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Kapitel Zwei

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»Ich habe etwas für dich.« Bruno durchquerte langsam den Raum. Seine Sohlen klopften auf dem Parkett und die Beine seiner schwarzen Anzughose rieben beim Gehen leise aneinander. Er griff einen der um den Holztisch platzierten Stühle an der Lehne und zog ihn nach hinten. »Was glaubst du, was es sein könnte?« Bruno lächelte und sah zu mir, während ich vor dem großen Panoramafenster auf dem Boden kniete. Nackt. Meine Handgelenke wurden hinter dem Rücken festgehalten von zwei breiten, miteinander verbundenen Lederfesseln. Die Schenkel hielt ich gespreizt. Ungeschützt. Offen. So verlangte es Bruno.

Sarah reibt sich unbewusst die Oberarme. Ihre Handflächen streichen über Gänsehaut. Sie hat das Gefühl, in einen Strudel zu geraten, von einem kräftigen Sog in einen Tunnel gezerrt zu werden. Vorbei an Wänden, die mit Lederriemen und Gürteln behangen sind. Und schließlich ist es, als säße sie wieder in der düsteren Manufaktur. Hohe Regale mit Lederballen um sich. Während Herr Conrad Pfeife rauchend Geschichten webt, in denen sie sich verfangen wird. Die Faszination ist zurück. Beinahe kann sie diese aufregende Mischung aus dem öligen Duft des Leders und der leichten Vanillenote des Tabaks riechen. Sarah hängt an den Lippen von Julia.

Er wendete den Stuhl mit der Sitzfläche zu mir und ließ sich langsam auf dem hohen Polster nieder. Der Rahmen des Stuhles knarrte leise unter seinem Gewicht. Mit einem Lächeln platzierte Bruno eine Schachtel aus grauer Pappe auf der Oberfläche des Holztisches. »Was meinst du, was es sein könnte«, wiederholte er seine Frage und blickte mich eindringlich an, während ich auf dem Boden vor dem Panoramafenster kniete und zu ihm herauf sah. »Du darfst wieder sprechen, ich erlaube es dir.«

Mein Hals fühlte sich trocken an. Ich räusperte mich, aber mein »Danke« klang trotzdem rau. Ich hatte seit Stunden nicht gesprochen. Mit einem kurzen Blick auf den Karton versuchte ich, dessen Inhalt abzuschätzen. Nicht mehr als ein dickes Buch hätte in ihn gepasst. Ich nahm an, dass es etwas Kleines sein musste, mit dem Bruno sich oder gar mir eine Freude bereiten wollte. Hatten wir in den letzten Tagen oder Wochen Dinge besprochen, die er plante? Hatte er etwas geäußert, hatte ich etwas überhört, das mir jetzt zum Verhängnis werden konnte?

Bruno strich mit seinem Zeigefinger langsam über die Seite seines Halses. Entlang des weißen Hemdkragens. Als würde er nachdenken. Dabei wollte er nur, dass ich es tat.

Ich kannte diese Geste, die ein Halsband symbolisierte. Bald, hatte er versprochen, würde er mir ein besonderes anlegen. Eines, das es nur für mich geben und für immer meines sein sollte. Mit dem er mich in Besitz nehmen wollte. Nicht nur optisch, sondern auch fühlbar. Ich sollte es an mir spüren, als habe er seine Hand in meinem Nacken. Ich wusste, wie viel ihm das bedeutet, und auch deswegen war ich bereit, eines zu tragen. Für ihn. Mehr noch, ich wünschte mir nichts sehnlicher, als ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Es hinzunehmen, ein Halsband angelegt zu bekommen. Abschätzend sah ich noch einmal auf den Karton. Lag in ihm tatsächlich …?

»Es ist wirklich für mich?«

»Natürlich«, antwortete Bruno verärgert. »Selbstverständlich. Ich sagte, ich habe es dir mitgebracht.« Er legte seine Hand wieder auf den Karton und schob ihn ein wenig hin und her. »Ich mag es nicht, wenn du Fragen mit Gegenfragen beantwortest.« Dann sah er mich eindringlich an. »Das gilt insbesondere dann, wenn du dich nach Dingen erkundigst, die ich dir bereits erklärt habe.«

Beschämt senkte ich den Kopf. Atmete aus. Ärgerte mich. Bruno hatte recht.

»Bekomme ich noch eine Antwort? Fällt dir nicht ein, was es sein könnte?« Er klang ungeduldig. Trommelte mit den Fingern auf die Holzplatte des Tisches und es klang wie der Galopp eines Pferdes. »Du weißt es doch schon, Lia.« Mit einem scharfen Blick musterte er mich. Seine Finger hielten wieder still. »Du wirst es künftig für mich tragen, wenn ich es verlange.«

Mein Körper reagierte schneller als meine Gedanken. Allein die unmissverständliche Ankündigung und der Umstand, dass er ungefragt über mich verfügte, erzeugten einen aufregenden Unterdruck in der Magengegend. Und tiefer.

Ein Halsband! So oft hatte ich mir vorgestellt, wie es an mir aussehen würde. Hatte Bilder betrachtet und überlegt, was mich am besten kleiden würde. Grün oder braun sollte es sein, entschied ich, weil es zur Farbe meiner Augen passte. Gepolstert, sehr schmal und elegant, mit einer filigranen Schließe und vielleicht kleinen Ziersteinen an der Seite. Bruno hatte Geschmack und ich war mir sicher, dass er ein ganz besonderes Halsband gewählt hatte. So besonders, wie ich für ihn war.

»Eine Münze für deine Gedanken«, brummte Bruno, doch es klang nicht so, als wolle er sie wirklich wissen. »Komm jetzt her.« Er griff den Karton und zog ihn über den Tisch zu sich.

Ich schob mich Stück für Stück auf den Knien über den Parkettboden und versuchte, mein Gewicht mit den auf dem Rücken gefesselten Händen auszutarieren. Plump sah es sicherlich aus, aber das störte mich nicht. Bruno wollte mich so sehen. Nichts anderes zählte. Kurz vor seinen Füßen stoppte ich. So, dass er meinen Kopf auf seinen Schoß hätte ziehen können, ohne seine Position ändern zu müssen. Das hatte er mir beigebracht. Er mochte es nicht, mich zu korrigieren. Ich hatte mich stets zu bemühen, ihm keine Umstände zu bereiten. Tat ich es nicht, hatte ich mit den Konsequenzen zu leben. Im erträglichsten Fall wies er mich sofort auf den Fehler hin. Schwieriger wurde es dann, wenn er es nicht tat.

»Es ist ein besonders schönes Halsband, Lia.« Bruno hob den Deckel des Kartons an und griff hinein. »Schau mich an.«

Ich fixierte ihn mit den Augen und mühte mich um einen klaren Blick. Nichts anderes als etwas Besonderes hatte ich erwartet. Meine Beziehung zu Bruno entsprach dieser Eigenschaft in nahezu jeder Hinsicht. Sie ließ sich nicht vergleichen mit Freundschaft oder Liebe. Beide Worte fassten nicht die Ernsthaftigkeit und Tiefe, mit der wir uns aufeinander eingelassen hatten. Befreundet oder verliebt wäre all das, was wir taten, nur ein Spiel gewesen.

»Lia?«

In den Augenwinkeln sah ich, dass Bruno einen länglichen Gegenstand aus dem Karton hob. Leder. Grünbraun. Ich wiederkäute meine Wünsche. Verziert, sehr schmal und angenehm gepolstert. Ein Halsband wie ein Schmuckstück. So attraktiv, dass ich es für ihn auch tragen würde, wenn wir gemeinsam ausgingen.

»Sieh es dir an.« Bruno hielt beide Hände auf seinem Schoß und öffnete die Handflächen.

Als ich meinen Blick senkte, stockte mir der Atem. Weiteten sich meine Augen. Was sich auf den Händen von Bruno befand, war weder grünbraun noch verziert. Sondern ein kantiger, schlichter Lederstreifen. Nicht schmal, wie ich es mir vorgestellt hatte, stattdessen breit wie eine Streichholzschachtel. Mit einer Schließe, deren Gewicht sich allein durch ihre Größe erahnen ließ. Das war kein Schmuckstück. Das war ein grober Riemen, konstatierte ich schockiert.

»Sieh nur, es ist etwas Einmaliges«, erklärte Bruno und drehte das Halsband langsam in den Händen. Zum Vorschein kam ein kleiner, silberner Ring, der mittig angebracht war. Und ein tief in das Leder geprägter Buchstabe. Ein L.

Ich schluckte. Das sollte ich um den Hals tragen? Einen schmucklosen Riemen mit einer riesigen Schließe im Nacken? Braunes, ungepolstertes und grobes Leder? Mit einem Buchstaben, der mich wie billiges Eigentum aussehen ließ? Fassungslos hob ich den Blick.

Bruno kniff die Augen zusammen. Ihm war meine Reaktion nicht entgangen. Er musste beobachtet haben, wie sich meine Körperhaltung von Stolz zu Enttäuschung wandelte, als meine Schulterblätter sanken und sich mein Oberkörper leicht nach vorn beugte. »In deinen Pupillen ist das Glänzen matt geworden. Was ist mit dir?«

Ich senkte den Kopf, denn ich wusste nicht, wohin ich schauen sollte. Bruno wollte ich nicht in die Augen sehen. Wenn er es ernst meinte mit diesem groben Riemen, erwartete er Dankbarkeit und ich würde ihn enttäuschen. Aber das Halsband in seinen Händen wollte ich ebenso nicht sehen. Meine Blicke flüchteten hastig, aber fanden kein Ziel. »Es ist nichts«, log ich. Schneller, als ich darüber nachdenken konnte, welche Konsequenzen diese Lüge nach sich ziehen würde.

»Erkläre es mir!« Bruno sah weiter auf mich. »Erkläre mir dieses Nichts!« Seine Stimme hatte sich verändert. Fordernd klang sie, streng und keinen Kompromiss duldend. Er setzte einen Fuß nach außen und beugte sich vor. »Jetzt sofort!«

Ich wusste, dass ich nicht umhin kommen würde, ihm die Wahrheit zu sagen. Er roch es, wenn ich log. Ganz gleich, welche Ausflüchte ich nutzen würde, er würde sie alle wittern und einfangen. Ich zwang mich, das Halsband zu betrachten und suchte eine Formulierung, mit der ich meine Entrüstung in vorsichtige Worte kleiden konnte. Aber nichts Bedachtes konnte ausdrücken, wie wenig der Lederriemen meinen Vorstellungen entsprach. Dass mir die Farbe nicht gefällt, hätte ich nicht begründen können. Dass kein Polster die Innenseite auskleidet, hätte Bruno höchstens amüsiert. Kritik an der Breite des Halsbandes würde dazu führen, dass er es erst recht mögen würde. Ich kannte ihn gut genug. Wenn ich meinte, dass etwas unmöglich sei, spornte es ihn an, mir das Gegenteil zu beweisen. Und es gelang ihm immer.

Bruno schnellte unvermittelt nach vorn und griff mir knapp über dem Nacken in die Haare. »Das reicht!« Mit einer einzigen kräftigen Bewegung drängte er meinen Kopf auf den Boden, zwängte mich zur Seite und presste meine Wange fest auf das Parkett.

Ich schrie überrascht auf. Winkelte meine an den Handgelenken gefesselten Arme auf dem Rücken an, um die Position erträglicher zu halten. Das Halsband fiel und schlug mit der Schließe voran nur eine Handbreit vor meinem Gesicht auf. Ich schloss die Augen.

»Sieh hin«, wies Bruno mich an. Seine Hand umspannte fest meinen Nacken und übte unnachgiebig Druck aus. »Das ist dein Halsband, Lia. Deins!«

Als ich meine Lider hob, kam ich nicht umhin, auf den Lederriemen zu sehen. Ich glaubte, ihn riechen zu können, so nah lag er vor mir.

»Was stört dich daran?« Bruno klang verärgert. Er beugte sich immer weiter über mich, als wolle er mich noch fester packen.

Alles, dachte ich. Die auffällige Breite. Die riesige Schließe. Das fehlende Innenpolster. Die Farbe. Schmucklosigkeit. Die Makel wiederholten sich in meinen Gedanken, aber keinen von ihnen wagte ich vorzutragen.

»Gefällt es dir nicht?«

Ich war dankbar über die angebotene Brücke. So fiel es leichter. Ich versuchte zu nicken, auch wenn Bruno meinen Hals mit seiner Hand fixierte. Meine Wange rieb auf dem Parkettboden. Er bemerkte es.

»Aha«, knurrte er daraufhin, ließ mich aber nicht los. »Wie hätte es denn aussehen sollen, damit es meiner hübschen Lia gefällt?« Es klang spöttisch.

Ich biss mir auf die Lippen. Diese Frage hatte ich vermeiden wollen. Es behagte mir nicht, all das aufzuzählen, was ich mir vorgestellt hatte. Vor allem nicht in meiner Position. Also schüttelte ich den Kopf, so gut es ging.

»Gut«, meinte Bruno und zog das Wort lang in einem Tonfall, den ich kannte. Nichts war gut. Stattdessen war es die Feststellung, dass er mir das nicht durchgehen lassen würde. Dass er seinen Willen auch auf andere Weise erreichen konnte.

Ich spürte, dass Bruno seinen Griff in meinem Nacken lockerte. Doch bevor ich aufatmen konnte, setzte er seinen Fuß unsanft zwischen meine Schulterblätter. Die Schuhsohle fühlte sich kühl und kantig an auf der Haut. Vor meinen Augen tauchte seine Hand auf, griff nach dem Lederriemen und zog ihn unter meinem Hals hindurch. Meine Haare wurden nach oben geschoben und ich wusste, was geschah, als ich die Schließe hinter meinem Kopf metallisch klimpern hörte. Bruno legte mir das Halsband an. Den schlichten, groben Riemen. Zum ersten Mal.

Ich hatte mir diesen Moment anders vorgestellt. Feierlich. Aufwühlend. Stolz, aber ergeben hätte ich vor ihm knien wollen. Den Kopf gesenkt und mit einem Gefühl, als verspreche er mir für immer den Schutz unter seiner Hand. Während er mir ein Schmuckstück anlegt.

Unsanft zog sich das Leder um meine Haut. Bruno zog unerbittlich, bis es den Hals eng umschloss. Als er den Dorn einhakte, musste ich überrascht röcheln. Die Ledermanschetten an meinen Handgelenken hinderten mich daran, mir aus einem Reflex heraus an den Hals zu greifen.

»Erhebe dich, meine hübsche Lia«, knurrte Bruno und nahm seinen Fuß von meinem Rücken. Gleichzeitig zwängte er aber zwei Finger unter das Halsband, sodass ich Atemnot bekam. Ich bemühte mich daher, dem Zug seiner Hand schnell zu folgen. Kam mühselig auf die Knie, zog ein Bein nach vorn und stemmte mich in die Höhe. Die Fesselung meiner Arme raubte mir das Gleichgewicht und ich fiel gegen Bruno.

Der fing den Schwung ab und drängte meinen Körper gegen den Rand des Tisches. Mit einer ausholenden Armbewegung fegte er den Pappkarton über die glänzende Tischplatte, bis dieser auf der anderen Seite polternd zu Boden stürzte. Dann griff er meine Hände und zog sie nur ein kleines Stück nach oben.

Ich ahnte, was Bruno beabsichtigte. Und ich wusste, dass ich mich nicht dagegen wehren konnte. Je höher er meine Hände hob, um so mehr musste ich meinen Oberkörper nach vorn beugen. Es gab keinen Spielraum. Der Schmerz in meinen Schultergelenken signalisierte das anatomische Limit. Ich suchte daher zügig einen sicheren Stand und senkte meinen Oberkörper freiwillig bis auf die Tischplatte. Meine nackten Brüste berührten das kühle, polierte Holz zuerst. Stirn und Nasenspitze folgten. Als ich mich zurechtgerückt hatte, spürte ich, dass Bruno meine Hände freigab.

Er ging langsam um den Tisch herum und strich mir dabei mit einem Finger sanft über den Rücken. Zwischen den Armen entlang über die Schulterblätter bis hinauf in meinen Nacken. Als er schließlich vor mir stand, griff er erneut unter das Halsband.

Ich winkelte den Kopf an. Das Leder um meinen Hals war eng geschlossen. Während Bruno daran zog, drückte es gegen meinen Kehlkopf. Mit den Füßen stemmte ich meinen Oberkörper noch ein kleines Stück weiter auf den Tisch. Mehr Luft verschaffte es mir nicht.

Bruno blieb unbeeindruckt. »Nun gut«, meinte er und nahm sich Zeit, als wolle er einen längeren Vortrag halten. »Lass uns über dein Halsband reden, Lia. Ich finde ganz sicher heraus, was dir nicht gefällt an ihm. Und auch, ob deine Enttäuschung gerechtfertigt ist.«

Aufgewühlt

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