Читать книгу SINODIS - John Marten Tailor - Страница 3
Оглавление04 - Flucht
Jack griff nach meinem Ellenbogen und zog mich mit. Wir hinkten, so schnell es in unserem Zustand möglich war, zum Helikopter, dessen Triebwerke auf Hochtouren liefen. Mit letzter Kraft hievten wir uns auf die Sitze, und dann schwebten wir auch schon davon. Es ging alles so rasend schnell, zum Nachdenken blieb überhaupt keine Zeit. Das Dach des Krankenhauses konnte ich bald nur noch schemenhaft erkennen. Noch nie war ich mit einem Hubschrauber geflogen, hatte aber keine Angst. Jack war sichtlich erschöpft und kämpfte gegen die Müdigkeit an. Warme Decken und etwas Wasser aus Glasflaschen lagen für uns bereit, sowie ein paar Powerriegel. Der Pilot warf mir einen kontrollierenden Blick zu. Als er sprach, hatte sein Deutsch einen leichten Akzent:
»Ruhen Sie sich aus. Wir sind ein paar Stunden unterwegs.« Ich nickte nur, hüllte mich fester in die Decke und starrte nach draußen. Der slawische Pilot lieferte uns zwei Tankstopps später auf einem kleinen Bauernhof in Südfrankreich ab. Das beschauliche Örtchen hieß Bormes-les-Mimosas, hatte mir unser Pilot erklärt. Ich konnte das Meer sehen, während der Hubschrauber über nicht bewirtschaftetem Ackerland nach einem Landeplatz suchte. Am Rande erstreckte sich ein flaches, lang gezogenes Gebäude aus grobem Stein, dahinter war das Festland zu Ende.
»So, Leute, wir sind da. Der Mann, der hier lebt, weiß Bescheid. Los, raus jetzt, und viel Glück.«
»Danke«, murrte Jack. Wir kletterten aus dem Helikopter und hinkten geduckt auf das Gebäude am Rande des Feldes zu. Der Hubschrauber stieg umgehend auf, drehte ab Richtung Meer. Minuten später explodierte er über dem offenen Wasser mit einem lauten Knall. Der Feuerball am Himmel erinnerte an einen Mini-Atompilz. Ich klammerte mich an Jack.
»Heilige Mutter Gottes!«, stieß er hervor.
»Passiert das alles wirklich? Was für ein Horrortag«, murmelte ich.
»Allez, allez! Nur herein.« Ein Mann winkte uns ins alte Backsteinhaus. »Willkommen in meinem bescheidenen Heim. Mein Name ist Alfons Missàr. Ich werde in den nächsten Tagen für Ihr Wohlergehen sorgen. Also, wenn Sie etwas benötigen, lassen Sie es mich wissen.«
»Sehr großzügig«, antwortete Jack. In meinen Augen ähnelte Monsieur Alfons jemandem in einer Fernsehserie aus meiner Kindheit. Er war schätzungsweise Ende vierzig, Anfang fünfzig, nicht besonders groß, der Schatten eines Schnurrbarts lag über seiner Oberlippe wie ein Bleistiftstrich. Seine dunklen Haare trug er auf altmodische Weise zur Seite gekämmt. Ich erkundigte mich:
»Monsieur, wie können wir uns für Ihre Hilfe bedanken?« Er winkte unwirsch ab.
»Ganz einfach, indem Sie unversehrt mit der kostbaren Fracht in Miami ankommen. Vorerst jedoch wird das Ihr Quartier für die nächsten Tage sein. Morgen kommt ein Ärzteteam und schaut nach Ihnen. Das sind Spezialisten. Also, ruhen Sie sich aus!«
»Nichts lieber als das«, stöhnte ich.
»Wenn Sie etwas benötigen, rufen Sie mich. Egal wann.«
»Werden wir.« Miami? Sacré Coeur de Montmartre? Was passierte hier? Was wollten die alle von uns? Ich fiel bitterlich weinend in Jacks Arme, nachdem wir in unserem vorläufigen Quartier angelangt waren. Das Backsteinhaus verfügte nur über eine Etage. Die Küche schien der Mittelpunkt des Hauses zu sein. Drumherum befanden sich mehrere Schlafräume samt Bäder.
In unserem Zimmer hatte der Gastgeber einen Krug Wein und Wasser aufgebaut, daneben einen Korb mit Baguette. Es gab ein kleines Tischchen und zwei Stühle an der Fensterseite, ein großes Bett und einen kleinen weißen Schrank. Der Raum hatte vielleicht fünfzehn Quadratmeter. Fünfzehn Quadratmeter Privatsphäre. Es gab auch einen Satz frische Nachtwäsche für uns.
»Merkwürdiger Kauz. Aber nett, oder?« Jack stimmte mir zu. »So viele Leichen«, seufzte ich deprimiert. »Jack, es ist so furchtbar. Wie kann das ein Mensch jemals wieder gutmachen?« Ich küsste ihn tränenüberströmt und mit Leidenschaft. Ich konnte und wollte ihn nie mehr loslassen, doch er stöhnte auf.
»Habe ich dich zu fest gedrückt? Entschuldige. Komm, ich wasche dich und ziehe dir ein frisches Nachthemd an. Ist doch schick, schau!« Jack aber weigerte sich, sich umzudrehen. »Oh Gott.« Ich sackte aufs Bett, umklammerte das Nachthemd. »Ist das in der Lagerhalle wirklich passiert?«
»Ja, Amily, leider. Dabei wollte ich nicht, dass dir etwas zustößt.«
»Aber Jack ...« Besorgt fragte ich: »Kannst du überhaupt liegen? Na los, lass dich verwöhnen.«
»Nein, Amily.« Er griff nach meinem Arm. »Du kannst dich doch selbst kaum auf den Beinen halten.«
»Ich möchte es aber gerne tun.« Ich wusch ihm Füße, Beine, Bauch und Gesicht voller Zärtlichkeit. Obwohl Jack ganz schön gelitten hatte, war er nicht verlegen anzumerken, dass sein bestes Stück ebenfalls dringend eine Wäsche nötig habe.
»So so, hältst du das denn aus?«
»Bestimmt«, entgegnete er schief lächelnd. Ich hinkte ins Bad, wusch mich selbst notdürftig und kam mit einem ausgewrungenen Waschlappen zurück. Und wer war bereits eingeschlafen? Jack sah völlig entspannt aus, ihm lag ein freches Grinsen auf dem Gesicht, aber ich wusch sein Glied trotzdem. Das füllte sich mit Leben und wurde hart. Jack öffnete die Augen und flüsterte:
»Was würde ich darum geben, wenn du mich nur bis zur Besinnungslosigkeit vögeln könntest.« So etwas brauchte man mir für gewöhnlich nicht zweimal sagen, aber wir hatten derbe einstecken müssen. Den Schmerzen zum Trotz unternahm ich einen Versuch, musste aber bald einsehen, dass es noch zu früh dafür war.
»Amily, ich liebe dich. Es ist schon gut. Die Zeit wird kommen.«
»Ja, bestimmt.« Wir legten uns auf die Seite, meine gute Seite, unsere aneinandergeschmiegten Körper bildeten eine perfekte Einheit. Wir waren wie Yin und Yang. Ich lachte völlig überdreht, weil ich mit diesem Mann glücklich war, wenn ich nur in seiner Nähe sein durfte. Mein Jack war ein gutaussehender, dunkelhaariger Mann, kräftig, mit einem wahnsinnig interessanten, natürlichen Duft und er hatte gute Manieren. Aber wer war er wirklich? Nun, er würde es mir gewiss sagen, wenn die Zeit dafür reif war.
»Mademoiselle, Monsieur, ich bin es Alfons. Sie müssen aufstehen.« Er kam ungebeten ins Zimmer und zog die Vorhänge auf. Die Sonne sandte ihre Strahlen kraftvoll durch das schmale Fenster direkt auf unser Bett.
»Das Essen stelle ich hier auf den Tisch.« Er verließ den Raum, dabei glaubte ich, sogar eine leichte Verbeugung gesehen zu haben. Theoretisch würde er den perfekten englischen Butler abgeben - als Franzose, diese Vorstellung amüsierte mich.
Mit dem Handrücken fuhr Jack über meine Rippen, es kitzelte ein wenig. Er las mit seinen kraftvollen Händen auf meinen Brüsten den aktuellen Liebeshunger ab. Die Erregung ließ nicht lange auf sich warten. Meine Brustwarzen verwandelten sich in kleine harte Knospen. Er hatte mich im Handumdrehen heißgemacht. Jack verschwand im Bad und ich konnte den Düften nach Kaffee und Croissants nicht widerstehen, stellte mich ans Fenster und schaute versonnen in die Natur. Es gab dort draußen nichts Besonderes zu sehen, außer frühlingshafter mediterraner Landschaft. Ich nippte an meinem Getränk. Jacks Atem kitzelte in meinem Nacken. Er küsste zärtlich meine Schulter, dabei sah er das ganze Ausmaß der Wunden auf meinem Rücken und sog hörbar die Luft ein.
»Das muss doch höllisch schmerzen.«
»Tut es.« Jacks Hand ruhte auf meiner Hüfte. Dort würde sie nicht lange verweilen, wenn ich ihr keinen Einhalt gebot. So konnte ich den Kaffee nicht genießen.
»Nicht, Jack, lass uns essen. Wir werden noch verhungern.«
»Ja, ja, mache ich jetzt.« Er kniete hinter mir und liebkoste die weiche Haut um meinen Schoß. Jack war in der Lage, mich binnen Sekunden gefühlsmäßig ins Chaos zu stürzen. Er berührte meine empfindliche Stelle, und spätestens jetzt lösten sich meine guten Vorsätze in Rauch auf. Ich stöhnte, Jack stand auf, er hatte sein Ziel erreicht. Ein paar kraftvolle Stöße genügten, um mich in blanke Raserei zu versetzen. Unwillkürlich schrie ich meinen Orgasmus hinaus.
Ich umarmte Jack, streichelte seinen Kopf. Er ging mit mir zum Tisch und nahm Platz. Ich setzte mich auf seinen Schoß, griff an ihm vorbei nach einem Croissant, tauchte das Gebäck in die Marmelade und steckte es meinem Liebsten in den Mund. Ich zog es in Zeitlupe wieder heraus. Das Spiel mit dem Feuer konnte jederzeit in einen Flächenbrand ausarten. Es hatte mich höllisch erregt, dass er nur die Marmelade abgelutscht hatte. Plötzlich ging die Tür auf und ich schrie vor Schreck, umklammerte fest meinen Liebsten.
»Können Sie nicht anklopfen?«, fauchte Jack.
»Die Ärzte sind da, verzeihen Sie bitte.«
»Wir kommen«, murmelte Jack mürrisch. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Er entschuldigte sich für seinen Ausbruch und die Situation im Allgemeinen und drückte mir einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. Gleichzeitig massierte ich mit beiden Händen Mr. Jack, als wäre es morgen verboten. Es dauerte nicht lange und er ergoss sich in meinen Händen.
»Amily, du weißt wirklich, wie man einen Mann verwöhnt.«
»Ach was, ich liebe dich so sehr und das liegt nur an dir. Du machst mich völlig wahnsinnig. Wir sollten uns beeilen, man erwartet uns ...« Ich schaute nach Jacks Rücken und streifte uns anschließend die Nachthemden über. Ich nahm ihn in die Arme, küsste ihn, sah in seine braunen Augen, und so verharrten wir. Wir brauchten keine Worte.
»Du machst mich immer so nervös«, ließ Jack bald verlegen verlauten.
»Nein, das ist einfach nur Liebe«, platzte ich heraus. »Na komm, die Ärzte können nicht den ganzen Tag warten.« Auf dem Flur empfing uns eine Krankenschwester wie aus dem Lehrbuch mit mürrischem Gesichtsausdruck.
»Sie werden bereits erwartet. Hier entlang.« Sie wies uns den Weg in einen anderen Raum. Dort begrüßten uns drei grinsende Gesichter, die zu dem Ärzteteam gehörten, das uns untersuchen sollte. Siedend heiß wurde mir bewusst, dass die Wände in diesem Haus wohl doch nicht so schallisoliert waren, wie vermutet. Ich versuchte es mit einer altbewährten Methode. Flucht nach vorn.
»Was ist? War das nicht gut, was ihr gehört habt?«
»Doch doch, wir sind ja nicht taub, Mademoiselle«, antwortete einer der drei Männer verschmitzt lächelnd. »Sie konnten sich etwas erholen, nehme ich an?« Die Mediziner stellten sich kurz vor, untersuchten uns gründlich, murmelten auf Französisch ein paar Worte, die ich nicht verstand und ließen uns wissen, dass sie mit den Heilungsprozessen äußerst zufrieden wären. Die Schussverletzungen hatten sich in den letzten Tagen gut geschlossen, sollten aber nicht überbeansprucht werden. Die plakativen Schürfwunden auf meiner Rückseite waren trocken.
»Sie haben gutes Heilfleisch«, wurde ich gelobt. Zu den Vernarbungen auf Jacks Rücken meinte der Älteste:
»Ich rate zu einer plastischen Operation. Schonen Sie sich die nächsten Tage unbedingt noch. Von uns bekommen Sie ein paar Schmerztabletten und Verbandsmaterial, damit sollten Sie über die Runden kommen.«
»Prima.« Einige fachliche Fragen unsererseits notierten sie sich und stellten uns dann einen Zugangscode für ein spezielles Krankenhaus zur Verfügung.
»Nur mit diesem Code erhalten Sie Zutritt in unsere Charité in Paris, haben Sie das verstanden? In spätestens sechs Monaten sollten Sie dort vorstellig werden, junger Mann. Ich rate Ihnen dringend, den Termin wahrzunehmen. So, damit sind die Untersuchungen abgeschlossen. Wir wünschen alles Gute für Sie beide.«
Wir bedankten uns, aber als sie sich verabschiedeten, trat einer nah an mich heran und flüsterte:
»Erinnere dich, Amily«, und ging. Mich ließ er perplex zurück. Jack fragte:
»Was hat er gesagt?«
»Ich soll mich erinnern.«
»Was bedeutet das?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Im Flur begegnete uns Alfons, unser Gastgeber.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Ja, wir haben den TÜV-Stempel bekommen«, scherzte ich.
»Sehr schön. Für die weitere Genesung steht Ihnen mein Haus zur Verfügung. Die nächsten zwei Wochen können Sie hier in Ruhe verbringen, dann werden Sie abgeholt. Ich melde mich zu gegebener Zeit. Fühlen Sie sich wie zu Hause.«
»Vielen Dank, das ist sehr großzügig von Ihnen. Aber weshalb tun Sie das alles? Wir sind doch Fremde für Sie.«
»Meine Liebe, es wird sich alles zu gegebener Zeit klären. Seien Sie unbesorgt. Ruhen Sie sich aus, werden Sie gesund. Das ist alles, was zählt.« Das war nicht die Erklärung, auf die ich gehofft hatte, aber mehr Infos sollte ich nicht bekommen.
»Na gut, aber es gibt da ein Problem. Unsere Sachen sind abhandengekommen. Das heißt, wir stehen mit leeren Händen da.«
»Es ist für alles gesorgt. Und wenn dennoch etwas fehlt, lassen Sie es mich wissen.«
»Das ist … unglaublich. Hast du gehört, Jack? Lass uns spazieren gehen und Sonne tanken! Es ist wunderschön draußen. Und das Meer ist auch nicht weit.«
»Nein, Amily, heute nicht. Gib mir noch ein bis zwei Tage, dann gehen wir bestimmt.«
»Sehr vernünftig«, kommentierte Alfons und ging seines Weges. Jack hatte sich auf das Bett gelegt, wollte sich entspannen und forderte mich auf, es ihm gleichzutun.
»Komm, Kleines. Wir sollen uns ausruhen«, sagte er und schloss die Augen. Im selben Augenblick war der Mann meiner Träume eingeschlafen. Na super, dachte ich und legte mich notgedrungen neben ihn. Wenn ich doch auch wie auf Kommando immer und überall ratzen könnte … Es gab für mich nichts zu tun. Es gab keinen Fernseher oder wenigstens ein Radio. Auch keine Bücher, die ich eh nicht hätte lesen können. Ich schloss die Augen und versuchte etwas Schlaf zu finden. Morgen war auch noch ein Tag.
Die Sonnenstrahlen weckten mich in der Früh, noch vor Jack. Ich spürte einen leichten Windzug, am gekippten Fenster wehten die Gardinen hin und her. Sich am Morgen ausgiebig zu räkeln, war genau mein Ding, doch dadurch wurde ich an meine Verletzungen erinnert. Müde schaute ich zu Jack rüber, der fest schlummerte. Seine Gesichtsmuskeln bewegten sich, sie zuckten, und ich schloss daraus, dass er träumte. In dieser Phase wollte ich ihn nicht stören, darum beschloss ich, unter der Dusche ausgiebig meiner Körperpflege nachzugehen, einschließlich einer Rasur. Ich hasste nichts mehr, als dass irgendwo an meinem Körper Haare sprießten. Mit nur einem Handtuch um mein Haar betrat ich wieder das Schlafzimmer, zog Jack die Bettdecke weg, um ihn ansehen zu können. Was für ein Mann. Ich liebte ihn mehr als mein eigenes Leben. Er machte mich lebendig, war auf eine Weise fordernd, die einerseits nicht aufdringlich war, mich aber andererseits spüren ließ, dass er mich aufrichtig liebte. Für ihn würde ich in den Tod gehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Es klopfte an der Tür.
»Moment, bitte!« Erschrocken deckte ich Jack zu und warf mir schnell einen Bademantel über, dann legte ich mich auf das Bett.
»Herein? Oh, Alfons.«
»Das Frühstück, Mademoiselle.«
»Stellen Sie es doch bitte wieder auf den Tisch, danke.« Alfons verließ wortlos den Raum. Langsam zog ich das Laken ganz runter, sodass Jack frei lag. Von ihm kam kein Mucks. Sehnsüchtig schaute ich auf seinen Penis, beugte mich ganz dicht über Jack, gab ihm einen Kuss. Plötzlich war da seine Hand. Er packte mich überraschend kraftvoll und warf mich auf den Rücken. Das tat weh! Ich schrie, mir traten die Tränen in die Augen.
»Spiele nicht mit dem Feuer, Amily.«
»Nein, Jack, nein. Ich wollte dich nur wecken. Das Frühstück ist schon da und ich, ich ...« Aber er amüsierte sich auf meine Kosten, dieser Mistkerl!
»So, jetzt können wir frühstücken, Amily, mein Schatz.« Ich, noch immer völlig außer Atem, hatte in dieser Situation die Oberhand verloren, mein Schoß wurde feucht, ich hätte ihn auf der Stelle vernaschen können. Was sollte er um Himmels willen von mir denken? Er konnte ja nicht wissen, dass es vor ihm nur einen Partner gegeben hatte, der aber kaum Sex mit mir haben wollte. Meist blieb es bei Kuscheln, Petting oder mal einem Blowjob. Man konnte sagen, ich war ausgehungert nach körperlicher Zuneigung. Jack hatte, ohne es zu wissen, Feuer an die Zündschnur gelegt und damit etwas ausgelöst, das sich nicht mehr aufhalten ließ. Er war imstande, mich mit grade mal einem Kuss zu erregen. Ich ging zum provisorischen Frühstückstisch. Jack hatte derweil Kaffee eingeschenkt, wartete geduldig, bis ich mich gesetzt hatte, und reichte mir Croissants und Butter. Seine Blicke klebten an mir.
»Was ist?«
»Nichts, meine kleine Amily. Ich muss dich einfach nur anschauen. Du bist so schön, und ich frage mich seit unserer ersten Begegnung, womit ich dich verdient habe.«
Kauend erwiderte ich: »Tja, wenn ich das wüsste. Aber Spaß beiseite, ich genieße es, mit dir zusammen zu sein. Beeilen wir uns, um an die Sonne zu kommen.« Das Frühstück war schnell verschlungen.
»Wir können doch nicht im Nachthemd gehen«, wandte Jack ein. »Ich bin ja nicht eitel, aber ...«
»Lass dich überraschen. Ich glaube«, neugierig öffnete ich den Kleiderschrank, »hier ist etwas für uns.« Ich zog mir rasch ein Höschen und ein leichtes geblümtes Sommerkleid an, das im Schrank gehangen hatte. Perfekt für mich. Mehr war nicht nötig, da ich auch nicht riskieren wollte, dass die Schürfwunden aufplatzten. Jack warf sich eine Jeans über, die ein paar Nummern zu groß geraten war, und ein ausgeblichenes Shirt. Er sah ziemlich unglücklich aus. Nicht besonders schick, aber für den Moment total in Ordnung. Außerdem sah dieser Mann immer gut aus, was er auch trug. Das sagte ich aber nicht, sondern:
»Komisch, meins sitzt wie angegossen. Aber egal, wir werden Alfons bitten, dir etwas Passenderes zu besorgen.«
05 - Am Strand
Wir verließen das Haus und schlugen den Weg zum Strand ein. Während des kurzen Spazierganges von etwa zehn Minuten gestand ich Jack meine tiefen Empfindungen, erzählte ihm, wie sehr er mich faszinierte. Er hörte geduldig zu und platzte dann heraus:
»Amily, mir geht es genauso! Ich kann es nicht erklären, ich musste dich einfach um Feuer bitten. Du hast eine unglaubliche Aura. Okay, war vielleicht nicht der coolste Anmachspruch, schon klar, aber ich kann mich nicht so gut ausdrücken wie du. Ich liebe dich, du bist anders, schön, in einem Ausmaß, das mir Angst macht. Ich höre mich an wie ein Schuljunge, ich weiß. Du machst mich so nervös.« Wir erreichten den Strand. Beim Anblick des Meeres wurde mir ganz warm ums Herz.
»Es ist wunderschön.«
»Ja, und so einsam. Das hat man selten heutzutage. Perfekt zum Nacktbaden.«
»Ja, lass uns schwimmen gehen!« Im Nu hatte ich das Kleid abgelegt und hinkte ins Wasser.
»Warte, Amily! Es ist noch zu früh dafür.« Das Salz brannte in meinen Wunden, trotzdem ließ ich mich nicht abhalten. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt hatte, war ich nicht mehr davon abzubringen.
»Komm schon, Feigling!« Er entkleidete sich und folgte mir kopfschüttelnd. Ich schwamm zu ihm, umklammerte ihn mit meinen Beinen wie ein Schraubstock. Meine Küsse sollten ihm den Kopf verdrehen. Jack tauchte mit mir unter, ich hinderte ihn nicht daran, mich zu küssen, und öffnete unter Wasser meine Augen. Dieser Ausdruck in seinem Gesicht, er sah so friedlich und glücklich aus. Ich löste die Umklammerung, weil ich zurück an die Oberfläche musste. Er tauchte mit auf und gestand mir, dass er niemals etwas Schöneres gemacht habe. Er griff nach mir, um erneut mit mir unterzutauchen. Unser Verlangen, uns zu küssen, war ungebrochen. Selbst die Blicke voneinander zu lassen, fiel uns schon schwer. Ich signalisierte ihm, dass ich auftauchen wollte. Er hob mich auf seine starken Arme und trug mich an Land. Ich war völlig durchgefroren.
»Wir haben kein Handtuch!« Er bettete mich sanft auf seiner ausgebreiteten Jeans, legte sich neben mich in den Sand. Seine Blicke musterten mich sehr intensiv. Was er wohl sah?
»Meine kleine Meerjungfrau.« Nachdem Jack versuchte, ganz Gentleman, die Wärme in meinen Körper zurückzubringen, genossen wir den restlichen Nachmittag verliebt und in vollen Zügen. Ich ergötzte mich an Jacks Berührungen. Es gefiel mir sehr, ich umarmte und betrachtete ihn. Jack legte seine warmen Hände auf meinen Po, küsste mich zärtlich. Seine Zunge leckte das Salz von meinen Brüsten. Es war ihm sichtlich unangenehm, dass Mr. Jack schon bei der kleinsten Berührung seine Erregung zur Schau stellte.
»Alles okay. Ich finde es toll, wenn er steht wie ein Baum. Wir sollten zurück ins Haus gehen. Es wird frisch.« Jack wollte nicht so recht. »Los, Faulpelz, aufstehen!«, trieb ich ihn an. Er ließ den Kopf hängen wie ein kleiner Junge, der einfach noch nicht vom Spielplatz nach Hause wollte. »Schade. Ich genieße die Freiheit hier draußen. Ich fühle mich etwas eingesperrt in dem kleinen Zimmer.« Jack klopfte die Hose aus und stieg in sie. Ich hatte das Kleid übergestreift. Wir schlenderten Arm in Arm, ich legte meinen Kopf an seine Schulter und hörte den tiefen Seufzer. Ich nahm seine Hand. Es war schwer auszuhalten, ihn so deprimiert zu sehen. Im Haus angekommen, wir wollten gerade in unser Zimmer, trat Alfons uns entgegen.
»Das Essen steht für Sie bereit.«
»Danke, Alfons«, winkte ich freundlich ab. »Wir müssen uns ausruhen.« Im Zimmer streifte ich meine Sachen ab und verschwand im Bad. Als ich zurückkam, stand Jack am Fenster.
»Komm mit«, hauchte ich, nahm ihn mit ins Bad, wo die große alte Badewanne mit warmem Wasser volllief. Ich bat ihn, sich auszuziehen, stieg hinein und zog Jack mit mir, da begriff er: Ich wollte ihm das gute Gefühl noch einmal geben, welches ihn im Meer so gefesselt hatte. Eng umschlungen, unter Wasser, wo es so friedlich gewesen war. Es war aber natürlich nicht das Gleiche. »Ach, Amily. Wie lieb von dir.« Er umschloss mich mit einer Welle aus Zärtlichkeit. Ich wusste aus der Tiefe meines Herzens, dieser Jack ist mein Mann. Er stieg schon bald aus der Wanne, führte mich ohne ein Wort ins Schlafzimmer. Er klopfte aufs Bett. Ich folgte seinen Wünschen, legte mich bäuchlings auf die Matratze. Er begann, mich mit Öl zu massieren, von den Füßen arbeitete er sich hoch. Einige Stellen musste er allerdings auslassen, trotzdem war es unglaublich entspannend. Die Oberschenkel umschloss er mit beiden Händen. Immer wieder berührten Jacks Finger flüchtig meinen Schoß. So ein Gefühl hatte ich bisher noch nicht gekannt. Es erregte mich auf eine Weise, die ich kaum noch aushielt, und versuchte krampfhaft, die Fassung zu wahren. Aber Jack entging nichts, meine Körpersprache konnte er anscheinend wie ein Buch lesen.
Dann berührte er meine empfindliche Stelle um das Steißbein herum, meinen Po, bis zur ...
»Nein, nicht da.« Mir fiel das Atmen zunehmend schwerer, aber er kostete die Massage aus, wollte mal ausprobieren, wie weit er gehen konnte. Aber ich blieb standhaft. Er knetete meinen Rücken, da, wo es möglich war, die Schultern mit viel Öl. Ich konnte endlich verschnaufen und fiel in eine tiefe Entspannungsphase.
»Amily, drehe dich bitte mal um.«
»Muss ich?« Mir wurde schlecht, denn ich war sehr empfindlich an Brüsten, Bauch und Schoß. Jack strebte langsam mit beiden Händen um den Hals herum auf meine Brüste zu, spielerisch tänzelten seine Finger um die Brustwarzen. Ich schaute ihn verzweifelt an, woraufhin er sanft meine Lippen küsste.
»Jack, was machst du mit mir?«
»Nur massieren«, erwiderte er mit einem anzüglichen Unterton. »Nur massieren.« Er fuhr unbeirrt fort und steigerte mein Verlangen noch. Innerlich schrie ich mir die Seele aus dem Leib und es war nicht auszuschließen, dass das auch zu hören war. Es war mir peinlich und ich lief rot an. Aber warum eigentlich? Ich fühlte mich in seiner Gegenwart doch so wohl. Er genoss es offensichtlich, mich in Ekstase zu sehen, grinste frech und küsste mich. Doch ich musste ihn tadeln.
»Du Schuft, du hast mich mit der Massage so erregt.«
»Dann weißt du ja jetzt, wie das ist, Amily.«
»Ach was. Ich brauche erst mal was zu trinken!« Ich versuchte aufzustehen, aber meine Beine gehorchten mir nicht. »Ups! Na warte, das bekommst du zurück, wenn ich wieder ganz gesund bin! Ich schwöre es.« Doch er lachte nur, zog mich wieder auf das Bett. Mein Körper bebte, er legte sich hinter mich und streichelte liebevoll jeden Quadratzentimeter meiner Haut, der nicht bandagiert war. Dann blieb mein Blick an der Essensglocke Hängen, unter der sich unser Abendessen befand.
»Hast du gar keinen Hunger?« Er schüttelte den Kopf.
»Ich auch nicht so recht.«
»Da wird Alfons aber gar nicht begeistert sein.«
Wir streichelten uns die halbe Nacht. Ich erzählte ihm, wie sehr ich es genossen hatte, dass wir uns im Meer unter Wasser eng umschlungen geküsst hatten.
»Ja, so ein Gefühl war mir auch neu.« Ich zog die Decke über uns zu, kuschelte mich noch näher an ihn heran. Kaum hörbar summte ich vor mich hin, und war überaus zufrieden. Er lächelte.
Am Morgen war Jack vor mir aufgestanden, hatte den Frühstückstisch mit wunderschönen Blumen aus dem Garten verziert, doch mit mir war nicht viel anzufangen. Ich war total verschlafen. Er zog mich aus dem Bett.
»Na komm. Nur zwei Schritte.« Ich brummte und setzte mich auf den Stuhl. Dort hätte ich auf der Stelle weiterschlafen können. Benommen schaute ich Jack an, er sah so glücklich aus wie seit Tagen nicht mehr, gab mir einen Kuss und bestrich mein Croissant mit Butter und Waldfrucht-Marmelade. Dazu reichte er mir eine große Tasse Kaffee. Ich platzierte meine Füße bequem auf der Sitzfläche und genoss mein Frühstück. Ich tat so, als würde ich nicht merken, wie er mich anstarrte. Insgeheim erregte es mich sogar ein wenig, er war interessiert an mir und das zählte. Ich ging ins Bad, um meiner morgendlichen Körperpflege nachzugehen. Als ich fertig war, wickelte ich ein Handtuch um meinen Kopf, da bemerkte ich den Zaungast in der Tür.
»Wie lange stehst du schon da?«
»Ich? Seit gerade eben. Hat es dich gestört?«
»Nein, warum sollte es?«
»Du bist so schön, Amily.«
»Danke sehr, kannst du mir bitte das Kleid dort reichen?« Ich streifte es mir über. »Komm, Jack, beeil dich. Ich möchte ans Meer.«
»Prima, das war auch mein Gedanke.« Jack freute sich wie ein Dreikäsehoch, wir konnten nicht schnell genug zum Strand kommen, Hand in Hand. Dort angelangt hielt ich Ausschau nach einem verträumten Plätzchen.
»Da in den flachen Sanddünen, breite dort bitte deine Jeans aus, so wie gestern.« Wir ließen unsere Sachen in den Sand fallen und rannten in die See. Ich umschlang meinen Geliebten. Er tauchte mit mir ab, tiefer noch als zuvor. Wir überließen es den Wellen, uns an den Strand zu treiben. War das schön! Wir lachten uns an, aber Jack wollte noch einmal tauchen. Ich ließ ihn ziehen und streckte mich im Sand aus. Der Blick übers Meer und das Wellenrauschen bescherten mir Ruhe, die Sonne tat ihr Übriges, wärmte und bräunte meine Haut. Jack kehrte mit einem zufriedenen Lächeln zurück, er hatte seiner Leidenschaft gefrönt.
»Schade, dass ich meine Tauchausrüstung nicht hier habe. Dahinten wird es ganz schön tief. Hätte ich mir gerne näher angeschaut.« Wasser war das Element, in dem er sich wohlfühlte. Nass rieb er sich an mir.
»Pfui, Jack, du bist ganz kalt.«
»Stimmt. Gleich wärme ich dich, dann wird dir heiß.« Ich konnte ihm nicht widerstehen. Seine Dominanz machte es unmöglich, und seine Küsse waren der himmlische Lohn. Wir suchten ständig die Nähe zueinander.
»Weißt du was, Jack, wir sind wie kleine Kinder.«
»Ja, finde ich auch, aber es ist sehr schön, ein wenig wie ein Kind zu sein, meinst du nicht, Amily?« Wir kitzelten und küssten uns immer wieder. Ständig lachte einer von uns. Ich genoss es in vollen Zügen, bis mich ein Anflug von Verlustangst heimsuchte.
»Jack, ich weiß, du kannst es gewiss nicht mehr hören, aber ich liebe dich so sehr. Bitte bleibe bei mir.«
»Warum? Ich gehe doch nicht weg, es sei denn, du willst, dass ich gehe.«
»Nein, Jack, rede keinen Unsinn!« Ich klammerte mich an ihn. Er spürte sofort, wenn mit mir etwas nicht stimmte, strich mir über Rücken und Schultern, nahm mir die Angst.
»Wir haben uns doch gerade erst gefunden«, ergänzte ich.
»Wie Recht du hast. Lass uns einfach zurückgehen.« Ich warf mir das Kleid über, bückte mich und schlüpfte in meine Schuhe.
Verträumt schlenderten wir zum Backsteinhaus zurück. Plötzlich stöhnte Jack auf:
»Verdammt, da hat mich etwas gestochen!«
»Zeig her«, bot ich an. Ich kannte diverse Hausmittelchen gegen Insektenstiche. Altbewährt war die Spucke-Methode.
»Ach, schon gut. Ist schon wieder weg.« Er konnte sich nicht verkneifen, mich ständig zu kitzeln. Im Haus angekommen gingen wir direkt ins Schlafzimmer. Von Alfons war zum Glück nichts zu sehen oder zu hören. Als wir uns anschauten, hatten wir wohl beide den gleichen Gedanken, und ich sprach ihn aus. »Sturmfreie Bude!« Wir konnten uns so richtig austoben. Er packte mich fest bei den Hüften, hob mich hoch und warf mich schwungvoll auf das Bett, obwohl er wusste, dass das im Moment nicht ging. »Hey, Vorsicht!« Etwas hatte sich an Jack verändert. Es war seine starre Miene. Ich erschrak. Das Gesicht, das ich sah, gehörte nicht meinem Geliebten. Er riss seine Hose herunter und packte meine Beine.
»Nicht, Jack, nicht so!« Ich versuchte ihn wegzudrücken, Tränen traten in meine Augen. Auf diese animalische Art wollte ich nicht geliebt werden, so sollte es zwischen Liebenden nicht sein, doch er ließ sich nicht beirren. »Das tut weh! Verdammt, Jack! Hast du sie noch alle?« Während ich mich bemühte, ihn auf Abstand zu halten, entdeckte ich etwas Grünes in seinem Nacken. Dieses Etwas glich einer Heftzwecke.
»Was hast du da?« Er wollte mich weiterhin mit aller Macht nehmen, seine Knie drückten meine Beine auseinander. Ich bekam Panik und schrie ihn an: »Aufhören!« Doch genauso gut hätte ich mit einer Wand reden können. Aus Verzweiflung riss ich ihm dieses grüne Teil aus der Haut. Er sackte augenblicklich zusammen, wie ausgeknipst. Ich atmete auf, gleichzeitig fühlte ich mich elend, den Mann meiner Träume in diese Lage gebracht zu haben. »Jack? Sag doch was. Bitte, du machst mir Angst!« Er konnte sich offenbar nicht mehr rühren. Sein Zustand glich einer Starre. Doch er lag auf mir, erdrückte mich fast. Scheiße! Um Hilfe zu rufen war zwecklos, Alfons war ja nicht da. Wer sollte mir also helfen?
»Jack, bitte! Stirb nicht, lass mich nicht allein.« An den Haaren hob ich seinen Kopf hoch, um mich zu vergewissern, dass er noch lebte. Ich stellte mit Herzrasen fest: tot ist er jedenfalls nicht. Gott sei Dank. Aber ich musste seinen massiven, neunzig Kilo schweren Körper irgendwie von mir runterschieben, denn ich bekam Luftnot. Ich drehte mich unter Schmerzen zur Seite, zog mein Bein unter ihm hervor. Es tat höllisch weh. Ich weinte mittlerweile, aber ich war frei. Meine Sorge galt nun Jack. Der hatte geweitete Pupillen, die verrieten, dass er wahrscheinlich an einer Art Vergiftung litt. Keine Ahnung, woher, aber ich wusste es irgendwie. Ebenso wie ich wusste, was ich als Nächstes zu tun hatte. Ich besorgte eine Flasche Wasser aus der Küche und flößte es ihm nach und nach ein.
»Du musst trinken, verdammt.« Nur allmählich erfolgte eine Regung: Zusammenhanglose Wortfetzen, die keinen Sinn ergaben. Ich musste unbedingt einen klaren Kopf bekommen und beschloss, mich im Bad ein wenig abzukühlen. Zudem fühlte ich mich beschmutzt, schaute aber immer wieder nach Jack, der die Augen verdrehte. Konnte ich ihn kurz allein lassen? Er lallte pausenlos unverständliche Laute wie ein Baby, das Sprechen lernt. »Jack, was ist? Ich kann dich nicht verstehen.« Verzweifelt fasste ich mir an den Kopf, auf eine Eingebung hoffend.
»Pass auf, Jack. Hör genau zu, was ich sage. Du bewegst die Augen nach rechts oder links, das kannst du doch, oder? Wobei rechts ja oder richtig und links nein oder falsch bedeutet, ist das klar?« Jack bewegte seine Augen nach rechts. Okay, ich war noch nie gut im Raten gewesen, aber wie heißt es immer so schön? Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.
»Ich glaube, du wurdest vergiftet. Meinst du, dass es auf dem Weg von der Bucht hierher passiert sein könnte?« Jack bewegte die Augen nach rechts. Ja.
»Gut, ich auch. Glaubst du, dass es mit der Rolle zu tun hat?« Seine Augen wanderten erneut nach rechts.
»Alles klar. Aber es weiß doch niemand, dass wir hier sind. Die, die es wussten, sind tot. Na ja, außer Alfons natürlich. – Ob es an der Zeit ist, die Rolle zu öffnen?« Er starrte mich nur an. »Ja, ist ja gut.« Ich gab ihm einen Kuss. Mein Magen rumorte vor Aufregung. Jack wirkte, als wollte er mir noch etwas mitteilen.
»Ja, ich weiß: Fenster, Türen, Gardinen schließen und mich erst einmal ruhig verhalten.« Jack schloss müde die Augen. Ich atmete ein paarmal tief durch. Man konnte eine Stecknadel fallen hören. Aber nun war die Zeit gekommen, die Rolle hinter der Bettverkleidung hervorzuholen. Diese ließ sich mit einem Trick leicht lösen. Eine Weile hielt ich den Atem an, horchte auf die Stille und holte dann die Rolle hervor.
»Soll ich wirklich?« Ich schüttelte das Gefäß, versicherte mich bei Jack, das Richtige zu tun, löste die rote Kordel von Deckel und Rollenende, drehte den Deckel behutsam hin und her und schob dann mit beiden Daumen die Kappe von der Trommel. Der unverwechselbare Geruch nach altem Papier stieg mir in die Nase. Ich schaute in den Behälter, dort waren ein paar alte Dokumente ineinander gerollt. Die Rolle hatte einen Durchmesser von circa acht Zentimetern und war etwa fünfundvierzig Zentimeter lang. Sie war mit schwarzem Leder bezogen und besaß einen Tragegurt. Ich kippte die Rolle so, dass die Dokumente leicht herausrutschen konnten.
»Hier sind ganz viele ziemlich alte Papiere.«
Das erste Dokument war ein geöffneter Brief. Weitere lose Dokumente lagen ihm bei. Die Botschaft war auf Englisch verfasst und richtete sich an den Rollenüberbringer, in diesem Fall an uns. Sprachlos las ich aufmerksam weiter. Ich wurde gebeten, alle Dokumente dieses Behältnisses im Stillschweigen und zum Wohle der Menschheit nach Frankreich zu schaffen, genauer gesagt nach Paris, in die Kirche Sacré Coeur de Montmartre. Dort gäbe es nur eine Person, die die Rolle überhaupt entgegennehmen dürfe, nämlich Monsieur Lavida Nivelle, der Verwalter. Weiter wurde in diesem Brief gemahnt, äußerste Vorsicht walten zu lassen. Ich fand das etwas dick aufgetragen. »Aha! Sacré Coeur. Das war damit gemeint.« Mehr und mehr wurde mir die mir auferlegte Verantwortung bewusst. Schließlich wurde mir bereits mehr als einmal gesagt, dass ich die Überbringerin sein sollte. Das erste handgeschriebene Dokument stammte aus der Nazizeit und beinhaltete Angaben über Führungspositionen, Personen und deren Aufenthaltsorte sowie Angaben über deren unbeschadetes Überleben des Zweiten Weltkriegs. Mir wurde ganz mulmig.
»Was für ein Fund«, flüsterte ich fasziniert. Das zweite Dokument war auf Latein und handelte vom Vatikan, aber ehrlich gestanden war mein Latein seit der Schulzeit extrem eingerostet. Ich schaute Jack mit tränenverhangenem Blick an.
»Wenn du das hier sehen könntest, Schatz, es ist unglaublich.« Das dritte Dokument stammte von den Templern. Ich erkannte es sofort an dem alten Siegel. Von den Templern, unfassbar!
SIGILLUM MILITUM CHRISTI (Siegel der Soldaten Christi).
Die Templer waren ein Ritterorden, dessen Gründung infolge des ersten Kreuzzuges stattgefunden hatte, bis Papst Clemens V ihn am 22.03.1312 aufgelöst hatte. Ich konnte jedenfalls mit diesem unleserlichen Text nichts anfangen, dazu benötigte man einen Code. Mich traf der Schlag, als ich das letzte Schriftstück genauer betrachtete. Ich konnte gar nicht fassen, was ich in meinen Händen hielt. Das Dokument war eindeutig Alexander dem Großen zuzuordnen. Ich erkannte das, weil ich während des Abiturs eine Studie darüber schreiben musste. Als Teenager hatte ich es gehasst, weil ich sie erstellen musste, jetzt war ich dankbar dafür. Da hatte meine alte Lehrerin, Frau Funke, doch recht behalten als sie sagte, wer weiß, wofür es später noch gut ist.
Du lieber Gott, was für ein Fund! Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich, Amily Simon, etwas derart Wertvolles jemals zu sehen bekommen würde. Einzig die Tatsache, dass wir, um das Dokument zu entschlüsseln, einen Spezialisten bräuchten, trübte meine Euphorie. Wie konnte ich an den- oder diejenige herankommen? Allerdings …
»Jack, ich glaube, wir befinden uns in großer Gefahr. Ich verstehe nur nicht, warum ausgerechnet uns die Verantwortung auferlegt wurde, die Dokumente zu beschützen. - Ach, du kannst mir ja nicht antworten.« Ich packte alles behutsam wieder ein. Dabei flatterte ein Schnipsel aus den Dokumenten und vor meine Füße.
»Nanu, was ist das denn?« Das könnte womöglich der Code sein. Nein, dieser Zettel war unbeschriftet, aber ich legte ihn zurück in die Rolle und verschloss sie sorgfältig. Wir mussten unbedingt fort von hier. Ich streichelte Jack zu meiner und seiner Beruhigung, versteckte die Rolle wieder ordnungsgemäß.
»Jetzt zu dir, Jack.« Ich schaute ihn an und war immer wieder fasziniert von seinen schönen braunen Augen. Mein Kuss sollte ihn glücklich stimmen. Ich konnte es nicht lassen, seine Brustmuskeln zu streicheln. Jack bewegte mit großer Mühe seinen Arm und legte eine Hand auf meinen Rücken. Von dieser schlichten Berührung war ich so ergriffen, wie selten in meinem Leben. Den Fehltritt von vorhin hatte ich ihm bereits verziehen, es war ja nicht wirklich Jack gewesen, der versucht hatte, mich mit Gewalt zu nehmen, sondern sein vom Gift getrübter Geist.
Ich schmiegte mich an seine Brust. »Ach Jack, ich wünschte, wir hätten noch heiraten können, dann wärst du mein Ehemann.« Allmählich konnte er seine Arme wieder voll gebrauchen und hielt mich ganz fest. Es tat so gut. Niemals zuvor hatte ich so viel Geborgenheit bei meinem Liebsten gespürt wie in diesem Moment. Ich zog die Decke über uns, bedachte ihn mit einem liebevollen Blick und schlief an ihn geschmiegt ein. Ein Klopfen, begleitet von einer Stimme, weckte uns. Ich wollte gerade antworten, da kam mir Jack zuvor:
»Ja, bitte.«
»Ich bin es, Alfons, ich bringe das Frühstück.«
»Ist gut, stellen Sie es bitte auf den Tisch.« Alfons trat ein, stellte das Tablett ab und verließ den Raum, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
»Du kannst ja wieder sprechen«, flüsterte ich erfreut. Mir fiel ein Stein vom Herzen, so groß wie der Etna. Jack antwortete gleich großspurig:
»Nicht nur das. Ich kann auch noch viel mehr. Gestern war ich ja wehrlos.«
»Ja, erzähl du nur«, meinte ich. »Aber ich bin sehr froh, dass du wieder der Alte bist.«
»Das bin ich auch. Aber da ist noch etwas.« Er umarmte mich, raunte dicht an meinem Ohr: »Ja, ich will.«
»Was?« Es dauerte ein wenig, dann schlug die Erkenntnis ein wie eine Bombe. Au Backe! Ich schluckte, er hatte meinem Wunsch entsprochen. Unweigerlich schossen mir die Tränen in die Augen.
»Im Ernst? Wir kennen uns ja kaum ...«
»Ja, Amily. Es wird für mich keine andere Frau mehr geben.«
»Oh Jack, das ist so süß von dir. Aber ich muss dir so viel über diese Dokumente erzählen ...«
»Ich weiß schon alles. Du hast gestern beim Lesen leise gesprochen.«
»Habe ich?«
»Ja, und du liegst mit deiner Annahme richtig, wir müssen wirklich sehr vorsichtig sein.«
»Sollten wir Alfons nicht von dem Attentat auf dich erzählen? Vielleicht kann er uns helfen?«
»Vielleicht. Ich weiß nicht. Wollen wir frühstücken, Amily?«
»Ja, komm. Wie immer?« Ich setzte mich ihm gegenüber, schenkte uns Kaffee ein und stellte meine Füße auf den Stuhl nebenan. Ich schlürfte ab und zu genüsslich und spielte mit meinen weiblichen Reizen, indem ich rein zufällig meine Schenkel öffnete. Jack betrachtete mich mit verstohlenen Blicken. Mir gefiel das. Eigentlich machte es mich auch heiß, ich ließ mir aber nichts anmerken. Jack sollte mich nicht für einen Nimmersatt halten. Dabei wollte ich mich schon lange von meinen selbst auferlegten Fesseln befreien und die Liebe in vollen Zügen genießen. Nur vielleicht nicht gerade jetzt.
Ich stand auf, wollte mich an Jack vorbeiquetschen, da klopft es erneut. Durch die geschlossene Tür drang Alfons Stimme:
»Ich bin es noch einmal. Ich möchte nicht lange stören, sondern wollte nur sagen, dass Sie morgen Früh gegen zehn Uhr abgeholt werden. Einen schönen Tag noch.«
»Ja, gut, danke!«, rief ich und fügte leise hinzu: »Dann kommen wir von hier weg, Jack.«
»Ich hab`s gehört. Aber morgen ist nicht heute.« Ich sah ihm seine Erregung an, beugte mich zu ihm, küsste ihn.
»Ach, Jack!« Seine Hand streichelte die weichen Innenseiten meiner Oberschenkel. Das war so gut. Auf diese Art wollte er Leidenschaft entfachen. Ich stöhnte und merkte, dass ich schon wieder feucht wurde. »Was machst du mit mir, Jack?«
»Was immer du möchtest, Schatz«, zwinkerte er.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war, denn ich besaß keine Armbanduhr mehr. Wir lagen auf den zerwühlten Laken und starrten an die Decke. Mein Pulsschlag beruhigte sich langsam und leise begann ich zu summen. Es bestätigte nur, dass ich mich richtig entschieden hatte. Mein Körper verlangte nach einer warmen Dusche.
»Wir sollten schon unsere Sachen packen, dann brauchen wir das morgen nicht mehr.«
»Bin dabei, Amily.«
Fertig geduscht kam ich zurück ins Schlafzimmer.
»Hast du Lust, mich einzuölen?« Jack ließ sich nicht zweimal bitten und ich genoss die großen kräftigen Hände, die mich in den Schlaf beförderten.
06 - Der Aufstieg
Unbarmherziges Trommeln an der Tür weckte Jack. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, was ihn irritierte. War es schon so weit?
»Was ist denn, um Himmels willen. Es ist vier Uhr dreißig!«, beschwerte er sich und rieb sich die Augen. Durch die geschlossene Tür drang Alfons immer gleichmütige Stimme.
»Planänderung. Ihr werdet in einer Stunde abgeholt. Ich habe schon das Frühstück dabei mit extra starkem Kaffee zum Wachwerden.«
»Herrje. In einer Stunde? Dann kommen Sie rein, stellen Sie das verdammte Frühstück da hin!« Träume hatten ihn in dieser Nacht heimgesucht und Spuren hinterlassen, was sich in einer morgendlichen Unausstehlichkeit äußerte.
»Amily, aufwachen!« Die Stimme drang bis in mein Gehirn vor, doch der Tiefschlaf hielt mich fest im Griff. Einfach weiterschlafen. Er wird schon aufgeben.
Jack rüttelte an mir und flüsterte:
»Komm, meine zukünftige süße Ehefrau, aufstehen.« Die lieben Worte zauberten mir im Handumdrehen ein seliges Lächeln ins Gesicht, doch meine Augen wollten noch nicht so recht.
»Ja doch. Es ist viel zu früh für mich.«
»Ich weiß«, erwiderte Jack. »Denkst du, für mich nicht? Aber wir werden gleich abgeholt.«
»Na toll.« Er drehte mich auf den Rücken, beugte sich über mich und gab mir einen Kuss.
»Guten Morgen, meine Liebe. Na komm. Es hilft nichts, wir müssen uns beeilen.« Ich trottete ins Bad. Es war gerade genug Zeit für eine kurze Katzenwäsche. Ich zog mir frische Wäsche, Jeans, ein Shirt und Strümpfe über. Es gab ein paar leichte Sneakers oder Ballerinas. Meine Wahl fiel auf die Sneakers. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Jack aus dem Bad. Er hatte die Ruhe weg. Ich hingegen war schon ganz gespannt, was uns heute erwartete. Wohin ging die Reise diesmal? Alfons tat immer so geheimnisvoll.
»Zieh dich an«, tadelte ich und fragte mich, was Transuse auf Englisch hieß. Ich befreite die Rolle aus ihrem Versteck hinter der Wandverkleidung, knotete sie an der Innenseite des Rucksacks fest, den wir von unserem Gastgeber bekommen hatten und legte noch die restliche Wäsche darüber, die ich nicht leiden mochte, die mir aber gute Dienste geleistet hatte. Schon klopfte es. Die Zeit war nur so verronnen.
»Jack, wir müssen los. Bist du so weit? Und nimm dieses komische grüne Ding mit. Ich will wissen, was das ist. Eventuell kann uns jemand etwas dazu sagen.«
»Ja, Sir!«, salutierte er und verstaute es in seiner Umhängetasche.
Es klopfte erneut.
»So, Leute, wir müssen los. Der Jeep wartet am Treffpunkt. Wir haben einen strammen Fußweg von zwei Stunden vor uns.«
»Im Ernst?«, stöhnte ich. »Hat er wirklich zwei Stunden gesagt?«
Wir pirschten aus dem Haus, vornweg Alfons. Der Weg führte weg vom Meer, durch eine schmale Schlucht, danach steil den Berg hinauf. In der Ferne konnte man den Jeep schon erahnen, aber es zog sich noch verdammt lang hin und ich war heute nicht gut drauf. Niemand sprach ein Wort, denn bei dem steilen Anstieg brauchten wir unsere Puste. In der Morgendämmerung waren die Umrisse von kleinen und großen Höhlen auszumachen. Alfons sagte:
»Jetzt müsst ihr besonders vorsichtig sein, ab hier geht es gut zwanzig Grad nach oben, nur loses Geröll. Bitte achtet aufeinander.« Mit jedem Schritt spürte ich die Anstrengung in meinen Beinen. Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren, aber wir mussten da hoch, egal wie. Zwei Schritte vor, einer wieder zurück, es war deprimierend. Jack bewältigte den Anstieg anscheinend am mühelosesten. Nur langsam kamen wir voran, schließlich versperrte ein kleiner Felsvorsprung unseren Weg. Ich runzelte die Stirn.
»So, wartet hier«, keuchte Alfons. »Ich klettere zuerst hinauf und ziehe euch hoch, okay?«
Alfons hatte redlich Mühe, alleine dort hochzukommen und rutschte ab. Jack erwischte gerade noch dessen Arm. Alfons keuchte erleichtert und dankte ihm. Jack schlug vor, eine Räuberleiter zu bilden, indem er sich eng an den Felsen lehnte, damit der Franzose einen besseren Halt hatte. So funktionierte es gleich viel besser. Endlich hatte er es geschafft, den Vorsprung zu überwinden. Ein dickeres Seil, welches er sich um die Hüfte geschlungen hatte, sollte uns den Aufstieg erleichtern. Erst Jack, der diesen mit Leichtigkeit bezwang. Mir allerdings flößte dieser scharfkantige Fels Muffensausen ein, aber wen interessierte das? Ich musste tief durchatmen, wie ich es im Meditationskurs gelernt hatte, und dachte mir: Was Jack kann, schaffe ich auch. Aber die leichten Turnschuhe machten mir einen Strich durch die Rechnung. Bei jedem Schritt bohrten sich gnadenlos Steine in meine Fußsohlen. Die Schmerzen waren unbeschreiblich. Ich klammerte mich, so gut ich konnte, an dem Seil fest, ein leiser Hilfeschrei an Jack gerichtet unterstrich meine Angst.
»Hilf mir, bitte.« Jack legte sich bäuchlings auf den Felsvorsprung, nahm mich bei den Handgelenken und hievte mich hoch. Alfons griff auch nach mir und schließlich war ich oben. Wir hatten ihn gemeinsam überwunden, einen der schwersten Abschnitte unseres Marsches. Völlig aus der Puste ruhten wir uns ein paar Minuten aus. Mir lief der Schweiß am ganzen Körper hinunter. Ich nahm die kleine Flasche aus dem Seitenfach des Rucksacks, trank ohne an Jack zu denken, was mir dann sofort leidtat, aber es war nicht mehr zu ändern.
»So«, meinte Alfons. »Jetzt kommt der schwierigste Teil der Strecke, aber dann ist es geschafft. Es sind ungefähr achtzig Meter leicht links und anschließend scharf rechts. Wir müssen alle dicht hintereinander bleiben, damit wir uns gegenseitig einen besseren Halt geben können.« Ich brachte nur ein Nicken zu Stande. Alfons sagte: »D’accord, also los.« Dann bewegten wir uns im Gänsemarsch in einer Linkskurve steil nach oben. Es war verdammt anstrengend. Ich keuchte und hielt mich dabei an Jack fest. Er zog mich wie eine Lokomotive unermüdlich nach oben. Nach zwanzig Minuten sagte unser Anführer:
»Achtung, jetzt scharf rechts. Es ist nicht mehr weit, aber sachte, nur einen Fuß vor den anderen. Achtet auf die losen Steine, denn die können einen schnell aus dem Gleichgewicht bringen.« Der Schweiß bahnte sich Wege in Regionen meines Körpers, die unaussprechlich waren. So geschwitzt hatte ich schon ewig nicht mehr. Früher als ich noch regelmäßig Laufen war, also bevor ich zur Schreibtischtäterin verkam, gehörte das zur Tagesordnung.
Endlich waren wir angekommen. Dort parkte das Auto, von dem Alfons gesprochen hatte. Ich machte drei Kreuze und beugte mich vornüber, keuchte den letzten Rest Luft aus meiner Lunge. Schweiß strömte unentwegt über mein Gesicht. Alfons, der zwischenzeitlich Handtücher aus dem Jeep geholt hatte, reichte jedem eins. Ich zog die Jacke aus und trocknete mich unter dem T-Shirt notdürftig ab. Ein weiteres Handtuch wickelte ich mir um den Kopf. Jack nahm die Flasche Wasser aus dem Rucksack. Er ließ mir nur noch einen winzigen Schluck übrig, aber das war nicht so schlimm. Vorhin hatte ich ähnlich egoistisch gehandelt, was gar nicht in meiner Natur lag, aber unter Extrembedingungen tat man manchmal Unüberlegtes. Mit einem Zug war das Thema erledigt, und die Flasche leer.
»Im Wagen findet ihr noch mehr Wasser«, beruhigte uns Alfons und nach ein paar Minuten: »Ich will Sie nicht antreiben, aber wir haben einen engen Zeitplan, liegen aber gut im Rennen.«
»Wohin fahren wir denn?« Die Frage lag mir schon seit Stunden auf der Zunge. Aus der Ferne sah man ein Fahrzeug heranrasen, das stetig näher kam und genau neben dem ersten hielt.
»Nur Geduld, Amily.«
07 - Über den Klippen
Eine rege Unterhaltung mit den Insassen des zweiten Wagens stellte die weitere Vorgehensweise infrage.
Ich hatte nur Wortfetzen, die der Wind zu mir herüberwehte, verstanden und wollte daraufhin wissen:
»Was ist denn los, Alfons?«
Er meinte in seiner gewohnt ruhigen Art, ein paar Leute würden verschärft nach uns suchen. »Aber keine Sorge. Ihr seid in guten Händen. Wir fragen uns jedoch, ob wir euch getrennt fahren sollten, wegen der möglichen Gefahr.«
»Oh nein. Jack!« Ein extrem ungutes Gefühl plagte mich, alleine mit Alfons die nächste Etappe in Angriff zu nehmen. Ich wollte meinen starken Mann an meiner Seite wissen. Dass ich so eine Mimose war, schob ich auf die Erschöpfung. Das frühe Aufstehen, der anstrengende Aufstieg in mehr oder weniger ungeeignetem Schuhwerk, Schmerzen von den frisch verheilten Verletzungen, das brachte mich an die Grenzen meiner Psyche. Jack strich sanft über mein Gesicht:
»Komm, Kleines, ist doch nur für die Fahrt zum nächsten Treffpunkt, oder, Alfons?«
»Oui, Monsieur.«
Mein lieber Jack versuchte, mich zu trösten.
»Siehst du. Es wird schon nichts geschehen. Mach dir keine Sorgen. Wir kleben euch an der Stoßstange. Ich kann sofort eingreifen, sollte etwas passieren. - Schau mich an!« Er umfasste mein Kinn. Sein Kuss sollte mich wohl beruhigen.
»Bis später. Es dauert nicht lange.«
»Jack, ich liebe dich mehr, als tausend Worte ausdrücken könnten.« Er warf mir einen Handkuss zu, dann stieg er in den Geländewagen. Ich kletterte in das vordere Fahrzeug zu Alfons. Jack und der andere Fahrer folgten uns im zweiten Wagen, wie es abgesprochen war. Immer wieder schaute ich mich um, auch Alfons kontrollierte automatisch alle paar Sekunden den Rückspiegel. Er fuhr zügig und extrem sicher. Wir hatten bereits einige Kilometer zurückgelegt auf einer Straße, die diese Bezeichnung nicht verdiente, und die sich oberhalb der Küste entlang schlängelte. Aus dem Seitenfenster hätte ich einen phantastischen Blick auf das Meer gehabt. Hätte. Plötzlich gab es ein ohrenbetäubendes Krachen, gefolgt von einem undefinierbaren Knirschen. Die Erde bebte. Alfons trat abrupt auf die Bremse. Hier strafte mich meine Zerstreutheit. Ich hatte vergessen, mich anzuschnallen, mit der Folge, dass ich gegen den vorderen Sitz geschleudert wurde. Der Wagen rutschte über den Schotter und kam zum Stehen. Benommen drehte ich mich um. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Jacks Geländewagen die Klippen hinunterstürzte. Die Ereignisse liefen wie in Zeitlupe ab. Ich schrie, was meine Lungen hergaben. Alfons schob den Vorwärtsgang rein und trat aufs Gas.
»Stopp! Sofort anhalten!« Aber stattdessen fuhr der Wagen einfach weiter, beschleunigte sogar. »Sie sollen anhalten!«, kreischte ich.
»Halten Sie den Mund!« Alfons hatte auf dem Wasser ein Fischerboot entdeckt, dieses versuchte er anzufunken, aber er konnte wegen meines Kreischens nichts verstehen.
»Verzeihung, aber wir wollen Jack retten, oder? Ich habe einen Fischer am Funkgerät. Bitte Ruhe.« Er nannte auf Französisch die ungefähren Koordinaten. »Retten Sie beide Insassen. Es soll nicht Ihr Schaden sein. Sie werden großzügig entlohnt.« Der Fischer funkte zurück:
»Oui, oui«, dann kehrte Stille ein.
»Sehen Sie Amily, wir tun unser Möglichstes. Haben Sie ein wenig Zuversicht. Es wird alles wieder gut.« Außer dem monotonen Motorengeräusch nahm ich nichts mehr wahr. Wir hingen unseren Gedanken nach. Ich malte mir die fürchterlichsten Szenarien aus. In mir tobte die nackte Angst um meinen Zukünftigen. Alfons schaute fortwährend zu mir rüber, aber seine Sorge galt nicht mir. Gebete gen Himmel hatte ich schon vor langer Zeit aufgegeben, aber hier ging es nicht um mich, sondern um den Mann meiner Träume.
Ich liebe doch meinen Jack so sehr! Gott, warum tust du mir das an? Wie konnte das nur geschehen? Ich fühlte mich bestraft, nur für was?
»Ja, ja, die Liebe«, meinte Alfons. »L`amour.« Während der restlichen Autofahrt rüttelte es uns immer wieder ordentlich durch.
08 – Chambery
»Wir sind gleich da.« Gegen Mittag erreichten wir den Stadtrand des zweiten Etappenziels, Chambery. Ich wollte ohne Jack nicht mehr weitermachen, es war mir und ihm gegenüber so ungerecht. Der Geländewagen verschwand direkt in einer von der Straße uneinsehbaren Tiefgarage, die von zwei Männern bewacht wurde. Ich schaute skeptisch. War das wirklich nötig? »Wo sind wir hier?« Das Haus, welches zu der Garage gehörte, war ein Privathaus. Der Franzose sagte:
»Es ist alles in Ordnung, keine Sorge.« Er hatte gut reden. Dann fragte er die Wachen, ob die Fracht schon angekommen sei.
»Ja, vor zwanzig Minuten.«
»Gut, gut, danke. Kommen Sie, Amily, ich bringe Sie jetzt zu Ihrem Zimmer. In zwei Stunden hole ich Sie ab, somit haben Sie genügend Zeit, sich von der anstrengenden Autofahrt zu erholen oder frischzumachen. Hier ist der Schlüssel.« Mittlerweile standen wir vor einer Tür, ich bedankte mich und schloss sie auf. Mein Aufschrei war nicht zu überhören, meine Beine wollten mir den Dienst versagen, ich weinte, als wäre die Welt untergegangen.
»Alfons, da ist Jack!« Ich hatte mich noch nie im Leben so gefreut. Stürmisch umarmte ich meinen Beschützer, drückte ihm einen Schmatzer auf den Mund und fiel Jack in die Arme. »Jack, mein Jack!«, überschüttete ich ihn mit meinem Gefühlsausbruch. »Alfons! Wie haben Sie das gemacht?« Aber der hatte die Tür schon lautlos hinter sich zugezogen. Am liebsten wollte ich Jack gar nicht mehr loslassen. »Du lebst!«
»Amily, setz dich bitte aufs Bett.« Ich tat wie mir geheißen. Sein Gesichtsausdruck war extrem ernst.
»Okay, ich höre?«
»Ich habe den Leuten hier dieses grüne Ding gezeigt, du weißt schon, die Stecknadel. Und tatsächlich ... Die meinten, dass es mit einem Nervengift getränkt war, gewonnen aus dem gefleckten Schierling. Ich habe riesiges Glück gehabt. Koniin lähmt nämlich auch die Atmung. Wenn das Zeug nicht chemisch modifiziert worden wäre ... wäre ich mit Sicherheit gestorben.«
»Ach du liebe Güte.« Ein dicker Kloß blockierte meinen Hals. Er setzte sich dicht neben mich.
»Ja, dank dir sitze ich heute überhaupt hier. Durch das Wasser konnte das Gift zügiger ausgeschwemmt werden.«
Das hatte ich gehofft. Dann ließ ich noch einmal den letzten Strandbesuch gedanklich an mir vorbeiziehen.
Das Meeresufer war menschenleer gewesen, wie stets. Es war aber nicht auszuschließen, dass jemand in den Büschen gelauert haben könnte. Jemand mit einem Blasrohr?
»Hattest du in den Dünen nicht das Gefühl, dass dich etwas gestochen hat?«
»Allerdings. Aber dort war niemand.«
»Offensichtlich doch.« Ich presste Jacks Oberkörper auf das Bett, legte mich auf ihn und küsste ihn leidenschaftlich, dabei liefen mir unentwegt die Tränen.
»Ich bin nur froh, dass du heil davongekommen bist, Amily.«
»Jetzt erzähl, was war los?«
»Ich hatte ständig euren Jeep im Blick. Alfons ist ja gefahren wie ein Berserker. Mein Fahrer hat etwas mehr Abstand gelassen, weil die aufgewirbelten Steine herumflogen wie Granatsplitter. Aus heiterem Himmel brach eine Autolänge des Küstenweges vor uns weg. Keine Chance noch etwas zu unternehmen, der Wagen wurde steil nach unten katapultiert. Instinktiv habe ich mich mit Händen und Füßen am Vordersitz abgestützt. Beim Aufprall auf dem Wasser zerbrach die Windschutzscheibe. Gleichzeitig bekam ich die hintere Tür auf, dann ging alles blitzschnell. Der Wagen lief in Sekunden voll. Die Tasche hatte ich Gott sei Dank noch um. Wir tauchten aus dem Autowrack an die Oberfläche und wollten an Land schwimmen, wahrscheinlich hätten wir das auch geschafft, doch ein Fischerboot kam auf uns zu, dessen Besatzung uns an Bord nahm. Sie setzten Kurs auf den nächstgelegenen Hafen und dort hat uns ein Geländewagen abgeholt. Nun bin ich hier, bei dir.«
»Oh Jack, ich bin so froh, dich zu sehen! Die Sorge hat mich fast wahnsinnig gemacht. Alfons hat einen Fischer angefunkt, nachdem ihr abgestürzt wart, das habe ich mitbekommen, aber danach war ich nicht mehr aufnahmefähig.« Er hörte zu, saugte jedes Wort auf, das meinen Mund verließ, dabei war er derjenige, der beinahe sein Leben eingebüßt hatte. Mein Gesicht in seinen Händen haltend, gab er mir einen Kuss auf die Wange. Ich rümpfte unwillkürlich die Nase.
»Was ist das? Du stinkst wie eine Kläranlage, das rieche ich jetzt erst. Geh duschen!«
»Entschuldige.« Er sprang förmlich aus seinen Sachen.
»Kommst du mit?« Natürlich würde ich mitgehen, so etwas ließ ich mir nicht zweimal sagen. Schnell hatte ich mich meiner Klamotten entledigt. Das Wasser rieselte lauwarm aus dem Duschkopf. Mr. Absturz sollte sein blaues Wunder erleben. Ich wollte alles von ihm, bevorzugte eine Stellung, die mir den höchsten Grad der Befriedigung bot. Ich schaute ihm in die Augen, legte meine Arme auf seine Schultern, Jack half kurz nach, dann umschlossen meine Beine seine Hüften. Die Magie der Leidenschaft entfesselte unsere Sucht nach einander. Diesen Augenblick sollte er so schnell nicht vergessen.
»Wie konntest du einfach ins Meer stürzen, du hattest dazu keine Erlaubnis.« Er hielt mich fest an meinem Po und steuerte das Geschehen. Die Energie entlud sich mit einem Knall.
Doch er hatte vor, die Seine in ihre Schranken zu weisen, mir kam es vor, als hätte ich Herzflattern. Seine Kräfte schwanden, er stellte mich auf meine Füße, und da war es wieder das satte Brunften. Er knetete meine Brüste und schenkte mir einen Kuss. Seine Augen leuchteten. Dieses Gesicht würde ich für immer im Gedächtnis behalten. Gedankenverloren griff ich nach der Seife und schäumte Mr. Jack ein. Seinem Lustspender stand eine besonders intensive Pflege bevor. Wenn ich wollte, konnte ich richtig gemein sein. Dementsprechend fiel das Ergebnis aus.
»So, meine Liebe, jetzt bist du an der Reihe.«
»Nein, nein, das mache ich schon selber«, antwortete ich, aber Jack bestand darauf, er wollte, dass mir das Gleiche widerfuhr. Jede Kurve wurde mit den Händen nachgefahren. Seine Finger tänzelten über meine Brüste, zelebrierten weiter die Massage an meinem Gesäß. »Oh Gott!« Er besaß auch noch die Frechheit, sich nach meinem Befinden zu erkundigen:
»Na, Amily, alles okay?«
»Ja, super«, wimmerte ich. Zwei Finger, die sich von hinten zwischen die Schenkel nach vorne arbeiteten, sollten mich ins Gefühlschaos stürzen. Wie recht er damit hatte, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Seine kreisenden Finger um meinen Schoß hatten einen Großbrand entfacht. Jack setzte alles daran, mich in die völlige Ekstase zu treiben. Seine Arbeit wurde mit meinem orgastischen Aufschrei quittiert. Jetzt war Jack zufrieden, und ich konnte auf meinen puddingweichen Beinen kaum noch stehen. Er hatte mich geschafft, ich schleppte mich zum Bett.
»Jack, das war so schön!« Er gönnte mir erst einen Kuss und dann Ruhe. Ich schloss die Augen, heilfroh, dass meinem Liebsten nichts Schlimmeres passiert war. Ich lächelte fast verzweifelt, hatte mich Mr. Kraftprotz wieder bis knapp vor eine Ohnmacht getrieben. Aber als ein absoluter Gentleman ließ er mir gefühlsmäßig immer einen Ausweg.
Minuten später wachte ich auf dem Bett auf und stöhnte:
»Ich habe einen fiesen Krampf im Oberschenkel.«
»Den kann ich dir wegmassieren«, bot Jack lächelnd an. Natürlich willigte ich ein, hatte ich eine andere Wahl? Das Öl verhalf den Fingern jede Muskelfaser zu entkrampfen.
»Besser?«
»Viel besser.« War das schön, wenn der Schmerz nachließ.
»Zeit, uns in Schale zu werfen, Liebste.«
»Was? Wieso?«
»Alfons hat noch was mit uns vor.«
»Sehr witzig.« Ich stand auf, öffnete den Schrank, da hingen mehrere Kleider für mich und ein Anzug für den Herrn.
»Irre! He, Jack, schau mal hier, frische Klamotten für uns!«
»Mhmh.« Ich streifte mir einen dunklen Slip über und zog ein schwarzes Kleid an, nachdem ich den Ölfilm abgewischt hatte. Schwarz passt immer. Eine gute Wahl, da ich nicht wusste, wo es hinging. Dann klopfte es an der Zimmertür und Alfons Stimme ertönte.
»Mademoiselle, Monsieur, in ein paar Minuten geht es los. Ich hoffe, Sie sind fertig?«
Ich schon, dachte ich, allerdings vom Sex.
»Ja, wir sind gleich so weit«, ließ ich verlauten. Mittlerweile hatte sich Jack ein weißes Hemd sowie den schwarzen Anzug angezogen. Ich pfiff anerkennend.
»Das muss ich dir lassen, du siehst umwerfend aus. Der Anzug steht dir richtig gut.«
Es klopfte erneut, Jack riss die Tür auf, gewährte mir den Vortritt. »Bitte sehr, die Dame.«
»Ah, wunderbar.« Alfons, auch in elegantem Schwarz gekleidet, nahm meinen Arm und nickte zufrieden.
»Amily, haben Sie nicht etwas vergessen?«
»Vergessen? Ach, natürlich. Jack, sei so lieb und hol die Rolle aus meinem Rucksack.«
»Klar.« Alfons konnte sich nur mühsam ein Grinsen verkneifen.
»Hier, Liebes, bitte sehr.«
»Danke. Können wir dann?«