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Kapitel 02

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Die Visite fand eine Stunde später statt. Der Arzt besah mit sauertöpfischer Miene das Krankenblatt und fummelte ungeduldig an der Apparatur herum, über die Schläuche in den Körper mündeten. Verwirrt, wie er war, hatte Miscatonic diese Leitungen gar nicht wahrgenommen.

Dann drehte der Weißkittel an irgendwelchen Reglern, ehe er kommentarlos begann, auf einen Block zu kritzeln. Er riss mehrere Zettel ab, ließ sie auf das Fußende des Bettes fallen und verschwand, ohne ein Wort zu sagen.

Wenige Minuten danach kam eine Schwester ins Zimmer, die ebenfalls einen bemerkenswerten Vorbau aufwies. Sie lächelte ihm mit professioneller Distanz zu und wirkte fast eingeschüchtert.

Mischka kam nicht umhin, sich zu fragen, was der Grund dafür sein mochte. Unheimlich, das alles. In einer Welt angeschossen, in der anderen umhegt und umpflegt. Zum Verrücktwerden.

»Ich nable Sie von den Schläuchen ab, dann können Sie gehen.« Sie legte ihm ein Blatt Papier auf die Decke und er erkannte einen Entlassungsschein.

»Vergessen Sie nicht die Verschreibungen für die Medikamente«, sagte sie und deutete auf die Zettel, die der Arzt liegen gelassen hatte. »Im Foyer befindet sich eine Pharmazie, dort gibt es die Sachen zu kaufen.«

Noch während er nachdachte, ob er darauf etwas erwidern sollte, öffnete sich die Zimmertüre erneut. Er wusste auf der Stelle, mit wem er es jetzt zu tun hatte.

Das war der Grund, weshalb er ein paar Tage in der Stadt bleiben musste.

Schlecht sitzender, schäbiger Anzug, das Holster unter der Achsel kümmerlich verborgen. Ausgelatschte Schuhe. Schwarze Socken mit gelben ... Küken? Der typische Vertreter der Staatsgewalt kaute auf einem Stift herum und hielt ein zerschrammtes Notizbüchlein in der Hand.

Leicht verkniffenes Gesicht, der Bartschatten verlieh ihm eine ungesunde Gesichtsfarbe. Fettes, ungewaschenes Haar.

Mischka mochte ihn vom ersten Anblick an nicht leiden. Der Mann war bei Weitem nicht so simpel und unbedarft, wie es den Anschein hatte. Die Augen verrieten ihn. Der stechende Blick, die Intensität. Das Klischee, das er inszenierte, traf auf ihn absolut nicht zu.

»Miscatonic Hindin?«

»Als ob Sie das nicht wüssten«, entgegnete er mürrisch.

Er sah in dem Ermittler einen gewalttätigen Psychopathen, der sich harmlos gab. In der Regel war der Unterschied zwischen Sein und Schein erst feststellbar, wenn man sich in Gewahrsam befand.

Bei diesem Typen allerdings konnte er den krankhaften Sadisten geradezu riechen. Der Geruch hinterließ einen unangenehmen Geschmack auf der Zunge, die ohnehin noch nach zwei Wochen Koma schmeckte.

Der andere stutzte, dann schaltete er auf Knopfdruck ein Lächeln ein, das die Augen nicht erreichte.

»Genau. Ich bin hier, um ein paar Sachverhalte zu klären.«

»Nicht die geringste Idee.«

»Wie bitte?«

»Ich habe keine Ahnung. So lautet die Antwort.«

»Ach?« Der Ermittler warf ihm einen leicht gereizten Blick zu. »Sie ahnen, welche Frage ich Ihnen stellen will?«

»Ja.« Als ob das so schwer zu erraten wäre.

»Ich höre?«

»Können Sie mir sagen, was passiert ist?«

»Hm.« Das Lächeln wirkte gequält. »Was denn sonst, nicht wahr? Sie sind ein schlauer Kerl, möchte ich wetten. Gewiefter, als Sie sich geben. Und ein Klugscheißer. Nun, was werden Sie mir erzählen?«

»Nicht viel zu dem, was Sie interessiert. Wenn es hingegen um die Möpse meiner Krankenschwester geht, kann ich beeindruckende plastische Eindrücke schildern.«

»Kein Interesse. Ich habe die Brüste gesehen und ehrlich gesagt sind mir diese Wahrnehmungen zu überwältigend, Sie verstehen? Auf Ihre diesbezüglichen Gedanken verzichte ich gern. Sonst was? Irgendwas?«

»Nein. Ich bin weder in der Lage, Ihnen zu sagen, wer die drei Typen waren, noch bei wem es sich um den Einzelgänger gehandelt hat. Die Ganoven hatten ihre Schießeisen mehr oder weniger bereit, als ich sie zum ersten Mal sah. Das einzig Auffallende war die Pistole des Unbekannten. Ein sehr schönes Stück. Sie hat gefurzt.«

»Wie meinen?« Der Ermittler sah ihn geradezu angewidert an.

»Die Waffe hat eine Art Furzgeräusch von sich gegeben, als der Fremde den Abzug durchgezogen hat«, erklärte Mischka geduldig.

Jetzt war der Mann hellhörig. »Die Pistole hat gepupst?«

»Genau.«

»Bemerkenswert.«

»Sie glauben mir nicht.«

»Das würde ich anders ausdrücken.«

»Dann haben Sie schon mal eine derartige Waffe gesehen?«

»Davon gehört«, korrigierte der Ermittler bedächtig.

»Was ist das für eine Knarre?«

»Kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall müssen Sie noch ein paar Tage in der Stadt verweilen, bis Klarheit besteht.«

»Wie stellen Sie sich das vor?«

»Gar nicht.« Er deutete ein Schulterzucken an. »Es interessiert mich nicht. Sie sind frei zu tun, was sie wollen. Hauptsache, Sie bleiben erreichbar.«

Der Ermittler schien kurz zu zögern, dann drehte er sich vom Bett weg. »Schönen Tag noch«, murmelte er und verließ den Raum.

Mischka starrte ihm verärgert hinterher, während er aus der Miefkoje stieg, die Kleider holte und sie auf der Lagerstatt ausbreitete. Vielleicht ... er sah sich im Zimmer um, entdeckte eine Tür und warf einen Blick nach nebenan. Sehr gut, genau das, was er jetzt brauchte. Eine Dusche. Das war das Mindeste an Luxus, das man bei diesem Krankenkonto erwarten durfte.

Die Leitungen ratterten und spuckten wohltuend heißes Wasser aus. Mischka entspannte endlich. Vierzehn Tage weg vom Fenster und innerhalb der ersten zwei Stunden Wachzustand gleich geballte Ladung Chaos im Hirn.

Er stand nackt neben dem Bett und freute sich festzustellen, dass seine Kleidung gewaschen worden war, als jemand die Tür zum Zimmer aufriss.

Erschrocken blickte er auf. Es war nicht der Inspektor, sondern eine Augenweide von Frau.

Sie trug schwarzes Leder mit bronzenen Beschlägen, Stiefel mit hohen Keilabsätzen, und hatte eine Tasche über die Schulter geworfen. Der Rock war kurz. Der Mantel lang. Mit Applikationen in verschiedenen Farben. Dunkler Lidschatten betonte ihre blauen Augen und bot einen harten Kontrast zu den roten Lippen.

»Na, Mischka, was ist? Fertig?«, fragte sie, und für einen Augenblick wusste er nicht, ob sie damit seine beginnende Erektion meinte.

»Wer ... Circe?«

Er traute dem Anblick nicht. Ohne die Arbeitskleidung hatte er sie nicht erkannt. Stimme und Lippenstift verrieten sie. Sie hatte noch immer volle Brüste, wenngleich sie um zumindest ein Drittel geschrumpft waren. Er starrte. Wie funktionierte das denn?

»Uniform mit inkludiertem Push-up«, erklärte sie. »Die Krankenhausleitung vertritt die Meinung, dieser Vorbau stimme die Hälfte der Patienten friedlich.«

Sie schnaubte amüsiert. »Ich glaube zwar, dass ein Prozentsatz unserer Klienten wegen der Plastiktitten einen Herzanfall bekommt, aber bisher hat noch niemand auf meinen Einwand reagiert.«

»Echt?«, fragte er dümmlich, und statt zu antworten, trat sie auf ihn zu, packte seine Hand und presste sie gegen ihre Brust.

»Garantiert.«

»So habe ich das nicht gemeint«, keuchte Mischka. Er war sich der Tatsache bewusst, dass sich die Latte irgendwie unter ihrem Rock verheddert hatte. Das durfte doch nicht wahr sein!

»Ich weiß.« Sie hielt ihn weiterhin am Handgelenk.

»Ich verstehe.« Er zog die Hand hastig fort. »Und weibliche Patienten?« Er blieb stehen, weil er keine Ahnung hatte, wie er sich ohne Peinlichkeit aus der verfänglichen Situation befreien konnte. Der Schwanz zeigte keinerlei Neigung, zu erschlaffen. Wer wollte es ihm verübeln, aber diese unerträgliche Demütigung ...

»Frauen bekommen einen männlichen Pfleger mit verdächtig ausgebeulten Hosen zugewiesen.«

»Warum sollte ein Spital darauf Wert legen, rekonvaleszente Patienten mit solch ... äh ... primitiven Mitteln zu ... unterhalten?«

»Weil wir Quoten und Vorgaben erfüllen müssen. Kommerzieller Druck, was sonst? Das Krankenhaus ist gezwungen, wirtschaftlich zu arbeiten. Das ist absurd und stellt eine unlösbare Aufgabe für die Verwaltung dar. Aus diesem Grund wird getrickst. Worauf wartest du? Zieh dich um.«

»Nun ...«

»Ach, stell dich nicht so an. Glaubst du etwa, du hättest in deinem Koma keinen Steifen gehabt? Ich hab deinen Lümmel das eine oder andere Mal gesehen, wenn er mir seine Ehre entboten hat.«

»Ja, aber ...«

»Was? Du bist sogar dabei gekommen, also was soll‘s. Mach schon, wir gehen. Du wurdest entlassen, was willst du noch hier?«

Sie nahm beiläufig die Papiere vom Bett, sah sich die Verschreibungen an und schnaubte. Dann steckte sie die Zettel ein. All das, ohne sich vom Fleck zu rühren.

»Darum kümmere ich mich«, sagte sie.

»Ist gut«, grunzte Mischka.

Da sie nicht bereit war, ihm mit einem Schritt oder einer Bewegung aus der unangenehmen Lage zu helfen, renkte er die Latte selber unter ihrem Rock hervor und zog sich hastig an.

Wie viele peinliche Augenblicke hielt dieser Tag noch für ihn parat? Diese Menge an Momenten voll Verlegenheit hatte er nicht mehr erlebt, seit Noomi Candance ... ach, egal.

»Wohin gehen wir?«, versuchte er es mit einer Ablenkung ohne Hoffnung auf Erfolg. Sie war ihm eindeutig über.

»Ich bringe dich zu deinem Quartier.«

»Ich habe eine Unterkunft?«

»Selbstverständlich. Schließlich hast du mich. Ist alles organisiert.«

»Danke.«

»Schon in Ordnung. Komm jetzt.«

Das Krankenhaus an der Seite eines attraktiven, weiblichen Wesens zu verlassen, fühlte sich überaus angenehm an. Ach was, es war sensationell. Es störte ihn nicht mal, dass er keine Ahnung hatte, wie sie es anstellte, den Mantel hinter sich wehen zu lassen. Hauptsache, ihm wurde dadurch der freie Blick auf die atemberaubenden Beine in schwarzen Seidenstrümpfen gewährt. Diese Form der Selbstinszenierung war eindrucksvoll, das musste er unumwunden zugeben.

Lautes Zischen. Er zuckte erschrocken zusammen, als neben ihm ein Bediensteter mit einem bizarren Handkarren auftauchte. Der Mann hielt das Ende eines Schlauchs in der Hand, aus dem mit hohem Druck eine penetrant riechende Flüssigkeit herausgesprüht wurde. Offensichtlich brauchte er eine Menge Kraft, um die Düse im Griff zu behalten.

Mischka wich der Reinigungskraft aus, um nicht vom Sprühnebel getroffen zu werden. Der Stoff kam aus einem Behälter, der auf dem Karren verankert war.

»Einfach, aber effektiv. Schmutz wegsprühen, zugleich desinfizieren. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Dreck man auf diese Art wegbekommt, selbst an Orten, an denen es augenscheinlich sauber ist«, erklärte Circe ihm.

»Aha«, sagte er irritiert und blickte dem Putzmann nach, bis er um ein Eck verschwunden war. Nicht unpraktisch, aber irgendwie sah es haarsträubend improvisiert aus.

Der Flur führte um zwei Ecken, ehe er in eine Vorhalle mündete. Jenseits der milchig getrübten Glaswand und den doppelten Türen befand sich das Herzstück der Gebäudelogistik, das spektakuläre, zentrale Treppenhaus des Riget.

Ein Schacht, einige Dutzend Schritte in der Seitenlänge, vom Dach bis zum Eingang hinabreichend. Zwei Seiten mit Treppenaufgängen. Die anderen glänzten mit jeweils einem Fahrstuhl, der zwischen Stahlträgern fuhr.

Geländer umgaben den Zentralschacht, davor befanden sich in Abständen Sitzbänke. Die Bedachung bestand aus Glasziegeln.

Zahlreiche Lampen mit flackernden Lichtern erhellten zusätzlich diesen beeindruckenden Anblick.

»Hm«, entfuhr es ihm, als er sich über die Brüstung beugte und hinabblickte. Er sah die hydraulischen Gewinde, auf denen sich der Lift auf- und abwärtsschraubte, die gezahnte Schiene im Stahlträger, die der Aufzug mit den Zahnrädern abgraste.

Er sah schwarze Schläuche und Dampf, er hörte Knacken, Knirschen, Rumpeln. Eine stetig hallende Kakophonie von der Mechanik. Er fand das nicht sonderlich beruhigend.

Trotzdem folgte er Circe auf den kurzen Steg vor dem äußeren Zugang zur Kabine. Warum, zum Teufel, hatte der Architekt einen derartigen Unfug erdacht, fragte er sich, um sich gleich darauf die Antwort selbst zu liefern. Es sah spektakulär aus, wirkte monumental.

Extrem modern. Eindruck schinden.

Ächzend und knirschend hielt der Lift, die Türen öffneten sich ruckend und scheppernd. Zögernd betrat er das Innere.

»Dampf, Druck, Zahnräder, Hydraulik, Mechanik. Ein simples System, nahezu ausfallsicher. Der letzte Stand der Technik«, kommentierte Circe kurz, als sich die Kabine mit einem Ruck, der ihm den Magen umdrehte, in Bewegung setzte.

»Macht keinen vertrauenswürdigen Eindruck.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Das ist die inzwischen dritte Generation von Fahrstühlen. Im Gegensatz zu früheren Modellen stürzen diese nur selten in den Liftschacht. Bessere Werkstoffe. Auch die Schweißnähte der Druckleitungen bersten so gut wie nie. Neue Fertigungstechnik.«

»Aha.«

Er warf ihr einen vorsichtigen Seitenblick zu. Sie schien zu wissen, wovon sie sprach. Vielleicht sollte ihn das nicht überraschen. In medizinischen Belangen ging es, salopp formuliert, um die Reparatur von Menschen. In den Feldern der Technik beschäftigte man sich mit der Instandsetzung von Maschinen.

Verschiedene Werkstoffe, unterschiedliches Prozedere, andere Schwierigkeiten. Doch im Endeffekt taten Ärzte und Mechaniker dasselbe. Sie reparierten.

Er platzierte zur Sicherheit eine Hand verstohlen am Handlauf der Kabine. Seine Begleiterin teilte sein Unbehagen nicht. Mischka vermisste schon jetzt die Ruhe des Outbacks. In der Buschsteppe gab es keine lärmenden Fahrstühle. Und ob ein Krankenhaus der richtige Ort für eine derart laute Einrichtung war, das erschien ihm eher zweifelhaft.

Er musterte Circe unauffällig. Ihr Profil war ausgesprochen edel, und dieser Nasenring verlieh ihr genau die Spur von Verruchtheit, die es brauchte, um sie perfekt erscheinen zu lassen. Der Kontrast der Blässe, des nachtschwarzen Haars und der kirschroten Lippen ließ sie atemberaubend attraktiv wirken.

Eine persönliche Krankenschwester. Wunder geschahen unverhofft, und manche davon waren ein Traum, den es auszukosten galt, solange er währte.

»Nur die Ruhe, Mischka. Alles kein Problem«, sagte sie mit angedeutetem Schmunzeln, kurz bevor der Fahrstuhl mit einem unerwartet harten Ruck hielt. Die Kabine federte nochmals leicht auf und ab, ehe sie stillstand.

Die Türen gingen knirschend auf.

»Hinaus ins Vergnügen«, sprach Circe und marschierte voraus. Er folgte und starrte. Das Blickfeld öffnete sich zum Panorama einer weitläufigen, durch schmucke Glaswände vom Liftschacht getrennten Eingangshalle, die er sich komplett anders vorgestellt hatte.

Vor seinem inneren Auge waren draußen Rettungswagen in der Auffahrt geparkt, überall herrschte die Farbe Weiß vor.

Er hatte ein Gewühl aus Menschen erwartet, Schwestern und Ärzte, aufgeregte Verwandte, Bekannte und Freunde, die Patienten zu besuchen gedachten. Kranke, die aufgenommen und Genesene, die entlassen wurden, manche ruhig, einige in Eile.

Dazwischen gelangweilte und laute Kinder, die nervten, lieber anderswo gewesen wären. Das war, was er imaginiert hatte.

Tatsächlich fand er sich in einer hohen Halle, die mehr zu einem Luxushotel als zu einem Krankenhaus passte. Glänzender Marmor, Pflanzen, Säulen, Stuck, edle Hölzer und Stoffe. Kronleuchter, Glas. Sitzecken mit bequemen Sofas. Ein Empfang, mit fünf lächelnden Frauen in schmucker Montur besetzt.

Gegenüber Kojen, in denen Zeitungen, Süßwaren und Blumen zum Verkauf standen. Überall Personal in blitzblanken Uniformen. Eine erleuchtete, strahlende und lockende Pharmazie, in der trotz der horrenden Preise für Medikamente Betriebsamkeit herrschte.

Kein Lärm, kein Blut, keine Notaufnahme.

Er starrte.

»Wie schon gesagt, das Krankenhaus muss Kohle erwirtschaften. Also inszeniert man. Mehr Sein durch Schein. Eine Palette zusätzlicher Behandlungen, Anlocken von Sponsoren, Werbeartikelverkauf. Vorne der Empfang für reiche Privatpatienten, Politiker und angeblich wichtige Leute. Für jeden, der über viel Geld und die Bereitschaft, einiges davon auszugeben, verfügt. Es geht um Werbung und den absurden Zwang, lebensnotwendige Gesundheit in ein Geschäft zu verwandeln.«

Sie bemühte sich unüberhörbar um Gleichmut, aber die deutlich in ihrer Stimme mitschwingende Verbitterung war nicht zu ignorieren.

»Das, was du erwartet hast, findet auf der Rückseite des Gebäudes statt. Dort findest du einen authentischen Patienteneingang.«

Jetzt erst fiel ihm die Musik auf, die dezent im Hintergrund spielte. Irritiert sah er sich um, entdeckte jedoch kein Ensemble.

»Geschickt verborgene Lautsprecher«, sagte sie und zog eine Sonnenbrille aus ihrer Tasche. »Ein einziges, langes Musikstück, extra für das Krankenhaus komponiert. Das Lied vom Tod. Das ist der Titel.«

»Das alles ... pervers.«

Mehr fiel Mischka im Augenblick nicht dazu ein. Sie setzte die Brille auf und grinste. Ihr Gesicht verschwand hinter Gläsern, von einem verrückten Gestell auf dem schmalen Nasenrücken gehalten.

»Was du nicht sagst. Komm jetzt.«

Er schüttelte amüsiert den Kopf und folgte ihr durch die von vier Wächtern flankierten, doppelten Flügeltüren. Er wollte sie erst auf die Pharmazie und die nötigen Medikamente hinweisen, unterließ das aber. Sie hatte gesagt, sie würde sich darum kümmern. Da musste er ihr auch vertrauen. Immerhin war sie Krankenschwester, sie wusste hoffentlich, was sie tat.

Chaotika

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