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DIE NATUR DER ERNÄHRUNG UND WIE DARAUS LEBENS-/WILDNISKULTURERFAHRUNGEN ENTSTEHEN

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In dieser angespannten Zeit passierte etwas, dass mich als Mensch verändert hat: Ich war nun für jemanden verantwortlich, der mich zu 100 % brauchte. Der davon abhängig war, dass Menschen für ihn lebenswichtige Entscheidungen fällten. Der davon abhängig war, dass die Entscheidungen, die von Ärzten und Krankenschwestern getroffen worden waren, hinterfragt wurden, um die bestmöglichen Rahmenbedingungen für ein möglichst gesundes Leben zu garantieren.

Ich empfinde es noch heute als Segen, dass sich die Krankenschwestern der Frühgeburtenstation so intensiv darum bemüht haben, dass ich, obwohl Kilian noch lange Zeit nicht gestillt werden konnte, gelernt habe mit Milchpumpen umzugehen. Bis dorthin habe ich, ehrlich gesagt, nicht einmal gewusst, dass es so etwas – und vor allem in so vielen Ausführungen – überhaupt gibt. Die Stillberaterinnen auf der Station machten mir klar, wie wichtig es für Kilian sei, dass er sobald als möglich Muttermilch via Sonde bekommt und dass dies der einzige Weg sei ihn optimal zu begleiten. Unser Ziel musste es sein, dass Kilian überlebt, stark wird und möglichst bald selbstständig atmen und in weiterer Folge auch an der Brust trinken konnte. Sie klärten uns über die positiven Inhaltsstoffe der Muttermilch auf und ich wurde zur Expertin für Milchpumpen.

Kilian entwickelte sich dank liebevoller Pflege, intensiven Kuschelkontakten, „Känguruhing“ und Farbtherapie (wir arbeiteten mit bunten Tüchern) wunderbar. Wir trainierten gemeinsam regelmäßig das Saugen und nach einigen Monaten war Kilian ein vollgestilltes, gesundes Baby. Diese intensive Beschäftigung mit dem Stillen und dessen positiven Auswirkungen war mein erster bewusster Kontakt mit dem Thema „natürliche, gesunde Ernährung“ und „Achtsamkeit im Beobachten und Handeln“.

ERFAHRUNG 1:

„Gesundes ökologisches Wachstum ist auf wenige, natürliche Baustoffe angewiesen.“

Jedes Lebewesen braucht sein individuelles Habitat und eine für sich vorbereitete Umgebung … und wenn es diese nicht gibt, dann darf ich sie mir achtsam und wertschätzend herrichten.

Im September 2002, genau zum errechneten Geburtstermin, hatte Kilian stolze 3000 g und war 50 cm groß. Ich weiß noch, dass ich mir damals gedacht habe: „So, jetzt ist das Schlimmste überstanden!“ Dem war aber nicht so!

Mitte September mussten wir mit Kilian ins Krankenhaus, da er nicht mehr aufhörte zu weinen. Im LKH Leoben wurde zuerst ein Durchfallvirus (Rotavirus) festgestellt. Doch der Zustand Kilians wurde immer bedenklicher und nach einigen Stunden hing sein Leben am seidenen Faden. Er wurde ins LKH Graz überstellt, wo uns vom Chirurgen erklärt wurde, dass er unseren Sohn jetzt am Darm operieren würde. Dieser hätte sich um 180 Grad verdreht (Volvulus) und sei durchgebrochen. Sehr einfühlsam bat er uns, uns von Kilian zu verabschieden, da es wahrscheinlich sei, dass wir ihn nicht mehr lebend wiedersehen würden.

Nun erlebten wir den nächsten Quantensprung in unserer Entwicklung, der uns von nun an einen neuen Fokus auf unser Leben geben würde: Wir waren durcheinander, verängstigt und fühlten uns der Situation völlig ausgeliefert … Trotzdem wurde uns klar, dass wir nun Verantwortung für Kilian übernehmen mussten, die in diesem Fall so aussah, dass wir den Chirurgen das Gefühl geben mussten, dass wir ihnen vertrauen, damit sie völlig angstfrei in den OP gehen konnten.


Johnny am Wildniskulturspielplatz in Übelbach

Also sagte ich, ohne lange darüber nachzudenken: „Nehmen Sie unseren Kilian mit und tun Sie bitte für ihn, was Sie können! Aber seien Sie sich sicher, dass wir ihn lebend wiedersehen werden, weil ich das einfach weiß! Haben Sie bitte keine Angst!“ Der Chirurg schaute uns staunend an und versprach, sein Bestes zu geben. Unzählige Stunden des Wartens, Weinens und der Angst, die wir teils im LKH Graz, teils bei unserer lieben Freundin Irmgard verbrachten, lagen vor uns. Ganz von selbst war das nächste wichtige Prinzip unseres Lebens wirksam geworden:

ERFAHRUNG 2:

„Verantwortung für die Situation übernehmen und Vertrauen entwickeln!“

Nach vielen Stunden im OP kam Kilian lebend, aber schwer gezeichnet zurück. Viele Monate auf der Intensivstation der Kinderklinik und viele Komplikationen und Herausforderungen sollten folgen. Johnny las sich in medizinische Abhandlungen über das Verdauungssystem ein und stieß nach einer Weile auf die Inhaltsangabe der zu der Zeit üblichen Sechsfach-Impfung für Babys, die im Mutter-Kind-Pass empfohlen wurde. Nach eingehenden Recherchen kamen wir zum erschreckenden Ergebnis, dass diese Impfung, die von den Ärzten vor der Entlassung Kilians aus der Frühgeburtenstation in Leoben vorgenommen wurde, wesentlichen Einfluss vor allem auf den noch unreifen Darm von Frühchen nehmen und diesen schädigen kann.

Es kann also davon ausgegangen werden, dass diese Impfung, die kurz vor dem Volvulus injiziert worden war, der Auslöser für die Darmverdrehung war. Richtig verstanden und unsere persönlichen Rückschlüsse für uns und unsere Kinder daraus gezogen haben wir natürlich erst viel später. Denn in dem Moment, wo du um das Leben deines Kindes bangst, hast du keine Kraft dich mit allen Aspekten auseinanderzusetzen. Deine Aufgabe ist es, so haben Johnny und ich das gesehen, voll und ganz den Fokus auf das Leben des Kindes zu richten und alles andere zu bedenken, abzuspeichern und langsam ein großes Ganzes zu formen.

An dem Tag, an dem unser Kilian notoperiert wurde, war es definitiv: Unser Leben würde von nun an anders verlaufen, als wir es uns jemals vorgestellt hatten.

Kilian hat seit damals nur noch ein Drittel seines Darms. Dies inkludiert Dickdarm und Dünndarm. Johnny wurde zum absoluten Darmexperten. Er las jedes Buch zu diesem Thema und unterstützte mich darin, weiter meine Muttermilch abzupumpen, obwohl Kilian diese nicht mehr bekommen durfte. Seine Ernährung beschränkte sich auf minimale Mengen Sondenernährung. Ständig bestand die Möglichkeit, dass er diese nicht verträgt. Der Nahrungsaufbau gestaltete sich als schwierig. An der Brust trinken konnte und durfte er nicht, da er die Muttermilch in ihrer Komplexität womöglich nicht vertragen würde. Wir gingen dazu über, ihn in der abgepumpten Milch zu baden. Mit dieser Art der Pflege legte er sich nie wund und trotz seiner 25 bis 30 Stühle am Tag (durch die kurze Darmpassage geht die Nahrung fast ungefiltert durch den Verdauungsapparat) war sein Po nie wund. Noch etwas anderes konnte dadurch bewirkt werden, allerdings haben wir das dann erst viel später einmal gelesen: Durch das Baden in Muttermilch kam Kilian mit Laktose in Berührung. Obwohl auch dieser Abschnitt des Darmes, in dem Laktose aufgespalten werden kann, fehlt, ist er nun, mit 17 Jahren, nicht laktoseintolerant! Sein Körper wurde durch das tägliche Baden in Muttermilch darauf trainiert, mit Laktose umzugehen.

Auch heute noch versuchen wir tierische Milchprodukte in seiner Ernährung großteils zu vermeiden. Milchprodukte, die der Körper basisch verstoffwechselt, wie Butter oder Sahne in kleinen Mengen werden von Kilian sehr gut vertragen.

Wir erkannten das nächste Prinzip, dem wir in weiterer Zukunft viel Raum geben würden:

ERFAHRUNG 3:

„Stärke durch achtsame Konfrontation mit Herausforderungen und Vertrauen in die Natur der Sache.“

Jeder Organismus ist einzigartig und braucht seine Grundbedingungen, um gesund wachsen zu können. Es ist aber wichtig, nicht immer alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, um Wachstum zu fördern: Überleg dir Alternativen, achte auf Vielfalt. Das gilt für deine Pflanzen im Garten genauso wie für dich und deine Mitmenschen.

Hier ein Beispiel: Jedes Samenkorn hat in sich abgespeichert, wann der beste Zeitpunkt zum Keimen gekommen ist. Säe ich nun mein Beet ein, gieße ich die Samen und warte ich nicht, wie in der Natur vorgegeben, auf den nächsten Regen, dann wird sich mein Same an meine Hege und Pflege gewöhnen, er wird abhängig davon, dass ich ihn bis zum Erwachsenenalter betreue. Anders verhält sich eine Pflanze, die als Samenkorn nicht gegossen, sondern durch Regen zum Wachsen angeregt wird. Sie ist robuster und besser an klimatische Bedingungen angepasst. Siehst du vielleicht einen Zusammenhang zur Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen?

Das Thema „Darmgesundheit“ beherrscht natürlich seit dieser Zeit unser Leben. Wir wurden von der Schulmedizin immer gut begleitet, fanden aber oft eigene, gegebenenfalls erfolgreichere Wege, mit Situationen umzugehen. So konnten wir zum Beispiel durch die Erfahrungen mit Kilians doch sehr angespannter Ernährungssituation Rückschlüsse auf die Aufnahme von Inhaltsstoffen (Vitamine, Mineralstoffe …) von biologischen, konventionellen und „natürlich gewachsenen“ Lebensmitteln durch den Organismus ziehen:

Konventionell produzierte Lebensmittel sind häufig chemisch behandelt und belasten den Körper mehr, als dass sie ihn unterstützen (Kilian reagiert darauf mit starken Durchfällen).

Biologische Lebensmittel werden zwar mit anderen und viel weniger Stoffen behandelt, werden aber oft in Massenproduktion und unter geschützten Bedingungen (beispielsweise im Glashaus) hergestellt; Kilian nimmt die Nährstoffe zwar besser auf, braucht aber große Mengen davon, um seinen Körper grundzuversorgen.

Natürlich gewachsene Lebensmittel“ eignen sich für seine Ernährung am besten. Sie beinhalten alle Inhaltsstoffe, die die Pflanze im optimalen Fall herstellen kann. Diese besitzen einen hohen Grad an Bioverfügbarkeit, das heißt, unser menschlicher Körper kann sie optimal aufnehmen.

Durch dieses Wissen entstand die nächste Erfahrung:

ERFAHRUNG 4:

„Natürlich gewachsene Pflanzen sind allen anderen für eine gesunde Ernährung vorzuziehen. Sie benötigen eine natürliche Umgebung, die sie fördert und fordert.“

Auf diesen Leitsatz und darauf, wie du deine Pflanzen beim „natürlichen Wachsen“ von Anfang an unterstützen kannst, werden wir im Laufe dieses Buches noch intensiv eingehen.

Als aufmerksamer Leser bzw. aufmerksame Leserin hast du sicher schon bemerkt, dass wir in unser Thema „Basiswissen der Wildniskultur“ schon eingetaucht sind! Ja, so kann es gehen – und so ist es meistens – durch entscheidende Veränderungen in unserem Leben beginnen wir die Welt mit anderen Augen zu sehen. Bis dahin Unwesentliches kann ganz groß werden … und angeblich Großes wird ganz klein.

Unsere gemeinsame Geschichte mit unserem Sohn Kilian führte uns auf unseren „Weg zur Perma-/Wildniskultur“ und nahm mit einer chronischen Krankheit, genannt „Kurzdarmsyndrom“, seinen Anfang. Durch diese Krankheit, die selten ist und auch bei jedem betroffenen Patienten anders verläuft, haben wir als Eltern die Möglichkeit erhalten, uns als Menschen besser kennenzulernen, uns selbst in Frage zu stellen und vor allem: selbst die Verantwortung für unser Tun und Denken zu übernehmen.

Kilian dabei zu helfen, so gesund wie möglich zu sein, nimmt viel Raum in unserem Familienleben ein. Seine Brüder, Lion-Felix und Jakob, wurden 2004 und 2006 geboren. Das Gründen einer für unsere derzeitige Gesellschaft unüblich großen Familie stieß nicht immer auf Verständnis. Wir jedoch waren und sind der Meinung, dass dies das Lebenskonzept ist, dass für uns, Johnny und Sandra, das richtige ist. Wir waren beide der Meinung, dass Kilians Leben voraussichtlich so „anders“ verlaufen würde, dass ein klein wenig Normalität im Familienalltag sich für uns alle sehr positiv auswirken würde. Natürlich hoffen wir, dass das unsere Jungs genauso sehen.


Wildniskultur heißt natürliches Wachstum.

Jedes Kind hat wieder Neues in uns hervorgebracht. Während ich mich nach Lions Geburt hauptsächlich um die zeitlich doch sehr intensive Pflege der beiden Jungs kümmerte, versuchte Johnny, soweit es Kilians Gesundheit zuließ, die Familie finanziell zu versorgen. Parallel machte er eine Ausbildung zum Fitness- und Gesundheitscoach. Seine Abschlussarbeit schrieb er über „Mineralstoffe und Spurenelemente und deren Wirksamkeit“. Durch diesen tieferen Zugang zur Materie wurde klar, dass wir in Zukunft, vor allem um die Versorgung unserer Familie mit allen Inhaltstoffen, die für sie wichtig sind, zu gewährleisten, unsere selbst vorgezogenen und unter natürlichen Bedingungen gewachsenen Früchte und Kräuter anbauen werden. Der Wunsch nach möglichst weitgehender Selbstversorgung war geboren!

Nach der Geburt unseres dritten Kindes zogen wir aus beruflichen Gründen für einige Jahre nach Oberösterreich, nach Bachmanning im Bezirk Wels-Land. Das war auch etwa die Zeit, als wir mit der Permakultur in Berührung kamen. Das erste Buch über Permakultur kaufte ich Johnny zu Weihnachten 2006. Kurz davor hatten wir einen Bericht im Fernsehen über den „Agrarrebellen“ Sepp Holzer, einen Bergbauern aus dem Salzburger Lungau, gesehen und verfolgten die kontroverse Diskussion über ihn und sein Tun. Johnny und mir gefiel Sepps direkte Art und sein kompromissloses Handeln für die Natur. Seine „Holzer’sche Permakultur“ faszinierte uns vor allem wegen ihres Umgangs mit dem Thema „Wasser“ und durch das „Denken und Planen“ über den Tellerrand hinaus.

Da es auch in unserem Umkreis interessante permakulturelle Initiativen gab, hörten wir uns einen Vortrag von Bernhard Gruber, einem Permakultur-Designer aus Wels, an. Am meisten faszinierten mich dort der „Hühnertraktor“ und der Einsatz der Hühner im Garten als Helfer. Beide Männer boten Ausbildungen an und es war klar, dass einer von uns, entweder Johnny oder ich, eine dieser Ausbildungen machen sollte.

Da wir mit unseren drei Kindern, und vor allem durch Kilians immer wieder angespannte Gesundheitssituation, nicht die Möglichkeiten hatten beide Ausbildungen zu machen, mussten wir eine Entscheidung treffen. Zu diesem Zeitpunkt war uns noch gar nicht klar, dass es in der „Permakultur“ mindestens zwei Strömungen gibt und wie sehr die Auseinandersetzung zwischen den „Anhängern“ dieser Wege uns noch betreffen würde.

Meine Mutter bot uns an, unsere Jungs für drei Tage zu betreuen, sodass Johnny und ich ein Drei-Tages-Seminar mit Sepp Holzer auf seinem „Krameterhof“ machen konnten. Dort fiel bei uns der Groschen, wie man so schön sagt!

Dieser 45 ha große Bergbauernhof in der kältesten Region Österreichs wurde von Sepp über Jahrzehnte terrassiert, in Mischkultur bepflanzt und mit Tieren bewirtschaftet. Wenn du dort auf dem Berg stehst und ringsum den Zustand der Flächen und Wälder im direkten Vergleich zum „Krameterhof“ siehst, fängst du an zu verstehen, worum es sich bei nachhaltiger, ökologischer Bewirtschaftung dreht. Und voilà: Der nächste Leitsatz lag klar auf der Hand und wartete auf Umsetzung:

ERFAHRUNG 5:

„Gestalten und renaturieren im Kleinen wie im Großen zum Wohle von Mensch, Tier und Pflanze! Im Mittelpunkt stehen immer die Natur und ihre Zusammenhänge … der Mensch mit seinen Vorstellungen von Ästhetik und Notwendigkeiten stellt sich in den Hintergrund!“

Hier einige Möglichkeiten der Gestaltung:

Vielfalt der Vegetation = Verringerung der Bodenerosion durch Tief- und Flachwurzler. Bei Sepp standen wir im Dschungel, rundherum bei den Nachbarn herrschte der Borkenkäfer und Stürme konnten durch die Bewirtschaftung in Fichtenmonokulturen großen Schaden anrichten.

Terrassierung von Hängen = Das Wasser bleibt so lange wie möglich auf dem Grundstück – im Gegensatz zur Drainagierung von Hängen unter anderem durch intensiven Forststraßenbau. Durch das Halten des Wassers am Grundstück kann sich die Feuchtigkeit lange halten, die Versorgung der Pflanzen ist gewährleistet.

Anlegen von Wasserretentionsbecken = Durch das Anlegen dieser Becken (Teiche/Biotope) halte ich ebenfalls das Wasser länger auf meinem Grundstück. Es ist eindrucksvoll zu sehen, wie auf dem Krameterhof das Wasser von oben auf dem Berg bis nach unten in modellierte Becken, die die Natur zum Vorbild haben und natürlich folienfrei sind, geleitet wird. Richtiges Wassermanagement sorgt für gutes Pflanzenwachstum und Diversität.

Direkt nach dem Seminar entschlossen wir uns dazu, dass Johnny den nächsten Ausbildungslehrgang bei Sepp Holzer machen würde. Einfach war es für uns nicht, die Summe für die Ausbildung aufzubringen, aber das Herz und der Bauch sagten mit aller Bestimmtheit JA! Da es weder zeitlich noch finanziell möglich war, dass wir beide die Ausbildung machten, einigten wir uns darauf, dass Johnny diese Chance wahrnimmt und mir so viel wie möglich vom Erfahrenen und Erlernten weitergibt.

Unser größtes Anliegen war es, wie schon erwähnt, uns und unsere Kinder, im Besonderen Kilian, so natürlich wie möglich zu ernähren. Mir war es besonders wichtig dies ohne Druck zu tun. Selbstversorgung bedeutet für uns, alles was uns mit unseren Ressourcen an Zeit, Energie, Kreativität, Wissen, Erfahrung und Finanziellem zur Verfügung steht für uns als Gruppe einzusetzen, um möglichst unabhängig von großen Konzernen zu sein. Recht schnell ließ sich ein weiteres Lebensprinzip für uns daraus ableiten:

ERFAHRUNG 6:

„Selbstversorgung heißt sich an die Gegebenheiten anzupassen und mit anderen (Mensch, Tier, Pflanze, Wasser, Erde) in Beziehung zu treten.“

Die größte Unabhängigkeit und die größte finanzielle Einsparung erreiche ich dann, wenn ich mein Obst, Gemüse, meine Kräuter und gegebenenfalls meine tierischen Produkte selbst vorziehe bzw. herstelle.

In unserem Innenhof in Oberösterreich begann Johnny eine kleine Gartenanlage im Kreislauf mit der Natur zu gestalten. Ich nannte sie liebevoll das „1. Permakultur-Minimundus“ (beschrieben in der 1. Auflage des Buches „Jedem sein Grün“). Auf einer Fläche von ungefähr 50 m2 entstand eine Gartenlandschaft, die die Sandkiste der Kinder gleich inkludierte. Ein Pyramidenbeet für Gemüse, ein Kräuterhügel, ein Mini-Teich für unsere tierischen Helfer, die Laufenten, ein bepflanzter „Jakob-Zaun“ (das war jener Zaun, der vor allem unseren Jüngsten vor den Autos, die in den Hof fuhren, schützen sollte) sowie eine Bepflanzung des Sandkistenrandes und damit die Begrünung der Stadelwand mit Paradeisern (Tomaten) waren Teil des Konzeptes.

Einfach genial, wie alles funktionierte! Von Anfang an wuchsen die Pflanzen in bunter Mischkultur mit Sonnenblumen, Radieschen, Salaten, Karotten, Rüben und Co. Die Laufenten fungierten als Schneckenfresser …

Wir waren begeistert und unsere Kinder halfen beim Ernten und Verarbeiten fleißig mit. Jetzt nach all den Jahren sind die Jungs Teil des „Permakultur-Wildniskultur-Arbeitsteams“ und arbeiten weitgehend selbstständig bei der Vorzucht der Pflanzen, beim Anlegen von Beeten, beim Bewirtschaften eben dieser und auch bei der Verwertung der Früchte.


Unser Pyramidenbeet


Entenküken in der angelegten Lacke, Bachmanning, Oberösterreich


Kräuterhügel im Innenhof, Bachmanning, Oberösterreich

Durch unser „Permakultur-Minimundus“ erfuhren wir Folgendes:

ERFAHRUNG 7:

„Nachhaltiges Gärtnern und Landwirtschaften heißt Kreisläufe zu installieren oder zu bewahren!“

Die Besonderheit der Kreislaufwirtschaft liegt in der Vielfachwirkung der einzelnen Elemente und darin, dass diese Elemente zusammenhängen: Das Wasser steht im Zentrum. Ein Wasserretentionsbecken liefert Feuchtigkeit – sowohl unterirdisch als auch oberirdisch durch morgendliche Taubildung. Dadurch ist für einen ausreichenden Temperaturausgleich gesorgt. Dadurch braucht der Garten, außer in extremen und langen Dürreperioden, nicht gegossen zu werden. Die Pflanzen entwickeln durch das fehlende „Verhätscheltwerden“ tiefe Wurzeln, sie werden stark und unabhängig. Diese Pflanzen wiederum entwickeln einen hohen Grad an Mineralstoffen, Vitaminen, Spurenelementen usw., die wiederum von uns Menschen gut aufgenommen werden (Bioverfügbarkeit). Ihre Samen haben großes genetisches Potential und werden, wenn sie reif sind, geerntet und dienen im nächsten Jahr als Saatgut für den Garten bzw. die Landwirtschaft.

Allein hier in dieser Schilderung habe ich schon wichtige Kreisläufe beschrieben und du siehst: Alles hat einen Mehrfachnutzen!

ERFAHRUNG 8:

„Gießfreie/gießarme und arbeitsextensive Gärten sind das Ziel und möglich!“

ERFAHRUNG 9:

„Das Planen eines Kreislaufgartens ist notwendig und sinnvoll!“

Wenn du die Möglichkeit hast, deinen Garten zu gestalten, empfehlen wir dir eine sorgfältige Planung. Glaube uns, die macht sich bezahlt! Ein gut durchdachtes Wegesystem erleichtert dir zum Beispiel das Arbeiten und Ernten. (Details dazu, wie du einen nachhaltigen Kreislaufgarten planen kannst, erfährst du im Kapitel: „Die Wichtigkeit des großen Ganzen“)

Die Ausbildung zum „Permakulturpraktiker“ inkludierte auch eine längere Reise nach Spanien zu einigen von Sepp Holzer groß angelegten Permakulturlandschaften. Das dort Erlebte und Gesehene beeinflusste Johnny sehr. Er sah unglaubliche Trockenheit und das Sterben der uralten Stein- und Korkeichen. Parallel dazu wurde das „Wunder Permakultur“ durch die Holzer’schen Projekte sichtbar. Durch die Schaffung von großen Seen und Teichen und die Bepflanzung in Mischkulturen konnte er richtiggehend fühlen, wie sich Fauna und Flora langsam erholten. Auch nach Abschluss der Ausbildung begleitete Johnny Sepp Holzer auf Beratungen, oft gemeinsam mit unserer Kollegin Judith Anger. Diese gründete den Verein „PermaVitae“, bei dem wir sofort Mitglieder wurden und bis heute im Vorstand tätig sind.

Nachdem Johnnys Erzählungen so eindringlich waren und wir uns immer tiefer in die Materie eingelesen und eingelebt hatten, war klar: Juhuuu, Johnny hat seine Berufung gefunden! Er IST Permakulturpraktiker und wird sich damit selbstständig machen, um die Zeit zu haben, sich ganz der Materie hinzugeben und möglichst viele Menschen zu erreichen. Denn wir sind überzeugt: Mit dieser Art des natürlichen Kreislaufwirtschaftens können wir unser Klima und damit die Welt retten!

Sein technisches Studium und generell seine Liebe zur Mathematik und den Naturwissenschaften kamen ihm bei seinem Unterfangen sehr gelegen. Er entwickelte über die Jahre ein Gespür für die Landschaft, das mich, wenn ich ihn zu Beratungen begleite, jedes Mal wieder fasziniert. Er wurde zum „Landschaftsleser“! Natürliche Zusammenhänge zu erfassen fällt ihm ganz leicht. Dazu erkennt er auch die Möglichkeiten, karge, kranke, unrentable oder einfach brachliegende Grundstücke zu vielfältigen, lebenden Paradiesen zu gestalten und kann diese Vorstellungen aufgrund seines technischen Verständnisses auch in die Praxis umsetzen. Mittlerweile hielten tonnenweise Bücher über Pflanzen, Holzbauten, Teichbauten, Weidenbauten, Mischkultur usw. in unsere Bibliothek Einzug und wurden von ihm alle gelesen und studiert. Natürlich brauchten wir auch den nötigen Platz, um alles auszuprobieren. Der war in unserem Innenhof nicht mehr gegeben. Daher suchten wir einen neuen Lebensraum, um das Erfahrene nicht nur für Kundinnen und Kunden, sondern auch für uns als Familie anzuwenden.

Es traf sich daher recht gut, dass Johnny und Judith einen Großgrundbesitzer kennenlernten, der in der Steiermark, genauer gesagt in unserem derzeitigen Heimatort Übelbach, ein großes Permakulturprojekt umsetzen wollte. So fuhren wir immer wieder in die Steiermark und nahmen auch die Jungs mit, um einander kennenzulernen und Planungsschritte einzuleiten. Nach einiger Zeit beschlossen wir, bis zur vollkommenen Umsetzung des Projektes ein Haus mit großem Garten in Übelbach zu mieten. Gesagt, getan! Die Jungs liebten ihr neues Zuhause am Waldrand, den Bach, der in direkter Nachbarschaft war, und unsere Nachbarn wurden schon bald zu unseren Freunden. Alles bestens, so sollte man meinen. War es auch, bis auf die Kleinigkeit, dass das Projekt nur sehr, sehr zögerlich in Angriff genommen wurde und wir meinten, dass die Herangehensweise eher für alleinstehende Studenten als für eine Familie mit drei Kindern passte. Bis wir dahinterkamen, dass dieses Projekt in seiner Dynamik nicht zu uns passte, gefiel es uns aber schon so sehr in unserem neuen Zuhause, dass wir nicht mehr wegwollten.


Beseelt von dem Gedanken, die Welt wenigstens ein kleines bisschen zum Positiven zu verändern und den Menschen Permakultur als nachhaltig ökologische Möglichkeit näherzubringen, überlegten wir uns etwas anderes, mit dem man viele Menschen erreichen kann.

Perma- und Wildniskultur

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