Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 254 - John Curtis - Страница 5

2.

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Am nächsten Morgen schob eine ganz sanfte lauwarme Brise die „Isabella“ ein klein wenig schneller den Strom hinauf. Alle nahmen es erleichtert zur Kenntnis, denn mitunter quälten sie sich nur noch mühsam nilaufwärts.

Die Freude über das etwas schnellere Fortbewegen wurde jedoch gleich darauf wieder durch die Grabräuber getrübt. Sie veranstalteten ihren morgendlichen Höllenlärm, und der Krach aus der Vorpiek war bis aufs Achterdeck zu hören.

„Ich weiß nicht“, sagte Hasard zu Ed, „ob wir die Kerle nicht einfach in der Piek lassen sollen, bis wir den Katarakt erreicht haben. Zum Teufel mit aller Humanitätsduselei, aber diese Burschen legen es nur darauf an, uns ständig zu provozieren, das Deck zu versauen und uns Ärger zu bereiten. Jetzt geht der verdammte Krach schon wieder los.“

Der Profos nickte. Sein Gesicht sah düster aus, und er stemmte die mächtigen Fäuste in die Hüften.

„Ich habe schon mit Ben gestern darüber gesprochen, aber die Hitze da unten ist eine Zumutung. Da erstickt man fast. Ich schlage vor, wir sollten ein Exempel stationieren und …“

„Statuieren“, sagte der Seewolf lächelnd.

„Wie? Ach so. Jedenfalls meine ich, daß wir uns zwei oder drei dieser Buschklepper herauspicken, die ganz besonders aufsässig sind, sie an den Mast binden und so lange durchpeitschen, bis selbst den anderen das Wasser in die Augen tritt. Vielleicht merken sie es sich dann leichter, daß an Bord Disziplin und Sauberkeit herrschen.“

„Ja, ich weiß“, sagte Hasard. „In der Piek ist es kaum zum Aushalten, da erstickt man wirklich noch, und ich möchte da unten keinesfalls übernachten. Dein Vorschlag geht in Ordnung, Ed. Wenn die Kerle sich heute wieder so benehmen wie gestern, dann suchst du dir die Stänkerer heraus und ziehst jedem zehn Hiebe über. Du brauchst dabei nicht zimperlich zu sein. Nimm dir vor allem diesen Halef vor, denn er ist der Anführer der Bande.“

„Gestern hat er sich sehr gesittet benommen“, sagte Ed, „wenn man das so ausdrücken will. Aber er ist trotzdem die treibende Kraft. Ich werde ihn im Auge behalten.“

Carberry beugte den Oberkörper leicht vor und lauschte.

„Himmel, ist das ein Krach“, meinte er dann, „das hört sich ja an, als hätten sie das ganze Vorschiff zertrümmert. Vielleicht lasse ich doch noch ein paar der Halunken in Eisen legen.“

Ohne ein weiteres Wort verließ er das Achterdeck, durchquerte die Kuhl und war entsetzt über den Radau, der aus dem Vorschiff drang. Big Old Shane folgte dem Profos, der Gambianeger Batuti schloß sich an, und vorn lauerte Smoky mit einer Spake in der Hand und einem wütend verzogenen Gesicht.

„Die sind nicht mehr normal, diese lausigen Hurenböcke“, sagte er. „Denen hat die Hitze das Gehirn eingetrocknet.“

„Die werden gleich ihr blaues Wunder erleben“, versprach der Profos grimmig. Die Neunschwänzige hatte er bereits in den Pranken, hielt den Hartholzstiel fest und zog die Lederriemen durch die linke Hand.

Ohrenbetäubendes Poltern, Bersten und Krachen waren zu hören. Dazwischen erklang Gebrüll, das sie fast taub werden ließ. Dann herrschte ganz plötzlich Ruhe. Ein paar Sekunden später schrien wieder Stimmen durcheinander.

Hasard und Philip waren den Männern nach vorn gefolgt. Die Zwillinge glaubten, eine Horde wilder Teufel befände sich da unten oder Dämonen der Hölle, wie der alte O’Flynn behauptet hatte. Alle beide blieben lauschend stehen.

Das Geschrei verstummte wieder, dann sprach eine Stimme, die zweifellos dem Nubier gehörte. Ein wenig panische Angst sprach aus der Stimme, aber auch verhaltene Wut.

Die Zwillinge sahen sich entsetzt an.

„Hast du auch verstanden, was ich verstanden habe?“ fragte Hasard seinen Bruder.

„Ja, genau“, sagte Philip stotternd.

Carberry sah die beiden drohend an.

„Wollt ihr Würstchen uns vielleicht freundlicherweise an euren Erkenntnissen teilhaben lassen?“ fragte er. „Was, zum Teufel, habt ihr also verstanden, was, wie?“

„Sie haben einen Toten“, sagte Hasard junior ächzend. „Und deshalb wollen sie raus.“

„Ja, das stimmt, so hat sich der Nubier ausgedrückt“, sagte Philip leicht beklommen.

„Verdammt, dann ist der Mann erstickt“, murmelte der Profos. „Wie ich schon fast vermutet habe. Das hat uns gerade noch gefehlt.“

„Deshalb dieser nervtötende Krach“, sagte Matt Davies. „Die sind alle zusammen auf die Gräting gesprungen, und das hörte sich so an, als sei das ganze …“

Carberry hörte nicht mehr zu. Gefolgt von Shane, Batuti und Smoky lief er zum Schott der Piek und fummelte an der schweren schmiedeeisernen Verriegelung.

Dabei drehte er sich um und rief dem Deckältesten über die Schulter zu: „Gut aufpassen, Smoky, und ihr anderen auch!“

Dann schob er den Riegel zurück und blickte in die Finsternis. Eine Sekunde lang drang ihm erbärmlicher Gestank in die Nase, und er hielt unwillkürlich die Luft an.

Er hielt sie auch gleich weiterhin an, denn kaum hatte sich das Schott geöffnet, erhielt auch der gewiefte Profos seine Lehre. Es ging alles so blitzschnell, daß er nicht mehr denken konnte.

Auf seinem Schädel landete krachend und splitternd ein grober Holzprügel, der in Bruchstücken nach allen Seiten davonflog.

Bevor er noch die Hand schützend hochheben konnte, knallte ein zweiter, ebenso harter Prügel auf seinen Schädel. Eine brüllende, tobende, um sich schlagende und drängende Masse begrub ihn unter sich und trampelte auf ihm herum.

Innerhalb einer Sekunde hatten sich ein Dutzend Kerle durch das Schott gequetscht und hieben voller Wut auf alles ein, was in ihrer unmittelbaren Nähe stand.

Big Old Shane stand zwar noch wie ein Fels in der Brandung, aber auch er war dem Ansturm von zwölf um sich schlagenden und verzweifelt kämpfenden Männern nicht gewachsen. Er wurde überrollt, niedergetrampelt, und damit war das Chaos auch schon fast perfekt.

Smoky schlug einmal in einer sensenden Bewegung mit der Spillspake zu und traf einen Wollschädel. Dann droschen ihm Fäuste ins Gesicht, ein harter Schlag lähmte seine Schulter, und in seinem Kopf explodierte ein Fäßchen Schießpulver.

Überganslos befand sich eine brüllende tobende, kreischende und bis zum Äußersten entschlossene Horde Grabräuber an Deck.

Ben Brighton hielt den Radschloßdrehling in der Faust, konnte aber nicht schießen, ohne Gefahr zu laufen, einen der eigenen Leute zu treffen.

Die Grabräuber kämpften, allen voran der riesige Nubier, mit einer beängstigend fanatischen Besessenheit, denn jetzt hatten sie absolut nichts mehr zu verlieren. Was ihnen in den Minen und Bergwerken bevorstand, das hatte Halef ihnen in aller Deutlichkeit und sehr drastisch geschildert. Hier dagegen erwartete sie ein kurzer, aber harter Kampf, so glaubten sie, und dann hatten sie ihre Freiheit wieder.

Selbst Hasard hatte nicht mit dieser fanatischen Entschlossenheit gerechnet, und er wunderte sich sekundenlang, daß die Kerle alle mit Holzprügeln bewaffnet waren.

Dann sah er es und fand auch eine Erklärung für den unglaublichen Krach in der Vorpiek. Die Kerle hatten mindestens zwei der großen Wasserfässer zertrümmert und benutzten die langen Faßdauben jetzt als Waffen, wie die Seewölfe meist auch nach Spaken oder Belegnägeln griffen, wenn eine Holzerei begann.

Hasard konnte das Achterdeck nicht verlassen. Es war auch nicht nötig, denn seine Männer hatten das Überraschungsmoment verdaut, und jetzt begann an Deck wieder mal ein Tänzchen, das für beide Seiten an Härte nichts zu wünschen übrigließ.

Carberry erschien wie ein Rachegott. Sein Zorn war mindestens so groß wie die Beule, die auf seinem Schädel prangte. Er sah so wild und grimmig aus, daß einer der Grabräuber bei seinem bloßen Anblick mit einem Schrei des Entsetzens flüchtete.

Seine Stimme klang so laut vor Wut, daß auch der Nubier Halef zusammenzuckte und erschreckt herumfuhr.

„Ihr lausigen Mumienklauer!“ röhrte er. „Jetzt wird euch der alte Carberry zu den Pharaonen fiedeln, ihr Hundemusikanten!“

Ein Kerl sprang ihn an, aber Carberry konnte es nicht unterlassen, selbst in extremen Situationen weiter seine Sprüche abzulassen, um sich Luft zu verschaffen.

Er schlang dem Kerl die Peitsche um den Hals, drückte zu, hob ihn an und ließ ihn schlaff auf die Planken zurückfallen.

Stenmark, der blonde Schwede, räumte unter den Kerlen auf. Matt Davies zog einen an der Hakenprothese heran, Dan O’Flynn unterlief einen Gegner, drückte ihm den Schädel in den Magen und setzte ihn gegen den Fockmast, daß Gary Andrews im Mars glaubte, der Fockmast würde jetzt nach vorn auf das Deck stürzten.

Der Kutscher, ein schmalbrüstiger, aber von See, Wind und Wetter hart gewordener Knochen, scheute sich keinesfalls, hin und wieder seine bei Sir Freemont genossene Bildung wie ein altes Hemd über Bord zu werfen.

Als der Kampf an ihm vorbeitobte – Bob Grey war gerade mit einem Grabräuber im Zweikampf –, schob der Kutscher mit dem Hintern Bob Grey einfach zur Seite. Dann ergriff er den Kübel mit dem heißen Hirsebrei und stülpte ihn dem Grabräuber über den Schädel. Damit aber nicht genug. Damit es auch schön dröhnte, schlug er mit einem Belegnagel noch einmal auf den Kübel. Es hörte sich an, als hätten zehn Kriegsschiffe der Royal Navy gleichzeitig geglast.

„Ho, der Wikinger ist wieder da!“ schrie der Hitzkopf Luke Morgan begeistert, weil der Grabräuber einen ähnlichen, nur etwas größeren Helm trug, aus dem der Brei nach allen Seiten tropfte. Auch er bolzte mit der Faust noch einmal kräftig drauf, dann drehte er sich um und nahm einen neuen Gegner an.

Für die Grabräuber war nichts zu gewinnen, das erkannte als erster der Nubier Halef. Diese Giaurs kämpften nicht nur wie Allahs wilde Heerscharen, sie schienen an der Prügelei auch noch eine satanische Freude zu haben. Keiner dieser elenden Christenhunde hatte eine Waffe abgefeuert oder ein Messer in der Hand, sie kämpften mit den Fäusten oder mit Holzprügeln und mähten einen nach dem anderen auf die Planken. Ja, sie machten sich auch noch über sie lustig, so wie dieser unheimliche Kerl mit den Narben im Gesicht, dem er die Faßdaube über den Schädel gehauen hatte.

Der hatte eine total entnervende Art an sich, immer Tänzchen aufzuführen, und er kannte sich in der oberägyptischen Folklore auch hervorragend aus. Nur blieben seine Tanzpartner anschließend immer auf der Strecke vor Erschöpfung.

Jetzt sah der Nubier entsetzt, wie er seinen Kumpan Habu am Kragen hatte, ihm die Djelaba im Genick zusammendrehte und ihn ein paarmal um seine Achse drehte, bis Habu nicht mehr wußte, ob der Nil unten oder oben war.

Er sah ihn wie eine Kanonenkugel durch die Luft fliegen und seinen Körper im Geiste am Mast zersplittern. Aber dicht vor dem Mast stand noch eine Wand mit roten Haaren, und aus dieser Wand zuckte eine mächtige schwielige Faust heraus, um Habus Sturz zu bremsen.

Ferris Tucker hatte wieder einmal zugeschlagen, und da war jedes weitere Worte überflüssig. Habu würde den Rest der Reise bis zum ersten Katarakt nur noch im Unterbewußtsein erleben.

Der Nubier sah sich weiteren Männern gegenüber, unter anderem dem riesigen Neger, der mit wild rollenden Augen heranlief. Bevor dieser schwarze Gigant heran war, gab Halef einem seiner noch unbeschädigten Kumpane ein schnelles Zeichen mit den Augen. Der verstand sofort, drehte sich um und sprang mit einem Satz über Bord. Genau das hatte Halef von Anfang an beabsichtigt: raus an Deck, eine kurze Prügelei inszenieren und dann über Bord! Damit waren sie dann so gut wie in Sicherheit.

Auch er sprang im letzten Augenblick, als die Fäuste des Negers sich hoben. Er war nicht feige, er hatte auch keine Angst, er wollte nur nicht wieder ausgeliefert werden, und das stand ihm bevor, wenn diese Kerle ihn zusammenschlugen.

So sprang er und tauchte weg, und noch während er sprang, lag ein hinterhältiges Grinsen auf seinem Gesicht, und in seinen Augen war blanker Triumph zu lesen.

„Alles immer gleich springen über Bord, verdammich“, sagte Batuti enttäuscht und ließ die Fäuste sinken. „Nix mehr kämpfen, immer hauen ab.“

„Ein wahres Wort“, pflichtete der Profos ihm bei und schickte einen schnellen fragenden Blick in die Runde.

Genau zehn Grabräuber lagen auf den Planken, neben sich zersplitterte Faßdauben, mit denen sie gekämpft hatten. Jetzt war dieser Kampf vorbei, und sie hatten ihn verloren. Einen zweiten derartigen Überfall würde es aller Voraussicht nach nicht mehr geben.

Während die anderen Seewölfe die aufsässigen Kerle einsammelten, um sie erneut in die Piek zu verfrachten, wandte sich Carberry an den Seewolf.

„Was tun wir mit den beiden, Sir?“ fragte er. Sein klobiger Daumen wies achteraus, wo Halef und einer seiner Kumpane im Nil schwammen.

Hasard war über diesen Zwischenfall immer noch verbiestert. Seine eisblauen Augen schossen Blitze.

„Das war überflüssig, Mister Carberry“, sagte er hart. „Absolut überflüssig, verdammt noch mal! Konntet ihr denn nicht besser aufpassen? Ihr kennt doch langsam diese Fanatiker und ihre Unberechenbarkeit. Genügend Abstand vom Schott, und nichts wäre passiert.“

„Sie hatten angeblich einen Toten, Sir“, sagte der Profos entschuldigend und mit gesenktem Kopf. „Deine Söhne haben das übersetzt, aber es stimmte natürlich nicht.“

„Natürlich nicht“, höhnte Hasard. „Wenn sie gesagt hätten, deine Großmutter säße mit verheulten Augen in der Vorpiek, dann hättest du das wohl auch gefressen, was, Mister Carberry?“

Der Profos ließ den Anschiß reumütig über sich ergehen. Dann blickte er fast scheu achteraus, wagte aber nicht, seine eben gestellte Frage zu wiederholen. Dann, kehrte sein Blick zurück, und er sah Hasard an wie ein alter kranker Hund.

„Willst du den beiden hinterherschwimmen?“ fragte Hasard. „Sollen wir beidrehen, ein Boot abfieren, Anker setzen? Oder sollen wir sie höflich an Bord zurückpfeifen? Siehst du eine Möglichkeit, die beiden Kerle wieder einzufangen? Nein, die siehst du natürlich nicht. Bevor wir etwas unternommen haben, sind die längst an Land und verschwunden. Wir haben sie schließlich nicht über Bord geworfen. Es war ihr alleiniger verdammter Entschluß. Also sollen sie verschwinden, und der Teufel mag sie holen. Ich habe ausdrücklich dem Türken gegenüber betont, daß ich keine volle Verantwortung für die zwölf Buschräuber übernehmen kann.“

„Aye, aye, Sir“, sagte Carberry leise. Mann, dachte er, hatte der Seewolf eine Laune! Aber war das verwunderlich?

Unwillkürlich betastete er seine Beule. Da hatte ihm der Nubier aber ein saftiges Ding verpaßt. Es fühlte sich an wie ein Entenei, das seinen Schädel zierte. Vermutlich allerdings ein sehr buntes Entenei, das in allen Farben schillerte.

„Die Kerle werden von nun an nur noch einzeln oder zu zweit an Deck gebracht“, sagte Hasard. „Hast du das verstanden, Mister Carberry?“

„Aye, aye, Sir.“

Der Profos fing noch einen ungnädigen Blick von Ben Brighton ein, dann verließ er mit gekrümmtem Rücken das Achterdeck. Seine Lippen waren biestig zusammengekniffen, sein gewaltiges Kinn weit vorgeschoben, und seine Fäuste baumelten an den Seiten herunter wie zwei gewaltige Schmiedehämmer. Er sah so aus, als würde er jetzt die Masten aus dem Kielschwein rupfen, sie zur anderen Nilseite hinüber werfen und sich mit den Segeln die Nase schneuzen.

Unterdrückt fluchend gingen ihm die meisten aus dem Weg, als er zur Kuhl abenterte.

Neun Grabräuber befanden sich wieder benommen in der Piek, der zehnte hockte noch auf der Kuhl, dicht neben der Gräting, und Reste des Hirsebreies tropften ihm immer noch aus dem Gesicht. Der Kerl mußte schon halb erstickt sein.

„Was tut der noch hier?“ brüllte Ed. „Warum ist das Rübenschwein nicht längst unten, was, wie? Spielt der hier Thorfin Njal und läßt sich einen Helm wachsen?“

„Wir kriegen den Topf nicht von seinem Schädel“, sagte Smoky entschuldigend. Er packte zum wiederholten Mal die beiden Henkel und zerrte daran. Aber er zerrte den Kerl dabei immer gleich mit in die Höhe, und bei jedem Zerren erklang unter dem „Helm“ ein ersticktes Wimmern.

Carberry sah die Arwenacks grinsen, aber jedesmal wenn er die Blickrichtung wechselte, wurden die Grinser todernst und heuchelten Besorgnis und Mitleid über den frischgebackenen Wikinger.

Ed wollte sich nicht das zweite Donnerwetter vom Seewolf einhandeln, denn der konnte die Situation mißverstehen. Der Anblick war aber auch zu komisch. Da hockte ein in ein löchriges Nachthemd gekleidetes, über und über mit Hirsebrei beklekkertes oberägyptisches Individuum an Deck und wimmerte vor sich hin. Und auf dem Schädel saß ihm wie ein großer Ballon ein Kupferkessel mit zwei Henkeln.

„Legt das Rübenschwein lang!“ donnerte der Profos. „Du, Smoky, ziehst am rechten Henkel, du, Ferris, am linken, und ich packe ihn bei seinen großen Latschen. Wenn ich ‚los‘ sagte, dann zieht ihr, verstanden?“

Sie nickten und packten zu, Smoky am rechten Henkel, Ferris am linken, während die anderen interessiert herumstanden und bereits Wetten abschlossen, ob die beiden ihm den Kopf abrissen oder Carberry ihm die Beine in die Länge zog.

Carberry nickte grimmig und sagte: „Los!“

Es gab ein saugendes, schmatzendes Geräusch, als würde eine Blase aus dem Sumpf nach oben steigen und dort zerplatzen.

Der Profos hatte sich, weil er ja gegen zwei Männer zog, am Süllrand des Laderaums festgestemmt. Daher konnte ihn so leicht nichts umwerfen. Der Grabräuber knallte auf die Planken und stieß einen lauten Schrei des Entsetzens aus.

Smoky und Ferris aber, die urplötzlich den leeren Topf in den Pranken hielten, sausten wie zwei abgefeuerte Kanonenkugeln zurück. Dazu gesellte sich ein weiterer unglückseliger Zufall, eine Verkettung geradezu lieblicher Umstände, denn der Kutscher öffnete das Kombüsenschott und wollte gerade mit dem Abfallkübel an Deck.

Smoky und Ferris knallten mit dem Kreuz voller Wucht gegen das Schott. Das Kombüsenschott wiederum donnerte dem Kutscher ins Gesicht und trieb ihn ebenfalls zurück. Die Wucht warf ihn unvorbereitet um, und zu allem Übel ergoß sich der Inhalt des Eimers über ihn.

Aus der Kombüse erklangen unflätige unterdrückte Flüche und ein Gebrüll, das selbst den Profos zusammenzucken ließ.

Mit einem Satz war er am Schott, riß es auf und sah den Kutscher zwischen matschigen Essensresten, Zwiebelschalen und undefinierbarem Kraut liegen.

„Was soll diese Schweinerei?“ fragte er grob. „Schüttet man so vielleicht den Dreck aus, was, wie?“

Der Kutscher, voller Wut aufgebraßt wie selten, warf mit allem, was er zwischen die Finger kriegte, nach dem Profos.

Ehe sich das Mißverständnis klärte, lachten sich Ferris und Smoky bereits halbtot.

Nur der Kutscher fluchte weiter, in der Annahme, Ed hätte ihm das Schott absichtlich vor der Nase zugeknallt.

„Mann, ich wußte gar nicht, daß du so fluchen kannst“, sagte Carberry anerkennend. „Alle Achtung!“

Sein Zorn war jetzt einigermaßen verraucht, und den Anpfiff von Hasard hatte er ebenfalls verdaut, und da brach aus ihm ein wildes Gelächter heraus. Er schlug sich auf die Schenkel und lachte, bis ihm die Augen tränten.

„Ein Narrenschiff“, fluchte der Kutscher, „ein richtiges Narrenschiff ist das, voller Blödmänner, die stets aus lauter Schadenfreude grinsen, wenn den anderen etwas passiert.“

Aber das Grinsen erstarb dann doch sehr schnell, denn weit achteraus bahnte sich eine Tragödie an, die niemand verhindern konnte. Keiner konnte helfen, es war einfach unmöglich.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 254

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