Читать книгу halbseelig - Joëlle Schüpfer - Страница 7
ОглавлениеDas Half Soul House
Es war dunkel, und ich hatte Angst. Endlich sah ich Licht und hörte Vögel zwitschern. Ich ging schneller und stieg als Letzte aus dem Schrank. Wir befanden uns in einer alten, kleinen Hütte mit Kamin und einem kleinen Bett. Der Raum kam mir vor wie ein Lagerzimmer für eine Person.
„Jay, Esabel und ich müssen noch etwas erle-digen. Clor, führe doch du Anny zum Half Soul House“, sagte Clavia, und ich merkte, dass er darauf keine Lust hatte.
„Wenn es sein muss ... Also komm, Anny.“ Clor schnaubte und verschränkte seine Arme.
Wir verliessen das Haus, und unsere Wege trennten sich. Esabel, Clavia und Jay bogen nach links und Clor und ich nach rechts ab. Wir liefen über eine grosse Wiese.
„Clor, wo sind wir hier?“
„In Amerika.“
„Aber ich kenne diesen Ort gar nicht.“
„Ist auch logisch! Dieser Ort wurde auch noch nicht von normalen Menschen entdeckt, weil sie keinen Zutritt haben. Denn das ist die Half Soul Grenze, besser gesagt noch nicht ganz, erst dort vorne beim Hügel.“
Er zeigte auf eine kleine Anhöhe, die mit grossen, dicken Mauern gebaut war. In der Mitte des Hügels fiel ein gigantisches Tor auf, das geschlossen war.
Der Hügel war weit von uns entfernt, doch das störte uns, vor allem mich, nicht.
„Nur Halbseelige können durch dieses Tor gehen. Diese Mauer ist zehn Kilometer lang und fünf Kilometer breit. Hinter der Mauer ist das Half Soul Land. Es ist ein unbekanntes kleines Land, das niemand, ausser den Halbseeligen, kennt. Im Half Soul Land ist das Half Soul House und eine einzige grosse Stadt, sonst sieht man nur Wiese“, erklärte mir Clor.
„Ich kann dich irgendwie nicht leiden“, brummelte Clor, als wir vor dem Tor standen.
Was? Was laberte er da? Mit einem sauren Blick guckte ich ihn an, knurrte und konnte nicht glau-ben, was er soeben gesagt hatte. „Wie bitte?!“
„Ich mag dich nicht!“
Empört schüttelte ich den Kopf. „Ich dich auch nicht, Dummkopf!“
Clor riss mit Wucht das Tor auf, worauf ich ihm absichtlich ein Bein stellte. Er stolperte und fiel hin.
„Selber schuld!“, zischte ich und würdigte ihn keines Blickes.
Vor uns lag eine weite Wiese. Verschwommen erkannte ich ein grosses Haus. Da waren ein paar Bäume, aber keine Hügel und keine Berge. Es war flach. „Wooow!“, staunte ich.
Clor stand grimmig auf. „Boah Anny, kannst du nerven!“
Ich streckte ihm meine Hand vors Gesicht. „Halt du besser deinen Mund!!“
Clor murmelte irgendetwas. Ich beachtete ihn nicht weiter und lief durchs Tor. Dass ich problemlos durchgehen konnte, war ein eindeutiges Zeichen, dass ich eine Halbseelige war.
Clor trottete mürrisch hinter mir her. „Dort vorne ist das Half Soul House“, knurrte er.
Ich versuchte, ihn weiterhin zu ignorieren und schaute mich auf alle Seiten um.
Clor merkte dies und schwieg für eine kurze Zeit. „Soll ich dich zu meiner Schwester begleiten?“
Ich runzelte die Stirn und antwortete ... nichts.
„Alter, Anny, soll ich dich jetzt begleiten oder nicht?“ „Wenn du mich nicht nervst, dann ja!“
Nach kurzer Zeit erreichten wir das Haus, gebaut aus braunrotem Beton. Beim Eingang brannten ein paar Fackeln. Ich zählte zehn Stockwerke. Es schien freundlich und gepflegt. Auffällig waren die vielen verriegelten Fenster. Auf den ersten Blick hätte es auch ein Hotel sein können. Beim zweiten Hinsehen empfand ich das Haus als eine Mischung aus Hotel und Burg. Es gefiel mir. Oberhalb der Holzeingangstür stand mit schöner Schrift:
Willkommen Halbseelige
Clor öffnete die Tür, und ich trat als Erste ein.
Der Raum wirkte auf mich sehr modern und sauber. An der Wand reihte sich Bücherregal an Bücherregal, und im ganzen Raum waren Sofas und Sideboards verteilt. Auf den weissen Leder-sofas sassen viele quasselnde Teenager. In der Raummitte befand sich die Rezeption, an der eine Frau und ein Mann arbeiteten.
„Hallo Clor, wen hast du denn hier dabei?“
Die Frau lächelte mich an, und Clor ging mit mir zu ihr hin. Er klatschte eine Hand auf den Tisch und sah der Frau dabei direkt in die Augen.
„Das ist Anny, Anny Brev, und ich begleite sie zu meiner Schwester.“
Die Frau hatte sofort verstanden.
„Meriane befindet sich zurzeit in ihrem Zimmer“, sprach sie. In ihrer Hand hielt sie eine Art Handy.
„Was ist das?“, fragte ich.
„Das ist ein Zimmerkontroller. Damit kann ich kon-trollieren, ob der Bewohner im Zimmer ist oder nicht. Wenn mich jemand nach einer Person fragt, gebe ich den Namen und die Zimmernummer ein, und schon sehe ich, ob die Person anwesend ist oder nicht. Cool, oder?“
Ich nickte.
Clor packte mich an der Hand. „Danke, und jetzt komm.“ Er zog mich zu einer Tür, riss sie auf, und wir standen vor einer Treppe, die nach oben führte. Eine Fackel brannte neben der Tür. Die Treppe war mit einem roten Teppich bedeckt. Wir gingen die Treppe hoch.
„Deine Sis heisst Meriane?“, wollte ich wissen.
„Ja, besser gesagt heisst sie die DUMME Meriane!“ Immer noch nicht besser gelaunt, beschleunigte er seinen Gang. Wir waren im zweiten Stock angekommen.
„Dumme Meriane?“
„Ja, sie ist dumm. Ich hasse meine Zwillings-schwester. Sie ist dickköpfig und wird extrem schnell aggressiv.“
„Oke, das trifft auch auf dich zu“, erwiderte ich.
„Halt deinen Mund, Anny!“
Ich schmunzelte vor mich hin. Clor öffnete eine Tür im zweiten Stock. Vor uns lag ein langer Gang mit vielen Glaswänden. Ich wollte in den Himmel hochschauen, aber leider war die Decke mit einer Holzplatte bedeckt. Links von mir waren viele Türen. Sie waren alle mit einer Nummer versehen. „10, 11, 12, 13, ... Sind das die Zimmernummern?“, fragte ich.
„Ja, Meriane ist in Zimmer Nummer 23.“
Wir gingen weiter. Es gefiel mir recht gut, nur Clor nervte mich sehr.