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52. Die Burgfrau des Pürsteins.

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(Karl Jentscher in der Erzgebirgs-Zeitung, 1. Jahrg. S. 66.)

Die Sage berichtet, daß einst in dem Bache am Schlosse Pürstein ein Knabe fischte, was die Aufmerksamkeit der Burgfrau erweckte. Sie saß nämlich oben auf dem Söller und winkte ihrem Gemahl, welcher in den Krieg zog, ihre letzten Scheidegrüße zu. Heftig erzürnt über den Knaben, der es wagte in diesem Bache Fische zu fangen, ließ sie ihn sofort gefangen nehmen und vorführen. Der Vater des Knaben, der Brücknerhäusel-Besitzer gewesen sein soll, warf sich zu Füßen der Burgfrau und bat um Gnade, allein vergebens; ja man fesselte jetzt beide und warf sie in das tiefste Burgverließ. Ein Knecht öffnete des andern Tages den Kerker, um dem Vater die Freiheit, aber auch den Befehl zu bringen, daß er sofort diesen Ort und die umliegende Gegend zu verlassen habe, sein Eigentum sei unter die Schergen verteilt und sein Weib ausgejagt worden. »Und mein Kind?« rief der Alte. Der Knecht deutete auf den Mühlberg, wo soeben das Haupt des Kindes unter dem Beile fiel und über die Höhe des Berges hinabrollte. Der arme Vater, auf das tiefste getroffen, wankte langsam den Burgweg hinab und nie kehrte er wieder. Seitdem wurde der Gipfel des Mühlberges »Kopfleiten« genannt und zum Andenken ein Kreuz dort errichtet, welches noch bis in die dreißiger Jahre dort stand. Wenn der Allerseelensonntag seine trüben Nebel über die Gegend wirft, dann wandelt der Knabe als eine lichte Gestalt traurig dahin, und aus den Felsen des Hinterwaldes ertönt ein Jammergeschrei. Die Burgfrau aber, von Gewissensbissen getrieben, hatte keine Ruhe mehr gefunden, weshalb auch ihr Gemahl das Schloß verließ und es seinen nahen Vettern übergab. Ihr Schatten zog noch lange und oft auf dem Wege dahin, welchen das unglückliche Opfer zur Richtstätte genommen hatte. Viele wollte die alte Burgfrau zu den Schätzen des Schlosses locken, um durch diese von ihrem Schicksale erlöst zu werden, oft hatte sie sich den Dorfbewohnern in später Nachtstunde gezeigt, ein Becken mit Geld und Gold auf den Schultern tragend, – doch jeder wich scheu zurück und dachte an den armen Brücknersohn. Nur einem Manne gelang es, wie die Sage weiter erzählt, sich in einer Nacht reich zu machen. Ihm träumte, er solle dreimal auf die Brücke von Rodisfort gehen und zwar immer zur bestimmten Zeit; während er das dritte Mal zur Stelle war und harrend sann, kam die Burgfrau als ein altes, häßliches Weib hinkend auf ihn zu und deutete mit erhobener Krücke gegen Pürstein mit den Worten: »Gehe dahin gegen Pürstein auf das alte Schloß! Wenn dann der Mond am höchsten steht, so glänzt dir in der alten, schwarzen Mauer ein weißer Stein entgegen, diesen hebe hinweg, und was du suchtest, das wird dir mehr als zuviel!« Und er hob um Mitternacht diesen verhängnisvollen Stein hinweg, und fand so viel Gold, daß er nicht stark genug war, alles fortzubringen. – Seit dieser Zeit hat niemand mehr die alte Frau gesehen, und während früher in den alten Mauern nachts oft Getöse hörbar war, herrscht dort jetzt Grabesstille.

Sagenbuch des Erzgebirges (Johann August Ernst Köhler) (Literarische Gedanken Edition)

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