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Autodidakten auf Leben und Tod

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Der Amerikaner Richard Buckminster Fuller, 1895 geboren und ein Autodidakt ohne abgeschlossenes Studium, war Architekt, Konstrukteur, Visionär, Designer, Philosoph und Schriftsteller mit prognostischen Fähigkeiten. 1968 publizierte er einen Text6, den viel später der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk wiederentdeckte: Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde lautet der Titel. Welche Bedingungen gibt es dort, und wie ist dieses Raumschiff zu fliegen, damit es sich nicht selbst zerstört?

Fuller formulierte die beunruhigende These, die Menschheit sei unterwegs in einem Fahrzeug, eben diesem Raumschiff Erde, für das ihr die Bedienungsanleitung abhandengekommen sei. Sie habe die Fähigkeit, dieses Raumschiff sauber zu navigieren, einfach verloren. Niemand mehr versuche, am Steuer Ordnung zu schaffen. Weshalb es an Bord zu Unordnung und Chaos komme.

Die Art, wie das Innere dieses Raumschiffes inzwischen tatsächlich durcheinandergeraten ist, erinnert an eine alte Theorie aus der Psychologie: Die Stube eines Menschen ist das Spiegelbild seiner Seele. So wie seine Seele beschaffen ist, so ist auch seine Stube beschaffen. Das Äußere ist das Spiegelbild seines Inneren. Das lässt sich vom einzelnen Menschen und seiner privaten Stube auf die Menschheit und ihren gemeinsamen Lebensraum, die Erde, umlegen. Doch in diesen Spiegel blicken wir nicht mehr richtig.

Fuller blickte sehr wohl hinein. Er verstand sein ganzes Leben als Experiment und dachte sich, dass er wie in einem Raumschiff lebt. Wenn er das Habitat, also seine Umgebung, verbessern wollte, musste er auch sein Leben verbessern.

Zu diesem Zweck legte er ein Tagebuch an. In diesem Logbuch des Lebens wollte er genau dokumentieren, was er jeden Tag tat, um seinen Beitrag gegen den kosmischen Bankrott zu leisten.

Ein interessanter Gedanke, den Peter Sloterdijk wie gesagt neu zur Diskussion stellte. Er entwickelte ihn weiter und sagte sinngemäß:

Die Daseinsberechtigung des Menschen setzt voraus, dass er ein Autodidakt wird. Ein Autodidakt auf Leben und Tod. Damit er dieses Raumschiff ordentlich unter Kontrolle hat. Denn was er braucht, kann keine höhere Instanz vermitteln. Das muss er sich selbst erarbeiten.

Was bedeutet das?

Es bedeutet, der Mensch muss sich das richtige Maß selbst aneignen. Jeder Mensch muss es für sich und wir als Menschheit müssen es gemeinsam für uns finden.

Einfach ist weder das eine noch das andere. Schon weil wir uns dieser Aufgabe zum ersten Mal stellen müssen. Denn Jahrzehntausende lang war die Entwicklung der Menschheit von Mangel geprägt. Nehmen, was da ist, das war das oberste Gebot, um zu überleben. Darauf sind wir evolutionär programmiert, doch das hat sich gründlich geändert. Jetzt ist es genau umgekehrt. Jetzt ist die Menschheit vom Überfluss geprägt und das oberste Gebot lautet: Verzichten auf das meiste von dem, was da ist.

Die Kunst des richtigen Maßes

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