenfalls ein vergittertes Fenster hatte. Für einen flüchtigen Beobachter sah es so aus, als starre er sehnsuchtsvoll in die freie Landschaft. In Wirklichkeit steckte er den Dietrich ins Schlüsselloch und versuchte, die richtige Einstellung zu finden.

„Fall nicht raus!“ rief ihm einer der Fahrer zu und lachte schallend. Little Tupper zuckte zusammen und rührte sich nicht. Erst als er merkte, daß der Wagen langsam weiterrollte, wagte er wieder aufzuatmen und arbeitete weiter. Schweißperlen standen auf seiner Stirn und er blinzelte schneller als ein Maschinengewehr schießt. Trotzdem waren seine Fingerspitzen ruhig und arbeiteten konzentriert. Es war zwar ein altmodisches Schloß, aber immer noch kompliziert genug. Sechsmal hatte Little Tupper schon das Standbein gewechselt, als das Schloß zum erstenmal schnappte. Er spürte das Geräusch in den Fingerspitzen und unterdrückte einen Pfiff. Wenn es sich noch einmal herumdrehen ließ, war der Weg in die Freiheit offen.

Er warf einen Blick über die Schulter und sah, daß den beiden Begleitern seine Aktivität noch nicht aufgefallen. Mit einer letzten Anstrengung hob er alle Zuhaltungen an und hatte Sekunden später den Dietrich verschwinden lassen. Das Schloß war jetzt unversperrt.

Der Wagen bremste kreischend, und Little Tupper stolperte zu seinem Sitz. Der Puls ging doppelt so schnell wie normal, und er wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Vorn hörte er den Fahrer fluchen, dann hielt der Wagen. Sie hatten die Stadtgrenze von New York City erreicht und waren in eine Stauung geraten. Hinter ihnen stand ein Überlandtruck aus Texas, dessen mächtiger Kühler keine drei Fuß Abstand vom Transporter hielt. Hier traute sich Little Tupper noch nicht auszusteigen. Er hatte gehofft, im dichten Stadtverkehr von Manhattan einen günstigen Augenblick zu finden.

Nach ein paar Minuten fuhr der Wagen wieder an. Little Tupper peilte durch das Seitenfenster und sah einen Streifenwagen parken. Zwei Verkehrs-Cops winkten den Wagen durch und sperrten dann die Durchfahrt. Der Truck blieb zurück, und hinter ihnen ergoß sich der Querverkehr über die Straße. Noch rollte der Transporter langsam, und die Fahrer waren mit dem Verkehr vorn beschäftigt. Wie ein Wiesel huschte Little Tupper nach hinten, hörte den zweiten Gang auf Touren kommen und wartete kurz, bis das Geräusch am lautesten war. Dann drückte er blitzschnell die Klinke herunter, ließ die Tür aufschwingen und huschte hinaus. Er kauerte sich auf das Trittbrett und ließ die Tür sofort wieder zufallen. Das klickende Geräusch ging im Motorenlärm unter. Keiner der beiden Fahrer hatte etwas gemerkt.

Am Horizont tauchte der erste Wagen auf, und Little Tupper riskierte es. Er sprang nach hinten ab, rollte sich wie ein Igel zusammen und schlug auf der Straße auf. Rasch kam er wieder auf die Füße, raste seitlich auf das Maisfeld zu und sah aus den Augenwinkeln heraus die Bremslichter des Transporters aufleuchten.

Seine Schnelligkeit kam ihm jetzt zugute. Mit einem Hechtsprung verschwand er im knapp mannshohen Maisfeld. Ein paar Kugeln pfiffen durch die Luft und rauschten irgendwo durch die Halme.

Die beiden Wärter hatten den Schatten auf der Straße gesehen, sich sofort überzeugt, daß die Ladefläche leer war, und hatten den Wagen mitten auf der Straße stehenlassen. Gleichzeitig rissen sie die Türen auf, sprangen mit einem Satz auf den Asphalt und schossen schon im Laufen. Sie rannten dreißig Meter zurück und stürzten sich an der Stelle ins Feld, wo Little Tupper verschwunden war. Mit beiden Armen pflügten sie durch die wogende Pracht, stießen wütende Flüche aus und schossen wahllos auf alle sich bewegenden Halme.

Nach einer halben Stunde sahen sie ein, daß Little Tupper ihnen entkommen war. Nur mit einer Hundertschaft hätte man jeden Quadratmeter untersuchen können. So aber mußten sie es aufgeben.

Mit verkniffenen Gesichtern kehrten sie zur Straße zurück. Hier hatte sich inzwischen ein Auflauf gebildet. Mit heulender Sirene jagte gerade ein Streifenwagen heran. Zwei Polizisten sprangen heraus und wollten die Fahrer wegen Verkehrsgefährdung anraunzen, als einer abwinkte.

„Verbinden Sie mich mit der Zentrale New York“, sagte der Wärter und kletterte in den Streifenwagen. Er bekam die gewünschte Sprechfunkverbindung und gab seinen Bericht durch.

„Mann“, sagte der Sergeant und schob sich die Mütze ins Genick, „in Ihrer Haut möchte ich jetzt nicht stekken. Das gibt nicht nur eine Zigarre von oben, sondern gleich eine ganze Kiste voll.“

Achselzuckend ging der Wärter zum Wagen und stieg ein. Er fuhr weiter nach New York und bereitete sich seelisch schon auf den Anpfiff vor. Es war ihm noch immer ein Rätsel, wie der Gefangene den verschlossenen Wagen hatte verlassen können, aber dafür waren die Spezialisten zuständig. Sie sollten sich mit dem Problem herumschlagen und dann den Schuldigen finden.

*

Drei Minuten vor sechs Uhr parkte Privatdetektiv Joe Barry seinen Wagen im Hof des Police Center. Kurz darauf stand er vor der Glastür mit der Aufschrift „Mordkommission C/II“ und wartete, bis der Sekundenzeiger auf der Zwölf stand. Dann riß er die Tür auf und stand Punkt sechs Uhr in Antony Starrs Büro.

„Gewonnen!“ verkündete er und schob den Hut in den Nacken.

„Okay, das ist das erste Mal, daß du pünktlich bist“, brummte Tom und schob einen Schwung Akten in die Schreibtischschublade. „Für heute ist Schluß.“

Kritisch musterte er Joes neue Krawatte und setzte gerade zu einer passenden Bemerkung an, als das Telefon klingelte.

„Ich würde sagen, du bist schon weg“, riet Joe und starrte argwöhnisch auf den weißen Kasten.

„Du hast eben keine Moral“, dozierte Captain Rowland und hob ab. Er lauschte ein paar Minuten verblüfft, dann schüttelte er den Kopf. Joe sah sofort, daß etwas Unangenehmes vorgefallen sein mußte.

„Anfänger!“ knurrte Tom wütend und knallte den Hörer auf die Gabel.

„Angenehm, Barry“, gab Joe zurück.

Tom ging nicht darauf ein.

„Der Raubüberfall auf die Farmers’ Bank ist doch noch nicht abgeschlossen“, sagte Tom wütend. „Ich erhielt soeben die Nachricht, daß der einzige Überlebende der Bande aus dem Polizeigewahrsam entkommen ist. Er allein kennt das Versteck der Beute von über 300 000 Dollar, und außerdem hat er zwei Kassierer auf dem Gewissen.“

„Little Tupper?“ fragte Joe verblüfft.

„Genau. Der Kerl stammt aus dem Mittelwesten, und wir haben keinen Anhaltspunkt, wo er hier in der Gegend untertauchen will.“

„Und du wirst jetzt also deinen Feierabend opfern und den entflohenen Untersuchungshäftling jagen gehen“, stellte Joe seufzend fest.

„Wozu habe ich meine Leute?“ erwiderte Tom grinsend und griff nach dem Telefon. Das Schrillen des Apparates erklang bereits zum drittenmal.

Am anderen Ende war der Direktor der Farmers’ Bank, der die Nachricht sofort erhalten hatte und wie ein Wasserfall loslegte.

„Zum Teufel, ich habe ihn nicht laufenlassen!“ fauchte Tom nach drei Minuten, „Sie können sich ja einen Privatdetektiv nehme wenn Sie der Polizei nicht trauen.“

Joe rutschte bereits vom Tisch und strebte der Tür zu.

„Augenblick, ich verbinde.“ Tom winkte Joe zu. „Privatdetektiv Joe Barry ist zufällig hier.“

Der Captain achtete nicht auf Joes beschwörende Armbewegung und drückte ihm den Hörer in die Hand. Eine Weile hörte Joe unbewegt zu, dann akzeptierte er plötzlich.

„Okay, Sie kennen meine Bedingungen?“

„Plus tausend Dollar Erfolgsprämie“, sagte der Direktor und knallte auf.

„Schuft!“ sagte Joe mit Grabesstimme und verschwand auf den Flur. Er fuhr auf direktem Wege zum State Prison und stand kurz darauf vor dem Transporter, der von einem Dutzend Beamten wie ein Hut mit doppeltem Boden bestaunt wurde.

„Keine Beschädigung am Schloß“, meldete einer. „Er muß einen perfekten Dietrich besessen haben, oder es war nicht abgeschlossen.“

„Es war“, widersprach der Fahrer. „Ich sah ihn zwar im Rückspiegel gut zehn Minuten lang am hinteren Fenster stehen, aber er hatte beide Hände in den Taschen.“

„Dann hat er mit der großen Zehe aufgeschlossen“, sagte Joe sanft. Wütende Blicke streiften ihn. „Oder Little Tupper hat die Jackenärmel in die Taschen gesteckt. Dann konnte er am Schloß hantieren, ohne daß es vom Fahrerhaus aus auffiel. Auf jeden Fall ist er doch durch die Tür entkommen.“

„Seine Prints sind sowohl an der Außenklinke als auch am Haltegriff zu finden?“

„Und wo ist er entkommen?“ fragte Joe, als er die Landkarte sah, die der Fahrer in der Hand hielt. Der Mann zeigte ihm den genauen Punkt. Es war eine einsame Stelle.

Viel war hier nicht mehr zu erfahren. Joe stieg wieder in den Wagen. Little Tupper war in der Nähe von New Brunswick festgenommen worden, nachdem die dortige Farmers Bank ausgeraubt worden war. Nähere Informationen konnte er nur von der dortigen Polizeistation erhalten.

Durch den Holland Tunnel wälzte sich eine unabsehbare Autoschlange, aber als Joe endlich den New Jersey Turnpike erreicht hatte, konnte er voll aufdrehen. Der Wagen schoß vorwärts, und auf der linken Spur kam er schnell vorwärts. Bei der Abzweigung Plainfield bog er auf den Highway 202 ein und war knapp zwanzig Minuten später in New Brunswick. Hier fuhr er erst zum Untersuchungsgefängnis und ließ sich beim Direktor anmelden.

Der Raum war randvoll, die Luft zum Schneiden dick und die Stimmung glich einem Tornadozentrum. Leise, aber explosiv. Er stellte sich den anwesenden Beamten vor und bekam erst einmal einen kurzen Bericht über die Vorzüge der allzu humanen Gefangenenbehandlung. Endlich kam der Leutnant der Police zum eigentlichen Thema und gab ihm eine genaue Auskunft darüber, wo die beiden Gangster überwältigt und Little Tupper festgenommen worden war.

„Sie haben keine Ahnung, wo das Versteck des Geldes sein könnte?“ fragte Joe.

„Keine“, knurrte der Leutnant. „Das heißt, so gut wie keine. Einer der beiden Gangster lebte noch ein paar Minuten, als wir ihn fanden. Ich habe ihn selber danach gefragt, und er murmelte ein paar unverständliche Worte. Das einzige, was ich verstanden habe, war „Suzy‘. Aber was das bedeuten soll, weiß der Henker.“

„Haben Sie die Akten über die Burschen hier?“ wandte Joe sich an den Direktor.

„Alle“, lautete die Auskunft. „New York hat nur Kopien.“

Er gab Joe den Stoß. Barry zog sich in eine Ecke zurück und angelte sich als erstes die Akte über Tommy Wayland heraus. Das war der erschossene Gangster, der in den letzten Minuten „Suzy“ gesagt hatte.

„Die Mühe haben wir uns auch schon gemacht“, sagte der Direktor mürrisch. Joe ließ sich nicht beirren. Als nächstes ackerte er die Akte von York Galeton, dem zweiten der erschossenen Gangster durch und überflog sie. Galeton hatte eine noch größere Vorstrafenliste als Wayland. Raubüberfälle waren bei ihm an der Tagesordnung. Den letzten vor dem Bankraub hatte er in Somerville begangen. Eine knappe Tatbeschreibung lag bei. Die Geschäftsinhaberin, die er um die Tageseinnahmen brutal erleichtert hatte, hieß Ashland.

Joe zog den Leutnant auf die Seite und quetschte ihn aus. Der Polizeioffizier hatte den Fall noch im Kopf und sah Joe mißbilligend an.

„Miß Ashland ist an den Folgen der brutalen Schläge gestorben“, knurrte er. „Vor zwei Wochen. Sie glauben doch nicht, daß einer der Gangster gemeinsame Sache mit ihr gemacht hat, bevor er sie umbrachte?“

„Ich glaube gar nichts“, sagte Joe. „Hat sie Angehörige?“

„Keine. Sie liegt auf dem hiesigen Zentralfriedhof. Dritte Reihe, Grab 124.“

Er ließ Joe stehen, als zweifle er an seiner geistigen Verfassung. Joe nahm es ihm nicht übel. Ihn hatte ein einziger Buchstabe stutzig gemacht, der unter einem Protokoll stand.

Als er ein Telefonbuch entdeckte, schlug er die Seiten von Somerville auf. Ashlands gab es nur zwei. Die Inhaberin des Geschäftes hieß Suzy Ashland.

Auf einem Stadtplan von New Brunswick prägte Joe sich die Lage einiger wichtiger Gebäude ein. Langsam fand er seine Idee doch nicht so absonderlich, aber er hütete sich, mit den anderen darüber zu reden.

Die Farmers Bank lag keine zwei Minuten vom Friedhof entfernt. Was war unauffäliger, als von einem frisch geschaufelten Grab ein paar Handvoll Erde zu entfernen und einen Plastiksack mit Geldscheinen zu verbuddeln? Kein Mensch würde auf die Idee kommen, hier danach zu suchen.

Unauffällig verdrückte er sich und fuhr zur Farmers Bank. Sie war längst geschlossen, aber ihn interessierte auch nicht der Kassenraum, sondern der mögliche Fluchtweg. Als niemand in der Nähe war, setzte er über den niedrigen Zaun des Nachbargrundstücks, lief über den ungepflegten Rasen und war zwanzig Sekunden später an der Hecke des Friedhofs. Auf allen vieren kriechend untersuchte er sie mit der Taschenlampe, bis er einen Durchschlupf fand. Es war nur ein schmales Loch, aber die Zweige ließen sich zur Seite biegen. Auf einem Kiesweg kam er heraus, der an einer Seite von dichten Birkenreihen gesäumt war. Es war dunkel genug, um ungesehen die Reihen der Gräber entlanggehen zu können.

Joe fand ohne Mühe das bezeichnete Grab. Er kauerte sich nieder und ließ den Strahl der Lampe über eine der Schleifen wandern.

Ein Grabstein stand noch nicht, die Erde war noch ziemlich frisch. Ein gutes Dutzend verwelkter Kränze aller Größen lag auf dem Grab. Es würde schwierig sein, die Erlaubnis zu erhalten, hier nach der versteckten Beute zu suchen. In der Bevölkerung war die Erregung über das scheußliche Verbrechen noch nicht abgeklungen, und der Ruf der pietätlosen Grabschändung verbreitete sich rasch.

Unentschlossen zog Joe sich zurück und versteckte sich hinter den Birken. Wenn seine Theorie stimmte, mußte Little Tupper hier auftauchen. Er hatte bei seiner Flucht keinen einzigen Cent bei sich gehabt, und seine wenigen Habseligkeiten lagen beschlagnahmt im Gefängnis. Nur seinen Staatsanzug hatte er vor Antritt der Fahrt gegen seinen Zivilanzug vertauschen dürfen, der aber gründlich gefilzt worden war. Außer seinem Dietrich besaß er keinen Wertgegenstand mehr.

Die Chance, daß er zu der versteckten Beute zurückkam, war 50:50. Genausogut konnte er auch irgendwo in der Nähe einen Einbruch begehen und sich das nötige Kleingeld holen. Joe rechnete jedoch damit, daß Little Tupper zu vorsichtig sein würde. Seine Flucht war inzwischen in den Nachrichten der Rundfunk- und Fernsehstationen durchgegeben worden, und die Abendblätter würden die Sache auf der ersten Seite bringen.

Joe verzichtete auf eine Zigarette und richtete sich auf eine längere Wartezeit ein. Für den Fall, daß seine Theorie falsch war, hatte er nichts gesagt. Außerdem war es zweifelhaft, ob die Cops seiner Theorie folgen würden.

Plötzlich hörte er ein leises Rascheln in den Büschen. Er holte geräuschlos die Automatic aus der Halfter und packte den Kolben fest. Dann legte er sich platt auf den feuchten Rasen und wartete.

Privatdetektiv Joe Barry - Den letzten fressen die Geier

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