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Der Ring des Kalifen

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An den Markttagen, wenn die Händler ihre Waren am Boden ausgebreitet hatten, wenn sich die Käufer und die Schaulustigen auf dem knappen freien Raum drängten, wenn sich die Bettler in den ihnen zugewiesenen Ecken eingerichtet hatten und die Taschendiebe nach geeigneten Opfern Ausschau hielten, dann war bestimmt auch Sayd irgendwo in der Menge.

Er war ein junger und hübscher Mann und was vorkommen kann, er war arm. Zwar hätte er arbeiten können beim Fellah, dem Oasenbauern hätte er Wassergräben ziehen können, Datteln pflücken, Gras schneiden, aber irgendwie liebte er Arbeit ganz und gar nicht. Arbeit, pflegte er zu sagen, Arbeit macht müde, schmutzig und verursacht mir schlechte Laune. Zudem ist sie gefährlich. Man kann von der Dattelpalme stürzen und sich das Genick brechen, beim Grasschneiden kann dich eine Schlange beissen oder man hackt sich mal eine Zehe ab.

Schrecklich!

Auch die staubige Arbeit beim Tischler sagte ihm nicht zu, im Laden des Teppichhändlers ermüdeten seine Arme beim Herumtragen der schweren Teppiche und das Geldzählen am späten Abend, beim Licht einer flackernden Ölfunzel fand er äusserst schädlich für die Augen, beim Silberschmied bekam er schreckliche Rückenschmerzen und als Koch hatte er immer die besten Brocken für sich selber aus der Suppe gefischt, aber das Gemüserüsten konnte er seinen zarten und gepflegten Fingern nun wirklich nicht zumuten. Nein, Arbeit war nun mal nichts für feine Leute mit guten Manieren.

Faulenzen, grenzenloses Nichtstun, das behagte ihm so richtig. So mal zur Zerstreuung ein lockeres Spaziergängelchen, aber ja nie aufwärts, diskutieren mit anderen Faulenzern, aber bitte immer schön am Schatten oder einfach so faul und entspannt daliegen und vor sich hinträumen, aber natürlich auf einer schön weichen Matte und mit einem Glas eisgekühlten Schorbet neben sich, wenn in den Palmkronen die Tauben gurrten, das waren seine Lieblingsbeschäftigungen, das waren Arbeiten genau nach seinem Geschmack.

Dass man dabei aber, selbst wenn man diese Künste noch so meisterhaft beherrschte, kein Geld verdiente, fand er eine der riesiggrossen Ungerechtigkeiten dieser Welt, hier hatte Allah, sein Name sei ewig gepriesen und hochverehrt, aber hier hatte doch der Schöpfer bei der Organisation der Menschheit etwas vergessen. Dem Fellah liess er das Gras immer wieder nachwachsen und dem Beduinen wurden immer wieder Lämmer und junge Kamele geboren, aber dem Faulenzer wuchsen höchstens die Haare im Gesicht und verursachten ihm die Mühen und Gefahren des Rasierens.

Aber was willst du machen? Es ist nun mal alles so, wie es eben ist.

Auf dem Marktplatz herumschlendern und sich von der Menge treiben lassen, mal da, mal dort stehenbleiben, sich etwas anschauen, so tun als ob man kaufen möchte, dann wieder weitergehen, das ist alles schön und recht, wenn man Geld in der Tasche hat, wenn man kaufen könnte, falls man Lust hätte.

Sayd hatte keinen Kiersch, also keinen Piaster in seiner Tasche, er mochte suchen wie er wollte, ausser dem parfümierten Taschentuch, das er kürzlich gefunden hatte, waren die grossen Taschen seines Sirouals, seiner weiten Hosen leer, völlig leer.

Das Ärgerlichste an diesem Tag war aber, dass ihm die Händler keinen Respekt zollten, dass sie ihm scheinbar ansehen konnten, dass er nichts hatte, er mochte angeben wie er wollte, die unverschämten Verkäufer schauten durch ihn hindurch, als ob er ein Luftgebilde wäre.

Sagte doch vorhin der Schuhmacher, mögen ihn die Ghul, die bösen Geister nachts heimsuchen, sagte er doch, als ihn Sayd nach dem Preis eines modischen, leicht zugespitzten Herrenschuhchens gefragt hatte, sagte doch dieser pechfingerige Lederklopfer: «Für Leute, die viel Geld haben, ist dieser Schuh spottbillig, für Leute, die aber keines haben, ist er unerschwinglich teuer, daher sollten diese Leute gar nicht erst nach dem Preis fragen.»

Und natürlich lachten alle, die in der Nähe standen. Ärgerlich so etwas und höchst beleidigend obendrein.

An diesem Markttag schien ohnehin alles schief zu laufen. Der Garkoch neben dem Karawanserail, der ihm an anderen Markttagen immer etwas Essbares heimlich zugesteckt hatte, mal ein Brötchen, mal einen Teller Suppe, mal ein gebratenes Fischchen; dieser falsche Hund von Koch schien ihn heute überhaupt nicht zu kennen. Der hungrige Sayd mochte sich noch so oft in der Gegend der verführerischen Küchendüfte herumtreiben, dem geschäftigen Koch einen schönen Tag und viel Glück und gute Gesundheit wünschen, der Küchenmeister blickte beharrlich an ihm vorbei, erblickte irgendwo in der Menge einen Freund, begrüsste einen Kunden oder träumte ins Himmelsblau, aber von Sayd nahm er keine Notiz.

Das nächste Missgeschick liess auch nicht lange auf sich warten, denn, das war Sayd klar, dass Unglücke immer die Eigenart haben, zu dritt aufzutreten. Das dritte Ärgernis war, dass er irgendwo seine schöne neue hellblaue Djellaba, sein weites Mantelkleid beschmutzt hatte. Er, der so grossen Wert auf saubere Kleidung legte, konnte sich unmöglich länger sehen lassen mit diesen Schmutzflecken und so beschloss er wehen Herzens, den Markt schon zu ungewöhnlich früher Stunde zu verlassen.

Er steuerte auf den Ausgang bei den Gewürzhändlern zu, denn dort war das Sonnenlicht durch grosse Planen abgeschirmt und man würde im Schatten sein beschmutztes Kleid kaum bemerken. Mit deutlich sichtbarer Kummermiene wollte er eben den Marktplatz verlassen, als er vor sich einen Betteljungen sah, der sich flink nach einem Gegenstand bückte, der im Sand am Boden lag.

Der Junge drehte erstaunt einen schweren goldenen Ring in seinen schmutzigen Fingern und wollte gleich draufspucken, um ihn zu reinigen, als Sayd ihm das Schmuckstück aus den Händen nahm, sich an den Finger steckte und sagte: «Gib mir das Ding, das ist was für vornehme Leute, das ist nichts für einen Betteljungen, siehst du wie der Ring mir passt. Wie angegossen. Und macht sich so gut an meinen gepflegten Händen.»

Der zerlumpte Bursche begann laut zu schreien, schalt Sayd einen gemeinen Dieb, einen durchtriebenen Schurken und einen ausgekochten Halunken.

Dieser herrschte ihn an: «Schrei doch nicht so! Sei froh, wenn ich dich von diesem Ring befreie, er hätte dir nur Unglück gebracht. Denn, stell dir mal vor, wenn du mit deinen Lumpenkleidern dieses Kleinod an deinen Händen trägst, so sagen die Leute du hättest es bestimmt gestohlen, führen dich zum Kadi und der nimmt dir den Ring ab und lässt dir zum Dank eine deiner schmutzigen Pfoten abhacken. Huh, all das herausspritzende Blut, der fürchterliche Schmerz und dann fehlt dir dein Leben lang eine Hand und alle können sehen, dass du ein Dieb bist. Das muss doch grauenhaft sein. Also sei bitte demjenigen dankbar, der dich vor so grossem Unheil bewahrt.»

Als der Junge immer noch keine Ruhe geben wollte schlug ihm Sayd vor, zusammen zum Kadi zu gehen. Er würde dann behaupten, er hätte den Ring verloren, der Betteljunge hätte den Schmuck gefunden und behalten wollen. Der Kadi würde auch dann den Ring für sich behalten, Sayd müsste vielleicht eine Strafe bezahlen und dem Betteljungen würde wiederum eine Hand abgehackt. Ausser dem Kadi hätte niemand nichts vom ganzen Handel.

Da der zerlumpte Junge immer noch nicht zufrieden war und nun sogar zu weinen begann, liess ihn Sayd einfach stehen und ging schnellen Schrittes weg, denn weinende Kinder, das war nun etwas, das seine zarte Seele wirklich schlecht ertragen konnte.

Endlich hatte er Zeit das Kleinod genauer zu betrachten. Auf dem schweren Goldring war ein feuriger Rubin eingelassen, der von fünf kleineren Diamanten umgeben war. Das prachtvolle und meisterhaft gearbeitete Schmuckstück wäre der Hand des Kalifen würdig gewesen, aber da der Beherrscher aller Gläubigen am anderen Ende des arabischen Reiches lebte, schien es Sayd richtig zu sein, dass er es für den Nachfolger des Propheten aufhebe, bis dieser mal zufällig vorbeikäme.

In seiner dunkeln Wohnung setzte er sich ans kleine Fensterloch und verbrachte den Rest des Tages damit, den Ring des Kalifen zu bewundern und zu bestaunen. Der Rubin leuchtete so geheimnisvoll und aus dem erstarrten Blutstropfen sprühte ein Feuer, das beinahe die Augen blendete und die Diamanten flackerten und glitzerten, wie fünf Derwische, die verzückt um die heisse Glut eines Feuers tanzen.

Sayd staunte und starrte gebannt und vergass die Welt um sich herum und seinen Hunger.

Erst als der letzte Sonnenstrahl erlosch und der Muezzin zum Abendgebet mahnte, erwachte er aus seinem Traum.

Und wenn das ein Zauberring war, so wie man sie aus den Märchen kannte? Sayd erschauerte.

Vorsichtig rieb er den Rubin, einmal, zweimal, dreimal, dann etwas kräftiger, zweimal rechtsherum, dann wieder linksherum, dann mit geschlossenen Augen.

Nichts geschah, aber auch rein gar nichts. Kein brüllender Riese fragte nach Sayds Begehr und keine Märchenfee flatterte herbei.

Vielleicht ging das Zaubern nur tagsüber, vielleicht nur an Freitagen? Man würde noch sehen. Morgen war ja auch noch Zeit genug.

Frühmorgens trieb ihn der Hunger ins Städtchen. Der Marktplatz war heute leer, aber der himmlische Duft einer leckeren Bohnensuppe füllte die Weite des Platzes. So wie zufällig vorbeikommend, in schwere Gedanken versunken, schritt Sayd grusslos am Garkoch vorbei und liess, die linke Hand an die Wange gelehnt, seinen Ring blitzen und glühen, und siehst du: der sudanesische Suppenmeister rief ihm freundlich den Morgengruss zu und riss ihn, ach so brutal aus seinem Philosophieren.

Guten Morgen, Sabah al chair und wie geht es der Gesundheit und lä bäss, lä bäss, nichts Schlechtes zu verzeichnen, El hamd ul illah, Gott sei's gedankt und die Segenswünsche mögen sich erfüllen.

Auch näherliegende Wünsche schienen sich heute zu erfüllen.

Sayd liess sich überreden, ein Schüsselchen Bohnensuppe anzunehmen, nachdem er kritisch am Gericht geschnuppert hatte, ja, er liess sich heute sogar soweit herab, sich einen zweiten Teller aufdrängen zu lassen. Als er, mit der eindeutigen beredten Geste in die Tasche greifen wollte, wo sich natürlich kein einziger Piaster herumtrieb, liess er es ausnahmsweise auch geschehen, dass der nette Küchenmeister keine Bezahlung annahm. Aber, aber, mein liebes Freundchen, seit wann bezahlt man Geschenklein?

Ein gut eingeübtes Ritual, wie es schien.

Bevor aber Sayd seinen Spaziergang fortsetzen konnte, zog ihn der Koch in die Küche und auf den Ring zeigend, meinte er, dass das eigentlich ein ganz hübsches Ringelchen sei und so, und er wolle nicht neugierig sein, aber das Glitzerding sei wohl etliche Golddinare wert, so unter Brüdern, und so etwas Ähnliches könnte er sich auch an der eigenen Hand vorstellen und ja und so und falls eventuell und unter guten Freunden, falls es zu kaufen wäre.

Unter dem Siegel der allerhöchsten Verschwiegenheit und mit dem Schwur, dass demjenigen, welcher das Geheimnis eines Freundes verrät, die Zunge im Munde verdorren solle, erfuhr der Koch die Geschichte des Ringes .

Ja, der gute Sayd wollte sich ja nicht besser machen, als er schon war und so und übrigens sollten es die Leute im Städtchen ums Himmels Willen nicht erfahren, denn sonst dächten sie noch was weiss was, aber, so flüsterte er dem verdutzten Freund ins Ohr, er hätte richtig erkannt, dass das ein Ring des Kalifen wäre, was ja auf den ersten Blick erkennbar sei, ein Geschenk sozusagen, gewissermassen ein brüderliches Andenken, aber bitte, bitte, nicht weitersagen, und im Übrigen unverkäuflich, versteht sich.

Und so kam es, dass zwar keine einzige der vielen Zungen im Oasenstädtchen verdorrte, aber schon nach einer knappen Stunde wussten alle die Geschichte vom Halbbruder des Kalifen, der da mitten unter ihnen lebte. Wer hätte das gedacht! Nun ja, man hätte sich so etwas vorstellen können, denn vornehm war er schon immer gewesen, dieser Sayd und solche Verwandtschaft war auch einfach erklärbar, denn so hohe Herren wie Sultane und Kalifen liebten ihre Brüder auf ganz besondere Weise, liess doch zum Beispiel der Sultan von Agadez am Tage seines Machtantrittes alle seine Brüder blenden, damit sie ihm die Macht nicht streitig machen konnten. Verbannung, Verwendung als Krokodilfutter oder als Fundament eines neuen Palastes und viele, viele andere unterhaltsamen Grausamkeiten, meist mit tödlichem Ausgang waren, je nach Ideenreichtum des Herrschers an der Tagesordnung. Aber ein Bruder ist und bleibt ein Bruder, ein Stück Familie, vom gleichen Blut und Stamm und zudem, man weiss ja nie. In schah' Allah.

Auf seinem Morgenspaziergang schaute Sayd auch noch rasch beim Tuchhändler herein, nur so zum Schauen und zum beiderseitigen Zeitvertreib, denn Geld zum Kaufen war natürlich keines da.

Der Tuchhändler, ein furchtbar mürrischer Alter, der für seine beleidigende Unfreundlichkeit eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte, schien vor Nettigkeit fast hinzuschmelzen als Sayd seinen Laden betrat und schwänzelte und scharwenzelte um ihn herum, zeigte ihm die neuesten und teuersten Stoffe, soeben hereingekommene feinste Baumwollstoffe, solide aber leicht zu tragen und für die Herstellung einer Djellaba geeignet.

Sayd war erstaunt über des Alten Freundlichkeit und war sehr auf der Hut, denn wenn dir die Hyäne die Hände leckt, so wird sie dich im nächsten Augenblick beissen.

Aber das Händelecken ging weiter und fand schliesslich seinen Höhepunkt, als der Alte ihm von den schönsten und teuersten Stoffen ungefragt ein paar Bahnen abschnitt und dann sagte, er werde sie eigenhändig zum Schneider Mahmoud tragen, das sei übrigens ein entfernter Cousin von ihm und der werde für den lieben Sayd die Djellaba nähen und es würde ihnen zu grosser Ehre gereichen und wäre ein unbeschreibliches Vergnügen, wenn Sayd die edle Güte hätte dieses demütig dargebrachte kleine, bescheidene Geschenklein anzunehmen.

Wieder auf der Strasse, musste Sayd erst mal tief durchatmen. Was war geschehen? Träumte er?

Oder war der Alte übergeschnappt?

In der Strasse der Sattler und der Schuster traf er auf den Schuhverkäufer, der ihn am Vortag auf dem Markt so jämmerlich blossgestellt hatte und erwartete, dass dieser elende Pechfresser schleunigst in eine Seitengasse verschwinden werde, sobald er ihn erblicke.

Weit gefehlt.

«Mein lieber, lieber Freund und Bruder Sayd! Welch ein grosses Glück mir doch der heutige Tag mit dieser unerwarteten Begegnung beschert. Komm rasch in meine armselige Werkstatt, ich möchte dir die neusten Schuhe zeigen, die ich nach ägyptischer Mode angefertigt habe. Es ist da ein Paar Prachtschuhe entstanden, das, wie mir scheint, genau an deine Füsse passen dürfte, angegossen und passend, wie eine zweite Haut. Schuhe aus allerfeinstem Ziegenleder aus den Bergen des Maghreb, mit äusserst weichen und geschmeidigen Sohlen, auf denen deine zarten Füsse sanft wie auf einem seidenen Teppich gehen werden.»

Zur Zeit des Mittagsgebetes, wenn die Kaufleute und die Handwerker ihre Läden schliessen, war Sayd total neu eingekleidet von den modischen Schuhen bis hinauf zu seinem roten Fez und vor seiner Wohnung warteten viele Ladendiener, die ihm Teppiche, Möbel, Esswaren, Süssigkeiten, Silbergeschirr, Kleider und was weiss ich was alles bringen mussten. Mit vornehmen Gesten wies er die Lastenträger wortlos an, wo und wie sie die verschiedenen Dinge hinzustellen hatten. Dann entliess er sie alle mit einem müden Handzeichen und schloss die Türe hinter sich.

Was zum Scheitan, das ist der Teufel, was zum Scheitan ist da los? fragte er sich kopfschüttelnd. Was ist bloss in all die Leute gefahren? Sind die alle verrückt geworden? Epidemischer Alterswahnsinn? Oder ist da irgend ein Geheimnis, von dem ich nichts weiss?

Oder ist es am Ende die Wirkung des Ringes?

Nun, so blöd werden die Leute doch nicht sein und auf Grund so eines Schmuckstückes, das jeder Betteljunge finden kann, dass sie auf Grund dieses Ringes beginnen derartige Geschenke zu machen.

Im Grunde genommen, fand Sayd, dass es zwar absolut seine Richtigkeit habe, wenn man endlich sein meisterhaftes Nichtstun zu honorieren beginne, denn es wäre höchst unangebracht gewesen, wenn er, der König der Faulenzer, hätte arbeiten müssen und genau diese schreckliche Gefahr hatte noch vor wenigen Stunden bestanden.

Aber man soll das Glück annehmen, wenn es sich einem zuwendet, so wie man auch das Gegenteil ohne Klage zu ertragen hat, denn Allah weiss allein, wozu es gut ist.

Am späteren Nachmittag machte ihm ein vornehmer Scheik seine Aufwartung und hatte ihm, als kleines und absolut unbedeutendes Mitbringsel, ein edles Araberpferd gebracht. Man sprach von Pferden, von der Dienerschaft, die nichts mehr taugte, von den Fellachen, die mehr fressen, als sie produzieren, vom absterbenden Salzhandel und von gewinnversprechenden Schafherden. Dann empfahl sich der Scheik und lud Sayd ein, ihn bei nächster Gelegenheit in seiner bescheidenen Behausung zu besuchen. Es würde ihm und seiner Familie zu grosser Ehre gereichen, wenn Sayd einen kleinen Schimmer seines Glanzes in sein Haus tragen würde und so und unter vielen Salam und Baraka, mit Bücklingen und anderen Demutsbezeugungen verabschiedete sich der vornehme Besucher.

Bevor der Mond sich einmal erneuert hatte, wurde der Bau von Sayds Palast begonnen. Am Rande des Palmenhains entstand das prachtvolle Gebäude, das alle seine Schätze beherbergen sollte und Platz schaffen für seine zahlreiche Dienerschaft, Ställe für seine Rennpferde, bequeme Gästezimmer, einen märchenhaften Blumengarten im Innenhof mit kunstvollen Wasserspielen, hinter dem Haus eine weite Parklandschaft mit seltenen Bäumen, schattigen Spazierwegen und kissenbelegten Ruheplätzchen und was man sonst noch alles an geheimen Wünschen haben kann.

Dass sich Geld und Wohlstand bekanntlich vermehren, wenn man nur mal genügend davon hat, ist eine alte Tatsache und dass dabei sich auch die Freunde mehren, die wenigen echten und die vielen falschen, das ist eine andere Wahrheit. Mit diesen Freunden genoss er gemeinsam seinen unermesslichen Reichtum, der sich von Tag zu Tag zu mehren schien. Da wurden die feinsten und erlesensten Speisen aufgetragen. Eisgekühlter Schorbet, wohlschmeckende Früchte aus dem Bled es Sudan, aus dem schwarzen Süden, herbduftender Mokka aus Arabien und leckerstes Zuckerzeug aus Ägypten wurden von dem auf weichen Teppichen lagernden Freundeskreis genossen. In der Mitte des Essraums war ein riesiges Becken voll duftendem Rosenwasser, eine Fülle der schönsten Blumen erfreute die Augen und mächtige Leuchter aus venezianischem Glas beleuchteten die heitere Tafelrunde. Auf einem Podium produzierten sich die Musikanten und die Bauchtänzerinnen erfreuten die Gäste aus allernächster Nähe.

Sayd schwamm auf den sanften Wellen höchster Glückseligkeit, fand die Welt endlich in Ordnung und war mit seinem Schicksal zufrieden. Er musste wahrhaftig ein Liebling Allahs sein, dass der ihn derart verwöhnte und er dachte schon mal dran, sich irgendwann in ferner Zukunft, zum Zeichen seiner Dankbarkeit, einmal auf eine Hadj, auf eine Pilgerreise zu begeben. Einer seiner Freunde, der sich spontan bereit erklärte mitzukommen, hatte noch die gute Idee, auf der Rückreise über Baghdad zu fahren und den Kalifen, Allah gebe ihm ein langes und glückliches Leben, im Vorbeiweg zu besuchen.

Nun, das Leben und das Glück des Beherrschers aller Gläubigen nahmen beide unerwartet ein abruptes Ende, als sich der Grosswesir des Zepters bemächtigte, den ehemaligen Herrn und Gebieter samt Anhang, zahlreicher Verwandtschaft und Freundeskreis den Krokodilen des Palastgrabens als Diät verordnete. Zudem hiess es, und das war höchstobrigkeitlicher Befehl, dass im ganzen Reiche alle Verwandten, Günstlinge und Parteigänger des ehemaligen und unrechtmässigen Kalifen, seine Seele möge in der Hölle schmoren, umzubringen seien.

Sayd dachte sich, wie viele andere Gläubige, dass Baghdad eigentlich doch recht weit weg sei und was dort geschehe, ziemlich unwesentlich wäre und er schliesslich weder mit dem alten, noch mit dem neuen Kalifen recht wenig am Hut habe und dass sich auch diese Aufregung bald gelegt haben werde.

Als er sich zum Frühstück hinsetzte, hiess es, sein Leibkoch sei verschwunden. Mit ihm sei auch die gesamte Küchenmannschaft desertiert und an ein Frühstück sei daher nicht zu denken.

«So, das fängt heute gut an,» dachte Sayd, «mal sehen, was noch nachfolgt,» denn er glaubte immer noch fest daran, dass Unglücke stets zu dritt auftreten. Als er merkte, dass auch die übrige Dienerschaft abgehauen war, wusste er nicht, ob das noch zu Punkt eins zu rechnen sei, oder ob das schon zu Punkt zwei gehöre.

Während des Mittagsgebetes sah er einen schwarzen Schatten durchs Fenster huschen, der aber gleich wieder wegflog. Als er sein Gebet beendet hatte, bemerkte er den Verlust des Ringes, den er bei der Waschung auf das Fensterbrett gelegt hatte.

War das ein Dschinn, ein böser Geist gewesen, der den Ring des Kalifen gestohlen hatte? Oder einfach eine diebische Elster? Nun, weg war weg, aber ein guter Goldschmied in Kairo würde den Schaden rasch behoben haben.

Was Sayd aber am meisten beschäftigte, war nun die Frage, ob das mit dem Ring schon das dritte und somit letzte Missgeschick des Tages gewesen sei, oder eben erst das zweite und das dritte noch bevorstehen würde. Während er noch darüber nachdachte und grübelte, hörte er plötzlich Waffengeklirr und Hufgetrappel vor seinem Palast. Ein kurzer Blick aus dem Fenster machte alles klar. Eine recht grosse mordlustige Meute hatte sich da unten versammelt, alle seine ehemaligen Freunde, die schrien, tobten und heulten: «Schlagt ihn tot, den tollen Hund, ersäuft ihn, diesen räudigen Bruder des falschen Kalifen, dessen Seele bereits in der Dschehenna brennt. Komm endlich heraus, Sayd, du elender Schweinehund, damit wir dich pfählen, köpfen und vierteilen können!»

Erleichtert stellte Sayd fest, dass dies nun bestimmt Unglück Nummer drei und somit für heute endgültig das letzte sei.

Die Damaszener-Rose

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