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Nr. 03 CAPRICCIOSA

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In dem Moment, als Lucas in die Straße zum Marktplatz einbiegt, fällt die Sonne hinter die Firste der Altbaudächer. Ansonsten machen sich noch einige Wolken am Himmel breit, die das Abendlicht diesig auf die Menschen in den Gassen werfen. Gleich ist Feierabend und in der Luft liegt schon diese nervöse Unruhe, den Arbeitstag endlich hinter sich lassen zu können.

Für Lucas hingegen fängt das Arbeiten gleich erst an. Ein halber Probetag. Etwas nervös legt er die letzten Meter zur Italo-Fast-Food-Filiale zurück. In schwarzer Hose und schwarzen, bequemen Schuhen. So wurde es vorgegeben.

Die Schiebetüren öffnen sich und Lucas tritt erwartungsvoll ein. Hinter der Kasse, die direkt vorne beim Eingang steht, hält ihm wieder das Mädchen mit dem Pferdeschwanz die Buchungskarte entgegen. »Ach, du bist es.« lächelt sie Lucas an, reicht ihr Lächeln aber auch gleich an die nächsten Gäste weiter. »Gehe einfach nach hinten ins Personalbüro,« ruft sie ihm noch hinterher und Lucas läuft, wie ihm geheißen zwischen der Pizza- und Pastastation durch die Schwingtür. Das Büro befindet sich gleich rechts dahinter, ist aber so klein, dass höchstens zwei Leute reinpassen. Und einer davon muss stehen.

»Guten Abend. Hallo,« begrüßt Lucas die Filialleiterin, nach dem er höflich geklopft hat.

»Hallo Lucas. Pünktlich auf die Minute. Perfekt. Dann komme doch gleich mal mit.« Bettina hat wieder etwas sehr dezentes an, diesmal in dunkelblau. Dennoch wirkt sie chic und elegant.

Beide schälen sich aus dem Büro und Bettina deutet auf einen Fahrstuhl, der gleich daneben liegt. Sie muss nur den Knopf drücken und die beiden grauen Metalltüren öffnen sich. Der Fahrstuhl war ohnehin oben.

»Ich freue mich immer, wenn wir neues, engagiertes Personal bekommen. Das muss jetzt alles für dich ganz aufregend sein, oder?« Bettina hat ihren Satz noch nicht einmal ganz ausgesprochen, da hat der Fahrstuhl schon sein Ziel, den Keller einen Stock tiefer, erreicht.

»Ja. Also, naja.« Lucas befindet sich gedanklich noch immer in dem Zwergenbüro, das woanders wegen Platzmangel nicht einmal als Besenkammer genützt werden würde.

Bettina deutet lose einen Gang runter und erklärt, dass sich da die ganzen Kühlräume befinden. »Die zeigen dir dann aber Diego oder Baba, ich meine Bashir. Genauso wie die ›Prep‹. Die ist oben und da werden die ganzen Zutaten für euch zusammengestellt. Von mir bekommst du jetzt erst einmal deine Arbeitskleidung.«

Aus einer Nische zieht sie Kopftuch und Schürze. »Welche Größe hast du noch mal?«

Lucas sagt ihr, dass er ›M‹ hat und sie sucht eine passende Kochjacke heraus. Die Jacke ist weiß. Die Plastikknöpfe an der zweireihigen Verschlussleiste tomatenrot. Schürze und Kopftuch ebenfalls rot. Auf allen drei Textilstücken prangt das Logo der Restaurantkette.

»Die Jacke ist leider sehr verknittert. Da musst du bitte noch einmal drüber bügeln. Tja, Pech. Eine Nummer größer und die Jacke wäre tiptop gewesen. Im Pausenraum da,« sie deutet auf eine Tür gegenüber der Wäschenische, »steht ein Bügeleisen. Generell musst du immer mit sauberer und gebügelter Arbeitskleidung zum Dienst erscheinen! Und waschen musst du selber bei dir daheim. Das geht hier nicht.«

Die Waschmaschine in der Nische ist wohl kaputt, denkt sich Lucas und schaut auf das Gerät unterhalb der Regalbretter. Oder nur für Chefwäsche oder so.

»Oberstes Gebot hier ist immer freundlich zu den Kunden zu sein. Der Kunde ist König. Kannst du dir aber sicher denken. Und alle versuchen hier jeden Tag ein bisschen besser ihren Job zu machen. Deswegen kontrollieren wir uns zum Einen gegenseitig und zum Anderen lassen wir uns von Mystery-Shoppern kontrollieren. Das sind Agenturen, die den Service in Unternehmen testen.«

Lucas nickt. Erstens weiß er, was Mystery-Shopper sind, zweitens hat er sich schon so etwas gedacht.

»Jetzt zeige ich dir noch deinen Spind, der steht in der Umkleide.« Sie geht den Flur weiter zu einem Raum mit Schränken und Bänken. »Egal ob Mann oder Frau, hier ziehen sich alle um. Also, man zieht ja nur seine Jacken an.« Der letzt Satz klingt wie eine Entschuldigung oder ein Hinweis, damit nichts falsch verstanden wird. Toiletten und eine Dusche gibt es hier auch.« Sie schaut sich etwas irritiert um, begreift aber schließlich, warum genau sie in dem Raum sind. »Hier ist dein Spindschlüssel. Nummer 25. Da drüben. Und was brauchst du noch? Ach ja! Deine Personalkarte. Mit der musst du dich immer ein- und ausstempeln. Um wenn du was essen willst geht das auch darauf. Dann bekommst du alles um die Hälfte. Die Karte habe ich leider oben im Büro gelassen.«

Sie schaut noch einen Augenblick lang stumm über die Schränke hinweg, verlässt aber die Umkleide, nachdem sie Lucas gebeten hat, die besagte Karte gleich im Büro abholen zu kommen.

Dann steht Lucas alleine vor seinem Spind. In der Hand Schürze, Kopftuch und eine zerknitterte Jacke. Missmutig fällt sein Blick auf das Ding, das er jetzt selbst noch bügeln muss. Warum hat er nicht einfach ›Large‹ gesagt?

Mit der just abgeholten Karte hat sich Lucas schon gleich einstempeln müssen. Vorne an der Kasse bei dem Pferdeschwanzmädchen.

»Willkommen noch mal. Jetzt bist du richtig bei uns,« lächelt sie besonders freundlich.

Noch nicht ganz, denk sich Lucas beim Fortgehen. Erst muss er diesen Probetag überstehen. Und dann überhaupt auch gewillt sein, vier mal die Woche diese dämliche Schürze zu tragen.

Mit etwas staksigem Gang, dieser rote Riesenlappen reicht bis runter zu den Schuhen, steuert er auf die Pizzastation zu. Der Rest der weiß-roten Uniform sitzt ein wenig zu weit an Lucas Körper. Trotz ›M‹. Oder sie ist einfach schon ausgeleiert und wurde tausendmal durch die Mangel genommen.

»Hi. Ich bin Lucas,« hebt er freundlich seine Hand, nachdem er die Stufe zum fünf quadratmetergroßen Arbeitsbereich nebst Pizzaofen erstiegen hat. Sein neuer Kollege stapelt gerade hektisch Kisten mit Teiglingen. Es ist der Südländer mit den Dreads. Seine Haare sind mit bunten Garn und Kugeln verziert, aber nicht schwarz, wie man aufgrund seiner Herkunft annehmen könnte, sondern nussbraun.

»Cabrón, da bist du endlich. Wo warst du? Zieh dir Handschuhe an und hilf mit an.«

Sofort streift sich Lucas zwei von den Gummihandschuhen über, die es auch in Arztpraxen gibt, und will sich eine der Kisten greifen – doch der Kollege hält ihn davon ab. »Das mach ich. Du den Rest. Du weißt, wie das geht?«

Lucas schüttelt den Kopf. Vor dem Tresen warten schon zwei hungrige Kunden und schauen ungeduldig zu den beiden Jungs.

»Pass auf,« der Kerl legt die Teiglinge beiseite und begrüßt den ersten der beiden Wartenden. »Hallo. Was darf’s sein?«

»Eine Capricciosa, bitte.«

Der Rastaträger nickt und bittet den Kunden um die Chipkarte, dann erklärt er das gesamte Prozedere mit Karte und Buchen und dass man immer fragen muss, ob der Gast noch ein Getränk wünscht. »Dann kriegt er die Pieper da,« fährt er munter fort. »Und wenn Pizza fertig, drücken wir auf Knopf und beim Kunden macht es piep, piep, piep. Ganz einfach.«

»Also, das weiß ich,« grummelt Lucas. »Ich habe hier schon mal gegessen. Sogar vor kurzem und du hast mich bedient. Ich meine das Ganze hier. Das Pizza backen.« Er zeigt einmal rundum auf Ofen, Pizzaschaufel und Zutatenboxen.

»Nee cabrón. Heute nicht.« Der Kerl schüttelt lachend den Kopf und dreht sich wieder zu seinen Teiglingen um. »Das zeigt dir Baba. Aber der ist heute krank. Mach du heute nur die Pieper. Außerdem kann ich mir nicht alle die Kunden hier merken. Auch dich nicht. Habe doch keine Gehirn wie Mister Hawking.«

Lucas ärgert sich, nicht weil er davon ausging heute schon Pizza backen zu dürfen, sondern weil er bloß den ganzen Ablauf drumherum gemeint hat. Zeit, um das richtig zu stellen, bekommt er aber nicht. Zum übrig gebliebenen Kunden haben sich drei weitere gesellt.

Mein Gott, wie war das noch mal, schießt es ihm durch den Kopf. Leicht orientierungslos versucht er die aufgenommene Information vor seinem inneren Ich auf Anfang zurück zu spulen. Sechs Augenpaare mustern ihn dabei argwöhnisch von oben bis unten.

Erst mal höflich begrüßen auf jeden Fall.

»Guten Tag, was darf es für Sie sein?«

»Einmal die Toscana bitte. Aber kann ich anstelle der Oliven Artischocken haben?«

»Oh, das weiß ich nicht. Moment bitte.« Hilflos schaut Lucas zu dem Rasta rüber, die Chipkarte des Kunden mit schwitzigen Händen umklammernd.

»Geht leider nicht,« erklärt der Kollege ohne dabei von seinem Teig aufzuschauen, den er gerade zu einer tellergroßen Pizza zieht. »Extra Artischocke kostet 50 Cent.«

»Aber dafür nehme ich doch keine Oliven,« mischt sich der Kunde ein.

Der Dreadlokträger schüttelt den Kopf. »Nein, aber geht nicht. Sonst sagst du auch: Bitte keine Artischocken aber dafür beste Parmaschinken. Ist Anweisung. Leider.«

»Dann lassen Sie die Oliven halt einfach weg,« zetert der Abgewiesene und schaut böse zu Lucas. Mit bedauerndem Schulterzucken tippt der auf das kleine ›Toscana‹-Feld auf dem Bildschirm und auf ›ENTER‹ rechts unten. Aus einem kleinen Drucker an der Seite kommt ein Zettel mit der Bestellung und einer Pagernummer.

»Den Zettel klippst du da an,« der Kollege greift sich das kleine Papier und klemmt es in eine Leiste oberhalb der Anrichte. »Damit ich weiß, was für Pizza ich machen muss. Dann gibst du ihm den Pieper mit der Nummer.« Er schaut auf den Zettel. »Fünf.«

Lucas zieht den Pager Nummer 5 aus der Ladestation und reicht ihm den Kunden.

»Und du hast vergessen, nach Getränke zu fragen,« unterbricht ihn sein Kollege.

»Oh, tut mir Leid,« entschuldigt sich Lucas und zieht instinktiv den Pager zurück. »Möchten Sie etwas zu trinken? Cola, Saft, Eistee?«

»Nein,« haut der Kunde ihm schroff entgegen. Dann reißt er sich den Pager aus Lucas Hand.

»Na hoppala,« murmelt der Pizzabäckerneuling leicht überrumpelt, fügt dann aber laut hinzu: »Wenn der piept, dann ist die Pizza fertig.«

»Ach egal,« kommt es drüben von den Teiglingen. »Toscana ist mit scharfer Wurst. Dann verdurstet der halt.«

Lucas nickt und wendet sich seinem nächsten Kunden zu. Diesmal vergisst er das Getränk nicht. Dafür wird die Schlange unaufhörlich länger, die Taktzahl erhöht sich und mindestens jeder vierte hat einen Sonderwunsch. Immer wieder muss Lucas um Hilfe fragen. Seine Konzentration sackt währenddessen weiter und weiter ab. Die monotonen Handlungen im Dauerstress wirken betäubend. Bestellung aufnehmen, nach Getränk fragen, Pager rausgeben. Jeder erste Arbeitstag ist die Hölle für die Aufnahmefähigkeit des Gehirns. Irgendwann kommen noch Pizzen dazu, die aus dem Ofen genommen und in acht Teile geschnitten werden müssen. Dann, gerade als das Abendgeschäft seinen Höhepunkt erreicht und Lucas die Pizzawünsche im Dauerfeuer angesagt werden, drängelt sich mit fuchtelnden Armen ein erboster Kunde durch die wartende Menge.

»Wo bleibt meine Pizza, verdammt? Ich warte schon seit über zwanzig Minuten. Alle die nach mir kamen, haben sie schon.« Mit giftigem Blick schaut er über die Stationstheke.

Lucas schreckt hoch. »Welche Pizza haben Sie denn bestellt?« fragt er vorsichtig.

»Die Capricciosa,« brüllt er erregt und hält Lucas als Beweis den Bestellbon entgegen.

Überfordert blickt der auf den Zettel, ohne dass der Groschen fallen möchte.

»Cabrón, du Depp. Du hast ihm den Bon gegeben. Dann kann ich sie ja nicht machen.«

»Ach scheiße. Mann. Das waren plötzlich so viele. Da bin ich durcheinander gekommen,« entschuldigt sich Lucas betreten.

»Na toll.« Immer noch wütend fuchtelt der Kunde weiter mit den Armen. »Das ist so ein mieser Laden hier, wirklich!«

Der Rasta macht eine wegwerfende Handbewegung. »Keine Grund sich aufzuregen. Wir machen einfach jetzt sofort deine Pizza, mit extra viel bestem Schinken und du trinkst noch eine Cola. Cola geht auf’s Haus.«

Lucas braucht eine Sekunde bis er reagiert. Dann greift er nach hinten zum Kühlschrank an der Wand und reicht dem Kunden sein Trostgetränk.

»Ist sein erster Tag,« erklärt der Kollege mit Blick auf den Anfänger und kann dabei ein Grinsen nicht unterdrücken. »Kann ein bisschen viel sein.«

Mit weichen Knien nimmt Lucas die nächsten Bestellungen auf und wettet innerlich, jeden Gedanken der anstehenden Gäste zu kennen. Irgendwas mit Trottel und Versager.

»Mann, ist das immer so eine heftige Keulerei?#« will Lucas wissen, als der größte Andrang geschafft und wieder etwas Ruhe eingekehrt ist.

Sein Gegenüber grinst. »Hehe, cabrón. Mittags und abends immer. Dazwischen nicht so.«

Lucas vergräbt seinen Kopf in beide Hände und stößt einen tiefen Seufzer aus.

»Ach, das wird schon,« muntert ihn sein Kollege auf. »In ein paar Tagen bist du ganz fix und schnell. Ich bin übrigens Diego. Aber du kannst auch Jakob sagen.«

»Das ist doch eh dasselbe.« Erschöpft schaut Lucas auf.

»Ja. Aber ich heiße beides. Diego Jakob Olivarez. Meine Oma ist Deutsche und deswegen habe ich auch deutsche Version von Diego in meinem Namen.« Diego grinst breit. So, als wäre er damit schon zu Schulzeiten etwas Besonderes gewesen und alle Klassenkameraden neidisch auf das Luxusgut eines teutonischen Rufnamens.

»Wo kommst du eigentlich her?« Schon vom ersten Moment an hat sich Lucas das gefragt.

»México. Aus Guadalajara. Da wo es viel Industrie gibt, aber nicht so viele Drogen.« Sein Mund umspielt wieder ein seltsames Lächeln. Als würde er auf seinen Lippen die Süße der zurückgelassenen Heimat schmecken. »Du kannst jetzt Pause machen,« holt sich Diego selbst wieder in deutsche Gegenwart zurück. »Willst du eine Pizza?«

Lucas nickt. »Eine Thunfisch bitte.« Dann zieht er sein Karte aus der Hosentasche und bucht sie selbst ab.

Irgendwie hat er sich das doch etwas anders vorgestellt, muss sich Lucas eingestehen. Er steht mit der Pizza in der Hand vor dem Fahrstuhl und wartet bis die Tür aufgeht. Dieser ganze Trubel direkt vor einem ist ja kaum auszuhalten. Hunderte von Menschen, die wie eine Horde Zombies in den Laden stürmen und Pizza als das einzig probate Mittel für ihr Überleben ansehen. Kein Wunder, dass man da durcheinander kommt. Und sein Kollege Diego macht die Sache für ihn auch nicht angenehmer. Mit einem Mal scheint die Option, den Krempel aus der Dachwohnung zu räumen, falsch versprochenen Festanstellungen und Dutzenden hungrige Pizzakunden den blanken Arsch zu zeigen, zunehmend verlockend. Sollen die doch selber ihre Bestellbons auf die Leiste klemmen.

Missmutig fährt Lucas mit dem Aufzug in den Keller und stößt mit seiner Fußspitze den Pausenraum auf. »Mahlzeit« brummelt er. Aber anstelle eines Grußes kommt ihm nur leiser Gesang entgegen.

Ein blonde Mädchen stochert am Tisch gelangweilt in ihrer Pasta herum und hört über In-Ears-Kopfhörer Musik. Den Text singt sie mit. Gar nicht mal so schief, wie Lucas findet. Ansonsten ist niemand im Raum.

»Darf ich mal bitte eine Serviette haben?« räuspert er sich und macht eine auffällige Armbewegung. Jetzt erst nimmt ihn das Mädchen überhaupt wahr.

»Oh, entschuldige bitte,« nimmt sie die Stecker aus dem Ohr. »Hey, du bist ja ein Neuer!«

»Ja. Lucas.« Er schneidet das erste Stück von der Pizza ab.

»Ich bin Maria. Von der Pasta. Und du? Pizza?« Ihre Haare sind struppig und vereinzelte Locken winden sich unter dem Kopftuch hervor. Sie hat ein süßes Gesicht, hohe Wangenknochen und ein spitzes Kinn. Moosgrüne Augen stechen unter ihren Haarfransen hervor.

»Pizza!« bestätigt er mit Hinweis auf den Teigfladen vor ihm.

»Zusammen mit Baba und Jockl. Fein!« freut sich das Pasta-Mädchen »Studierst du?« will sie noch wissen.

»Nein. Letztes Semester hab ich meinen Master gemacht und bin hier in die Stadt zum Arbeiten gezogen.«

»Was? Du bist extra hierher gezogen, um in dem verrückten Laden zu arbeiten? Was bist du denn für einer?«

»Nee hey,« wehrt er hektisch ab. »Mich hat eine beeindruckend kompetente Unternehmensberatung für ein Praktikum hierher gelockt – mit ernstzunehmender Aussicht auf Übernahme. Tja. So ernstzunehmend war es dann doch nicht. Die Vollzeitstelle wurde eingedampft. Aus Spargründen.«

»Oh, das sind aber harte Schicksale, die dich so ereilen. Und jetzt?«

»Jetzt habe ich dringend einen Job gebraucht, damit mein Vermieter nachts beruhigt schlafen kann. Also bin ich hier und erkläre Kunden, was sie zu tun haben, wenn ihr Pizza-Buzzer piept.«

»Ha! Dafür hat das Studieren sich gelohnt, was? Immerhin musst du hier nichts für dein Essen zahlen. Du hast doch nichts gezahlt, oder?« Maria quetscht ihre Augenbrauen zusammen und schaut prüfend auf Lucas. Der verharrt mitten im Kauen.

»Doch. Das müssen wir doch. Oder müssen wir nicht?« fragt er mit vollem Mund.

»Was wir alles müssen, mein Lieber. Fressen, saufen, Kleider kaufen. Aber in erster Linie uns von den Geldsäcken da oben nicht alles gefallen lassen. Miese Stundenlöhne zum Beispiel. Wenn die Geld für ihre Nudeln wollen, sollen die mir einfach mehr zahlen.« Sie grinst hinterhältig. »Du bist mehr so einer, der macht, was man ihm sagt, oder?«

»Also, so jetzt nicht,« sagt Lucas. »Aber ich binde mir auch nicht bei jeder Ansage ein Schal vor’s Gesicht und werfe Molis durch die Straßen.«

Maria lacht laut auf. »Nee, kann ich mir bei dir auch echt nicht vorstellen. Aber mit dem Essen weißt du es jetzt ja. Beim nächsten Mal einfach lassen.« Sie lächelt ihn kurz an. Dabei zieht ein Funkeln wie das Polarlicht über ihre Augen. Plötzlich springt sie auf. »Ich geh dann mal wieder hoch. Bye.« Zum Abschied wirft sie kurz die Hand in die Luft und tanzt aus dem Pausenraum – die In-Ears wieder im Ohr. Ihr halbvoller Teller Rucola Ravioli steht noch immer mitten auf dem Tisch.

Fasziniert schaut Lucas dem Mädchen hinterher. Vielleicht sollte er das mit der Dachwohnung ausräumen sich noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

Viva la Pizza

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