Читать книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder, Christian Friedrich Hebbel - Страница 49
Gedichte
ОглавлениеWenn in dem Nichts der Eitelkeiten Ein Fels umstürmt von allen Seiten auf Schlössern stolzer Fürsten ruht; dann wird man um den Staatsmann trauern und über den Planeten lauern und um des Helden Ochsenblut.
Schreiben an einen Freund
Göttingen im Mai 1769.
Seitdem mein Kutscher und mein Schicksal
Mich, Teuerster, aus deinem Blick stahl,
Leb' ich in diesem Vaterstädtgen
Von manchen Heften und Traktätgen,
Berühmt in allerlei Bedeutung
Durch Würste, Bibliothek und Zeitung,
Durch Professorn und Regenwetter,
Und breite Stein und Wochenblätter;
Durch junge Herrn aus allen Reichen
Der Welt, und Mädgen und dergleichen.
Du kennst zwar schon aus einem Bändgen
Dies geistliche Schlaraffen-Ländgen,
Wo Wahrheit kommt von selbst geflogen,
Bald mit der Haut bald abgezogen,
Zuweilen künstlich skelettiert,
Zuweilen ganz französ'sch kandiert,
Und wo man folglich um gelehrt
Zu werden nur sich recht aufsperrt.
Der Preis ist für so viel und so schön
Vier Taler vier und zwanzig Groschen.
(Viel mehr kost'ts was der Leib indes iß't,
Wenns auch nur trocken Brod und Käs ist:)
Doch wirst du vieles noch vermissen,
Was man hier weiß und nicht will wissen.
Professorn schreiben nur qua tales
Und dann wer Henker weiß denn alles?
Sehr neu und seltsam muß es dir sein,
Das hier studiern und drei Jahr hier sein,
Herz haben und sich duellieren,
Vermögend sein und sich bordieren,
Daß wahrer Pursche und ein Kind
Oft einerlei und oft auch nicht sind.
Ein Völkgen, das sich öfters umbrächt,
Wär kein Prorektor und kein Gumprecht,
Herrscht hier, so daß es aussieht bald wie
Anarchie bald wie Oligarchie;
Schützt aufmerksam die Purschen-Rechte,
Die doch kein Mensch zu kränken dächte,
Und dröhn hingegen aufzureiben
Wehrlose arme Fensterscheiben.
Galant, possierlich, wie gedrechselt,
So lang noch Gunkel Bücher wechselt;
Doch ziehn sie oft, sobald nur Backhaus
Sein Konto schwingt, mit Sack und Pack aus.
Der kaum ein Prinz war, dessen Tisch muß
Mattierbrod sein, mit Stoizismus
Sich selbst verleugnend und froh daß er
Das Leben hat in Rauschenwasser.
Und just auf dem verkehrten Fuß
Mit dem Diktator Cincinnatus
Verließ er gern nach so viel Unfug
Den Prinzen-Stand und ging hin zum Pflug.
Da sitzt er dann, daß ich für Weh
Nicht hinsehn mag und weitergeh.
Die andre Art, nicht so gefährlich
Als jene, doch gleich stark entbehrlich,
Dünkt sich an Leib und Seele größer,
Ist mehr frisiert und trägt sich besser.
Doch sind sie oft so leer im Beutel
Als unter dem frisierten Scheitel.
Und siehts im letzten ja noch voll aus,
So ist er voll so wie manch Tollhaus:
Vernunft sinkt dort in Nonsense unter
Und Witz schwimmt noch kaum auf Burgunder.
Und hier umarmen sich Ideen,
Die sich sonst kaum einander ansehn:
Sadon und Gellert führn einander
Wie Sohn und Vater an der Hand her.
Dort stehn Rezepte zu Pomaden
Bei Axiomen von Monaden,
Pandekten, Institutionen,
Steinschnallen, Mädgen und Makronen,
Physik der Bauern und der Ammen
Und eins von Kästners Epigrammen,
Kurz Worte sind nicht auszusinnen
So bunt als solch ein Kopf von innen.
Allein kein Grieche schreibt so schön
Und rund als sie von außen aussehn.
Ihr Hauptmann war im letzten Winter
Ein Aff in Form der Menschenkinder.
Haar, Wuchs, und Wade ohne Tadel,
Dazu auch physice von Adel,
Ein paar gewölbte große Augen,
So wie sie sonst zum Sprechen taugen.
Dazwischen strotzte unerschüttert
Die Nase die nach Ahnen wittert
Und lehrte mit beredter Stummheit
Die Größe seiner noblen Dummheit,
Sonst sprach er fein, französisch spitz,
Ein Mittel zwischen Witz und Wahnwitz,
Und wollt er erst recht artig sein,
So kam der letzte ganz allein.
Dies im Kolleg und bei Konzerten
Und zwar von Mädgen und von Pferden.
Der Nächste nach ihm war kein Putzer
Und mehr ein guter Affen-Stutzer
Er pflegt' sich auf den Hieb zu legen
Mit legibus und mit dem Degen,
Dabei verstund er sich aufs Reiten,
Aufs Schießen und aufs Köpfeschneiden.
Bekannt in Northeim und in Nörten,
Doch auch in Bällen und Konzerten,
Gemacht für groß und kleine Welt,
Für Wackern und für Frankenfeld.
Von Stax, an Leib und Seele kleiner,
Dafür ätherischer und feiner,
Ward jener Freund, so (wenn mans gnau nimmt)
Wie mancher öfters eine Frau nimmt.
Sein Wechsel nämlich war ihr Segen,
Ihr starker Arm sein Schutz hingegen.
Sonst reimt er zärtlich tändelnd so wie
Der Nachtgedankenfeind Jacobi,
Schrieb so wie Wittenberg der Große
Geflissentliche Festtags-Prose,
Seufzt' jedem Mädgen holde Briefgen
Voll Liebe und Diminutivgen,
Nie alles voll, stets nur ein bißgen,
Knosp' ward ein Knöspgen, Fuß ein Füßgen,
Und wie ein Trüppgen von Pygmägens
Rangiert er Mikroskop-Ideegens.
Da ruft man aus: das ist gewiß von
Gleim oder gar Anakreon.
O Jugend! Oft ist großer Hang
Zu Liedgens Mangel an bon sens.
Glaubt ja nicht, wenn ihr euren Gleim les't,
Daß jedes Seufzerchen im Reim läßt.
Nehmt euch in Acht, daß nicht vielleicht
Euch lauernde Kritik erschleicht
Und eure Zärtlichkeit und Salz
Nicht ziert den Pranger des Journals.
Sag, Freund, wo kommt doch dieses Üb'l her,
Daß Deutschland hat so viele Schiebler?
Göttingen zählt ohn Unterlaß
In jedem Jahr ein Dutzend Lyras.
Wir sind, will man Aspekte deuten,
Nun in des Witzes letzten Zeiten.
Bald schießt Wahnwitz im Silbenmaß
Sternschnuppen gleich durch meine Straß,
Wenn dort ein Irrwisch Liedgen schleicht,
In moderndem Gehirn erzeugt.
Bald dröhn geschwänzte Elegien,
Die über den Kirchhöfen ziehn,
Bald dicke schwere Oden-Dünste,
Das Werk poetscher Zauberkünste,
Euch, arme Prose und Vernunft,
Nicht gar viel Gutes für die Zukunft