Читать книгу halbseelig - Joëlle Schüpfer - Страница 4
ОглавлениеDie Party wird der Horror
Zu Hause setzte ich mich erst mal hin und atmete tief durch. „Oke Anny, das hast du nie gesehen! Alles nur Einbildung!“, redete ich mir ein und klatschte mir die Hände an die Stirn. „Oh mein Gott!!“, rief ich ausser Atem.
Jelly hörte mich. „Was ist los, Anny?“ Sie stand bereits neben mir.
„Ich habe etwas sehr Merkwürdiges gesehen!“
„Erzähl, Anny.“
„Nein, ich kann das nicht beschreiben. Ich möchte einfach nur in mein Zimmer.“
Ich liess mich auf mein Wasserbett fallen und überlegte, ob das alles wirklich geschehen war. Auf meinem Handy versuchte ich, das Fabelwesen zu googeln. „Nichts!“, wisperte ich enttäuscht und schloss meine Augen. Im Bett wälzte ich mich hin und her und konnte unmöglich einschlafen. Gereizt ging ich zum Boxsack in der Zimmerecke, ballte meine Hände zu Fäusten und schlug mit all meiner Kraft auf ihn ein. „Anny, beruhig dich!“, sagte ich genervt zu mir und schlug mit dem Fuss in den Boxsack. „Es ist nur Einbildung, mehr nicht!“ Mit meinen Händen und Füssen schlug ich so lange auf den Sack ein, bis ich nicht mehr konnte. Ich stampfte auf den Boden.
„Ich habe es mir nicht eingebildet!! Alles ist wahr!!“, schrie ich und stapfte wütend von rechts nach links.
„Grrr, was ist nur mit mir los?! Warum bin ich derart wütend?!“
Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte. Aufgeregt musterte ich mich im Spiegel und schimpfte mit mir selber. „Anny?! Ich sehe etwas Unnatürliches und sage, dass es wahr ist. Hehe, das hat jetzt lustig geklungen.“ Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Mindestens eine halbe Stunde lang zerbrach ich mir den Kopf wegen dieses Fabelwesens und der drei Teenager. Irgendwann wurde es mir zu bunt, denn ich sollte mich endlich ausruhen. Glücklicherweise fand ich diesmal schnell den Schlaf.
Nicht lange dauerte es und mein Wecker klingelte. Ich schnaubte kurz, stand auf und zog meine blauen, kaputten Jeans, ein weisses, schlichtes
T-Shirt und meine Jeansweste an. Schlecht gelaunt ging ich nach unten, und dieses Mal war ich gottlob alleine zu Hause. Ich war sehr müde, hatte keinen Hunger und trank nur ein Glas Milch. Irgendwie fühlte ich mich nicht sehr wohl. Als ich meine Füsse in meine grauen Sneakers steckte, klingelte auch schon Levi an der Tür.
„Party Time!“, frohlockte er.
„Levi, ich habe später Kickboxtraining, das möchte ich ungern sausen lassen. Darum muss ich spätestens um vier Uhr gehen können.“
Er verstand mich.
Ich schloss die Haustür hinter uns ab, und wir verliessen zusammen das Haus. Wir gingen in Richtung Stadt.
Die reiche Debby wohnt in einer Villa am Strand. Sie und ihre Familie haben einen eigenen Strandplatz, wo nur sie baden dürfen. Die Villa ist ultramodern und zweistöckig. Debby hat sogar ihren eigenen Pool und eine riesengrosse Terrasse.
Von Weitem hörten wir bereits laute Musik. Ich war schlecht drauf.
„Hey, freu dich zumindest ein wenig. Unsere dritte Party!“, jubelte Levi, und ich stellte fest, dass er das Gleiche trug wie einen Tag zuvor. Er sah cool aus.
„Hast du dich extra hübsch gemacht für heute? Du weisst schon ... wegen den Mädchen“, fragte ich ihn schmunzelnd.
„Wahrscheinlich“, entgegnete er kurz und bündig.
Wir beide kicherten.
Da standen wir nun vor dieser supermodernen Villa. Die Musik klang noch lauter, und wir ent-deckten schon die ersten Teenager. Ich fühlte mich noch immer unwohl, und mein Kopf schmerzte leicht.
Levi merkte, dass ich mich nicht allzu gut fühlte. „Geht es dir nicht gut, Anny?“
Ich schüttelte kurz den Kopf. „Alles ist gut, danke Levi.“
„Aber du bist so blass.“
„Nein, nein, das ist nur wegen dem Sonnenlicht.“
„Es ist bewölkt, Anny!“ Levi guckte mich skeptisch an.
„Mir geht es gut, wirklich ...“
Levi drückte auf die Hausklingel. Es ging ziemlich lange, bis Debby uns öffnete. Sie hatte sich auffällig stark geschminkt und trug Partykleider. „Heyyy, da seid ihr endlich!“, rief sie überschwäng-lich und umarmte uns. Debby schwankte von der einen auf die andere Seite.
„Bist du betrunken?“, fragte ich sie.
„Ich doch nicht ... hicks“, entgegnete sie mit hochgezogenen markanten Augenbrauen. Sie lachte doof, und endlich machte sie uns Platz.
Wir traten ein. Drin sah ich keine Möbel, sondern nur wild herumtanzende Teenager. Die Musik war extrem laut, und Debby tanzte uns davon.
„Ist es oke, wenn ich mich hinsetze?“, fragte ich Levi.
„Ja klar!“
Ich bewegte mich von ihm weg und drängelte mich durch die Teenagermasse. Auf einer freien Couch versuchte ich es mir wenigstens ein wenig gemüt-lich zu machen. Direkt neben der Couch stand eine Steinlampe.
Ich liess einen Seufzer los, weil mein Kopf immer stärker pochte. Es ging mir überhaupt nicht gut, und mein Körper schmerzte. Von Weitem erkannte ich Levi mit einem Glas Wasser in der Hand. Er kam auf mich zu.
„Hier, Alte“, sagte er und reichte es mir.
Levi nennt mich Alte, weil ich genau einen Monat älter bin als er.
Ich bedankte mich bei ihm und trank mit einem Schluck alles aus.
„Geht es dir wirklich gut?“, fragte er mich erneut besorgt.
„Ja, danke, alles ist gut.“
Ohne Vorahnung durchzuckte ein Zwick meinen Körper. Ich fuhr zusammen. Levi hatte sich inzwischen wieder auf die Tanzfläche begeben. Kurz danach folgte der zweite Zwick. Es tat höllisch weh. Die Lampe neben der Couch schien sich selbstständig zu machen. Sie flog direkt auf mich zu und prallte auf meine Hand, die einen grossen Schnitt abbekam. Niemand nahm das wahr. Ich riss mich zusammen und biss mir auf die Lippe. Da durchfuhr mich erneut ein Zwick.
Ich stand auf und rannte in den zweiten Stock, um das Badezimmer aufzusuchen. Es war niemand da, ausser dass ich in einem Raum ausgerechnet Clavia, Clor und Jay wiedererkannte.
Sie redeten miteinander, und ich ging unbemerkt an ihnen vorbei. Da zwickte es mich schon wieder. Ich knallte unverhofft gegen die Wand. Clavia, Clor und Jay mussten den Aufprall gehört haben und blickten in meine Richtung. Ich schwitzte, und die Schmerzen trieben mir Tränen in die Augen.
Da endlich entdeckte ich das Badezimmer. Mit wackeligen Beinen hastete ich rein und stützte mich auf dem Lavabo ab.
Als ich mich im Spiegel ansah, durchfuhr mich abermals ein Zwick. Ich drehte den Wasserhahn auf, und wie durch Zauberhand ging er sofort kaputt. Wasser spritzte in mein Gesicht. Ich erschrak derart, dass ich mitsamt Wasserhahn umfiel und mir den Kopf anschlug. Der Wasser-hahn wich aus meinen Händen und krachte gegen das Fenster. Meinen Schnitt an der Hand spürte ich kaum mehr. Schlapp stand ich auf. Immerhin spritzte das Wasser nicht mehr.
Ich schaute erneut in den Spiegel und stellte fest, dass dieser immer mehr Risse bekam. Mein Atem wurde immer schwerer und neiiiiin ... Es zwickte mich schon wieder stark. Ich brach zusammen. Mein ganzer Körper schmerzte. Am Lavabo versuchte ich mich hochzuziehen, um mich im zerbrochenen Spiegel anzuschauen.
Eine eigenartige Gestalt stand neben mir. Ich drehte meinen Kopf nach hinten.
Sie sah gleich aus wie ich, nur dass die Augen samt Pupillen weiss waren und sie böse und gefährlich dreinschaute. Ich kreischte, und vor lauter Schreck rannte die Gestalt aus dem Badezimmer. Ausser Atem und keuchend setzte ich mich in die Ecke und konnte nicht fassen, was ich soeben erlebt hatte. Ich schwitzte wie ein Fluss, und mein Herz pochte wild. Kraftlos stand ich auf. Ich hatte zwar keine Schmerzen mehr, aber meine Angst war auf 100 Prozent gestellt.
Ich vernahm ein Knacken hinter mir. Ein Holzregal im Badezimmer kippte mir entgegen. „WAS IST DA NUR LOS?!!“ Ich hauchte eine Feuerwolke aus dem Mund, sie flog Richtung Regal. Dieses fackelte innert weniger Sekunden ab. Asche fiel vor meine Füsse. Ich klatschte mir die Hände auf den Mund. „Oh mein Gott, ich bin ein Monster“, nuschelte ich verstört und taumelte langsam aus dem Badezimmer. „Ich muss hier weg, so schnell wie möglich!“
Verwundert guckten mich Clavia, Clor und Jay an, als sie mich vorbeihuschen sahen. Schnell machte ich mich aus dem Staub und stürmte die Treppe runter. Die Teenager tanzten noch immer ausge-lassen. Hinter mir hörte ich die anderen drei. Ich flitzte durch die Teenagermenge. Auch Levi schwang unbeschwert sein Tanzbein. Ich be-achtete ihn nicht, aber er mich. „Hey Anny! Anny?!“
Ich eilte nach draussen und die drei hinter mir her. Schnellstens wollte ich weg von hier. Bald verloren sie mich zum Glück aus den Augen.
Nach ein paar Minuten erreichte ich mein Haus und riss die Türe auf.
„Hallo Liebes“, begrüsste mich Dad mit ruhiger Stimme.
Kopfschüttelnd und wortlos rannte ich die Treppe hoch und knallte die Tür hinter mir zu. Ich schloss sie ab und stampfte auf den Boden.
„Anny?!“
„NEIN Dad! Ich will dich nicht verletzen! Komm ja nicht in mein Zimmer!“ Ich liess mich auf mein Bett fallen. Es fiel augenblicklich in sich zusammen. „NEIIINN!!“, schrie ich. Meine Matratze lag am Boden und das Bettgestell kaputt nebenan.
Dad klopfte forsch an die Tür. „Hey Anny, was ist los?“
„Ich weiss es selber nicht!“, lärmte ich und schlug meine Hand auf den Boden.
Dad sagte lange nichts. „Anny, du kannst mit mir über alles reden, wirklich.“
Ich starrte an die Decke. „Oke, dann erzähl mir etwas über meine Mom!“
Dad grummelte etwas vor sich hin. „Wenn es um deine Mom geht, dann sage ich nichts.“
„Dann geh bitte weg!“, forderte ich ihn wütend auf. Ich kriegte mit, wie Dad sich von meiner Zimmertür entfernte.
Mein Handy klingelte, Levi rief mich an. „Anny, wo bist du und was ist passiert?“ Er klang besorgt.
„Ich bin verrückt. Ich sehe Sachen, die unnatürlich sind, und mir passieren Dinge, die unmöglich sind!!“, schluchzte ich.
„Seit wann?“
„Seit HEUTE!“
„Was für Sachen meinst du? Bist du zu Hause?“
„Ja, ich bin daheim. Zum Beispiel ging der Wasser-hahn kaputt, als ich ihn nur leicht berührte. Er spritzte mich von oben bis unten nass.
Auf meine Hand kippte eine Steinlampe, ohne dass sie jemand zuvor berührt hatte. Nun habe ich da einen grossen Schnitt, doch immerhin schmerzt er nicht mehr. Zudem fiel ein Regal auf mich, und komischerweise fackelte ich es mit meinem Atem ab und ... und ... AHHH, WAS IST MIT MIR LOS?!!“ Nervös ging ich auf und ab.
Levi versuchte mich zu beruhigen. „Du bist nicht verrückt. Wahrscheinlich sind das alles Illusionen oder etwas Ähnliches.“
„Da bin ich mir nicht so sicher“, erwiderte ich.
„Weisst du was, Alte, geh einfach kickboxen, und alles wird danach wieder gut sein. Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du Hilfe brauchst.“
Halbwegs erleichtert setzte ich mich auf den Boden. „Danke Levi. Du bist der Beste.“
Wir legten auf, und ich schlüpfte in meine blaue Trainerhose und zog mein pinkes Top an. Meine Haare band ich zu einem schlichten Pferde-schwanz zusammen. Ich verband meine verletzte Hand und packte meine Turntasche einschliesslich Schuhe und Trinkflasche. Dann rannte ich nach unten, verabschiedete mich ohne grosse Worte von Dad und lief in Richtung Stadt.
Nicht weit vom Strand entfernt befindet sich das Kickboxcenter. Meine Kickboxlehrerin heisst Amanda Fershas. Sie könnte das Double von Angelina Jolie sein, einfach noch kräftiger, sport-licher und jünger.
Ihre Haare sind braun, die Augen grünblau und ihre Hautfarbe honigbraun. Sie trägt oft schwarze Boxershorts und ein weisses Top. Ich bin ihre beste Schülerin, und sie mag mich sehr, so wie ich sie auch.
Ich trat ein, und da ich zwei Stunden zu früh dort war, war nur Amanda anwesend.
„Oh Anny. So früh schon hier?“, fragte sie stutzig.
„Ja, ich wollte heute früher kommen.“
Im Trainingsraum hängen unzählige Boxsäcke und Puppen zum Dreinschlagen. In der Mitte ist die Kampfarena. Der Raum ähnelt irgendwie einem Militärbunker, hat keine Fenster, nur eine Lampe leuchtet hell.
Ich vernahm Stimmen und lauschte. „Und vergiss nicht, verhalte dich normal!“, hörte ich eine be-kannte Jungenstimme sagen.
„Ja Mann!“, erwiderte eine Mädchenstimme.
In dem Moment betrat ein Mädchen den Trainings-raum.
Ich schätzte sie etwa auf mein Alter. Ihre blond-weissen Haare hatte sie zu zwei Schwänzen gebunden. Ihre Augen glänzten blaugrünpink, und ihre Haut schien ein wenig heller als meine. Sie trug ein weisses Top, grüne Sportleggins, und sie war barfuss, so wie Amanda und ich.
Sie ging direkt auf Amanda zu, und sie begrüssten sich freundlich.
„Ach, du bist bestimmt die Neue, oder?“
Das Mädchen nickte.
„Du darfst gleich zu Anny rübergehen, und ihr könnt euch kennenlernen.“ Amanda zeigte auf mich.
Ich sah, dass sie ein weissgrauschwarzes Leder-armband trug.
„Hi, du bist Anny, oder?“
Ich bejahte, und wir reichten uns die Hände. „Mein voller Name ist Anny Brev. Und wie heisst du?“
„Esabel Cursh.“