Читать книгу Die natürliche Tochter - Johann Wolfgang von Goethe - Страница 8
Vierter Auftritt
ОглавлениеDie Vorigen. Eugenie (auf zusammengeflochtenen Ästen, für tot hereingetragen). Herzog. Wundarzt. Gefolge.
Herzog (zum Wundarzt)
Wenn deine Kunst nur irgend was vermag,
Erfahrner Mann, dem unsers Königs Leben,
Das unschätzbare Gut, vertraut ist, laß
Ihr helles Auge sich noch einmal öffnen,
Daß Hoffnung mir in diesem Blick erscheine!
Daß, aus der Tiefe meines Jammers, ich
Nur Augenblicke noch gerettet werde!
Vermagst du dann nichts weiter, kannst du sie
Nur wenige Minuten mir erhalten:
So laßt mich eilen, vor ihr hinzusterben,
Daß ich im Augenblick des Todes noch
Getröstet rufe: meine Tochter lebt!
König Entferne dich, mein Oheim! daß ich hier
Die Vaterpflichten treulich übernehme.
Nichts unversucht läßt dieser wackre Mann.
Gewissenhaft, als läg' ich selber hier,
Wird er um deine Tochter sich bemühen.
Herzog Sie regt sich!
König Ist es wahr?
Graf Sie regt sich!
Herzog Starr
Blickt sie zum Himmel, blickt verirrt umher.
Sie lebt! sie lebt!
König (ein wenig zurücktretend)
Verdoppelt eure Sorge!
Herzog Sie lebt! sie lebt! Sie hat dem Tage wieder
Ihr Aug' eröffnet. Ja! sie wird nun bald
Auch ihren Vater, ihre Freunde kennen.
Nicht so umher, mein liebes Kind, verschwende
Die Blicke staunend, ungewiß; auf mich
Auf deinen Vater wende sie zuerst.
Erkenne mich, laß meine Stimme dir
Zuerst das Ohr berühren, da du uns,
Aus jener stummen Nacht, zurückekehrst.
Eugenie (die indes, nach und nach, zu sich gekommen ist und sich aufgerichtet hat)
Was ist aus uns geworden?
Herzog Kenne mich
Nur erst! – Erkennst du mich?
Eugenie Mein Vater!
Herzog Ja!
Dein Vater, den, mit diesen holden Tönen,
Du aus den Armen der Verzweiflung rettest.
Eugenie Wer bracht' uns unter diese Bäume?
Herzog (dem der Wundarzt ein weißes Tuch gegeben)
Bleib
Gelassen, meine Tochter! Diese Stärkung
Nimm sie mit Ruhe, mit Vertrauen an!
Eugenie (Sie nimmt dem Vater das Tuch ab, das er ihr vorgehalten und verbirgt ihr Gesicht darin. Dann sieht sie schnell auf, indem sie das Tuch vom Gesicht nimmt)
Da bin ich wieder! – Ja nun weiß ich alles.
Dort oben hielt ich, dort vermaß ich mich
Herab zu reiten, grad herab. Verzeih!
Nicht wahr, ich bin gestürzt? Vergibst du mir's?
Für tot hob man mich auf? Mein guter Vater!
Und wirst du die Verwegne lieben können,
Die solche bittre Schmerzen dir gebracht?
Herzog Zu wissen glaubt' ich, welch ein edler Schatz
In dir, o Tochter, mir beschieden ist;
Nun steigert mir gefürchteter Verlust
Des Glücks Empfindung ins Unendliche.
König (der sich bisher, im Grunde, mit dem Wundarzt und dem Grafen unterhalten, zu dem letzten)
Entferne Jedermann! ich will sie sprechen.