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Fünfter Auftritt

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König. Herzog. Eugenie.

König (näher tretend)

Hat sich die wackre Reiterin erholt?

Hat sie sich nicht beschädigt?

Herzog Nein, mein König!

Und was noch übrig ist von Schreck und Weh,

Nimmst du, o Herr, durch deinen milden Blick,

Durch deiner Worte sanften Ton hinweg.

König Und wem gehört es an, das liebe Kind?

Herzog (nach einer Pause)

Da du mich fragst, so darf ich dir bekennen;

Da du gebietest, darf ich sie vor dich,

Als meine Tochter, stellen.

König Deine Tochter?

So hat für dich das Glück, mein lieber Oheim,

Unendlich mehr als das Gesetz getan.

Eugenie Wohl muß ich fragen: ob ich wirklich denn,

Aus jener tödlichen Betäubung, mich

Ins Leben wieder aufgerafft? und ob,

Was mir begegnet, nicht ein Traumbild sei?

Mein Vater nennt, vor seinem Könige,

Mich seine Tochter. O, so bin ich's auch!

Der Oheim eines Königes bekennt

Mich für sein Kind, so bin ich denn die Nichte

Des großen Königs. O verzeihe mir

Die Majestät! wenn aus geheimnisvollem,

Verborgnem Zustand ich, ans Licht auf einmal

Hervorgerissen und geblendet, mich,

Unsicher, schwankend, nicht zu fassen weiß.

Sie wirft sich vor dem König nieder.

König Mag diese Stellung die Ergebenheit

In dein Geschick, von Jugend auf, bezeichnen!

Die Demut, deren unbequeme Pflicht

Du, deiner höheren Geburt bewußt,

So manches Jahr, im Stillen, ausgeübt.

Doch sei auch nun, wenn ich von meinen Füßen

Zu meinem Herzen dich herauf gehoben,

er hebt sie auf und drückt sie an sich.

Wenn ich des Oheims heil'gen Vaterkuß

Auf dieser Stirne schönen Raum gedrückt,

So sei dies auch ein Zeichen, sei ein Siegel

Dich, die Verwandte hab' ich anerkannt;

Und werde bald, was hier geheim geschah,

Vor meines Hofes Augen wiederholen.

Herzog So große Gabe fordert ungeteilten

Und unbegrenzten Dank des ganzen Lebens.

Eugenie Von edlen Männern hab' ich viel gelernt,

Auch manches lehrte mich mein eigen Herz;

Doch meinen König anzureden, bin

Ich, nicht entfernterweise, vorbereitet.

Doch wenn ich schon das ganz Gehörige

Dir nicht zu sagen weiß, so möcht' ich doch

Vor dir, o Herr, nicht ungeschickt verstummen.

Was fehlte dir? was wäre dir zu bringen?

Die Fülle selber, die zu dir sich drängt,

Fließt, nur für Andre, strömend wieder fort.

Hier stehen Tausende dich zu beschützen,

Hier wirken Tausende nach deinem Wink;

Und wenn der Einzelne dir Herz und Geist

Und Arm und Leben fröhlich opfern wollte;

In solcher großen Menge zählt er nicht,

Er muß vor dir und vor sich selbst verschwinden

König Wenn dir die Menge, gutes edles Kind,

Bedeutend scheinen mag: so tadl' ich's nicht;

Sie ist bedeutend, mehr noch aber sind's

Die Wenigen, geschaffen dieser Menge,

Durch Wirken, Bilden, Herrschen vorzustehn.

Berief hiezu den König die Geburt,

So sind ihm seine nächsten Anverwandten

Geborne Räte, die, mit ihm vereint,

Das Reich beschützen und beglücken sollten.

O träte doch, in diese Regionen,

Zum Rate dieser hohen Wächter, nie

Vermummte Zwietracht, leisewirkend ein.

Dir, edle Nichte, geb' ich einen Vater,

Durch allgewalt'gen, königlichen Spruch;

Erhalte mir nun auch, gewinne mir,

Des nahverwandten Mannes Herz und Stimme

Gar viele Widersacher hat ein Fürst,

O laß ihn jene Seite nicht verstärken!

Herzog Mit welchem Vorwurf kränkest du mein Herz!

Eugenie Wie unverständlich sind mir diese Worte!

König O lerne sie nicht allzufrüh verstehn!

Die Pforten unsers königlichen Hauses

Eröffn' ich dir, mit eigner Hand; ich führe

Auf glatten Marmorboden dich hinein.

Noch staunst du dich, noch staunst du alles an,

Und in den innern Tiefen ahnest du

Nur sichre Würde, mit Zufriedenheit.

Du wirst es anders finden! Ja, du bist

In eine Zeit gekommen, wo dein König

Dich nicht zum heitren, frohen Feste ruft,

Wenn er den Tag, der ihm das Leben gab,

In kurzem feiern wird; doch soll der Tag

Um deinetwillen mir willkommen sein;

Dort werd' ich dich im offnen Kreise sehn,

Und Aller Augen werden auf dir haften.

Die schönste Zierde gab dir die Natur;

Und daß der Schmuck der Fürstin würdig sei,

Die Sorge laß dem Vater, laß dem König.

Eugenie Der freud'gen Überraschung laut Geschrei,

Bedeutender Gebärde dringend Streben,

Vermöchten sie die Wonne zu bezeugen,

Die du dem Herzen schaffend aufgeregt?

Zu deinen Füßen, Herr, laß mich verstummen.

Sie will knieen.

König (hält sie ab)

Du sollst nicht knieen.

Eugenie Laß, o laß mich hier

Der völligsten Ergebung Glück genießen.

Wenn wir, in raschen, mutigen Momenten,

Auf unsern Füßen stehen, strack und kühn,

Als eigner Stütze, froh uns selbst vertraun,

Dann scheint uns Welt und Himmel zu gehören.

Doch was, in Augenblicken der Entzückung,

Die Kniee beugt, ist auch ein süß Gefühl.

Und was wir unserm Vater, König, Gott,

Von Wonnedank, von ungemess'ner Liebe,

Zum reinsten Opfer bringen möchten, drückt

In dieser Stellung sich am Besten aus.

Sie fällt vor ihm nieder.

Herzog (knieet)

Erneute Huldigung gestatte mir.

Eugenie Zu ewigen Vasallen nimm uns an.

König Erhebt euch denn und stellt euch neben mich,

Ins Chor der Treuen, die an meiner Seite

Das Rechte, das Beständige beschützen.

O diese Zeit hat fürchterliche Zeichen,

Das Niedre schwillt, das Hohe senkt sich nieder,

Als könnte Jeder nur am Platz des Andern

Befriedigung verworrner Wünsche finden,

Nur dann sich glücklich fühlen, wenn nichts mehr

Zu unterscheiden wäre, wenn wir alle,

Von einem Strom vermischt dahingerissen,

Im Ozean uns unbemerkt verlören.

O! laß uns widerstehen, laßt uns, tapfer,

Was uns und unser Volk erhalten kann,

Mit doppelt neuvereinter Kraft erhalten!

Laßt endlich uns den alten Zwist vergessen,

Der Große gegen Große reizt, von innen

Das Schiff durchbohrt, das, gegen äußre Wellen

Geschlossen kämpfend, nur sich halten kann.

Eugenie Welch frisch wohltät'ger Glanz umleuchtet mich

Und regt mich auf, anstatt mich zu verblenden!

Wie! Unser König achtet uns so sehr,

Um zu gestehen daß er uns bedarf;

Wir sind ihm nicht Verwandte nur, wir sind

Durch sein Vertraun zum höchsten Platz erhoben.

Und wenn die Edlen seines Königreichs

Um ihn sich drängen, seine Brust zu schützen,

So fordert er uns auf zu größerm Dienst.

Die Herzen dem Regenten zu erhalten,

Ist jedes Wohlgesinnten höchste Pflicht;

Denn wo er wankt, wankt das gemeine Wesen,

Und wenn er fällt, mit ihm stürzt alles hin.

Die Jugend, sagt man, bilde sich zu viel

Auf ihre Kraft, auf ihren Willen ein;

Doch dieser Wille, diese Kraft, auf ewig,

Was sie vermögen, dir gehört es an.

Herzog Des Kindes Zuversicht, erhabner Fürst,

Weißt du zu schätzen, weißt du zu verzeihen.

Und wenn der Vater, der erfahrne Mann,

Die Gabe dieses Tags, die nächste Hoffnung,

In ihrem ganzen Werte, fühlt und wägt;

So bist du seines vollen Danks gewiß.

König Wir wollen bald einander wiedersehn,

An jenem Fest, wo sich die treuen Meinen

Der Stunde freun, die mir das Licht gegeben.

Dich geb' ich, edles Kind, an diesem Tage

Der großen Welt, dem Hofe, deinem Vater

Und mir. Am Throne glänze dein Geschick.

Doch bis dahin verlang' ich von euch beiden

Verschwiegenheit. Was unter uns geschehn,

Erfahre Niemand. Mißgunst lauert auf,

Schnell regt sie Wog' auf Woge, Sturm auf Sturm;

Das Fahrzeug treibt an jähe Klippen hin,

Wo selbst der Steurer nicht zu retten weiß.

Geheimnis nur verbürget unsre Taten;

Ein Vorsatz, mitgeteilt, ist nicht mehr dein;

Der Zufall spielt mit deinem Willen schon;

Selbst wer gebieten kann muß überraschen.

Ja, mit dem besten Willen leisten wir

So wenig, weil uns tausend Willen kreuzen.

O! wäre mir, zu meinen reinen Wünschen,

Auch volle Kraft auf kurze Zeit gegeben;

Bis an den letzten Herd im Königreich

Empfände man des Vaters warme Sorge.

Begnügte sollten unter niedrem Dach,

Benügte sollten im Palaste wohnen.

Und hätt' ich einmal ihres Glücks genossen,

Entsagt' ich gern dem Throne, gern der Welt.

Die natürliche Tochter

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