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Predigt am zweiundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.
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Test: Matth. 18,22-35.
Wir lesen Genes. 32 und 33, nachdem der allmächtige Gott dem Esau seine beiden größten Dignitäten und Herrlichkeiten entwandt, nämlich die Erstgeburt und den Segen, und dieselben dem Jakob, seinem Bruder, geschenkt (welches ein groß Geheimnis ist dass der Segen nicht komme aus fleischlicher Geburt, sondern aus Gnaden durch Christus, durch welchen wir erstgeborenen Kinder Gottes werden) ward Esau dem Jakob feind und verfolgte ihn bis in den Tod; wie denn immer Feindschaft ist zwischen dem Volk des Gesetzes, so aus Verdienst will gerecht werden, und zwischen dem Volk des Glaubens, so aus Gnaden hoffet selig zu werden. Musste demnach Jakob vor Esau fliehen und kam in Mesopotamien aus Gottes Vorsehung, da er Ehre und Gut erwarb. Als er nun wiederkam und wusste, dass ihm sein Bruder feind war, brauchte er herrliche Mittel, denselben zu versöhnen 1. Betet er die ganze Nacht, denn Esau zog ihm entgegen mit 400 Mann; 2. sendet er Boten vor ihm her und lässt seinem Bruder sagen: Dein Knecht Jakob lässt dir sagen: Ich bin bis daher lange außen gewesen, lass mich Gnade vor deinen Augen finden; 2. spricht er: Ich will meinen Bruder mit Geschenk versöhnen; sendet demnach vor ihm her 200 Schafe, 200 Ziegen, 40 melkende Kühe, 30 säugende Kamele mit den Füllen und 20 Eselinnen mit den Füllen; 4. teilet er seine Kinder in zwei Haufen zu ihren Müttern, die mussten vor ihm hergehen. Da nun Esau kam, traten die Mütter herzu mit ihren Kindern und verneigten sich, erstlich Lea mit ihren Kindern, zuletzt Rahel und Joseph; Jakob aber neigte sich sieben Mal vor seinem Bruder. Esau aber fiel Jakob um den Hals, küsste ihn und weinte und sprach: Was willst du mit allem deinen Heer, das mir begegnet ist? Jakob sprach: Dass ich Gnade finde vor meinem Herrn. Esau sprach: Ich habe genug, mein Bruder, behalte, was du hast. Jakob sprach: Habe ich Gnade gefunden vor dir, so nimm’s von meiner Hand; denn ich sage dein Angesicht wie Gottes Angesicht. Nimm den Segen von mir. Also nötigte er ihn, dass er’s nahm.
In dieser herrlichen Historia, wiewohl so viele Geheimnisse darin sind als Worte (tot mysteria, quot verba), so ist sie doch vornehmlich ein Spiegel brüderlicher Versöhnung. Denn mit seinem Exempel hat uns der Erzvater den rechten Weg gezeigt, wie man die Feinde überwinden und versöhnen soll. Erstlich mit dem Gebet. Denn wenn Jemandes Wege dem Herrn wohl gefallen, so macht er auch seine Feinde mit ihm zufrieden, Prov. 16,7. Darnach durch Mittelspersonen, die ihm sagen müssen: Lass mich Gnade vor deinen Augen finden. Eine heilsame Zunge ist ein Baum des Lebens, eine heilsame Zunge heilet die feindseligen Wunden. Drittens durch Geschenke und Milde, so aus herzlicher Liebe gehen, und ist gewisslich Jakobs Geschenk ein fürstlich Geschenk. Eine heimliche Gabe stillet den Zorn und ein Geschenk in den Schoß, id est acceptum munus (d.i. ein angenommenes Geschenk) bricht den grimmigen Zorn, Prov. 21,14. – Prov. 18,16: Donum hominis dilatat viam ejus et ante principes spatium ei facit. Das ist: Das Geschenk des Menschen macht ihm Raum und bringet ihn vor die großen Herren. Ist aber nicht vom unrechten Geschenk zu verstehen, vom Lohn der Ungerechtigkeit, das hat Gott nicht geboten, sondern von solcher Gabe, damit man sich Freunde machet und die Herzen ihm mit Liebe verbindet und überwindet. Viertens durch Demut und Sanftmut. Seine Kinder neigen sich vor ihm, und er selbst neigt sich sieben Mal, ehe er an ihn kommt. Davon sagt Chrysostomus: Nihil mansuetudine vehementius. Das ist: Es ist nichts Stärkeres, denn die Sanftmut. Dadurch gewinnt Jakob seinen zornigen Bruder, dass er ihm um den Hals fällt und weint, und ist der alte Groll und Feindschaft gar vergessen, und dessen zum Zeugnis nimmt Esau das Geschenk. Ebendasselbe will uns auch der Herr im heutigen Evangelium lehren, welches ist erstlich ein Gnadenspiegel, in welchem uns Gott, der Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes, in einem schönen Bilde zeiget sein Vaterherz, wie gern er Sünde vergibt den Bußfertigen und nicht allein Sünde hinwegnimmt und durch seine Gnade tilget, sondern überdies noch gerecht macht und den Sünder gerecht spricht, schenkt ihm Christi Gerechtigkeit, lässt ihn nicht allein los aus dem ewigen Gefängnis, sondern nimmt ihn auch auf in die ewige Seligkeit. Denn hier stehet: Er ließ ihn los und die Schuld erließ er ihm auch. Es wäre uns die Vergebung der Sünden Nichts nütze, wenn er uns nicht die Gerechtigkeit schenkte. Es wäre uns auch die Loslassung Nichts nütze, wenn er uns nicht für das ewige Gefängnis die Seligkeit schenkte. Darum haben wir Zwiefaches empfangen von der Hand des Herrn, und sehen allhier, dass Gottes Gnade viel mächtiger ist, denn die Sünde, und dass Gott viel reicher ist an Barmherzigkeit, denn wir mit Sünde überhäuft sind. Das ist der Gnadenspiegel.
Zum andern ist dieses Evangelium auch ein rechter Christenspiegel, in welchem das ganze Christentum eigentlich ist abgebildet, denn das ganze christliche Wesen bestehet in zwei Stücken, im Glauben und in der Liebe. Der Glaube handelt mit Gott und erlangt in Christus Vergebung aller Schuld. Die Liebe handelt mit dem Nächsten und ist des Glaubens Frucht, dadurch der Glaube lebendig und tätig ist, vergibt dem Nächsten und duldet seine Gebrechen.
Denn wenn ein Mensch Gottes Huld hat und empfindet seine Gnade in seinem Herzen, so kann’s nicht fehlen, er muss auch des Nächsten Huld haben. Wer Gottes Frieden hat, der suchet auch Frieden unter den Menschen.
Das ist die rechte Probe eines wahren Christen. Denn große Kunst, Geschicklichkeit, Sprachen, Weisheit, große Taten, die machen keinen Christen. Solche Gaben haben die Heiden auch. Aber der Glaube, der durch die Liebe tätig ist, unterscheidet Christen und Heiden. So viel sind wahre Christen, so viele ihrer herzliche Liebe haben, leben in Frieden und Einigkeit, auch in brüderlicher Versöhnung, wie der Herr spricht: Daran wird man erkennen, dass ihr meine Jünger seid. Denn es hat ja der ewige Sohn Gottes nicht umsonst gesagt: Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen. Hinwider: Unselig sind die Unfriedsamen, denn sie werden des Teufels Kinder heißen. Selig sind die Barmherzigen, sie werden Barmherzigkeit erlangen. Und: Unselig sind die Unbarmherzigen, denn sie werden keine Barmherzigkeit erlangen; wie an diesem Schalksknechte zu sehen.
Wollen demnach dies Evangelium in der Furcht des Herrn betrachten und dasselbe in diese zween Hauptpunkte fassen und erstlich besehen den Gnadenspiegel von der hochtröstlichen Gnade und Vergebung Gottes.
Zum andern den Christenspiegel von der Vergebung des Nächsten und brüderlichen Versöhnung.
Gott wolle uns mit einem sanftmütigen und friedsamen Geiste begnaden, diesem Evangelium von Herzen zu glauben, in Frieden und Einigkeit zu leben, auf dass wir Gottes Kinder sind und in Ewigkeit bleiben mögen. Amen.
Der erste Teil.
Das erste Stück ist ein Gnadenspiegel, das ist, was Gott für einen Prozess und Ordnung hält in unserer Bekehrung und Rechtfertigung; denn die Bekehrung ist ein lauter Gnadenwerk.
1. Gibt er unsere Sünde zu erkennen und fordert Rechnung;
2. Zeigt er uns die Menge der Schuld, dass wir nicht bezahlen können;
3. wirkt er in unsern Herzen durch’s Wort wahre Busse;
4. Vergibt er die Sünde aus Gnaden.
In diesen vier Punkten besteht das ganze Werk der Bekehrung und Rechtfertigung.
Das Himmelreich ist gleich einem Könige, der mit seinen Knechten rechnen wollte. St. Petrus hat dem Herrn Christus zu diesem Gleichnis Ursache gegeben mit seiner Frage; denn als er gehört hatte von dem Herrn Christus, was man mit dem gefallenen Bruder für einen Prozess halten solle, nämlich, dass man ihn erst allein strafen solle, will er sich nicht bessern, soll man ihn im Beisein zweier oder dreier Zeugen strafen, will’s nicht helfen, solle man’s der Gemeinde sagen, will er aber die Gemeinde nicht hören, soll er gehalten werden wie ein Heide, der kein Teil am Reiche Gottes habe, und dies Urteil soll im Himmel kräftig sein. Da das St. Petrus höret, fragt er den Herrn, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben? Ist’s genug sieben Mal? Es ist gleichwohl Wunder, dass Petrus seinem Bruder sieben Mal zu vergeben willig ist. Oh lieber Gott, wenn Mancher nur ein Mal zu gewinnen wäre oder zwei Mal! Kommt er zum dritten Male wieder, so sagen wir: Ab amico reconciliato cave, das ist: Hüte dich vor einem versöhnten Freunde. Der Herr spricht: Nicht sieben Mal, sondern siebenzig Mal sieben Mal, das ist 490-mal, das ist, so oft er dich beleidigt, wie es der Herr selbst auslegt Luc. 17: Wenn dein Bruder des Tages sieben Mal wider dich sündigt und des Tages sieben Mal zu dir käme und spräche: Es gereut mich, - so sollst du ihm vergeben.
Darauf setzet der Herr dieses Gleichnis und lehrt damit in Summa, dass an Gottes Vergebung des Nächsten Vergebung hange, und könne eine ohne die andere nicht sein.
1.
Wir haben aber hier erstlich zu betrachten die notwendige Lehre, dass Gott mit uns als mit seinen Knechten wegen der großen unzahlbaren Schuld dermaleinst Rechenschaft halten werde. Und damit sich Niemand zu entschuldigen habe, so hat er allen Menschen seinen Willen, Gesetz und Gebot in ihr Herz geschrieben, damit er uns täglich erinnert, dass wir seine Knechte seien, ja auch die Rechnung hat er einem jeden Menschen in sein Gewissen gelegt, welches ihn anklagt und seiner Sünde erinnert (denn es fordert uns Gott auf viererlei Weise zur Rechnung: 1. in unserm Gewissen, 2. in unserm Kreuz, so er zuschickt, 3. im Tode, 4. am jüngsten Gericht). Und hat ein jeglicher Mensch in ihm selbst einen lebendigen Zeugen des letzten großen Gerichts Gottes, da alle Menschen von Adam an bis auf den letzten erscheinen werden und des letzten Urteils erwarten müssen. Frage dein eigen Herz, das wird dir’s sagen, ob dich Gott nicht als seinen Knecht durch dein eigen Gewissen zur Rechnung fordere, und überlege deine Schuld selbst, so wirst du bekennen müssen, dass du der Knecht seist und der große Schuldige, der seinem Herrn die zehntausend Pfund schuldig ist, das ist zehntausend Talenta. Ein Talentum macht sechshundert Dukaten, zehntausend Talenta machen sechzig Tonnen Goldes. So viel geistlicher Schulden hat ein Jeglicher auf seinem Halse: denn wir haben wider ein jedes Gebot wohl zehntausend Mal gesündigt.
Zwo große Schuldposten haben wir Alle, Erbschuld und selbstgemachte Schuld. Die Erbschuld ist so groß, dass sie Niemand ausrechnen kann. Niemand kann’s ergründen oder verstehen, Jerem. 17. Die selbstgemachten Schulden sind unzählig, Ps. 19: Wer kann wissen, wie oft er fehlet?
Solche große Schuld legt uns die Heilige Schrift mit deutlichen Worten aus, dass wir wohl verstehen können die unzählige Menge und unerträgliche Last unserer Sünde. Darum sagt der König Manasse: Meiner Sünden sind mehr denn Sand am Meere. Wer kann den Sand am Meere zählen, der kann auch seine Sünden zählen. Die Schuld ist so groß, dass wir darunter zu Grunde gehen. Ps. 38: Meine Sünden gehen über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer worden, ihrer ist so viel, dass wir sie nicht alle wissen. Ps. 19: Wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir auch die verborgenen Fehle. Ps. 90: Unsere Missetat stellest du vor dich, unsere unerkannte Sünde ins Licht vor dein Angesicht.
Vor diesem Lichte des Angesichts Gottes kann sich auch der geringste sündige Gedanke nicht verbergen. Alle Propheten und Apostel klagen über diese Schuld. Moses Genes. 6, Job 9 und 14, David Ps. 14. 38. 51. 130. 143, Jesaias 1, 64, Jeremias 6: Wie ein Born sein Wasser quillet, also quillet auch ihre Bosheit; Ezechiel 16, Daniel 9, Römer 3.7.
Darum auch der heilige Job den Menschen nennt einen Gräuel und Schnöden, der das Unrecht in sich säuft wie Wasser; so viel Tröpflein Wasser er in sich getrunken, so viel Sünde hat er getan. Und am 9. spricht er: Hat er Lust, mit Gott zu rechten, so kann er ihm auf Tausend nicht Eins antworten. Wer will denn einen Reinen finden bei Denen, da Keiner rein ist? Ist doch all unser Trachten von Jugend auf böse, Genes. 6. Welches St. Paulus auslegt, dass fleischlich gesinnt sein sei eine Feindschaft wider Gott. Vom Haupt bis auf die Fußsohlen ist nichts Gesundes an uns, sagt der Prophet Jesaias am I. Unser Herz ist ein Brunnquell alles Bösen, Jerem. 6. Wie ein Born sein Wasser quillet, so quillet unser Herz die Sünde.
Und in Summa, es wohnet in unserm Fleisch nichts Gutes, wir sind aus sündigem Samen gezeugt, unsere Mütter haben uns in Sünden empfangen. Wir haben Alle gesündigt und mangeln des Ruhmes, den wir vor Gott haben sollen. Wir sind Allesamt abgewichen, Allesamt untüchtig worden, da ist Keiner, der Gutes tue, auch nicht Einer. Alle unsere Gerechtigkeit ist wie ein besudelt Kleid. Wir verwelken Alle wie Blätter, und unsere Sünden führen uns dahin wie ein Wind. Das ist das erste Werk, das Gott in unserer Bekehrung tut.
Diese Lehre von der großen Schuld unserer Sünde, und dass uns Gott zur Rechnung fordern werden, soll uns dienen:
a) Zur Warnung vor Sicherheit; denn Viele sind ihrer, die Mutwillen treiben ohne alle Scheu und denken, Gott werde es nimmermehr sehen, davon der ganze zehnte Psalm redet.
b) und zur wahren Demut und zur wahren Busse, zur Erkenntnis der Sünde, auf dass wir desto begieriger werden der Gnade Gottes. Denn je mehr Demut vor Gott, je mehr Gnade, das ist also bei Gott und Menschen. Je geschlageneres und zerbrocheneres Herz, je mehr Gott mit seiner Gnade darinnen wohnet.
2.
Das andere Werk, das Gott in unserer Bekehrung tut, ist, dass uns Gott zu erkennen gibt, dass kein Mensch auf Erden die Sünden wegnehmen, oder durch sich selbst seine große Schuld bezahlen kann. Denn so lautet der Text: Da er nun nicht hatte zu bezahlen, hieß der Herr verkaufen ihn, sein Weib, Kind und Alles, was er hatte, und bezahlen.
Dieser Knecht ist aller Menschen Bild, und weil er sonst nicht hatte zu bezahlen, soll er und alle seine Kinder leibeigene Knechte sein ewiglich; sie sollen mit ihrem Leib und Leben, mit ewiger Dienstbarkeit, das ist, mit der ewigen Verdammnis bezahlen. Hier kann kein Bruder dem andern helfen, Ps. 49. Und weil dieses armen Knechts seine Kinder auch sollen verkauft werden zur höllischen Dienstbarkeit der Verdammnis und ewigen Todes, deutet der Herr auf Adam, unser Aller Vater, der die große Erbschuld gemacht. In dem sind wir armen Adamskinder unter die Sünde und ewige Strafe der Sünde verkauft, sind von Natur dem Fluch und Vermaledeiung unterworfen.
Daher Moses Deuteron. am 28. so schrecklich dräuet: Wirst du nicht in meinen Geboten wandeln, so soll verflucht sein die Frucht deines Leibes, deines Ackers, deines Viehes und die Arbeit deiner Hände.
Will uns also hiermit, dass des Schuldigers Kinder sollen verkauft werden, der Herr lehren, dass unter allen Adamskindern von Anfang bis zu Ende, vom ersten bis zu dem letzten, keiner sei, der mit seinen Werken, Verdienst, Heiligkeit, Gerechtigkeit, Ansehen, Reichtum und Herrlichkeit sich hätte können von Sünden losmachen, wir sind Alle in gleicher Verdammnis, und kann kein Mensch dem andern helfen.
Es ist kein Unterschied, sagt St. Paulus, wir haben Alle gesündigt und mangeln des Ruhms, den wir vor Gott haben sollen.
Also bringt Mancher eine Schuld und Strafe über seine Kinder und über sein ganzes Geschlecht, als Joab, Ahab u.s.w. Denn wie Adam allen seinen Kindern den ewigen Fluch angeerbt durch die Erbsünde, also die gottlosen Eltern den zeitlichen Fluch oder Strafe, wo Gott nicht vergibt.
Wer kann nun von diesem schrecklichen Fluch erlösen? Der muss es allein tun, der der ewige Segen selbst ist, in welchem alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.
Dies Wort: Da er’s nun nicht hatte zu bezahlen, stößt das ganze Papsttum um, die mit ihren Werken bezahlen wollen und durch eigenes Verdienst gerecht werden. Ja wohl, wenn’s so weit kommt, dass Gott Rechnung fordert, so werden freilich alle Menschen durch sich selbst nicht haben zu bezahlen, und werden Gott auf Tausend nicht Eins antworten können.
Hier verschwindet aller Menschen Gerechtigkeit und Heiligkeit, da ist alles Fleisch wie Heu, und alle seine Güte wie eine Blume auf dem Felde. Hier müssen alle Heilige ihre Hand auf ihren Mund legen, wie St. Paulus spricht: Auf, dass Aller Mund verstopfet werde und alle Welt Gott schuldig sei und mit David sage: Herr, gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht; so du willst Sünde zurechnen, wer wird vor dir bestehen? Und mit St. Paulo: Gott hat’s Alles unter die Sünde beschlossen etc.
Müssen daher auf andere Mittel gedenken, sollen wir unserer großen Sünden los werden, weil wir nicht können bezahlen, nämlich auf gnädige Vergebung. Darum spricht das Evangelium: Da fiel der Knecht nieder, bat ihn und sprach: Herr habe Geduld mit mir, ich will dir’s Alles bezahlen.
3.
Da zeiget uns nun der Herr das dritte Werk, das er in unserer Bekehrung und Rechtfertigung tut. Er wirkt Busse in unseren Herzen. Dieselbe ist nun hier fein abgebildet in ihren beiden Stücken. Denn erstens fällt der Knecht nieder und demütigt sich; das ist wahre Reue. Zweitens betet er ihn an und spricht: Habe Geduld mit mir, ich will dir’s Alles bezahlen; das ist der Glaube und Zuversicht auf Gottes Barmherzigkeit, welcher Glaube ergreift das teure Verdienst Christi und seine Bezahlung und stellt Gott damit zufrieden. Denn Christus, unser Herr, muss mit seinem teuren Verdienst, heiligen Gehorsam, Blut und Tod deine Bezahlung sein, denselben musst du durch deinen eigenen Glauben vor Gott bringen und Gott damit bezahlen.
St. Johannes in seiner ersten Epistel am 4. Kap. zeigt uns die Zahlung: Sehet, welch’ eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, dass er uns seinen Sohn gegeben zur Bezahlung für unsere Sünde.
Item St. Paulus 1. Timoth. am Zweiten: Welcher sein Leben gegeben hat zur Bezahlung für Alle.
Herr, sagt der Knecht, ich bin in deiner Gewalt, du hast Macht, mit mir zu tun, was du willst. Aber habe Geduld mit mir, ich will dir’s Alles bezahlen, ich will mich umsehen nach einem Bürgen, der für mich zahle. Und ist eben so viel, als hätte der Knecht gesagt: Ach, lieber Herr, vergib mir meine Sünde und nimm das heilige Blut und Tod deines Sohnes, meines Erlösers, an zur Bezahlung meiner Sünde.
Siehe, also musst du auch Christi Verdienst durch den Glauben vor Gott bringen und sagen: Herr, hier ist meine Bezahlung, um Dessen willen sei mir gnädig. Also musst du allein mit dem Glauben vor Gott handeln.
Hier haben wir die köstliche Lehre von der Gerechtigkeit des Glaubens, welche St. Paulus in dem tröstlichen Sprüchlein Röm. am 3. fasset: Wir werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Christus Jesus geschehen ist, welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl, durch den Glauben in seinem Blut, damit er die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, darbiete in Dem, dass er Sünde vergibt. Da sind alle causae justificationis oder Ursachen der Rechtfertigung innen begriffen.
In foro justificationis, in dem Gericht der Rechtfertigung, gilt allein fides, der Glaube, das ist, wenn man mit Gott handelt wegen der Seligkeit und vor Gottes Gericht, da gilt allein der Glaube. In foro charitatis, in dem Gericht der Liebe, gelten die Werke. Handelst du mit deinem Nächsten, so gilt die Liebe.
Das wird uns fürgebildet in den Kindern Israels. Denn was heilte die Israeliten, als sie von feurigen Schlangen gebissen wurden? Weder Kraft noch Pflaster, sondern das Ansehen der ehernen Schlange, das ist, der Glaube half da allein, und keines Menschen Werk oder Kunst.
Also ist’s auch in unserer Rechtfertigung. Frage dein eigen Herz, was tröstet dich besser, der Glaube an Christus oder deine eigenen Werke? Was wolltest du lieber vor Gott bringen, Christus oder deine eigenen Werke?
Siehe, was der heilige David im 51. Psalm vor Gott bringt: Das Opfer eines zerbrochenen Herzens, mit dem Ysop des Blutes Christi besprengt. Item Psalm 32, Moses Exod. 32, da Gott das Volk vertilgen wollte, wie rief er Gottes Barmherzigkeit an? Wie erinnert er Gott seines großen namens, den er selbst vom Himmel hatte geoffenbart, dass seine Barmherzigkeit groß sei? Die Sünde des Volks ist groß, lass nun deine Barmherzigkeit groß sein, sagt er. Was brachte Manasse vor Gott? Ein reuiges, bußfertiges Herz; denn er sprach: Herr, weil du ein barmherziger Gott bist, so hast du den Sündern Busse gesetzt. Ich habe gesündigt, und meiner Sünden sind viele wie Sand am Meere; darum beuge ich die Kniee meines Herzens vor dir; lass mich in meinen Sünden nicht verderben, noch die Strafe ewig über mir bleiben.
Ist das nicht eine schöne Konsequenz: Du hast den Sündern Busse gesetzt, ich bin ein Sünder, meiner Sünden ist viel wie Sand am Meere; darum bitte ich dich, lass mich in meinen Sünden nicht verderben?
Was brachte Hiskia vor Gott, da er krank war? Siehe, um Trost war mir sehr bange, du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe; denn du wirfst alle meine Sünde hinter dich zurück. Jesa. 38.
4.
Das vierte Werk, das Gott in unserer Bekehrung und Rechtfertigung tut, zeigt uns der Herr mit diesen Worten: Da jammerte den Herrn desselbigen Knechts, und er ließ ihn los, und die Schuld erließ er ihm auch. Remisit ei culpam et poenam. Er hat ihm die Schuld und die Strafe nachgelassen.
Das ist der Gnadenspiegel. Da haben wir die tröstliche Lehre von der Vergebung der Sünden, dass sie verfließe aus dem Brunnen der lauteren Gnade und Barmherzigkeit Gottes, ohne alle unser Verdienst und Würdigkeit. Wenn man vor Gott bringt ein reuiges, bußfertiges, demütiges, gläubiges Herz, zu einem solchen Menschen kommen alle Engel und Propheten und trösten ihn: Ich verkündige dir große Freude, der da Jesus heißet wird dich selig machen von deinen Sünden.
Unter den Propheten aber ist Moses der erste, Exod. 34: Herr, Herr Gott, barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue, der du vergibst Missetat, Übertretung und Sünde. Darnach kommt David Ps. 103 und Jesa. 1: Wenn eure Sünden gleich blutrot sein, sollen sie doch schneeweiß werden. Bald kommt Jeremias, Kap. 31: Siehe, ich will euch einen neuen Bund machen, spricht der Herr. Nicht einen Bund, wie der alte gewesen, der verfluchen und verdammen soll, sondern das soll der Bund sein: Ich will ihnen ihre Sünde vergeben und ihrer Missetat nimmermehr gedenken. Darnach kommt Ezechiel mit dem starken Eide Gottes: So wahr ich lebe, spricht der Herr, ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen. Dann kommt Daniel mit seinem Gebet Kap. 9: Herr, wir liegen vor dir mit unserm Gebet, nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. Dann kommt Hosea, Kap. 11: Was soll ich aus dir machen? Soll ich dich schützen? Soll ich nicht billig ein Adama aus dir machen? Aber mein Herz ist anderes Sinnes, und meine Barmherzigkeit ist zu brünstig. Dann kommt Joel, Kap. 2: Bekehret euch zum Herrn mit Fasten, Weinen u.s.w. Item: Ich weiß, dass du gnädig, barmherzig bist, von großer Güte, und reuet dich bald der Strafe. Item: Alle, die den Namen des Herrn anrufen, sollen selig werden. Dann kommt Micha, Kap. 7: Wo ist doch ein solcher Gott wie du bist, der die Sünde vergibt? Dann kommt Christus selbst und spricht: Kommt her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Dann alle Apostel: Es ist in keinem Andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden, denn allein der Name Jesu, Actor 4. Col. 1: Danksaget dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht, welcher uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes, an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden.
Das ist ein rechter Gnadenspiegel unserer Bekehrung.
Der andere Teil.
Das andere Stück ist ein Christenspiegel und stehet in der Liebe, Sanftmut, Vergebung des Nächsten und brüderlicher Versöhnung.
Dabei wir auch vier Stücke zu betrachten haben:
1. Musst du deinen Bruder nicht würgen.
2. Der Herr fordert dich.
3. Er wird zornig.
4. Wirft dich ins Gefängnis.
1.
Da ging derselbe Knecht hinaus und fand einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Groschen schuldig. Das ist, dieser Knecht ging hinaus, gerecht vor Gottes Angesicht, hatte Vergebung aller seiner Sünde, seine Sünde war ihm aus Gnaden geschenkt, er war zu Gott eingegangen durch wahre Busse und den Glauben. Nun sollte er wieder herausgehen zu seinem Nächsten durch die Liebe und an ihm Barmherzigkeit beweisen, wie Gott an ihm getan. Der Glaube empfängt Alles von Gott umsonst, die Liebe teilet’s Alles wieder aus umsonst. Aber was geschieht? Er würgt seinen Nächsten ganz unbarmherzig, wirft ihn ins Gefängnis um einer kleinen Schuld willen.
Hier sind alle unversöhnliche, feindselige, unbarmherzige Leute abgebildet.
Wir haben allhier erst zu lernen, wie dies Würgen unseres Mitbruders geschieht, nämlich durch Zorn, Rachgier, Feindseligkeit, Unversöhnlichkeit, Hass, Neid, Verleumdung, Lästerung, Lügen, durch Gewalt und Ungerechtigkeit. Mancher übt Gewalt wider seinen Nächsten, nimmt ihm das Seine, behält’s ihm widerrechtlich vor und braucht List und Betrug, seines Nächsten Gut an sich zu bringen und kann’s dann meisterlich beschönen, dadurch würgen und morden jetzt die Leute einander.
Davon sagt St. Paulus Röm. 3: Ihr Rachen ist ein offenes Grab, Otterngift ist unter ihren Lippen, ihre Füße eilen, Blut zu vergießen, ihre Wege sind eitel Herzeleid, und den Weg des Friedens finden sie nicht. Darum nennt der Prophet Jeremias die Lügen Mordpfeile. Und St. Johannes sagt: Wer seinen Bruder hasset, der ist ein Totschläger. Jeremias am 18: Kommt, lasst uns Den, der uns widerspricht, mit der Zunge tot schlagen.
Nun ist’s aber ein schrecklich Ding, seinen Mitbruder also würgen und in solcher Unversöhnlichkeit leben. Denn das Seufzen des Beleidigten schreiet täglich in dem Himmel zu Gott und verklaget den Feindseligen. Das sind peccata clamantia, die himmelschreienden Sünden Derer, so Gewalt leiden, wie die Kinder Israel in Ägypten, und von den Sodomitern geschrieben steht: Das Geschrei Derer zu Sodom ist groß.
Hilf Gott, welch’ ein Geschrei muss im Himmel sein der bedrängten Seelen, wie auch Apoc. am 6. stehet: Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest und rächst du nicht unser Blut an Denen, die auf Erden wohnen? Daher Gott der Herr den Feindseligen oft vor der Zeit fordert vor sein Gericht und lässt ihn vor der Zeit sterben.
Das ist ein unseliger Mensch, der in Unversöhnlichkeit mit feindseligem Herzen stirbt. Der stirbt gewiss in Gottes Ungnade und in Gottes Zorn; so wird auch der Zorn Gottes über ihm bleiben. Und Das sagt einem jeden Menschen sein eigen Herz und Gewissen; denn ein feindselig, unversöhnlich Herz kann nimmermehr Ruhe haben, und so die Seele also abscheidet, so bleibet sie in solcher Unruhe ewiglich.
Wir wissen Alle, was der Zorn für eine große Last und Unruhe des Herzens ist. Lieber Gott, wer wollte doch gern, dass seine Seele eine solche Last ewig tragen sollte und in solcher Unruhe ewig bleiben! Das ist der Wurm, der nicht stirbt, und das Feuer, das nicht verlischt. Darum ist es schrecklich, einen Tag zürnen; denn wir wissen nicht, ob wir den Abend erleben werden. Darum auch St. Paulus treulich vermahnet, wir sollen die Sonne über unseren Zorn nicht lassen untergehen
2.
Der Herr fordert dich und hält ein hart Gespräch mit dir. Mancher denkt nicht, wenn er mit seinem Mitmenschen so tyrannisch und unchristlich handelt, dass es vor Gott kommen soll. Oh nein, sie denken, Gott sieht’s und höret’s nicht. Aber hüte dich, es kommt bald vor Gott.
Darum, so merket nun die Gründe und Argumente des Herrn, damit er dem Schalksknechte seine Unbarmherzigkeit verweiset:
Erstens spricht er: Du Schalksknecht, das ist, der seinem Nächsten nicht vergibt und ihn nicht liebet. Ob er sich gleich noch so fromm stellet als ein Engel, so ist er doch kein rechter Diener und Knecht Gottes, sondern ein servus nequam, ein Schalksknecht, dessen Werke aber Gott nicht gefallen, weil sie nicht aus dem Glauben und Liebe gehen. Siehe da, wird unser lieber Gott sagen, kommst du? Wie hast du es dort verlassen mit deinem Nächsten? Hast du nicht einen Haufen Ungerechtigkeit, Gewalt, Tyrannei, Hass, Zorn, Unversöhnlichkeit hinter dir gelassen und hast deine Sachen so meisterlich wissen zu schmücken mit dem Schein des Rechten? Aber nun schreien die Seufzer hinter dir her, ja die Tränen und Blut, und hast es so gemacht, dass ein Geschrei von dir im Himmel gehört wird.
Zweitens: Alle deine Schuld habe ich dir erlassen, das ist, ich habe dir so viele Tonnen Goldes erlassen, spricht der Herr.
Drittens: Dieweil du mich batest, das ist, du hast mir’s ja nicht abverdienet, sondern abgebeten, und ich habe mich über dich erbarmet.
Viertens spricht der Herr. Mich, dieweil du mich batest. Du und mich ist eine Kollation und Vergleichung, als wollte er sprechen: Meinst du nicht, dass ich ein allmächtiger Gott bin und meine Majestät höher ist, denn du? Doch habe ich dir vergeben. Habe ich, so ein großer König, vergeben, und du, elender Knecht, willst nicht vergeben? Habe ich, dein Herr, vergeben, und du bist ein Knecht und weigerst dich der Barmherzigkeit.
Fünftens: Solltest du dich denn nicht auch erbarmt haben? Das ist, meine große Barmherzigkeit gegen dich sollte dich bewogen haben zur Barmherzigkeit gegen deinen Nächsten.
Sechstens: Über deinen Mitknecht. Bedenke, wer dein Nächster ist. Er ist dein Mitknecht; ihr dienet Alle einem Herrn; du bist nicht besser, denn dein Nächster; wir sind Alle Gottes Knechte und werden unserm Herrn Rechnung tun müssen.
3.
Sein Herr ward zornig und überantwortete ihn den Peinigern. Da hören wir, wer mit seinem Nächsten zürnet, mit dem zürnet Gott im Himmel und retraktiert seine vorige Gnade. Leo: Non sit exactor vindictae qui est petitor veniae. Das ist: Der muss nicht sein ein Herauspresser der Rache, der da ist ein Bitter der Gnade.
Wenn nun ein Mensch in Unversöhnlichkeit stirbt, so bleibt der Zorn Gottes ewig über ihm; denn er stirbt in Gottes Ungnade, und wird das böse Gewissen Angst und Pein ewig tragen müssen; denn wie der Baum fällt, so wird er liegen bleiben. Stirbt ein Mensch in Unversöhnlichkeit, so stirbt er in Gottes Ungnade und wird auch also vor Gottes Gericht erscheinen müssen und dies Urteil hören: Du Schalksknecht u.s.w.
4.
Er überantwortete ihn den Peinigern. Der Mensch war durch den Glauben vom Teufel und bösen Gewissen erlöset. Nun bekommt der Teufel durch die Unbarmherzigkeit wieder völlige Gewalt über ihn, und die ganze Macht des Todes und der Hölle, das sind die Peiniger, davon uns Christus erlöset hat, und der elende Mensch macht sich wiederum denselben unterwürfig durch seine Unbarmherzigkeit.
Denn also beschleust der Herr und setzet sententiam definitivam, das Endurteil: Also wird euch mein himmlischer Vater auch tun, wo ihr nicht vergebet von euern Herzen ein jeglicher seinem Bruder seine Fehler. Das ist ein gewaltiger Donnerschlag, der alle unversöhnlichen, feindseligen Leute in die Hölle hinunter schlägt.
Hier haben wir nun diese hochnötige und nützliche lehre, dass die Menschen den edlen und teuren Schatz der Vergebung der Sünden durch Unbarmherzigkeit gegen ihren Nächsten verlieren können; denn der Herr sagt allhie ausdrücklich, dass sein himmlischer Vater uns also tun werde, wie wir unserm Bruder tun. Denn das ist poena talionis, die Strafe der Wiedervergeltung und Gottes Gerechtigkeit, dass die Gott tue, wie du deinem Nächsten tust.
Darum, wenn du genau willst bezahlet sein und so genau rechnest mit deinem Bruder, wohlan, so will Gott auch so genau bezahlet sein und mit dir also handeln, wie du mit deinem Bruder handelst. Darum so hat Gott die probam der Vergebung der Sünde in unser Herz und Gewissen gelegt, dass wir alle Stunden und Augenblicke wissen können, wie Gott gegen uns gesinnt ist, es kann derowegen Keiner ohne seines Nächsten Versöhnung ein gut Gewissen mit Gott haben. Es kann Keiner Gottes Gnade behalten, der seinem Nächsten nicht will vergeben. Gottes halber hat’s keine Not; denn der ganzen Welt Sünde ist auf ein Mal vollkömmlich bezahlt durch den Tod Christi, und wir sind Alle der Knecht, welchem der König auf einmal alle seine Schuld aus Gnaden schenket, wenn wir ihn bitten. Aber da der Knecht der Barmherzigkeit vergaß gegen seinen Mitknecht und ihn um hundert Groschen würgt, da ihm doch der König sechzig Tonnen Goldes geschenkt hatte, da widerrief der König seine Vergebung, und ward also der Schalksknecht um seines Bruders willen verdammet.
Wer den Nächsten beleidigt, der beleidigt Gott selbst, Numeror. 5, weil Gott selbst die Liebe ist. Denn so stark ist das Gebot der Liebe des Nächsten, dass, wo es gebrochen wird, da weichet Gottes Liebe von uns hintan, und wird der Mensch nicht nach Gnade, sondern stracks nach der Gerechtigkeit Gottes verurteilt, dieweil er seinem Nächsten keine Barmherzigkeit erzeigen will.
Wenn wir nun Das bedächten, so würden wir für einem jeden Zorn erschrecken, als der uns selbst verdammt, und würden freilich die Sonne nicht lassen über unserm Zorn untergehen.
Derowegen wird’s dir nicht helfen, dass du fürwendest, Christus sei für deine Sünde gestorben. Ist recht und wahr; aber du kannst mit feindseligem Herzen dieses Schatzes nicht teilhaftig werden, noch denselben behalten, wenn er dir sonst umsonst geschenkt ist, sondern du hast auf ein Mal die Vergebung der Sünden und die Seligkeit, ja Christi Verdienst, Blut und Tod verloren und verscherzt durch deine Unversöhnlichkeit gegen deinen Nächsten und hast dich selbst verdammt; denn es ist unmöglich, des Blutes Christi teilhaftig werden, so aus Liebe geflossen, mit einem feindseligen Herzen. Wie kann ein feindselig Herz der Liebe Gottes fähig werden?
So hat Gott an seine Liebe und Vergebung die Vergebung und Liebe des Nächsten verbunden. Versehen wir’s mit dem Nächsten, so haben wir’s mit Gott auch versehen; denn er will ohne des Nächsten Liebe von uns nicht geliebt werden. Darum sagt St. Johannes: Wer seinen Bruder nicht liebet, der bleibet im Tode.
Und wir sehen hier, dass der König nicht so sehr zürnet über die große Schuld des Knechts, als über seine Unbarmherzigkeit. Die Schuld kann er vergessen, aber die Unbarmherzigkeit kann er nicht vergessen.
Darum gedenkt an diesen Schluss des Herrn: Also wird euch mein himmlischer Vater auch tun, wie ihr euern Nächsten tut.
Darum vermahnet uns St. Paulus so herzlich Ephes. 4, dass wir wandeln sollen in aller Demut, Sanftmut, Geduld, und vertrage Einer den Andern in der Liebe, und seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eures Berufes, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater unser Aller, der da ist über euch, durch euch und in euch Allen. Alle Bitterkeit, Zorn, Lästerung lasst fern von uns sein. Seid aber untereinander freundlich, herzlich, vergebet Einer dem Andern, gleich wie Euch Gott vergeben hat in Christus.
Darum sollen wir unsere Versöhnung nun anstellen nach dem herzlichen Spruch: Misericordia Die est universalis, neminem excludendo, benigne moerentes consolando, longanimis et patiens peccatores exspectando, mitis, et placabilis revertentes suscipiendo, das ist. Die Barmherzigkeit Gottes geht über alle Menschen und schleust Niemand aus; sie ist gütig, die Bekümmerten zu trösten, langmütig und geduldig, auf die Sünder zu warten, gelinde und versöhnlich, die Wiederkommenden aufzunehmen. Nam misericordia Die est avara nostrae salutis, das ist: Die Barmherzigkeit Gottes ist geizig nach unserm Heil. Dies sollen wir unserm Nächsten auch tun, wollen wir Christen und Gottes Kinder sein.
Beschließe mit dem 103. Psalm: Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist seinen heiligen Namen. Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat, der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöset, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich macht, und du wieder jung wirst wie ein Adler. Der Herr schafft Gerechtigkeit und Gericht Allen, die Unrecht leiden. Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte. Er wird nicht immer hadern, noch ewiglich Zorn halten. Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat. Denn er kennt, was für ein Gemächte wir sind, er gedenkt daran, dass wir Staub sind. Die Gnade des Herrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über Die, so ihn fürchten. Oh Herr, gib uns deinen Geist ins Herz und deine Furcht ins Leben, auf dass deine Gnade bei uns bleibe immer und ewiglich. Amen.