Читать книгу Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten - Jonathan Swift - Страница 41

Erstes Kapitel

Оглавление

Der Verfasser segelt als Kapitän eines Schiffes ab. Seine Leute verschwören sich gegen ihn, verschließen ihn längere Zeit in seiner Kajüte und setzen ihn in einem unbekannten Lande ans Ufer. Er reist in das Innere des Landes. Beschreibung des Yähu, eines sonderbaren Tieres. Der Verfasser begegnet zwei Hauyhnhnms.

Ich blieb ungefähr fünf Monate bei meiner Frau und meinen Kindern, und zwar unter sehr glücklichen Umständen; hätte ich nur einsehen können, daß ich in Wahrheit glücklich war! Ich verließ meine Frau guter Hoffnung und nahm ein vorteilhaftes Anerbieten an, Kapitän des »Abenteurers« zu werden, eines großen Kauffahrers von dreihundertundfünfzig Tonnen. Ich war nämlich der Nautik vollkommen kundig und der Beschäftigung eines Wundarztes, die ich nur gelegentlich zur See ausübte, müde geworden. Deshalb nahm ich einen geschickten jungen Mann dieses Berufes, Robert Purefoy, in mein Schiff auf. Wir segelten von Portsmouth am 7. September 1710 ab und trafen am 14. bei Teneriffa Kapitän Pocock aus Bristol, der nach der Campeche-Bay segelte, um Bauholz zu fällen. Am 16. wurde er durch einen Sturm von uns getrennt; ich habe später gehört, daß er scheiterte und daß die ganze Mannschaft mit Ausnahme eines Schiffsjungen zugrunde ging. Er war ein ehrlicher Mann und seines Handwerks vollkommen kundig, allein zu hartnäckig in seinen Meinungen, und dies war der Grund seines Untergangs wie bei vielen anderen. Wäre er meinem Rate gefolgt, so säße er jetzt in derselben Sicherheit wie ich bei seiner Familie.

Mehrere Leute auf meinem Schiffe waren an hitzigen Fiebern der tropischen Gegenden gestorben, so daß ich genötigt war, Matrosen in Barbados und auf den Inseln unter dem Winde anzuwerben, wo ich nach dem Auftrage der Schiffsherren anlegen mußte. Bald aber hatte ich Grund, dies zu bereuen, denn ich fand nachher, daß die meisten Bukanier11 waren. Ich hatte fünfzig Mann unter meinem Befehl und Auftrag, mit den Indern der Südsee Handel zu treiben und alle nur möglichen Entdeckungen zu machen. Jene Schurken, die ich aufgenommen hatte, verführten meine anderen Leute, und alle bildeten eine Verschwörung, sich des Schiffes zu bemächtigen und mich beiseite zu schaffen. Dies geschah eines Morgens. Alle stürzten in meine Kajüte, banden mich an Händen und Füßen und drohten, mich über Bord zu werfen, wenn ich mich wehre. Ich sagte ihnen, ich sei Gefangener und werde mich unterwerfen. Dann nahmen sie mir hierüber einen Eid ab, banden mich los, fesselten meine Füße mit einer Kette an mein Bett und stellten an meine Tür eine Schildwache mit geladenem Gewehr und dem Befehl, mich zu erschießen, sobald ich mich zu befreien versuchte. Sie schickten mir Lebensmittel und Getränk herunter und übernahmen selbst den Befehl meines Schiffes. Es war ihre Absicht, Piraten zu werden und die Spanier zu plündern, was sie jedoch nicht eher ausführen konnten, als bis sie mehr Leute angeworben hatten. Zuerst aber beschlossen sie, die Güter aus dem Schiffe zu verkaufen. Dann wollten sie nach Madagaskar segeln, um Rekruten zu werben, da mehrere von ihnen seit meiner Gefangennahme gestorben waren. Sie segelten mehrere Wochen lang und handelten mit den Indern; ich wußte aber nicht, welche Richtung sie einschlugen, da ich als Gefangener in der Kajüte eingeschlossen war und stets ermordet zu werden fürchtete; eine Drohung, die mir häufig gemacht wurde.

Am 9. Mai 1711 kam ein gewisser James Welch in meine Kajüte und sagte, er habe vom Kapitän Befehl, mich ans Ufer zu setzen. Ich machte ihm Vorstellungen, jedoch vergeblich. Er wollte mir nicht einmal sagen, wer denn der neue Kapitän sei. Man zwang mich, das lange Boot zu besteigen, erlaubte mir, meinen besten Anzug anzulegen, der noch so gut wie neu war, ein Bündel Wäsche, aber keine Waffen mitzunehmen, mit Ausnahme meines Hirschfängers. Auch erwies man mir die Höflichkeit, meine Taschen nicht zu durchsuchen, worin ich mein Geld und kleine Bedarfsgegenstände trug. Die Empörer ruderten ungefähr eine Stunde und setzten mich dann an einem Strande aus. Ich bat sie, mir zu sagen, in welchem Lande ich mich befände. Sie schwuren jedoch, dies ebensowenig zu wissen wie ich. Der Kapitän (wie sie ihn nannten) habe beschlossen, sobald die Ladung verkauft sei, sich meiner sogleich zu entledigen, wenn man Land entdeckte. Sie stießen ab, rieten mir, mich zu beeilen, damit ich von der Flut nicht überrascht würde, und sagten mir Lebewohl.

In diesem traurigen Zustande ging ich vorwärts und kam bald auf festen Boden, wo ich mich auf einer Erhöhung niedersetzte, um auszuruhen und zu überlegen, was ich am zweckmäßigsten beginnen könne. Als ich mich ein wenig erholt hatte, ging ich in das Innere des Landes und beschloß, mich den ersten Wilden zu ergeben, die ich anträfe, und mit Armbändern, Glasringen und anderem Spielzeug, womit sich die Seefahrer auf Reisen zu versehen pflegen und wovon ich einiges bei mir trug, meine Sicherheit zu erkaufen. Das Land war durch lange Reihen von Bäumen, die jedoch nicht regelmäßig gepflanzt waren, sondern natürlich wuchsen, durchschnitten; auch befanden sich dort viele Graswiesen und mehrere Haferfelder. Ich ging sehr vorsichtig, aus Furcht, überrascht oder von der Seite oder von hinten mit Pfeilen beschossen zu werden. Dann gelangte ich auf einen betretenen Pfad, wo ich viele Spuren von Menschenfüßen und auch von Kuhhufen sah, die meisten waren jedoch die von Pferdehufen. Zuletzt sah ich mehrere Tiere auf einem Felde und eines oder zwei von derselben Art, die auf Bäumen saßen. Ihre Form war sehr sonderbar und häßlich, so daß ich ein wenig aus der Fassung kam und mich hinter einen Busch legte, um sie genauer zu beobachten. Einige kamen dem Platze näher, wo ich lag, und boten mir dadurch Gelegenheit, ihre Gestalt besser zu erkennen. Kopf und Brust waren mit dickem Haar besetzt, einiges gelockt und anderes lang herabhängend. Sie hatten Bärte wie Ziegen, einen langen Haarstreifen auf dem Rücken und an den vorderen Teilen ihrer Beine; der übrige Teil Ihres Körpers war haarlos, so daß ich die Haut erkennen konnte, die von schmutzig dunklem Braun war. Sie waren nicht geschwänzt und hatten auch kein Haar an der hinteren Partie, mit Ausnahme des Anus. Die Natur mußte diesen Körperteil mit Haaren versehen haben, um ihn zu schützen, denn ich sah, daß jene Geschöpfe sich setzten wie auch niederlegten und auf den Hinterfüßen standen. Sie erklommen hohe Bäume so behende wie Eichhörnchen, denn sie besaßen starke und scharfe Klauen, die in spitzen Haken endeten. Sie pflegten mit wunderbarer Behendigkeit zu hüpfen und zu springen. Die Weibchen waren nicht so groß wie die Männchen; sie hatten lang herabhängendes Haar auf ihren Köpfen, aber keines im Gesicht, wie auch auf dem größten Teile des übrigen Körpers, abgesehen von der Schamgegend. Ihre Brustspitzen hingen zwischen ihren Vorderpfoten und erreichten beinahe den Boden, wenn sie gingen. Das Haar beider Geschlechter war von verschiedenen Farben, braun, rot, schwarz und gelb. Im ganzen sah ich auf allen meinen Reisen niemals ein so unangenehmes Tier, das mir eine ähnliche Abneigung erweckt hätte. Somit dachte ich, jetzt habe ich genug gesehen, stand voll Verachtung und Abscheu auf und folgte dem getretenen Weg, indem ich hoffte, er werde mich zu der Hütte eines Inders führen. Ich war noch nicht weit gegangen, als ich einem jener Geschöpfe begegnete, das geradewegs auf mich zukam. Als das häßliche Ungeheuer mich erblickte, verzog es sein Gesicht und starrte mich an, als habe es ein solches Geschöpf noch nicht gesehen; dann kam es näher und hob seine Vorderpfote in die Höhe, vielleicht aus Neugier, vielleicht auch aus Bosheit. Ich aber zog meinen Hirschfänger und gab ihm einen derben Schlag mit der flachen Klinge. Mit der Schärfe wagte ich nicht zu schlagen, denn ich fürchtete, die Einwohner möchten gegen mich aufgereizt werden, wenn sie erführen, daß ich ein Exemplar ihres Viehes getötet oder verstümmelt hätte. Als das Tier den Schmerz empfand, fuhr es zurück und brüllte so laut, daß eine Herde von wenigstens vierzig Stück vom nächsten Felde her mich umschwärmte, laut heulte und mir böse Gesichter schnitt. Ich aber lief auf einen Baumstamm zu, lehnte meinen Rücken dagegen und wehrte die Tiere durch das Schwingen meines Hirschfängers ab. Mehrere Individuen dieses verfluchten Geschlechts ergriffen die Baumzweige hinter mir, sprangen auf den Baum und beschmutzten meinen Kopf mit ihrem Kot; ich kam übrigens noch gut davon, denn ich drückte mich dicht an den Stamm, wurde aber beinahe von dem Gestank des Kotes erstickt, der an allen Seiten neben mir herabfiel.

In meiner Not bemerkte ich jedoch, wie sie plötzlich alle so schnell wie möglich davonliefen. Hierauf wagte ich es, den Baum zu verlassen und meinen Weg weiterzuverfolgen, voll Neugier, was jene Tiere erschreckt haben könnte. Als ich aber linkshin blickte, sah ich ein Pferd, das langsam auf dem Felde spazierenging; dies war aber die Ursache, weshalb meine Angreifer flohen, als sie dies Tier erblickt hatten. Das Pferd fuhr ein wenig zurück, als es mich erblickt hatte, erholte sich jedoch bald von seinem Schrecken und sah mir mit deutlichen Zeichen des Erstaunens ins Gesicht. Es besah meine Hände und Füße und ging mehrere Male um mich herum. Ich wollte meinen Pfad weiterverfolgen; es stellte sich mir jedoch in den Weg, blickte mich freundlich an und zeigte nicht die geringste Neigung zur Gewalttätigkeit. Wir blieben stehen, indem wir einander eine Zeitlang ansahen; zuletzt war ich so kühn, meine Hand zu seinem Halse zu erheben, in der Absicht, es zu streicheln, und pfiff dabei, wie dies Reitknechte zu tun pflegen, wenn sie ein fremdes Pferd behandeln müssen. Das Tier aber schien meine Höflichkeit mit Verachtung aufzunehmen, schüttelte sein Haupt, senkte seine Brauen und erhob ruhig seinen Vorderfuß, um meine Hand zu entfernen. Dann wieherte es drei- oder viermal, jedoch in so verschiedenem Ton, daß ich auf den Gedanken kam, es spreche mit sich selbst in einer ihm eigentümlichen Sprache.

Als wir beide uns auf diese Weise miteinander beschäftigten, kam ein anderes Pferd hinzu. Dies begann in einer etwas förmlichen Weise sich an das erstere zu wenden; dann berührten sie leicht ihre Vorderhufe, wieherten abwechselnd mehrere Male und veränderten dabei den Ton, so daß dies beinahe gesprochen zu sein schien. Sie gingen einige Schritte zurück, als wollten sie sich miteinander beraten, spazierten nebeneinanderher, rückwärts und vorwärts, wie Personen, die sich über eine wichtige Angelegenheit unterhalten, wobei sie häufig ihre Blicke auf mich hinwendeten, als wollten sie mich bewachen, damit ich nicht entwische. Ich staunte, ein solches Benehmen bei unvernünftigen Tieren zu bemerken, und dachte bei mir selbst, wenn die Einwohner dieses Landes einen entsprechenden Grad von Vernunft besitzen, so müssen sie das weiseste Volk der Erde sein. Dieser Gedanke gab mir so viel Trost, daß ich weiterzugehen beschloß, bis ich ein Haus oder ein Dorf entdecken oder mit den Eingeborenen zusammentreffen könnte, indem ich die beiden Pferde sich nach Belieben miteinander unterhalten ließe. Das erste Pferd jedoch, das eine scheckige graue Farbe hatte, wieherte, als ich mich fortstehlen wollte, in so ausdrucksvollem Tone, daß ich seinen Willen zu verstehen glaubte; deshalb drehte ich mich um und ging darauf zu, um seine weiteren Befehle zu erwarten, indem ich jedoch meine Furcht soviel wie möglich zu verbergen suchte. Ich begann nämlich Besorgnis zu fühlen, wie dies Abenteuer enden würde, und der Leser wird sich leicht denken können, daß ich mit meiner gegenwärtigen Lage nicht sehr zufrieden war.

Die beiden Pferde kamen mir näher und besahen sehr ernsthaft mein Gesicht und meine Hände. Das graue berührte meinen Hut mit dem Vorderhuf und verschob ihn so sehr, daß ich genötigt war, ihn abzunehmen, um ihn besser wieder aufzusetzen, worauf beide (das andere Pferd war kastanienbraun) sehr erstaunt schienen. Das letztere befühlte meinen Rockschoß, und als es fand, daß dieser lose um mich herumhing, sahen mich beide mit neuen Zeichen der Verwunderung an. Es streichelte meine rechte Hand und schien ihre Zartheit und Farbe zu bewundern, drückte sie aber so stark zwischen den Huf und das Fesselgelenk, daß ich aufzuschreien genötigt wurde. Sie kamen auch sehr in Verlegenheit über meine Schuhe und Strümpfe, die sie oft befühlten, worauf sie einander mit verschiedenen Bewegungen zuwieherten, die denen eines Philosophen glichen, wenn er ein neues und schwieriges Phänomen lösen will.

Im ganzen war das Benehmen dieser Tiere so ordentlich und vernünftig, so scharfsinnig und klug, daß ich zuletzt daraus schließen mußte, es seien Zauberer, die sich zu irgendeinem Zweck verwandelt und beschlossen hätten, sich an einem Fremden zu belustigen, den sie unterwegs anträfen; oder vielmehr, die über den Anblick eines Menschen wirklich erstaunten, der in Kleidung, Gesichtszügen und Farbe von den übrigen Menschen, die in einem so entfernten Klima wohnen könnten, so verschieden sei. Infolge dieses Schlusses hielt ich an sie folgende Anrede: »Meine Herren, wenn Sie Zauberer sind, wie ich zu vermuten die Ursache habe, so müssen Sie jede Sprache verstehen können. Ich bin darum so frei, Euer Gnaden wissen zu lassen, daß ich ein armer Engländer bin, der durch ein Unglück an dieses Land verschlagen wurde. Deshalb bitte ich einen von Ihnen, mich auf seinem Rücken reiten zu lassen, als wären Sie wirkliche Pferde, und mich zu einem Hause oder zu einer Stadt zu bringen, wo ich werde Hilfe finden können. Als Belohnung für diese Gefälligkeit werde ich Ihnen dies Messer und dieses Armband geben.« (Ich hatte beide zuvor aus meiner Tasche gezogen.) Die beiden Geschöpfe schwiegen, während ich sprach, schienen jedoch mir mit großer Aufmerksamkeit zuzuhören; als ich geendet hatte, wieherten beide sich häufig zu, als wären sie in ein ernsthaftes Gespräch vertieft. Ich bemerkte deutlich, daß ihre Sprache die Leidenschaften sehr gut ausdrückte und daß die Worte in ein Alphabet gebracht werden könnten, das bei weitem einfacher als das chinesische sein müßte.

Ich konnte häufig das Wort Yähu unterscheiden, das mehrere Male von ihnen wiederholt wurde, und obgleich es mir unmöglich war, die Bedeutung zu erraten, so bemühte ich mich, während die beiden Pferde sich miteinander unterhielten, es meiner Zunge zugänglich zu machen. Sobald sie schwiegen, sprach ich deshalb Yähu mit lauter Stimme aus, indem ich zugleich, so gut wie möglich, das Wiehern eines Pferdes nachahmte. Hierüber schienen beide sehr erstaunt, und der Schecke wiederholte mir das Wort zweimal, als wolle er mir die richtige Aussprache zeigen. Ich sprach es ihm so gut wie möglich nach und fand, daß ich mich jedesmal verbesserte, obgleich ich von Voll kommenheit noch sehr weit entfernt war. Dann machte der Braune mit mir den Versuch mit einem zweiten Worte, das noch schwerer auszusprechen war; um es durch unsere Orthographie auszudrücken, werde ich es Hauyhnhnm schreiben müssen. Diese Aussprache gelang mir nicht so gut wie die frühere; nach zwei oder drei Versuchen hatte ich jedoch mehr Glück, und beide erstaunten über meine Fähigkeit.

Nach einem weiteren Gespräch, von dem ich vermutete, daß es sich auf mich beziehe, nahmen die beiden Freunde voneinander Abschied, indem sie dieselbe Höflichkeit, die Hufe zu rühren, wiederholten. Das braune Pferd gab mir ein Zeichen, ich solle ihm vorangehen, und ich hielt es für klug zu gehorchen, bis ich einen bessern Führer erhalten haben würde. Als ich anfing etwas langsamer zu gehen, schrie es hune, hune. Ich erriet seinen Willen und gab ihm so gut wie möglich zu verstehen, ich sei müde und könne nicht schneller gehen, worauf es stillstand, um mich ausruhen zu lassen.

11 Die Seeräuber jener Zeit in den westindischen Meeren, die auch unter dem Namen Flibustier bekannt sind.

Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten

Подняться наверх