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DER NÄCHSTE SCHRITT: DIE „ESSBARE GEMEINDE“

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2012 kam die Idee der „Essbaren Gemeinde“ auf. „Essbare Städte“, wie zum Beispiel Andernach am Rhein, machten es vor: Öffentliche Flächen werden zu öffentlichen Gärten. Welch eine große Chance für die Umwelt und damit für die Menschen, wenn es in jeder Gemeinde, in jeder Stadt öffentlich zugängliche, für jeden nutzbare und ökologisch wertvolle Gärten gäbe!

Kurzentschlossen schrieb ich dem Bürgermeister von Übelbach ein E-Mail und sendete einen Link über die Stadt Andernach mit. Und wirklich: Unser Bürgermeister, Ing. Markus Windisch, lud uns, obwohl wir uns damals noch nicht persönlich kannten, zu einem Gespräch ein. Er zeigte sich von der nachhaltigen Nutzung gemeindeeigener Flächen begeistert. Im Frühjahr 2013 war es dann so weit: Gemeinsam mit Margarete Strugger, einem Vereinsmitglied von „PermaVitae“ und ebenfalls Permakulturpraktikerin, plante Johnny die Umgestaltung der bisher brachliegenden Parkfläche neben der Volksschule Übelbach zum „Essbaren Spielplatz“ als Teil der „1. Essbaren Gemeinde Österreichs/Übelbach“.

Denn auch auf anderen Grundstücken der Gemeinde wurde vom Obst- und Gartenbauverein Übelbach gegärtnert. Das Besondere war, und ist es noch immer, dass es zur „Essbaren Gemeinde Übelbach“ einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss aller Gemeindevertreter gibt, der besagt, dass auf freien Übelbacher Flächen, nach Absprache mit der Gemeinde Übelbach, gegärtnert werden darf.

Damit dies alles geschehen konnte und die Bevölkerung sowie auch die Medien über dieses großartige Unterfangen informiert wurden, bedurfte es vieler Stunden Arbeit am Computer, Telefon und bei der Umgestaltung und Bewirtschaftung des entstandenen „Essbaren Spielplatzes“. Johnny und mir war es wichtig, möglichst vielen Menschen von der Notwendigkeit zu berichten, mit unseren Ressourcen achtsamer umzugehen. Es ist für unser Klima und für unser aller Zukunft unglaublich wichtig, dass wir die Natur und ihre Vorgänge ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken und unser ästhetisches Auge wieder neu ausrichten!

Nicht akribisch geschnittener Rasen, Vorgärten mit Steinpflasterung, kilometerlange Hecken aus Thujen, Miniaturhochbeete mit Plastikfolie und unkrautfreie Nutzgärten sind unsere Zukunft, sondern Oasen der Vielfalt! Orte, wo der Mensch sich zurücknimmt, der Natur ihren Platz zurückgibt und wieder lernt, mit ihr zu kommunizieren. Solch einen Ort wollten wir mit dem „Essbaren Spielplatz“ schaffen und zum großen Teil ist dies trotz immer wieder aufkeimender Proteste von Teilen der Bevölkerung auch gelungen.

Jetzt fragst du dich vielleicht: „Warum Proteste? Wer kann denn da etwas dagegen haben?“ Ja, das fragten wir uns auch. Faktum ist, dass selbst Menschen, die selbst gerne gärtnern und sich auch als Naturgärtner verstehen, spätestens im Herbst mit einer wirklich nachhaltigen Art und Weise der Bewirtschaftung Probleme haben. Aus einem Grund: Es schaut für sie nicht schön aus! Die Pflanzen dürfen in der Perma- und Wildniskultur nämlich stehen bleiben. Egal ob geerntet oder nicht, ob Sonnenblume, ausgewachsene Radieschen oder Salate – alles darf und soll so bleiben, wie es ist. Und das aus einem einfachen Grund:

ERFAHRUNG 10:

„Nicht winterfest, sondern frühlingsfit machen!“

Auf die Frage der Menschen bei Führungen, Workshops und Seminaren, warum denn all die Pflanzen nicht weggeräumt werden sollen, gibt Johnny gerne diese Antwort: „Stell dir vor, du wärst ein kleines Insekt und suchst zum Beispiel in einem vertrockneten Sonnenblumenstängel Unterschlupf und bereitest dich auf den Winter vor. Wie würdest du dich fühlen, wenn dir plötzlich dein Haus weggenommen wird? Wo solltest du hin?“ Macht Sinn, oder? Überall in den Gärten schießen Insektenhotels aus dem Boden, oft ohne dass darüber nachgedacht wird, ob denn die Insekten dort, wo das „Hotel“ steht, auch Nahrung haben. Die einfachste Lösung wäre also, den Insekten das ganze Jahr über Wohnmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, indem wir sie ihnen, in der wichtigsten Zeit, gleich gar nicht wegnehmen!

Mittlerweile sind wir stolz darauf, dass wir mit unserem Tun vielleicht auch ein wenig zum Umdenken anregen und angeregt haben. Immer wieder kommen Menschen in unsere Gemeinde, um diesen essbaren Platz zu sehen und sich Impulse für ihre Gärten und Gemeinden mitzunehmen. Viele andere Gemeinden aus Österreich und dem Ausland ließen sich schon inspirieren und gerne sind wir beim Aufbau dieser „Essbaren Gemeinden der Vielfalt“ mit unserer Erfahrung behilflich. Wenn dich das Thema „Essbare, bunte Gemeinden“ interessiert, dann findest du viele interessante Beiträge im Internet. Unter anderem auch über die „1. Essbare Gemeinde Österreichs/Übelbach“.

Johnny und ich verwendeten für die Art und Weise des Gestaltens und Bewirtschaftens den Begriff „Permakultur“. Wir hatten das Gefühl, dass mit diesem Ausdruck schon viele Menschen etwas anfangen konnten. Allerdings kamen wir im Laufe der Jahre, gemeinsam mit unserer Kollegin Judith Anger, dahinter, dass mit diesem Begriff oft recht salopp um sich geworfen wird und dass das, was wir damit meinen, oft gar nicht das ist, was andere darunter verstehen. Für uns bedeutet Permakultur nämlich die Ganzheit und das Denken in großen Dimensionen. Also wurde eines Tages bei einem Gespräch in unserer Küche der neue Begriff für unser Tun bestimmt: die Wildniskultur. Dieser setzt sich zusammen aus WILDNIS = Vielfalt und Fülle wie im Dschungel und KULTUR = Kulturpflanzen, die ich als Mensch gerne säen und ernten möchte.

Um das zu gewährleisten und gleichzeitig die Vielfalt und Fülle bestehen zu lassen, braucht es einige Überlegungen. Und jetzt sind wir endlich so richtig mittendrin in unserem Thema!

Nur noch eine kleine Information, bevor wir anfangen: Seit Februar 2019 wohnen Johnny, die Kids und ich auf einem kleinen Bauernhof auf 900 m Seehöhe in Übelbach/Neuhof. Wir haben den „Flaschbacherhof“ langfristig gepachtet und sind dabei, ihn für uns optimal umzugestalten. Das wird ein wenig Zeit in Anspruch nehmen, aber sogar jetzt nach dem ersten Jahr gibt es schon einiges zu sehen. Das eine oder andere wirst du in diesem Buch entdecken.


Sandra und Johnny Peham

Perma- und Wildniskultur

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