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Verona bis Venedig
ОглавлениеVerona, den 16. September.
Das Amphitheater ist also das erste bedeutende Monument der alten Zeit, das ich sehe, und so gut erhalten! Als ich hineintrat, mehr noch aber, als ich oben auf dem Rande umherging, schien es mir seltsam, etwas Großes und doch eigentlich nichts zu sehen. Auch will es leer nicht gesehen sein, sondern ganz voll von Menschen, wie man es neuerer Zeit Joseph dem Zweiten und Pius dem Sechsten zu Ehren veranstaltet. Der Kaiser, der doch auch Menschenmassen vor Augen gewohnt war, soll darüber erstaunt sein. Doch nur in der frühesten Zeit tat es seine ganze Wirkung, da das Volk noch mehr Volk war, als es jetzt ist. Denn eigentlich ist so ein Amphitheater recht gemacht, dem Volk mit sich selbst zu imponieren, das Volk mit sich selbst zum Besten zu haben.
Wenn irgend etwas Schauwürdiges auf flacher Erde vorgeht und alles zuläuft, suchen die Hintersten auf alle mögliche Weise sich über die Vordersten zu erheben: man tritt auf Bänke, rollt Fässer herbei, fährt mit Wagen heran, legt Bretter hinüber und herüber, besetzt einen benachbarten Hügel, und es bildet sich in der Geschwindigkeit ein Krater.
Kommt das Schauspiel öfter auf derselben Stelle vor, so baut man leichte Gerüste für die, so bezahlen können, und die übrige Masse behilft sich, wie sie mag. Dieses allgemeine Bedürfnis zu befriedigen, ist hier die Aufgabe des Architekten. Er bereitet einen solchen Krater durch Kunst, so einfach als nur möglich, damit dessen Zierat das Volk selbst werde. Wenn es sich so beisammen sah, musste es über sich selbst erstaunen; denn da es sonst nur gewohnt, sich durcheinander laufen zu sehen, sich in einem Gewühle ohne Ordnung und sonderliche Zucht zu finden, so sieht das vielköpfige, vielsinnige, schwankende, hin und her irrende Tier sich zu einem edlen Körper vereinigt, zu einer Einheit bestimmt, in eine Masse verbunden und befestigt, als eine Gestalt, von einem Geiste belebt. Die Simplizität des Oval ist jedem Auge auf die angenehmste Weise fühlbar, und jeder Kopf dient zum Maße, wie ungeheuer das Ganze sei. Jetzt, wenn man es leer sieht, hat man keinen Maßstab, man weiß nicht, ob es groß oder klein ist.
Wegen der Unterhaltung dieses Werks müssen die Veroneser gelobt werden. Es ist von einem rötlichen Marmor gebaut, den die Witterung angreift, daher stellt man der Reihe nach die ausgefressenen Stufen immer wieder her, und sie scheinen fast alle ganz neu. Eine Inschrift gedenkt eines Hieronymus Maurigenus und seines auf dieses Monument verwendeten unglaublichen Fleißes. Von der äußern Mauer steht nur ein Stück, und ich zweifele, ob sie je ganz fertig geworden. Die untern Gewölbe, die an den großen Platz, il Brà genannt, stoßen, sind an Handwerker vermietet, und es sieht lustig genug aus, diese Höhlungen wieder belebt zu sehen.
Verona, den 16. September.
Das schönste, aber immer geschlossene Tor heißt Porta stupa oder del Pallio. Als Tor und in der großen Entfernung, aus der man es schon gewahr wird, ist es nicht gut gedacht; denn erst in der Nähe erkennt man das Verdienst des Gebäudes.
Sie geben allerlei Ursachen an, warum es geschlossen sei. Ich habe jedoch eine Mutmaßung: die Absicht des Künstlers ging offenbar dahin, durch dieses Tor eine neue Anlage des Korso zu verursachen, denn auf die jetzige Straße steht es ganz falsch. Die linke Seite hat lauter Baracken, und die winkelrechte Linie der Mitte des Tores geht auf ein Nonnenkloster zu, das notwendig hätte niedergelegt werden müssen. Das sah man wohl ein, auch mochten die Vornehmen und Reichen nicht Lust haben, sich in dem entfernten Quartier anzubauen. Der Künstler starb vielleicht, und so schloss man das Tor, wodurch die Sache nun auf einmal geendigt war.
Verona, den 16. September.
Das Portal des Theatergebäudes von sechs großen ionischen Säulen nimmt sich anständig genug aus. Desto kleinlicher erscheint über der Türe vor einer gemalten Nische, die von zwei korinthischen Säulen getragen wird, die lebensgroße Büste des Marchese Maffei in einer großen Perücke.
Der Platz ist ehrenvoll, aber um sich gegen die Größe und Tüchtigkeit der Säulen einigermaßen zu halten, hätte die Büste kolossal sein müssen. Jetzt steht sie kleinlich auf einem Kragsteinchen, unharmonisch mit dem Ganzen.
Auch die Galerie, die den Vorhof einfasst, ist kleinlich, und die kannelierten dorischen Zwerge nehmen sich neben den glatten ionischen Riesen armselig aus. Doch wollen wir das verzeihen in Betracht der schönen Anstalt, welche unter diesen Säulenlauben angelegt ist. Hier hat man die Antiquitäten, meist in und um Verona gegraben, gesammelt aufgestellt. Einiges soll sogar sich im Amphitheater gefunden haben. Es sind etrurische, griechische, römische bis zu den niedern Zeiten und auch neuere. Die Basreliefs sind in die Wände eingemauert und mit den Nummern versehen, die ihnen Maffei gab, als er sie in seinem Werke »Verona illustrata« beschrieb. Altäre, Stücke von Säulen und dergleichen Reste; ein ganz trefflicher Dreifuß von weißem Marmor, worauf Genien, die sich mit den Attributen der Götter beschäftigen. Raffael hat dergleichen in den Zwickeln der Farnesine nachgeahmt und verklärt.
Der Wind, der von den Gräbern der Alten herweht, kommt mit Wohlgerüchen wie über einen Rosenhügel. Die Grabmäler sind herzlich und rührend und stellen immer das Leben her. Da ist ein Mann, der neben seiner Frau aus einer Nische wie zu einem Fenster heraussieht. Da stehen Vater und Mutter, den Sohn in der Mitte, einander mit unaussprechlicher Natürlichkeit anblickend. Hier reicht sich ein Paar die Hände. Hier scheint ein Vater, auf seinem Sofa ruhend, von der Familie unterhalten zu werden. Mir war die unmittelbare Gegenwart dieser Steine höchst rührend. Von späterer Kunst sind sie, aber einfach, natürlich und allgemein ansprechend. Hier ist kein geharnischter Mann auf den Knieen, der eine fröhliche Auferstehung erwartet. Der Künstler hat mit mehr oder weniger Geschick nur die einfache Gegenwart der Menschen hingestellt, ihre Existenz dadurch fortgesetzt und bleibend gemacht. Sie falten nicht die Hände, schauen nicht in den Himmel, sondern sie sind hienieden, was sie waren und was sie sind. Sie stehen beisammen, nehmen Anteil aneinander, lieben sich, und das ist in den Steinen sogar mit einer gewissen Handwerksunfähigkeit allerliebst ausgedrückt. Ein sehr reich verzierter marmorner Pfeiler gab mir auch neue Begriffe.
So löblich diese Anstalt ist, so sieht man ihr doch an, dass der edle Erhaltungsgeist, der sie gegründet, nicht mehr in ihr fortlebt. Der kostbare Dreifuß geht nächstens zugrunde, weil er frei steht, gegen Westen der Witterung ausgesetzt. Mit einem hölzernen Futteral wäre dieser Schatz leicht zu erhalten.
Der angefangene Palast des Proveditore, wäre er fertig geworden, hätte ein schön Stück Baukunst gegeben. Sonst bauen die Nobili noch viel, leider aber ein jeder auf den Platz, wo seine ältere Wohnung stand, also oft in engen Gassen. So baut man jetzt eine prächtige Fassade eines Seminariums in einem Gässchen der entferntesten Vorstadt.
Als ich mit meinem zufällig aufgegriffenen Begleiter vor einem großen ernsthaften Tore eines wunderbaren Gebäudes vorüberging, fragte er mich gutmütig, ob ich nicht einen Augenblick in den Hof treten wolle. Es war der Palast der Justiz, und wegen Höhe der Gebäude erschien der Hof doch nur als ein ungeheurer Brunnen. »Hier werden«, sagte er, »alle die Verbrecher und Verdächtigen verwahrt.« Ich sah umher, und durch alle Stockwerke gingen an zahlreichen Türen hin offene, mit eisernen Geländern versehene Gänge. Der Gefangene, wie er aus seinem Kerker heraustrat, um zum Verhör geführt zu werden, stand in der freien Luft, war aber auch den Blicken aller ausgesetzt; und weil nun mehrere Verhörstuben sein mochten, so klapperten die Ketten bald über diesem, bald über jenem Gange durch alle Stockwerke. Es war ein verwünschter Anblick, und ich leugne nicht, dass der gute Humor, womit ich meine Vögel abgefertigt hatte, hier doch einen etwas schweren Stand würde gefunden haben.
Ich ging auf der Kante des amphitheatralischen Kraters bei Sonnenuntergang, der schönsten Aussicht genießend über Stadt und Gegend. Ich war ganz allein, und unten auf den breiten Steinen des Brà gingen Mengen von Menschen: Männer von allen Ständen, Weiber vom Mittelstande spazieren. Diese letztern nehmen sich in ihren schwarzen Überkleidern aus dieser Vogelperspektive gar mumienhaft aus.
Der Zendale und die Veste, die dieser Klasse statt aller Garderobe dient, ist übrigens eine Tracht, ganz eingerichtet für ein Volk, das nicht immer für Reinlichkeit sorgen und doch immer öffentlich erscheinen, bald in der Kirche, bald auf dem Spaziergange sein will. Veste ist ein schwarztaffeter Rock, der über andere Röcke geworfen wird. Hat das Frauenzimmer einen reinlichen weißen darunter, so versteht sie den schwarzen an der einen Seite in die Höhe zu heben. Dieser wird so angegürtet, dass er die Taille abschneidet und die Lippen des Korsetts bedeckt, welches von jeglicher Farbe sein kann. Der Zendale ist eine große Kappe mit langen Bärten, die Kappe selbst durch ein Drahtgestell hoch über den Kopf gehalten, die Bärte aber wie eine Schärpe um den Leib geknüpft, so dass die Enden hinterwärts herunterfallen.
Verona, den 16. September.
Als ich heute wieder von der Arena wegging, kam ich einige tausend Schritte davon zu einem modernen öffentlichen Schauspiel. Vier edle Veroneser schlugen Ball gegen vier Vicentiner. Sie treiben dies sonst unter sich das ganze Jahr etwa zwei Stunden vor Nacht; diesmal, wegen der fremden Gegner, lief das Volk unglaublich zu. Es können immer vier- bis fünftausend Zuschauer gewesen sein. Frauen sah ich von keinem Stande.
Vorhin, als ich vom Bedürfnis der Menge in einem solchen Falle sprach, hab ich das natürliche zufällige Amphitheater schon beschrieben, wie ich das Volk hier übereinander gebaut sah. Ein lebhaftes Händeklatschen hört ich schon von Weiten, jeder bedeutende Schlag war davon begleitet. Das Spiel aber geht so vor sich: In gehöriger Entfernung voneinander sind zwei gelindabhängige Bretterflächen errichtet. Derjenige, der den Ball ausschlägt, steht, die Rechte mit einem hölzernen breiten Stachelringe bewaffnet, auf der obersten Höhe. Indem nun ein anderer von seiner Partei ihm den Ball zuwirft, so läuft er herunter dem Ball entgegen und vermehrt dadurch die Gewalt des Schlages, womit er denselben zu treffen weiß. Die Gegner suchen ihn zurückzuschlagen, und so geht es hin und wider, bis er zuletzt im Felde liegenbleibt. Die schönsten Stellungen, wert, in Marmor nachgebildet zu werden, kommen dabei zum Vorschein. Da es lauter wohlgewachsene, rüstige junge Leute sind, in kurzer, knapper, weißer Kleidung, so unterscheiden sich die Parteien nur durch ein farbiges Abzeichen. Besonders schön ist die Stellung, in welche der Ausschlagende gerät, indem er von der schiefen Fläche herunterläuft und den Ball zu treffen ausholt, sie nähert sich der des Borghesischen Fechters.
Sonderbar kam es mir vor, dass sie diese Übung an einer alten Stadtmauer ohne die mindeste Bequemlichkeit für die Zuschauer vornehmen; warum sie es nicht im Amphitheater tun, wo so schöner Raum wäre!
Verona, den 17. September.
Was ich von Gemälden gesehen, will ich nur kurz berühren und einige Betrachtungen hinzufügen. Ich mache diese wunderbare Reise nicht, um mich selbst zu betriegen, sondern um mich an den Gegenständen kennen zu lernen; da sage ich mir denn ganz aufrichtig, dass ich von der Kunst, von dem Handwerk des Malers wenig verstehe. Meine Aufmerksamkeit, meine Betrachtung kann nur auf den praktischen Teil, auf den Gegenstand und auf die Behandlung desselben im Allgemeinen gerichtet sein.
St. Giorgio ist eine Galerie von guten Gemälden, alle Altarblätter, wo nicht von gleichem Wert, doch durchaus merkwürdig. Aber die unglückseligen Künstler, was mussten die malen! und für wen! Ein Mannaregen, vielleicht dreißig Fuß lang und zwanzig hoch! das Wunder der fünf Brote zum Gegenstück! was war daran zu malen? Hungrige Menschen, die über kleine Körner herfallen, unzählige andere, denen Brot präsentiert wird. Die Künstler haben sich die Folter gegeben, um solche Armseligkeiten bedeutend zu machen. Und doch hat, durch diese Nötigung gereizt, das Genie schöne Sachen hervorgebracht. Ein Künstler, der die heilige Ursula mit den eilftausend Jungfrauen vorzustellen hatte, zog sich mit großem Verstand aus der Sache. Die Heilige steht im Vordergrunde, als habe sie siegend das Land in Besitz genommen. Sie ist sehr edel, amazonenhaft jungfräulich, ohne Reiz gebildet; in der alles verkleinernden Ferne hingegen sieht man ihre Schar aus den Schiffen steigen und in Prozession herankommen. »Die Himmelfahrt Mariä« im Dom, von Tizian, ist sehr verschwärzt, der Gedanke lobenswert, dass die angehende Göttin nicht himmelwärts, sondern herab nach ihren Freunden blickt.
In der Galerie Gherardini fand ich sehr schöne Sachen von Orbetto und lernte diesen verdienten Künstler auf einmal kennen. In der Entfernung erfährt man nur von den ersten Künstlern, und oft begnügt man sich mit ihren Namen; wenn man aber diesem Sternenhimmel nähertritt und die von der zweiten und dritten Größe nun auch zu flimmern anfangen, und jeder auch als zum ganzen Sternbild gehörend hervortritt, dann wird die Welt weit und die Kunst reich. Den Gedanken eines Bildes muss ich hier loben. Nur zwei Halbfiguren. Simson ist eben im Schoße der Delila eingeschlafen, sie greift leise über ihn hinweg nach einer Schere, die auf dem Tisch neben der Lampe liegt. Die Ausführung ist sehr brav. Im Palast Canossa war mir eine Danae bemerklich.
Der Palast Bevilaqua enthält die köstlichsten Sachen. Ein sogenanntes Paradies von Tintorett, eigentlich aber die Krönung der Maria zur Himmelskönigin in Gegenwart aller Erzväter, Propheten, Apostel, Heiligen, Engel usw., eine Gelegenheit, den ganzen Reichtum des glücklichen Genies zu entwickeln. Leichtigkeit des Pinsels, Geist, Mannigfaltigkeit des Ausdrucks, dies alles zu bewundern und sich dessen zu erfreuen, müsste man das Stück selbst besitzen und es zeitlebens vor Augen haben. Die Arbeit geht ins Unendliche, ja die letzten in der Glorie verschwindenden Engelsköpfe haben noch Charakter. Die größten Figuren mögen einen Fuß hoch sein, Maria und Christus, der ihr die Krone aufsetzt, etwa vier Zoll. Die Eva ist doch das schönste Weibchen auf dem Bilde und noch immer von alters her ein wenig lüstern.
Ein paar Porträte von Paul Veronese haben meine Hochachtung für diesen Künstler nur vermehrt. Die Antikensammlung ist herrlich, ein hingestreckter Sohn der Niobe köstlich, die Büsten ungeachtet ihrer restaurierten Nasen meistens höchst interessant, ein August mit der Bürgerkrone, ein Caligula und andere.
Es liegt in meiner Natur, das Große und Schöne willig und mit Freuden zu verehren, und diese Anlage an so herrlichen Gegenständen Tag für Tag, Stunde für Stunde auszubilden, ist das seligste aller Gefühle.
In einem Lande, wo man des Tages genießt, besonders aber des Abends sich erfreut, ist es höchst bedeutend, wenn die Nacht einbricht. Dann hört die Arbeit auf, dann kehrt der Spaziergänger zurück, der Vater will seine Tochter wieder zu Hause sehen, der Tag hat ein Ende; doch was Tag sei, wissen wir Cimmerier kaum. In ewigem Nebel und Trübe ist es uns einerlei, ob es Tag oder Nacht ist; denn wieviel Zeit können wir uns unter freiem Himmel wahrhaft ergehen und ergötzen? Wie hier die Nacht eintritt, ist der Tag entschieden vorbei, der aus Abend und Morgen bestand, vierundzwanzig Stunden sind verlebt, eine neue Rechnung geht an, die Glocken läuten, der Rosenkranz wird gebetet, mit brennender Lampe tritt die Magd in das Zimmer und spricht: »Felicissima notte!« Diese Epoche verändert sich mit jeder Jahreszeit, und der Mensch, der hier lebendig lebt, kann nicht irre werden, weil jeder Genuss seines Daseins sich nicht auf die Stunde, sondern auf die Tageszeit bezieht. Zwänge man dem Volke einen deutschen Zeiger auf, so würde man es verwirrt machen, denn der seinige ist innigst mit seiner Natur verwebt. Anderthalb Stunden, eine Stunde vor Nacht fängt der Adel an auszufahren, es geht auf den Brà, die lange, breite Straße nach der Porta Nuova zu, das Tor hinaus, an der Stadt hin, und wie es Nacht schlägt, kehrt alles um. Teils fahren sie an die Kirchen, das »Ave Maria della sera« zu beten, teils halten sie auf dem Brà, die Kavaliers treten an die Kutschen, unterhalten sich mit den Damen, und es dauert eine Weile; ich habe das Ende niemals abgewartet, die Fußgänger bleiben weit in die Nacht. Heute war gerade so viel Regen niedergegangen, um den Staub zu löschen, es war wirklich ein lebendiger, munterer Anblick.
Um mich ferner in einem wichtigen Punkte der Landesgewohnheit gleichzustellen, habe ich mir ein Hülfsmittel erdacht, wie ich ihre Stundenrechnung mir leichter zu eigen machte. Nachfolgendes Bild kann davon einen Begriff geben. Der innere Kreis bedeutet unsere vierundzwanzig Stunden von Mitternacht zu Mitternacht, in zweimal zwölf geteilt, wie wir zählen und unsere Uhren sie zeigen. Der mittlere Kreis deutet an, wie die Glocken in der jetzigen Jahreszeit hier schlagen, nämlich gleichfalls zweimal bis zwölf in vierundzwanzig Stunden, allein dergestalt, dass es eins schlägt, wenn es bei uns acht schlüge, und so fort, bis zwölfe voll sind. Morgens acht Uhr nach unserm Zeiger schlägt es wieder eins usf. Der oberste Kreis zeigt nun endlich, wie bis vierundzwanzig im Leben gezählt wird. Ich höre z. B. in der Nacht sieben schlagen und weiß, dass Mitternacht um fünf ist, so ziehe ich die Zahl von jener ab, und habe also zwei Uhr Nachmitternacht. Hör ich am Tage sieben schlagen und weiß, dass auch Mittag um fünf Uhr ist, so verfahre ich ebenso und habe zwei Uhr Nachmittag. Will ich aber die Stunden nach hiesiger Weise aussprechen, so muss ich wissen, dass Mittag siebenzehn Uhr ist, hiezu füge ich noch die zwei und sage neunzehn Uhr. Wenn man dies zum erstenmal hört und überdenkt, so scheint es höchst verworren und schwer durchzuführen; man wird es aber gar bald gewohnt und findet diese Beschäftigung unterhaltend, wie sich auch das Volk an dem ewigen Hin- und Widerrechnen ergötzt, wie Kinder an leicht zu überwindenden Schwierigkeiten. Sie haben ohnedies immer die Finger in der Luft, rechnen alles im Kopfe und machen sich gern mit Zahlen zu schaffen. Ferner ist dem Inländer die Sache so viel leichter, weil er sich um Mittag und Mitternacht eigentlich nicht bekümmert und nicht, wie der Fremde in diesem Lande tut, zwei Zeiger miteinander vergleicht. Sie zählen nur von Abend die Stunden, wie sie schlagen, am Tag addieren sie die Zahl zu der ihnen bekannten abwechselnden Mittagszahl. Das Weitere erläutern die der Figur beigefügten Anmerkungen.
(Siehe das nebenstehende Blatt.)