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3. Kapitel

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„Eine ärgerliche Sache, Mr. Walker“, sagte der Offizier der Air Force und strich sich über das kurzgeschorene graue Haar. Er war groß, und sein Gesicht hatte die rötliche Färbung, die man bei Berufsoffizieren häufig findet. „Wir haben den Splitter untersuchen lassen. Er stammt von einer Cushing Flugabwehrrakete.“

„Ist das eine Geheimwaffe?“ erkundigte sich Joe.

„Geheim ist bei uns alles — selbst die Tintenfässer und Briefbeschwerer“, sagte der Offizier. Er erhob sich und stellte sich an das Fenster.

Tief unter ihnen brodelte der Verkehr. Joe befand sich im Büro des stellvertretenden LüftwaffenStabschefs in New York. Er hatte den Splitter, den Gonzales ihm gegeben hatte, dorthin gebracht, und jetzt lag das Ergebnis der Untersuchung vor.

„Die Cushing“, erläuterte der Colonel, „ist vor drei oder vier Jahren von den Cushingwerken entwickelt worden. Sie ist Speziell für den Einsatz in tropischen Ländern gebaut und als Abwehrwaffe gegen langsam fliegende Flugzeuge gedacht. Sie wird von einem Gestell abgefeuert und steuert ihr Ziel automatisch an. Das Prinzip ist nicht gerade neu. Schon die Deutschen im Zweiten Weltkrieg hatten so etwas ähnliches.“

„Wieviel Mann sind notwendig, um die Rakete zu transportieren?“

„Zwei“, sagte der Colonel. „Einer trägt das Gestell, der andere die Rakete.“

„Gehört eine besondere Ausbildung dazu, sie zu bedienen?“

„Nun — man muß wissen, wo der Drücker ist und wo man sich nicht hinstellen darf“, grinste der Colonel. „Aber im Prinzip ist es nicht viel schwerer, als ein Gewehr abzufeuern.“

„Und jetzt die Gretchenfrage …“

„Ich weiß“, seufzte der Colonel. „Wie kommt das verdammte Ding nach Brasilien?“

„Vielleicht gehört sie zu den Waffen, die unsere Regierung nach Lateinamerika geliefert hat.“

„Nein. Die Cushing gehört in die Rubrik C II.“

„C II?“ fragte Joe verständnislos.

„Darunter fallen Waffen und Geräte, die nicht an andere Nationen verkauft werden dürfen.“

„Also muß sie hier gestohlen worden sein.“

„Das ist sie auch“, gab der Colonel zu. „Mr. Walker, es ist mir ausgesprochen unangenehm, diese Dinge mit Ihnen als Zivilisten erörtern zu müssen. Es wäre noch unangenehmer, wenn etwas darüber in die Öffentlichkeit dringen würde.“

„Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich sämtliche Informationen für mich behalten werde.“

„Gut. Also passen Sie auf. Im vergangenen Monat wurde ein Einbruch in ein Waffendepot des Marinekorps in der Nähe von Atlantic City entdeckt. Gestohlen wurden mehrere Maschinengewehre, Handfeuerwaffen in größerer Zahl, Munition, Hangranaten.“

„Und eine Cushing?“

„Sechs“, sagte der Colonel und verzog das Gesicht. „Sechs von den Dingern wurden gestohlen. Eine höchst peinliche Geschichte.“

„Wie war das möglich?“ fragte Joe. „Ich war selbst mal beim Marinekorps und …“

„Ich weiß, was Sie sagen wollen. Der Einbruch war nur möglich, weil Angehörige der Truppe an ihm beteiligt waren. Darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel. Selbstverständlich haben wir eine umfassende Untersuchung eingeleitet, die aber nichts ergab. Zu unserem Pech lag der Einbruch schon eine ganze Weile zurück, bevor er entdeckt wurde. Im selben Zeitraum war ein Entlassungstermin, bei dem zahlreiche Soldaten entlassen wurden. Ich fürchte, unsere Untersuchungen bleiben weiter ergebnislos. Dieser Splitter da ist der erste brauchbare Hinweis, Mr. Walker.“

„Es wäre doch denkbar, daß die Rakete aus einem anderen Einbruch stammt“, sagte Joe.

Der Colonel schüttelte den Kopf.

„Sie glauben wohl, so etwas gibt es am laufenden Band? Tut mir leid, aber da schätzen Sie das Heer der Vereinigten Staaten falsch ein. Es hat keinen anderen Fall gegeben.“

„Fassen wir also zusammen“, sagte Joe. „Die Cushing Rakete wurde aus einem Depot bei Atlantic City unter Beteiligung von Angehörigen des Marinekorps gestohlen; mangels Spuren und wegen der Vielzahl der möglichen Täter blieben die Ermittlungen ohne Erfolg. Jetzt tauchte eine Rakete in Brasilien auf, wo sie von Gangstern bei einem Mord benutzt wurde.“

„Ja, so kann man es formulieren.“

„Daraus können wir ein paar Schlußfolgerungen ziehen“, sagte Joe. „Die erste ist, daß hinter dem Diebstahl offensichtlich Leute stehen, die sich mit dem Waffenschmuggel nach Lateinamerika befassen.“

„Und die zweite?“

„Daß meine speziellen Kunden in diesem Fall daran beteiligt sind. Angenommen, ich treffe auf einen Verdächtigen, der vor kurzem aus dem Marinekorps in Atlantic City entlassen wurde …“

„Können Sie getrost einen Haftbefehl beantragen“, meinte der Colonel.

*

„Der gute alte Speedy“, sagte Lieutenant Antony Starr und legte die Beine auf den Schreibtisch. „In Brasilien steckt er also. Schau einer an.“

Es war eine Stunde später. Joe war in das Büro von Captain Rowland gefahren, dem Chef der Mordkommission IIc Manhattan. Seit ihren gemeinsamen Tagen in Korea war der Captain sein bester Freund — was man allerdings nicht ohne weiteres erkennen konnte, wenn man ihnen zuhörte.

„Als ich den Namen hörte, dachte ich gleich an dich“, sagte Joe. „Wenn ich mich recht entsinne, hast du zwei Jahre lang vergeblich versucht, den Burschen zu überführen.“

„Was den Umgang mit dir so erfreulich macht, ist deine feine Art, die Mitmenschen an ihre Mißerfolge zu erinnern“, sagte der Captain. „Aber in diesem Fall irrst du. Ich habe Speedy überführt. Ich weiß genau, daß er ein Mörder ist.“

„Nur?“

„Mir fehlen die Beweise.“

„Wie so oft“, grinste Joe.

Der Captain steckte sich eine der dikken Brasil an, die er neuerdings gelegentlich rauchte.

„Du kannst mich gar nicht ärgern“, sagte er. „An Jack Speedy beißt du dir die Zähne aus. Das weiß ich jetzt schon, und darum erschüttern mich deine Bemerkungen überhaupt nicht.“

„Weshalb sollte ich ihn nicht schaffen?“ er kundigte sich Joe.

„Ha“, schnaubte der Captain. „Wenn du dir einbildest, du könntest von mir auf billige Art Informationen bekommen, irrst du dich. Euch Privatdetektive muß man kurzhalten. Wofür kriegt ihr denn die dicken Spesen? Strengt euch gefälligst selbst an.“

„Tom, alter Knabe“, sagte Joe sanft.

„Naja“, sagte der Captain. „Ein paar Tips will ich dir geben. Aus purem Mitleid. Wie du jetzt dasitzt und nicht weißt, wie du den Fall angehst, kannst du einem schon ordentlich leid tun. Also, Jack Speedy ist ein Gangster reinsten Wassers.“

„Nein?“ tat Joe erstaunt.

„Ein paar Jahre hielt er sich in New York auf und faßte jedes Geschäft an, wenn es nur schmutzig genug war.“

„Was, zum Beispiel?“

Rauschgifthandel, Waffenschmuggel, Erpressung, Diebstahl, Mord — du brauchst nur das Strafgesetzbuch durchblättern, und wo du ein Delikt findest, das mit mehr als fünf Dollar Strafe bestraft wird, kannst du getrost einen Haken machen.“

„Du hast aber eine ziemlich schlechte Meinung von ihm.“

„Habe ich auch“, versicherte der Captain grimmig. „Als er seinen ersten Mord beging, kam ich mit ihm in Berührung. Die Kollegen vom Dezernat D hatten einen von Speedys Leuten dahin gebracht, daß er aussagen wollte. Auf dem Weg zum Untersuchungsrichter wurde der Transportwagen überfallen und der Mann ermordet. — Wer, meinst du wohl, steckt dahinter?“

„Nun sag nur nicht, Jack Speedy.“

„Joe, du kannst den Kriminalisten nicht verleugnen“, grinste Tom. „Der Fall trug so eindeutig seine Handschrift, daß man ihn hätte getrost vor Gericht stellen können. Leider ging das nicht. Ich ermittelte also gegen ihn und versuchte, Beweise heranzuschaffen.“

„Und?“

„Ohne Erfolg. Ich heizte ihm ganz schön ein. Ich schaffte es, seine ganze Bande hochgehen zu lassen. Aber Speedy traf ich damit nicht. Keiner wagte es, gegen ihn auszusagen. Die Leute hatten das Beispiel ihres ermordeten Komplizen vor Augen. Und ohne Zeugenaussagen konnte ich nichts gegen ihn unternehmen, Aber immerhin merkte er, daß der Boden in New York zu heiß für ihn geworden war und setzte sich ab. Das war wenigstens ein Teilerfolg.“

„Wußtest du, was er in Brasilien trieb?“

Der Captain schüttelte den Kopf.

„Nein; Du bist der erste, der mir das sagt. Ich wußte nur, daß er eine Menge Geld nach Südamerika gebracht hatte. Aber da unser Material nicht zu einem Haftbefehl ausreichte, konnten wir ihn weder am Überschreiten der Grenze hindern, noch konnten wir Interpol bemühen. Wir haben lediglich den Kellegen in Rio einen vertraulichen Tip gegeben, aber die haben sich bedankt und mitgeteilt, daß Speedy ein großer Strolch sei, wüßten sie auch so. Was sie nicht mitgeteilt haben, ist, daß er ein guter Steuerzahler ist. Das dürfte der Grund sein, weshalb man ihn nicht ausgewiesen hat.“

„Kannst du mir etwas über ihn sagen — ich meine, wie ist er? Welcher Typ?“

Tom überlegte.

„Bullig“, sagte er dann, „drei Querfalten im Nacken, Knollennase, polternd. Ausgesprochene Führernatur, gefährlich intelligent und absolut bedenkenlos, Umgibt sich immer mit einer Garde von Killern. Der Aufenthalt in Brasilien wird ihn nicht gerade zu seinem Vorteil verändert haben.“

„Glaubst du, daß er imstande ist, einen Mann aus persönlichen Motiven fertigzumachen?“

„Du denkst an diesen Gonzales? Nein, das glaube ich nicht. Speedy tut nichts, wenn es nicht zu seinem Vorteil geschieht. Gonzales wird ihm im Wege sein. Das kann ich mir gut vorstellen Speedy ist der geborene Monopolist. Wenn er eine Branche will, will er sie ganz — ohne jede Konkurrenz. Für dieses Ziel ist ihm jedes Mittel recht.“

„Das klingt ja ziemlich vielversprechend“. sagte Joe und blickte auf die Uhr. „Ich muß mich beeilen. Ich fliege heute ab und habe noch eine Menge zu tun.“

„Beneidenswert“, knurrte der Captain und sah zum Fenster hinaus, wo der Regen gleichmäßig auf die Stadt fiel. „Da unten muß es jetzt traumhaft sein — Sonne, Palmen, weißer Strand, braungebrannte Menschen.“

„Ganz besonders die wunderbaren Menschen“, grinste Joe.

„Ich werde mal mit dem Attorney reden“, überlegte Tom. „Eigentlich ermittle ich immer noch gegen Speedy. Wenn es einigermaßen erfolgversprechend aussieht, könnte eine kleine Dienstreise nach Rio drin sein.“

„Ich telegraphiere dir, wenn es soweit ist“, sagte Joe.

„Übernimm dich nicht“, riet ihm Tom. „Dieser Speedy zieht dir das Fell über die Ohren, ehe du nur gelernt hast, was auf spanisch Hände hoch heißt.“

„Womit er völlig recht hätte“, grinste Joe. „In Brasilien spricht man nämlich portugiesisch.“

Privatdetektiv Joe Barry - Abrechnung in Rio

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