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2.4.Typen ländlicher Räume und Gemeinden

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In ihrer Studie zu Kirche im ländlichen Raum unterscheidet die EKD sieben Typen ländlicher Räume. Die Autoren der Studie schreiben: „So ist – in Aufnahme einer verbreiteten Unterscheidung nach Zentrenerreichbarkeit und Bevölkerungsdichte – zwischen: Peripherieräumen (dünn besiedelte Gebiete, größere Entfernung zu Zentren), Zwischenräumen (erweitertes Umland der Zentren, mittlere Siedlungsdichte) und Zentralräumen (städtische Siedlungsgebiete mit Siedlungskorridoren, hohe Siedlungsdichte) zu unterscheiden.“22

Diese Typen reflektieren die komplexer gewordene soziale Welt auf dem Land:

Typ 1: Strukturschwache Räume

Der strukturschwache Raum beschreibt das, was Bischof Russel als das „marginalisierte, weit entfernte Land“ bezeichnet hat. Die EKD-Studie spricht auch vom „Peripherieraum mit geringer Bevölkerungsdichte“23. Entfernt von der Stadt, Industrie und Entwicklungsschwerpunkten stellt sich dieser Raum in jeder Hinsicht als weniger entwickelt dar.

Mit einer Bevölkerungsdichte von weniger als 100 Einwohnern pro Quadratkilometer stehen diese Räume in allen Fragen gesellschaftlicher Entwicklung hintenan. Die soziale, infrastrukturelle und demographische Erosion sind an der Tagesordnung. Die Bevölkerung überaltert, junge Leute ziehen auf der Suche nach Arbeit weg. Und die Kirche verliert ihre Mitglieder und Mitarbeiter. Was das im Einzelnen heißen kann, zeigt das Beispiel der Evangelisch-Lutherischen Kirche Mecklenburgs:

„Die Propstei Stargarder Land in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs umfasst 10 Kirchgemeinden, in denen 53 Kirchen und Kapellen stehen, drei Gemeindezentren und viele Pfarrhäuser und in der knapp 6.000 Mitglieder leben. Sie wohnen auf einer Fläche von ca. 50 Kilometern Länge und 25 Kilometern Breite. Es gibt 7,5 Pfarrstellen, drei Stellen für gemeindekatechetische Mitarbeitende (die sich fünf Mitarbeitende teilen), einen Jugendmitarbeiter (für eine Hälfte des Kirchenkreises), eine befristete Projektstelle für Kirchenmusik (finanziert von der Landeskirche) und einige kleine Honorarstellen für Kirchenmusik und Sekretariatsarbeit.

Die Bevölkerungszahlen in der Region gehen stark zurück, sie sind zwischen 1989 und 2003 um knapp 12 % gesunken, die Zahl der Gemeindeglieder sogar noch stärker. Drei Viertel dieses Verlustes sind darauf zurückzuführen, dass mehr Menschen sterben als geboren werden, ein Viertel hängt mit der Abwanderung aus der Region zusammen. Das Land verliert wichtige Unternehmen und gut ausgebildete Menschen. Die Zahlen der Arbeits- und Ausbildungsplätze gehen zurück. Etwa 20 % der Einwohner sind arbeitslos. Vor 13 Jahren war Mecklenburg-Vorpommern noch das jüngste Bundesland, 2020 wird es wohl das älteste sein. Damit ist deutlich, dass das Land nicht nur seine Jugend verliert, sondern auch seine Dynamik und Zukunftsfähigkeit.“ 24

Die Kirchgemeinden werden immer kleiner und älter, es gibt kaum junge Familien, die Entfernungen zwischen den Predigtstätten sind groß. Und die Kirche sieht wenige Perspektiven für diesen Raum.

Typ 2: Periphere Räume mit einzelnen Entwicklungsfeldern

Periphere Räume oder in den Worten Russels „weniger zugängliche Räume“, markieren die Grenze zwischen strukturschwachen und dynamischen Regionen.25 In peripheren Räumen können sich neben effektiver Landwirtschaft auch touristische Betriebe ansiedeln, was die Chancen auf Arbeit für die ansässige Bevölkerung erhöht und auch saisonale Arbeiter anzieht.

Der Fremdenverkehr bietet auch den Kirchen neue missionarische Möglichkeiten. Das EKD-Papier schlägt unter anderem eine Art „Kirche auf Zeit“ vor.26 Gemeint ist ein kirchliches Angebot, das sich gezielt an die Saisonarbeiter richtet, und damit aber auch der verbleibenden einheimischen Bevölkerung pastorale Betreuung garantiert. In der Saat- und der Erntezeit sind es dann vor allem die landwirtschaftlichen Hilfskräfte, die angesprochen werden, im Sommer die Urlauber.

Typ 3: Periphere Räume mit ausgesprochener Eigendynamik

Dieser Typ zeichnet sich durch Nähe zu den Klein- und Mittelstädten aus. Hier siedeln sich an zentralen Verkehrsadern der Region mittelständische Wirtschaftsbetriebe in ländlichen Industriezonen an. Sie bieten Arbeit. Der günstige Wohnraum auf dem Land, vorhandene Arbeit und Ausbildung für junge Leute mindern die Abwanderung der Bevölkerung und unterstützen den Ausbau der Infrastruktur vor Ort.27

Der Raum bietet sehr gute Voraussetzungen für den kirchlichen Gemeindeaufbau.

Typ 4-5: Ländliche Räume im weiteren Umfeld von Verdichtungsgebieten

Bei den ländlichen Räumen im weiteren Umfeld von Verdichtungsgebieten handelt es sich um klassische Zwischenräume, die in der Nähe der Städte entstehen und die sowohl die aufs Land ziehende städtische als auch die in die Stadt drängende ländliche Bevölkerung anziehen.

In diesen Räumen herrschen günstige wirtschaftliche Bedingungen, was sich nicht nur positiv auf die Bevölkerungsdichte, sondern auch auf die missionarischen Möglichkeiten der Kirche auswirken kann.28 Die Zwischenräume führen aber auch zu einer zunehmenden Bereitschaft der Menschen, über die Zäune ihres Dorfes zu blicken und nach kirchlichen Alternativen in der Nachbarschaft zu suchen. Traditioneller Kirchenerhalt wird so eher problematisch.

Typ 6-7: Ländliche Räume im engeren Umfeld von Verdichtungsgebieten

Die hier genannten Räume grenzen direkt an urbane Gebiete an und bieten der Stadt Wachstumsräume. Hier kommt es zu den typisch suburbanen Entwicklungen, die je nach Stadt positiv oder negativ ausfallen. Wächst die Stadt, so wächst die Zwischenstadt, der Vorort, mit, geht sie ein, so leidet auch das verstädterte Umland.29

Gemeindeaufbau trifft in wachsenden suburbanen Räumen auf günstige Voraussetzungen. Die zuziehende Bevölkerung stellt jedoch die traditionellen Konzepte in Frage. Gemeinden sehen sich herausgefordert, Programme anzupassen. Neue Formen finden günstigen Boden. Besonders Freikirchen finden ihre Räume.30 In nicht wachsenden Städten wird der Aufbau zur großen Herausforderung.

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