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1. Kapitel

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Der Mann, der unter dem Namen Nickboy in die Geschichte der amerikanischen Unterwelt eingehen sollte, blieb bis zu seiner Hinrichtung im Staatsgefängnis Scranton, Pennsylvania, in mancher Hinsicht rätselhaft. Es gab nur wenige Dinge, die man über ihn wußte. Dazu gehörte

l. daß Nickboy mit richtigem Namen Nick Romano hieß, aus Neapel stammte und zwischen 1957 und 1959 illegal in die Vereinigten Staaten gelangt war;

2. daß er der Chef einer Bande war, die vom Rauschgifthandel über Kidnapping bis zum Raubüberfall keine Sparte krimineller Möglichkeiten ungenutzt ließ;

3. daß er es meisterhaft verstand, seine Spuren zu verwischen, weswegen man ihm in dieser Hinsicht nichts nachweisen konnte;

4. daß er aber hinreichend überführt war, am 31. Oktober 1962 den Bankkassierer Steve Forester in Utica, New York, vorsätzlich ermordet zu haben.

Während Punkt 2 und 3 von dem Geschworenengericht als zwar wahrscheinlich, aber unbeweisbar betrachtet wurden, sah man Punkt 1 und 4 als erwiesen an. Die Beweise durch Zeugenaussagen und Indizien schienen lückenlos. Nicht zuletzt verdankte man diesen Erfolg einer Sonderkommission der Polizei, die aus New York City in das kleine Utica gekommen war. Das Verbrechen hatte weithin Abscheu erregt; um so anerkennender berichteten die Zeitungen über die erfolgreiche Arbeit der Polizei.

Am 15. März 1963 trat das Schwurgericht in Utica zusammen und fällte nach zweitägiger Verhandlung seinen Spruch. Alle Geschworenen stimmten für schuldig. Nick Romano wurde zur Höchststrafe verurteilt, und das bedeutete Hinrichtung auf dem Elektrischen Stuhl.

Er wurde nach Scranton in die Todeszelle gebracht. Im April 1963 waren alle Revisionsmöglichkeiten erschöpft; ein Gnadengesuch, vom Anwalt des Verbrechers, Cyril Hopkins, gestellt, wurde erwartungsgemäß abgelehnt. Auch ein Appell, den einige Gegner der Todesstrafe an den Gouverneur richteten, blieb ungehört. Cyril Hopkins, der Anwalt, versuchte noch im letzten Augenblick die öffentliche Meinung zu mobilisieren. Er mußte aber erleben, daß die Presse einstimmig gegen seinen Mandanten Stellung nahm. Nick Romano hatte keine Sympathien mehr.

Das Datum der Hinrichtung wurde festgesetzt.

Am 15. Mai war es soweit.

Die grelle Deckenlampe brannte Tag und Nacht; in der großen quadratischen Zelle herrschte eine unerträglich stikkige Luft. Der Gefangene, den man seit sieben Monaten keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte, schlief. Die Zeiger der elektrischen Wanduhr krochen langsam auf sechs Uhr zu.

Mat Mahonney erhob sich aufseufzend. Seit zwei Jahren tat er im Trakt der Todeskandidaten Dienst und noch immer hatte er sich nicht daran gewöhnt. Sein Kollege Pharson war da besser dran; fünfzehn Jahre im Bau, der kälteste aller Pharisäer.

Die beiden Beamten waren ausschließlich zur Bewachung von Nick Romano abgestellt. Neben der Zelle war ein schmaler Raum, durch ein Fenster mit der Zelle verbunden. Ein Beamter hielt sich ständig in der Zelle auf, einer in dem Raum daneben — so wollte es die Vorschrift. Alle sechs Stunden war Ablösung.

Mat warf noch einen Blick durch das Fenster. Neben dem schlafenden Gangster saß Pharson. Die Mütze im Nacken, spielte er mit der Schlaufe seines kurzen, ungestrichenen Holzknüppels. Sturer Bursche, dachte Mat. Dann fiel sein Blick wieder auf Nick Romano.

Der schlief, wirklich und wahrhaftig; zwanzig Minuten vor seiner Hinrichtung schlief er. Die lange, sehnige Gestalt hob und senkte sich unter den regelmäßigen Atemzügen. Selbst jetzt zeigte das Gesicht noch den gewohnt energischen Ausdruck: die zusammengezogenen Brauen, schwere, beschattete Lider, seine Haut, straff gespannt über den Backenknochen und gelblich geworden in den Monaten der Haft.

Das Nervenkostüm könnte ich bei meiner Alten gebrauchen, dachte Mat.

Es war bei weitem nicht die erste Hinrichtung, die er mitmachte, aber er hatte sich nie daran gewöhnen können. Und wieder wurde ihm klar, daß ihm das auch nie gelingen würde. Mat Mahonney war ein empfindsamer Mensch; in seiner Freizeit züchtete er Rosen.

Sein Blick wanderte zur Wanduhr. Fünf vor sechs.

Er zog den Gürtel straff und trat hinaus auf den Gang.

Auf dem langen, eisenbeschlagenen Zellengang näherte sich eine kleine Prozession. Die Gentlemen waren pünktlich. Noch nie war es vorgekommen, daß eine Hinrichtung nicht auf die Minute genau stattgefunden hätte.

Der Leutnant von der Wachstube betätigte den Schieber der letzten Tür. Fünf Sicherungen umgaber. den Todestrakt; noch nie war ein Ausbruch von hier gelungen.

Einzeln traten die Männer durch die schmale Öffnung in dem zollstarken Gitter.

Der Zuchthausdirektor, klein, dick und nervös; der District Attorney, schmallippig und beherrscht; die gesetzlich vorgeschriebenen Zeugen, alle in Schwarz; die Cops. Ein großer Mann mit unbewegtem Gesicht, in Polizeiuniform — der Henker; und Cyril Hopkins, ein Gentleman wie vom Rennplatz, der sich unablässig den Schweiß von der Stirn wischte.

Weiter hinten konnte Mat die Cops sehen, die auf Posten zogen. Wenn eine Hinrichtung stattfand, wurden überall im Zuchthaus die Wachen verstärkt. Im Jahre 1938 hatte es bei dieser Gelegenheit einmal eine blutige Revolte gegeben.

Mat wartete, bis die Männer herangekommen waren, und machte dann seine Meldung.

„Keine besonderen Vorkommnisse!“

„Was macht er?“ fragte der Direktor nervös.

„Schläft, Sir. Hat die ganze Nacht geschlafen. Der Arzt wollte ihm ein Schlafmittel geben, aber das hat er abgelehnt.“

„Okay.“ Nervös sah der kleine Mann auf die Uhr und gab dann dem Leutnant ein Zeichen.

„Holt ihn heraus. Ich hoffe, er macht keine Schwierigkeiten!“

„Glaub’ ich nicht“, brummte Mat. „Das ist eine von den Typen, die noch Witze reißen, wenn sie schon festgeschnallt sind.“

„Also vorwärts“, sagte der District Attorney. „Es ist Zeit!“

Nick Romano schlief doch nicht so fest, wie der Wärter geglaubt hatte. Als Pharson ihn antippte, kam er sofort in die Höhe. Sein Gesicht verzog sich, als er die Männer entdeckte, die um die offene Tür gruppiert waren.

„Nick Romano“, sagte der District Attorney, „es ist soweit. Wie Ihnen bereits mitgeteilt wurde, hat der Gouverneur einen Hinrichtungsaufschub abgelehnt. Das bedeutet, daß Sie — hm — jetzt mitkommen müssen.“

Die Männer starrten den Gangster schweigend an. Nur die schweren Atemzüge füllten den Raum.

Nick Romano studierte jedes einzelne Gesicht. Dann schob er sich von der Pritsche; die Stahlfesseln klirrten. Sein Blick blieb an Hopkins hängen.

„Mr. Hopkins …“

„Nick“, sagte der Anwalt hastig, „Sie wissen, daß ich alles versucht habe, was menschenmöglich war. Ich habe für Sie getan, was getan werden konnte.“

„Ich weiß“, knurrte der Gangster. „Aber da gibt es noch eine Kleinigkeit, die Sie nicht wissen.“

„Romano“, schnarrte der DA, „versuchen Sie jetzt keine Ausflüchte. Wenn Sie nicht freiwillig kommen, müssen wir Gewalt anwenden. Das wissen Sie genau.“

Mat und Pharson schoben sich neben den Gangster und schlossen die Kette kurz.

„Vorwärts!“ sagte der Attorney ungeduldig.

„Mr. Hopkins“, schrie Nick Romano, „ich bin kein Mörder!“

„Los, vorwärts!“

„Einen Augenblick“, sträubte sich Nick. „Ich bin nicht der, für den Sie mich halten. Mr. Hopkins, bis eben habe ich geglaubt, es würde sich noch alles aufklären. Und wissen Sie, warum? Ich bin nicht Nick Romano. Der echte Nick Romano hat mich in diese Lage gebracht.“

„Er macht doch Schwierigkeiten“, brummte der Direktor nervös. „Ich wünschte, wir hätten schon alles hinter uns.“

„Mr. Hopkins …“

„Es ist zu spät, Romano. Mit dieser Geschichte kommen Sie nicht durch.“

„Aber ich bin nicht Nick Romano. Ich sagte es schon. Ich bin ein anderer. Mein Name ist Dyme Lodge. He, hören Sie mich doch an!“

Die Männer hatten ihn auf den Gang geschoben.

„Ich hätte Sie für phantasiebegabter gehalten“, brummte der Attorney.

Unerbittlich wurde Romano weitergeschoben. Die kleine Kolonne bewegte sich langsam in Richtung auf den Hinrichtungsraum. Der Gangster drehte den Kopf.

„Mr. Hopkins, Sie müssen mir vierundzwanzig Stunden Aufschub verschaffen. Das genügt, um zu beweisen, daß ich der Falsche bin. Ich bin Dyme Lodge. Ich war ein Freund Nick Romanos. Wir beide sehen uns etwas ähnlich. Damals wurde ich auf Grund einer Verwechslung festgenommen. Nick hatte mir versprochen, mich herauszuhauen. Deshalb habe ich bis jetzt geschwiegen. Aber jetzt sehe ich, daß er sein Wort nicht hält. — Mr. Hopkins, tun Sie doch etwas.“

„Bis jetzt habe ich Sie für einen hartgesottenen Burschen gehalten“, sagte der Attorney. „Ich hätte nicht geglaubt, daß Sie mit einer derart durchsichtigen Lüge kommen würde. Ich glaube Ihnen kein Wort. Niemand glaubt Ihnen, Romano.“

Cyril Hopkins aber war anderer Meinung.

„Versprechen Sie sich im Ernst etwas von dieser Geschichte?“ fragte er.

„Zum Teufel, sie ist wahr“, schrie Nick Romano verzweifelt.

„Aber warum haben Sie sieben Monate lang geschwiegen? Warum haben Sie bei der Verhandlung kein Wort gesagt? Warum haben Sie nicht spätestens gestern den Mund aufgemacht, als Ihnen der Termin für die Hinrichtung mitgeteilt wurde?“

„Weil ich nicht geglaubt habe, daß es soweit kommt.“

„So dumm ist doch keiner“, brummte der Attorney. „Mr. Hopkins, lassen Sie sich nicht von dem Burschen aufs Glatteis locken.“

„Sie sind der letzte, von dem ich Ratschläge brauche“, sagte der Anwalt gereizt.

„Und Nick Romano demnach der Vorletzte“, konterte, der DA.

„Gesetzt den Fall, an dem, was er sagt, ist etwas dran“, sagte Hopkins nachdenklich. „Ich denke nur an die Möglichkeit. Ein Justizmord ist das einzige, was nie wieder gutgemacht werden kann.“

„Mr. Hopkins, in dem Fall scheinen mir Ihre Bedenken nicht angebracht“, sagte der Attorney kalt.

„Ich sage die Wahrheit“, schrie der Gangster. „Ich bin nicht Nick Romano. Ich bin Dyme Lodge. Geben Sie mir zwei Stunden, und ich weise es nach. Nur zwei Stunden.“

„Das überzeugt mich nicht“, sagte Hopkins und ließ die Cops vorbei. Die Tür zum Hinrichtungsraum wurde aufgeschlossen. Es war eine massive Stahltür. „Nennen Sie mir den Grund, Romano. Warum wollen Sie geschwiegen haben? Doch nicht aus Freundschaft?“

„Nein, nicht deswegen! Ich will es Ihnen sagen. Nick Romano ist reich. Er sagte mir, wenn ich mich an seiner Stelle verurteilen ließe, würde er mir eine halbe Million dafür zahlen. Und er würde mich herausholen. Ich habe ihm geglaubt. Mr. Hopkins, das ist die Wahrheit.“

Der Anwalt kämpfte mit sich. Der Attorney blieb vor ihm stehen.

„Hopkins, der Bursche lügt. Das ist doch offehsichtlich.“

„Und wenn er nicht lügt?“

Unmerklich verschoben sich die Linien im Gesicht des Attorney. Seine Augen wurden flach und kalt.

„Mr. Hopkins, Sie wissen so gut wie ich, daß niemand außer dem Gouverneur berechtigt ist, die Hinrichtung aufzuschieben. Sie können versuchen, ihn anzurufen. Dort drüben steht das Telefon. Aber ich bezweifle, daß Sie Erfolg haben. Wir haben oft genug erlebt, was für phantastische Geschichten die Leute erzählen, wenn es soweit ist. Aber bitte, versuchen Sie es selbst.“

Er sah auf die Uhr.

„Die Hinrichtung findet genau um 6 Uhr 15 statt. Das heißt, Sie haben noch vier Minuten Zeit.“

Einen Augenblick zögerte Hopkins, dann stürzte er zum Telefon.

Die Prozedur nahm ihren Fortgang. Nick Romano wurde auf einen Stuhl gesetzt. Mit einem Elektrorasierer wurde am Hinterkopf eine kreisrunde Stelle ausrasiert. Dann öffneten die Cops die Tür zum Nebenraum. Da stand er, klotzig und unheilverkündend: der Elektrische Stuhl.

„Nein“, ächzte Nick Romano. „Nein, das nicht. Ich bin doch unschuldig, versteht ihr? Unschuldig …“

Die Männer mußten ihn mit Gewalt hinüberschleifen. Eine schwarze Binde wurde vor seine Augen gelegt. Die blanken Kontakte wurden angelegt, an den Handgelenken, an den Waden, am Schädel.

Es war soweit.

Hopkins am Telefon fluchte wie ein Bierkutscher.

„Vermittlung!“ schrie er. „Beeilen Sie sich, zum Teufel. Es geht um ein Menschenleben.“

„Augenblick, Sir“, sagte die kühle, unbeteiligte Stimme. Endlose Sekunden verstrichen. Und dann — das lange, rhythmische Summen.

Eine männliche Stimme.

„Hallo?“

„Ist dort die Privatwohnung des Gouverneurs?“ schrie Hopkins.

„Allerdings. Aber es ist völlig ausgeschlossen …“

„Ich bin Cyril Hopkins, der Anwalt des zum Tode verurteilten Nick Romano. Ich rufe aus dem Zuchthaus Scranton an. Die Hinrichtung soll in wenigen Minuten stattfinden. Stellen Sie zum Gouverneur durch, aber dalli!“

„Das geht nicht, Mr. Hopkins. Der Gouverneur schläft.“

„Dann wecken Sie ihn!“

„Er hat Anweisung gegeben, ihn nicht zu stören. Übrigens kennen wir das. Sie sind nicht der erste Anwalt, der auf diese Weise versucht, seinem Mandanten einen Aufschub zu Verschaffen. Der Gouverneur hat den Fall sorgfältig geprüft. Es gibt keinen Zweifel daran, daß das Urteil gegen Nick Romano völlig korrekt ist. Es gibt keinen Grund, der …“

„Ich habe nicht die Absicht, mit Ihnen zu diskutieren“, bellte Hopkins. „Verbinden Sie mich weiter, oder ich mache Sie haftbar. Es geht schließlich um jede Sekunde. Wer sind Sie überhaupt?“

„Ich bin der Sekretär des Gouverneurs.“

„Also los, Mann!“

„Gut, Mr. Hopkins, ich will es versuchen. Auf Ihre Verantwortung. Aberes hat keinen Erfolg, das sage ich Ihnen gleich.“

Es knackte in der Leitung. Und dann war alles tot. Hopkins spürte, wie ihm der Schweiß über das Gesicht lief und in den Augenwinkeln brannte.

Die Sekunden liefen weiter.

„Hallo!“ schrie Hopkins. „Hallo!“

Die Leitung blieb tot.

Hopkins war keineswegs davon überzeugt, daß Nick Romano die Wahrheit gesagt hatte. Aber jetzt, nachdem er einmal den Kampf aufgenommen hatte, wollte er ihn auch durchstehen und gewinnen.

Endlich rührte sich etwas in der Leitung.

„Mr. Hopkins?“ Die Stimme des Sekretärs.

„Ja, ich warte schon eine Ewigkeit.“

„Augenblick, ich verbinde mit dem Gouverneur.“

Wieder Knacken, Umschatten — und dann die wohlbekannte, tiefe Stimme.

„Hallo?“

„Sir“, setzte Hopkins an und brach ab. Sein Blick irrte hinauf zu der elektrischen Wanduhr. Der Sekundenzeiger lief sprungweise vorwärts zum letzten Countdown für Nick Romano. Sechs fünf — vier — drei — zwei — eins — Aus!

Fast körperlich schmerzhaft spürte der Anwalt, was in diesem Augenblick geschah. Der lange Sergeant mit dem unbewegten Gesicht legte einen Hebel um. Mit sechzehntausend Volt schoß der elektrische Strom in die Leitung, jagte durch das zuckende Bündel Mensch.

Hopkins ließ den Hörer auf die Gabel fallen.

Nick Romano war tot.

So geschehen am 15. Mai. Keiner, der an der Hinrichtung teilgenommen hatte, nahm die letzten Worte des Verbrechers ernst. Man war dergleichen gewohnt. Auch Cyril Hopkins verstand hinterher die panische Angst nicht mehr, die ihn am Telefon gepackt hatte — die Angst, es könnte ein Unschuldiger hingerichtet werden. Sicher hatte der Attorney recht, der Nick Romanos Behauptung als offensichtliche Lüge bezeichnete.

Aber ein Stachel blieb: der Name Dyme Lodge. Hopkins hatte ihn sich notiert. In seinem Büro fiel ihm der Zettel wieder in die Hand.

Ein ungewöhnlicher Name, überlegte er nachdenklich. Wenn jemand, von Angst getrieben, einen Namen erfinden soll, wählt er in neunundneunzig von hundert Fällen einen Allerweltsnamen wie John Smith oder Jack Miller — aber Dyme Lodge?

Er verscheuchte den Gedanken, aber er kam immer wieder zurück wie die Wespe zum Pflaumenkuchen. Und wenn der Hingerichtete doch die Wahrheit gesagt hatte?

Bei diesem Gedanken kam der Anwalt ins Schwitzen.

Cyril Hopkins war ein erfolgreicher Strafverteidiger. Er hatte sein Büro in der Park Avenue von Manhattan. Den Fall in Utica hatte er übernommen, well er Schlagzeilen in der Presse bekam. Sein Schlußplädoyer war in allen Blättern erwähnt worden.

Seine Reklame hatte er also bekommen. Das war besser als ein mittelmäßiges Honorar.

Er hatte sich auch alle Mühe gegeben, Nick Romano erfolgroich zu verteidigen. Okay, er hatte getan, was er konnte.

Aber falls es sich doch um einen Justizirrtum handelte, und er deckte ihn auf? Es war auf Umwegen durchgesikkert, daß er in letzter Minute versucht hatte, den Gouverneur zu erreichen. Wie würde er dastehen? Cyril Hopkins der große Mann, Verteidiger des Rechts und der Wahrheit — Schlagzeilen bis Texas und Los Angeles.

Der Anwalt faßte einen Entschluß. Er würde der Sache auf den Grund gehen. Achtundvierzig Stunden gab er sich selbst. Wenn er in diesen achtundvierzig Stunden nicht herausgefunden hatte, wollte er das Ganze als Hirngespinst endgültig abtun.

Er suchte einen Mann namens Dyme Lodge.

Am 16. Mai begann er mit seinen Nachforschungen. Cyril Hopkins verfügte über dreierlei, was ihn nahezu unschlagbar machte: gute Beziehungen, Geld und Phantasie.

Noch am selben Tag fand er die erste Spur. Vom Jagdfieber gepackt, suchte er weiter.

Am 25. Mai schloß er seine Ermittlungen ab, ließ sich beim District Attorney von New York melden und trug den Fall in der präzisen, sachlichen Art vor, für die er bekannt war.

Was er sagte, schlug ein wie eine Bombe.

Attorney Brown hörte ihn schweigend an — und bekam kalte Füße.

Privatdetektiv Joe Barry - Sein Freund der Henker

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