Читать книгу AUSROTTUNG (The Death 2) - John W. Vance - Страница 7
ОглавлениеProlog
Tag 14
16. Oktober
Washington, DC
Horton saß nachdenklich da und trommelte nervös mit den Fingern auf die Ledertasche auf seinem Schoß. Ein dünnes Rinnsal Schweiß lief an seiner pulsierenden Schläfe hinunter, als er einen Blick auf seine Uhr warf, wobei er hätte schwören können, dass sie nicht funktionierte, denn sie zeigte an, dass er erst zwanzig Minuten wartete, doch die kamen ihm bereits vor wie zwanzig Stunden. Dass er auf glühenden Kohlen saß, war offensichtlich, und allmählich befürchtete er, den Wachen würde sein merkwürdiges Benehmen auffallen.
Auf einmal vibrierte das Handy in seiner Jackentasche. Als er es herausnahm, sah er, dass die Nummer unterdrückt wurde. In der Annahme, es sei einer seiner Kollegen und weil ihm der Zeitpunkt äußerst ungelegen kam, drückte er den Anruf weg und steckte das Gerät wieder ein. Kurz darauf vibrierte es erneut; abermals nahm er es hervor und sah ›Teilnehmer unterdrückt‹. Verärgert über dieses vollkommen miserable Timing ging er schließlich doch an den Apparat. »Ja?«
»Brechen Sie ab, was auch immer Sie gerade tun. Das hier ist der Wahnsinn«, verlangte eine Stimme.
»Wer spricht da?«
»Bitte, wir können verhindern, dass das Ganze ausartet«, flehte der Unbekannte. »Bitte, um Gottes willen.«
Horton wurde beklommen zumute. Er konnte nicht sagen, mit wem er da gerade sprach, doch die Stimme klang irgendwie vertraut in seinen Ohren. Er schaute sich verstohlen nach den Wächtern um, ob diese hellhörig geworden waren. »Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber es ist zu spät!«
»Ich werde nicht zulassen, dass Sie diesen Völkermord zu Ende führen. Ich schwöre Ihnen, ich werde es verhindern, dass diese Vision von einer neuen Weltordnung Wirklichkeit wird.«
»Moment mal, sind Sie etwa Calvin?«, fragte Horton, der plötzlich erkannte, wer am anderen Ende der Leitung war.
»Bitte tun Sie es nicht. Wir könnten es gemeinsam verhindern«, fuhr Calvin fort. »Sie sind doch ein redlicher Mensch, oder?«
»Zu Ihrer Information: Sie haben sich einen denkbar schlechten Moment zum Anrufen ausgesucht, aber warum sagen Sie mir nicht, wo Sie sind, dann können wir uns später treffen?«
»Nein.«
»Calvin, es ist zu spät, doch falls Sie sich uns wieder anschließen möchten, würde ich mich mit den anderen darüber unterhalten.«
»Sie sind krank. Wirklich das sind Sie. Ich garantiere Ihnen, Ihr Traum von Arcadia wird nicht wahr werden.«
»Sir, keine Mobiltelefone, bitte stecken Sie es weg«, bat ein Wachmann weiter unten auf dem Flur.
Horton räusperte sich. »Äh, wissen Sie zufällig, wann …« Genau in diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Fahrstuhls auf dem Gang.
Hastig wischte er sich den Schweiß von der Stirn, stand auf und schlurfte über den kunstvoll gestalteten Flur zur breiten Aufzugkabine, die hinter dem Wächter aufgegangen war.
Kurz bevor er eintrat, hielt er inne und holte tief Luft.
»Direktor Horton, ist alles in Ordnung?«, wollte der Mann wissen, da ihm das Zögern seltsam vorkam.
Der Gefragte antwortete verlegen lächelnd: »Alles bestens.«
Aus der Ecke der Kabine trat ein zweiter Mann hervor, dessen Haltung und dunkler Anzug Horton zu erkennen gaben, dass er äußerst wichtig war. Er fragte: »Fühlen Sie sich vielleicht unwohl?«
»Mir geht es gut, ich bin nur nervös, das ist alles«, behauptete Horton weiter lächelnd.
Der Mann musterte ihn und erwiderte: »Sie haben den Impfstoff doch mitgebracht, oder nicht?«
»Ja, er ist gleich hier«, antwortete Horton und klopfte auf die dunkle Ledertasche, die an seiner Schulter hing.
»Gut, dann kommen Sie«, wies ihn der Mann an, während er dem Direktor bedeutete, er möge den Fahrstuhl betreten.
Horton kam der Aufforderung rasch nach und wandte sich dann direkt an den Mann: »Tut mir leid – sind einfach die Nerven. Man bekommt ja nicht alle Tage die Gelegenheit, den Präsidenten zu treffen.«
»Ich wünschte, Sie könnten es unter besseren Umständen tun«, entgegnete der Mann.
Die Fahrstuhltür ging zu.
Ein anderer Wächter, der ebenfalls in der Kabine stand, steckte einen Schlüssel in die Bedientafel, drehte ihn nach rechts und drückte auf eine Taste mit dem Buchstaben B.
»Steht B für Bombe?«, witzelte Horton unbeholfen.
»Nein, es bedeutet Bunker«, erklärte der Mann kühl.
Als sich Horton in der geräumigen Kabine umsah, stellte er fest, dass sie anders aussah, als er erwartet hatte. Irgendwie hatte er fest damit gerechnet, sie sei so prunkvoll verkleidet wie die Wände des Flurs oben, doch es handelte sich um einen einfachen und schmucklosen Kasten aus Edelstahl. Er spürte die Geschwindigkeit, mit der sie in die Tiefe fuhren.
»Tut mir leid, ich hätte mich vorstellen sollen. Mein Name ist Dan Bailey, ich bin der Stabschef.«
»Hi.«
»Mich wundert es, dass Sie dem Präsidenten noch nie begegnet sind«, meinte Bailey.
»Da ich unter der vorherigen Administration eingestellt wurde, bekam ich leider nie die Gelegenheit dazu.«
»Das ergibt Sinn. Ist ja nicht so, als handle es sich bei der Leitung der Seuchenschutzbehörde um einen politischen Posten.«
Horton lachte auf und entgegnete: »Sie haben Recht, ich bin nicht sonderlich politisch. Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, wann ich zuletzt gewählt habe.«
Dan schaute ihn mit zur Seite geneigtem Kopf an. Als Horton bemerkte, dass er taxiert wurde, schaute er hastig weg.
»Es ist erstaunlich, dass es bereits einen Impfstoff für dieses Virus gibt«, meinte Bailey.
»Wie gesagt, es künstlich herzustellen war relativ leicht. Wir nahmen die Indexpatientin sofort in Verwahrung und haben es durch sie geschafft, dieses Mittel zu gewinnen.«
Der Fahrstuhl blieb abrupt stehen, und als sich die Tür öffnete, erstreckte sich dahinter ein weiterer Flur. Dieser machte einen anderen Eindruck als der obere, denn er war nichts weiter als ein gut ausgeleuchteter Betonschacht.
»Gleich hier entlang«, sagte Dan, als er aus dem Fahrstuhl trat. Er ging zügig auf eine breite Metalltür zu, an der zwei bewaffnete Wachen standen.
Horton folgte ihm.
»Gentlemen, Sie kennen mich. Das ist Direktor Horton vom Seuchenschutzministerium auf Geheiß des Präsidenten.«
Einem Piepton folgte ein Klicken und schließlich ein Zischen, als die Tür entsichert wurde und sich zu öffnen begann.
Als sie ganz offen stand, sah Horton eine Wand und zwei weitere Wachen.
Dan ging wieder vor und er folgte einfach.
Die schwere Tür schloss sich hinter ihm, klickte dann und piepte erneut.
»Der Präsident erwartet Sie in seinem Amtszimmer«, fuhr Dan fort, ehe er links in einen Gang abbog, der beschaulicher wirkte und an jene im Weißen Haus über ihnen erinnerte.
Horton nickte den gleichmütigen, wie Statuen dastehenden Wächtern zu und heftete sich wieder an Baileys Fersen.
Nachdem sie ein wahres Geflecht von Korridoren hinter sich gebracht hatten, blieben sie vor einer weiteren breiten Metalltür stehen, die sich durch nichts hervortat, außer dass abermals zwei Männer sie bewachten.
»Geben Sie dem Präsidenten Bescheid, dass der Leiter des Seuchenschutzes eingetroffen ist«, befahl Dan.
Einer der Wächter betätigte einen Knopf und sprach in ein Kehlkopfmikrofon. Nach einem kurzen Moment klickte auch diese Tür und öffnete sich weit.
»Madam Secretary«, grüßte der Stabschef.
»Hi, Dan, er ist sofort für Sie da«, erwiderte Staatssekretärin Donna Crawford.
Während sich der Direktor im Raum umsah, stellte er beeindruckt die Bequemlichkeiten fest, auf die der Präsident selbst in seinem Bunker nicht verzichten musste. Sie hielten sich in einer Art Wohnzimmer auf, das mit lederbezogenen Polstermöbeln und dickem, weichen Teppichboden eingerichtet war. Die Wände hatte man mit dunklem Mahagoni vertäfelt, und im Abstand von jeweils sechs Fuß hingen schwere Messingleuchter. In der hinteren rechten Ecke gab es eine bestens bestückte Minibar, und ihr gegenüber stand ein breiter, quadratischer Tisch, auf dessen polierter Platte Papiere lagen. Davor stand das Staatsoberhaupt und brütete vor sich hin.
Präsident Brown, ein großer, hagerer Mann mit dichten Locken, blickte auf und sagte: »Direktor Horton, genau der Mann, auf den wir gewartet haben. Bitte treten Sie näher.«
Horton lächelte und eilte mit ausgestreckter Hand zu ihm.
Brown schaute auf selbige hinab und fragte: »Soll das ein Test sein?«
Der Direktor zog die Augenbrauen hoch, bevor er verstand, was die Bemerkung bedeutete. »Ja, korrekt.«
»Ich glaube, das gehörte zu Ihrem Regelwerk: Kein Händeschütteln!«, fügte Brown hinzu.
»Richtig, Sir, das stimmt.«
»Haben Sie es bei sich?«
»Gleich hier, Sir«, antwortete Horton und klopfte abermals auf seine Tasche.
Brown krempelte rasch einen Ärmel hoch und nahm Platz.
Bailey trat vor und wandte ein: »Also sind Sie hundertprozentig sicher, dass es ihm nicht schaden wird?«
Horton riss die Augen so weit auf, dass sie doppelt so groß wirkten wie zuvor, während er Brown anstarrte, dessen Stabschef seiner Begeisterung gerade einen Dämpfer verpasst hatte.
»Direktor Horton, haben Sie zugehört?«, hakte Dan nach.
»Ja. Wir haben den Impfstoff getestet. Er wirkt.«
»An Menschen getestet?«, fragte Brown.
»Natürlich, Sir. Laut Ihren Befehlen haben wir es gleich nach der Herstellung Testpersonen verabreicht«, entgegnete Horton. Er hatte die Tasche auf den Tisch gelegt und aufgeklappt. »Ich habe es mir sogar selbst injiziert.« Das war gelogen.
»Ihnen ist doch hoffentlich klar, dass das nie ans Licht der Öffentlichkeit …«
»Selbstverständlich, Sir«, versicherte Horton, während er den Präsidenten abwürgte, denn seine Aufmerksamkeit galt nun einzig und allein einem kleinen, versiegelten Kästchen.
»Ich bin bereit«, entgegnete Brown und streckte ihm den Arm entgegen, um sich impfen zu lassen.
Horton nahm eine Spritze aus ihrer sterilen Verpackung und steckte die Nadel in eine Ampulle. Während er den Kolben hochzog, beobachtete er, wie sich der Zylinder füllte. Dann legte er die Spritze nieder, nahm einen mit Alkohol getränkten Tupfer zur Hand und rieb die Stelle am Arm ab, an der er ansetzen wollte. Als er damit fertig war, griff er wieder zur Spritze und trat auf Brown zu. Er nahm dessen Arm, hielt jedoch kurz inne, als er zustechen wollte. Dies war ein höchst bedeutsamer Moment, er würde weitreichende Folgen nach sich ziehen und Phase Zwei seines gemeinsamen Plans mit dem Rat abschließen.
Brown suchte Hortons Blick und fragte: »Direktor, alles in Ordnung?«
»Absolut, Sir, wirklich bestens«, beteuerte er, stach zu und drückte den Kolben nieder.
»Wie lange dauert es Ihrer Einschätzung nach, bis wir zur Massenproduktion übergehen können?«, fragte Bailey auf dem Weg zurück zum Fahrstuhl.
»Wir können innerhalb weniger Wochen beginnen«, heuchelte Horton.
»Gut.«
»Aber behalten Sie den Präsidenten und alle anderen hier unten in Quarantäne«, bat Horton. »Ich empfehle Ihnen, sonst niemandem mehr Einlass zu gewähren, nachdem ich aufgebrochen bin, bis wir die Produktion in die Wege geleitet haben und das Serum verteilen können.«
Die Fahrstuhltür öffnete sich.
Bailey streckte seine Rechte aus. »Vielen Dank für Ihre harte Arbeit und Hingabe.«
Horton schaute auf die Hand, zögerte aber nicht, sie zu schütteln. Er packte sie fest und erwiderte: »War mir ein Vergnügen.« Dann betrat er den Aufzug und schaute zu, wie sich die Tür schloss.
Kurz bevor sie endgültig zuging, schob sich ein Arm in den Spalt und hielt sie auf. Als sie sich wieder öffnete, stand Dan noch immer da. »Fast vergessen. Kurz nachdem Sie das Zimmer verlassen hatten, wies der Präsident an, dass sie seinen Vize ebenfalls impfen sollen. Das können Sie doch, oder?«
»Selbstverständlich kann ich das. Ich habe für den Fall, dass der Präsident seine Meinung ändert, noch mehr mitgebracht«, erwiderte Horton mit breitem Grinsen.
»Guter Mann, noch einmal Dankeschön, Direktor, wir sehen uns bald wieder.«
Jetzt ging die Tür endlich zu, und Horton fuhr wieder nach oben.