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Kapitel 2

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Die Stadt war wie ein Raubtier, das nur darauf wartete, Hank anzuspringen. Das fand jedenfalls Hank. Vor seinem geistigen Auge beugten sich die Hochhäuser mit ihren grauenhaften Fratzen zu ihm herunter und öffneten fletschend ihre zahnbewehrten Mäuler. Bei der bloßen Vorstellung rann Hank ein Schauer über den Rücken. Er konnte nicht verstehen, warum Old Bob nicht ebenso empfand wie er. Old Bob bereitete die Fahrt in die Stadt sichtlich Vergnügen. Er pfiff sogar ein vergnügtes Lied vor sich hin.

Sie kamen einwandfrei durch den Verkehr, da die wenigen Autos, die ihnen begegneten, von Computern gesteuert wurden, anstatt von menschlicher Hand. So wichen sie einigen gewagteren Manövern von Old Bob problemlos aus.

Im Inneren der zumeist sehr flachen Wagen mit modernen Formen sah man Leute entspannt wie auf einer Couch liegen. Fußgänger gab es immer noch zuhauf auf den Bürgersteigen. Aber auch hier bemerkte Hank einige Neuerungen in der Stadt:

An einigen Ecken standen merkwürdige silberne, ovale Kästen, die im Entferntesten an Telefonhäuschen erinnerten. In regelmäßigen Abständen entstiegen ihnen Personen. Hank staunte nicht schlecht, als er bei einer nahen Vorbeifahrt in einen Kasten hineinsehen konnte und dabei feststellte, dass es sich hierbei um Teleporter handelte.

So konnte man nun auch größere Entfernungen mühelos überwinden. Das erklärte auch das verhältnismäßig geringe Verkehrsaufkommen, vermutete Hank.

„Hier fährt wohl nicht mehr jeder herum, oder?“, hakte er bei Old Bob nach.

„Von wegen. Hier ist doch nur der Verkehr für die Personen, die in der näheren Umgebung Besorgungen machen müssen.“

„Aha“, sagte Hank, schaute weiter den Fahrzeugen zu und runzelte die Stirn. „Ey, wo ist denn der Rest der Leute?“

„Welcher Rest?“

„Tja, die anderen eben! Die, die hier nichts verloren haben. Ich meine: Die Menschen, die nicht hier leben, aber hier durchmüssen“, brachte Hank etwas umständlich heraus.

„Ah, du meinst die Durchreisenden?“ Old Bob deutete zum Himmel hinauf. „Na, sieh’ doch mal nach oben!“

Widerwillig stand Hank von seinem Platz auf und schaute duch die Windschutzscheibe nach außen in Richtung Himmel.

Was er sah, ließ ihn ehrfürchtig staunen. Wie riesige, lange Schlangen aus bunten Metallklötzchen schoben sich am Rande der oberen Wolkenkratzerebene die fliegenden Verkehrsmittel durch die Luft. An schwebenden Kontrollpunkten machten sie Halt, um für kurze Zeit eine weitere Schlange aus bunten Metallklötzchen ihren Weg kreuzen zu lassen. Zwischen ihnen flogen auch noch gigantisch aussehende Transporter durch die Luft, die mit ihren großen Werbelettern die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken versuchten.

„Und da oben fliegst du auch herum?“, staunte Hank.

„Nein, nicht ganz“, schüttelte Old Bob den Kopf. „Ich starte etwas abseits von hier mit meinem Shuttle und fliege dann am äußeren Ende der Stadt von hier zum Mond.“

„Sieh’ dir das da oben an! Ist schon ganz lange her, seitdem ich so ein Spektakel von einem Konvoi gesehen habe.“

„Ja, da fliegen aber nur die normalen Flugautos oder Transporter“, erklärte Old Bob.

„Mir ist schon klar“, unterbrach ihn Hank barsch, „dass ein Shuttle nicht im Straßen-, pardon, Wolkenkratzerverkehr mitfliegt.“

Old Bob sah ihn verlegen an. Er wollte Hank nicht unterstellen, dass er zurückgeblieben wäre. „Klar, entschuldige“, murmelte er deshalb leise.

Hank war aber nicht verletzt. Ihm hatte es immer noch der Konvoi angetan. Er deutete mit dem Zeigefinger nach oben. „Diese Technologie haben uns die Aliens gebracht?“

„Klasse, nicht wahr? Ja, die Technik hat seit dem Eintreffen der Aliens gewaltige Fortschritte gemacht.“

Diese Aussage brachte Hank zurück in die Wirklichkeit. „Apropos. Wo sind denn die Außerirdischen? Ich habe bis jetzt noch keinen von ihnen gesehen.“

„Geduld, mein Freund. Sie haben sich inzwischen sehr gut in unsere Gesellschaft integriert. Klar, wenn man einen sieht, weiß man sofort, dass es ein Alien ist, aber sie sprechen aus Höflichkeit dieselbe Sprache.“

„Was? Das ist ja entsetzlich!“, entrüstete sich Hank.

„Wirklich? Wieso findest du denn das?“

„Noch so ein Pack, das sich wie Insassen einer Irrenanstalt benimmt. Und ich dachte, wenn es irgendwo Aliens gäbe, wären die uns nicht nur technisch um Lichtjahre voraus, sondern auch geistig.“

In diesem Augenblick musste Old Bob den Bus vor einem Zebrastreifen abbremsen. Ein Alien, das aussah wie ein großer, dünner Bär, überquerte die Straße, blieb mitten auf dem Zebrastreifen stehen, kratzte sich an seinem Gesäß, blickte Hank sowie Old Bob müde an und rülpste ihnen entgegen, bevor es seinen Weg fortsetzte.

„So schlimm sind sie doch gar nicht“, sagte Hank erfreut. Wie er schienen die Aliens gegen die komischen Sittenregeln der Menschen offen zu protestieren. Hank öffnete schnell ein Schiebefenster auf seiner Seite und rief hinaus: „Weiter so, Mann!“ Dann setzte er sich wieder kichernd auf seinen Platz.

Old Bob antwortete nicht. Ihm hatte es die Sprache verschlagen.

Durch die verwinkelten Straßen ging es weiter. Allmählich drangen durch die Lüftungsschächte des Fahrzeugs die wunderlichsten Düfte und Gerüche.

„Mann, das riecht aber gut!“, meinte Hank und nahm noch einmal einen tiefen Zug.

„Das kommt von diesem Imbissstand dort drüben.“ Old Bob zeigte zur rechten Fensterseite hinaus.

Ein grünes Alien, das annähernd wie ein aufrecht gehender Alligator aussah, verkaufte dort wohlriechende Snacks, die mit etwas Fantasie an ein Mini-Kanguruh erinnerten.

„Was ist das denn für ein Zeug?“, fragte Hank entsetzt.

„Magellanwolken-Kusskuss“, antwortete Old Bob knapp.

„Ist etwas?“, hakte Hank neugierig nach, den Old Bobs plötzliches Schweigen misstrauisch machte.

„Ach, Magellanwolken-Kusskusse sind eigentlich intelligente Lebewesen so wie du und ich.“ Old Bob seufzte schwermütig und schüttelte den Kopf. „Manche dieser Alienrassen sind eben doch barbarisch. Zum Glück sehen sie uns Menschen nicht als weitere Nahrungsquelle an.“

„So was!“ Hank pflanzte sich wieder auf seinen Platz und genoss den Rest der Fahrt in ehrfürchtigem Schweigen.

Immer wieder liefen einige Aliens auf der Straße herum und Hank stellte fest, dass sie von allen Ecken und Enden der bekannten Galaxien kommen mussten, denn nicht einmal glich ein Alien dem anderen.

Als Hank noch in der Stadt lebte, hatte er nur die Haifisch-ähnlichen Aliens kennengelernt. Heute waren in der Stadt anscheinend alle Rassen und Arten vertreten. Es gab kleine Aliens, die Hank nicht einmal bis zur Hüfte reichten, und neben den etwa menschengroßen Aliens auch noch riesige Muskelberge, die an einen aufrecht gehenden Dinosaurier erinnerten. Ein Rhinozeros-Alien trug sogar einen Hut und als eine alte Dame an ihm vorüberging, zog er ihn genauso zum Gruß, wie es ein Mensch getan hätte.

„Junge, Junge!“, staunte Hank abermals. ,Also haben sich doch einige von ihnen den anderen Irrenhausinsassen angepasst‘, fügte er im Geist hinzu.

Old Bob fuhr seinen Bus in Richtung eines so großen Wolkenkratzers, dass Hank seine Spitze nicht sehen konnte, selbst dann nicht, als der den Kopf aus dem Fenster steckte und direkt nach oben sah. Das Gebäude schien oberhalb der Wolkengrenze zu enden.

„Was ist das hier, Bob?“

„Das ist das ‚Sons of Lewis‘. Ein ziemlich nobler Laden, der so gut wie alles rund um Uhren führt. Ich glaube, dass du bei ihm sehr gut bedient wirst.“

„Das ist aber groß, da drin werden wir bestimmt einige schöne Stunden mit dem Anschauen von Digitaluhren verbringen. In meinen Magazinen stand, dass einige Uhrenläden noch viele Schätze aus der Zeit vor der Ankunft der blöden Plasmauhr auf Lager hätten.“

„Ich glaube“, behauptete Old Bob, „du wirst dich da drin wie zuhause fühlen. Außerdem ist ja alles ausgeschildert.“

„Kommst du nicht mit mir hinein?“, fragte Hank, dem langsam dämmerte, dass es nicht nach seinem Wunsch gehen würde.

„Nein. Ich würde gerne, aber meine Schicht am Raumhafen fängt bald an.“

„Was? Ich soll da alleine rein?“ Hank sah zu dem großen Portal des Uhrenladens hinüber und der Vergleich mit einem Höllenschlund drängte sich ihm wieder unweigerlich auf. „Da … da … da …da drin sind Menschen! Menschen, Mann!“ Hanks Redeweise fiel wieder zurück in die Zeit, bevor er auf Old Bob getroffen war.

Old Bob starrte ihn skeptisch an. „Ja, aber ich bin doch auch ein Mensch.“

„Da drin sind mir zu viele auf einmal. Das halte ich nicht aus!“, beschwerte sich Hank und fuchtelte mit seinen Armen herum.

„Da dürften hauptsächlich Aliens drin sein, da sie ja die Betreiber der Handelskette sind.“

Hank erstarrte. „Das … Ich … Wo…“, stammelte er zusammenhanglos. Dann blickte er Old Bob fragend an. „In deinem Bus gibt es nicht zufälligerweise eine Reisetoilette?“

„Was?“ Old Bob hielt den Wagen kurzzeitig an und sah zu Hank nach hinten. „Nein, das hier ist kein Greyhound Reisebus.“

„Ich muss aber ganz dringend. Immer wenn ich aufgeregt bin, muss ich …“ Hank entdeckte im hinteren Teil des Busses einen Eimer. „Oh, mach’ dir keine Mühe. Ich seh’ da was.“ Hank stand auf und eilte auf den Eimer zu. Noch ehe Old Bob protestieren konnte, ließ Hank die Hosen runter und setzte sich auf den Eimer drauf.

Old Bob drehte sich wieder um und sah nach vorne. Er fuhr langsam los. ,Was soll man da machen?‘, dachte er. Über eine Sache wollte er ihn aber noch aufklären: „Ich kann dich ja ein bisschen verstehen, aber du solltest dir angewöhnen, auf eine richtige Toilette zu gehen, um dein Geschäft zu verrichten. Sonst wirst du sehr bald Ärger mit dem Gesetz bekommen.“

„Oh, nein, nicht schon wieder!“, meinte Hank traurig. „Ich habe mir ja auch schon selbst gesagt: Hank, du musst damit aufhören. Ich werde es versuchen. Ich werde es …“ Er presste fest, bis etwas in den Eimer fiel. „… versuchen.“

Old Bob fuhr an den Straßenrand und hielt an. Er öffnete die Bustür, damit Hank aussteigen konnte, doch der rührte sich nicht vom Fleck, sondern sah Old Bob erwartungsvoll an.

„Na schön“, gab Old Bob nach und stieg aus. Hank hatte sich mit einem Taschentuch sauber gemacht, zog die Hose hoch und folgte ihm. Doch Old Bob drehte sich plötzlich um: „Ach, der Eimer.“ Hank eilte wieder zurück in den Bus, schnappte sich den Eimer und wollte ihn Old Bob geben. Der deutete aber auf einen schwarzen Monolithen, der an einer Häuserecke stand. „Ich will das nicht. Das kommt da rein!“

Hank setzte zu einem Protest an. Er wusste ja gar nicht, wie diese Alientechnik funktionierte, aber er wollte es dann doch einmal selbst ausprobieren. Er näherte sich dem Monolithen und als er dicht vor ihm stand, entstand ein Strudel auf dessen Oberfläche. Hank erschrak und warf den Eimer hinein. Mit einem „WUPP“ verschwand dieser an einen unbekannten Ort. Hank staunte nicht schlecht darüber, auch wenn Old Bob nun keinen Eimer mehr besaß.

„Aber nach dem Ladenbesuch“, griff Old Bob ihr ursprüngliches Gespräch wieder auf, „muss ich wirklich weg, verstehst du?“

„Und wie komme ich dann nach Hause?“

So langsam bereute es Old Bob, dass er diesen Mann einfach von der Straße aufgelesen hatte. „Tja, es gibt gute Taxiunternehmen hier. Dort drüben vor dem Eingang des Geschäftes steht zum Beispiel eines.“ Old Bob zeigte geradeaus nach vorne.

Ein Alien, das wie ein Riesen-Flugsaurier aussah, kreischte in einer fremden Aliensprache nach Kunden, wie es ein alter Marktschreier in vergangenen Zeiten getan hätte.

„Nein, danke!“ Hank schauderte es.

Old Bob bemerkte Hanks Abwehrreaktion auf das Alien. „Dann nimm’ halt ein anderes Taxi!“, schlug er ihm vor.

Hank blickte sich suchend um. „Aber hier gibt es doch gar keine Taxis.“

„Himmelherrgott noch mal! Du musst suchen!“, meinte Old Bob genervt. Er beruhigte sich aber kurz darauf wieder.

Hank sah sich verloren in alle Himmelsrichtungen um. „Und wo soll ich suchen?“

Old Bob seufzte tief und lange. „Also schön, ich komme mit dir mit! Nicht, dass du da drin noch Ärger bekommst.“

Sie gingen auf das mächtige Eingangsportal zu. Da Hank, noch immer beeindruckt von der schieren Größe des Baus, den Hans-Guck-in-die-Luft spielte, trat er Old Bob mehrmals in die Hacken. Old Bob beeilte sich daher, vor Hank in den Laden zu kommen.

Die unterste Abteilung beherbergte so viele Uhren, dass Hank schon nach einer Minute nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand. Von so vielen Eindrücken, die auf einmal auf ihn einstürmten, war er ganz benommen, drehte sich schnell um und stieß dabei gegen ein Tablett, das ihn ein silbern glänzender Roboter entgegenhielt. Es war voller blinkender Zeitanzeiger, die Hanks Blick magisch anzogen.

„Interessiert an einer Fujikomo 2000, Sir?“, fragte der Roboter hoch motiviert.

„Warum sollte ich das sein?“ Hank begutachtete den komischen Roboter. Als er die Stadt verlassen hatte, gab es nur halbintelligente Roboter in den Autofabriken, aber eine eigene Persönlichkeit konnte bis dahin noch niemand künstlich herstellen.

Dieser eierköpfige Roboter vor ihm schien ebenfalls eine Errungenschaft der Alientechnologie zu sein. Hank fragte sich, warum sie nur so großzügig ihre Technik mit den Menschen geteilt hatten. Irgendeinen Zweck mussten diese Aliens doch damit verfolgen. Vielleicht war er hier einer großen außerirdischen Verschwörung auf der Spur.

„Es könnte für Sie für Interesse sein“, erklärte der Roboter, „dass Sie mit der Fujikomo 2000 über das gegenwärtige Spitzenprodukt der Chronografischen Plasmatechnologie verfügen würden. Diese Uhr kann wartungsfrei bei Arbeiten im Weltraum am Anzug getragen werden. Ebenso bis zu 2000 Meilen unter dem Ozean. Was sagen Sie dazu?“, pfiff der Roboter ihm weiterhin vergnügt zu.

„Ich hasse Plasmatechnologie!“, schnauzte Hank ihn an. „Und wozu sollte ich im All die Uhrzeit wissen wollen?“

Der Roboter schien ein klein wenig verlegen zu sein und machte mit seiner freien, rechten Hand eine abwehrende Geste. „Aber nicht doch! Außer dieser Technologie gibt es doch heute nichts mehr anderes, oder?“

„Na klar doch, hier!“ Hank zeigte dem Roboter seine kaputte Digitaluhr.

Der Roboter staunte nicht schlecht, jedenfalls fand das Hank, weil er sah, wie der Roboter seine beiden Kameraaugen ausfuhr bis auf eine Länge von zwanzig Zentimeter, um Hanks Uhr ungläubig zu begutachten.

„Die ist ja kaputt!“, stellte der Robot nach kurzem Abtastens mit seinen Scannern fest.

„Ja, genau deshalb bin ich ja hier!“ Im Geist fügte Hank hinzu: ,Endlich hat der Schrotthaufen etwas begriffen.‘

„Richtig, Sir!“, sprudelte der Roboter wieder vergnügt hervor. Jetzt hatte er sein Selbstbewusstsein wieder. „Da sind Sie genau am richtigen Platz. Wir haben eine riesige Auswahl an neuen Plasmauhren! Wollen Sie sich einmal die oberen zehn Abteilungen ansehen? Alleine dort gibt es über 80000 verschiedene Modelle und das sind nur die Standardmodelle.“ Der Roboter bewegte seine metallische Augenbraue, als zwinkerte er ihm in einer menschlichen Geste zu. „Na, hab’ ich Ihnen nicht Appetit gemacht?“

„Kann Plasmatechnik nicht ausstehen!“, meinte Hank angeekelt, rümpfte die Nase und ließ den Roboter links stehen, um Old Bob in die nächst höher liegende Abteilung zu folgen. Zuvor hatte dieser sich mit einem Elefanten-ähnlichen Verkäufer mit einem mordsgroßen, schwarzen Jackett unterhalten. Dieses Gespräch schien aber nicht den gewünschten Erfolg gehabt zu haben.

Vor der Rolltreppe holte Hank Old Bob ein und klopfte ihm auf den Rücken. „Und? Wie geht’s nun weiter?“

„Abwarten!“, meinte Old Bob knapp.

Abwarten war nun wirklich nicht Hanks Stärke. Während der gesamten Zeit, die sie brauchten, um mit der Rolltreppe in den 20. Stock zu gelangen, nörgelte er herum. Kein Verkäufer verstand ihn, klagte er, da sie ihm alle Plasmauhren andrehen wollten. Old Bob blieb gelassen. Er hätte nur nie gedacht, dass Hank solch ein Hardcore-Digitaluhren-Fan war.

Oben angekommen, zerrte Old Bob ihn zu einem etwa zwei Meter großen Walross-Alien, das einen grauen Armani-Anzug und einen gepflegt aussehenden, gestutzten Bart trug.

„Sie wünschen, meine Herren?“, sprach das Walross beide in einem einwandfreien, schottischen Akzent an, was Hank etwas verwirrte.

„Nun, äh, ja, äh, ok, äh …“, stotterte er unentschlossen darüber, was er sagen sollte.

„Kann ich jetzt gehen?“, fragte Old Bob dazwischen. „Ich muss heute noch bei meiner eigentlichen Arbeit erscheinen.“

„Nein!“, flammte Hank auf. „Ich muss doch nach der Reparatur meiner Uhr wieder nach Hause!“

„Reparatur?“, fragte das Walross erstaunt.

„Ja, von meiner Digitaluhr!“

„Digi, äh, tal, äh, Uhr?“, versuchte das Walross zu verstehen.

„Ja, was denn sonst? Sie ist kaputt, ich komme zu Ihnen und Sie reparieren sie. So läuft doch der Hase?“, erkundigte sich Hank und gestikulierte wild mit seinen Händen herum.

„Der Hase? Welcher Hase?“, fragte das Walross verblüfft und sah sich aufgeregt um.

Old Bob neigte sich etwas zu Hank und raunte ihm zu: „Du darfst keine Redewendungen benutzen. So gut haben sich die Aliens nun auch nicht in unsere Gesellschaft integriert. Sie missinterpretieren Redewendungen oder Schimpfworte.“

„Achso“, erwiderte Hank und wandte sich wieder dem Walross zu. „Hase nix hier. Weeeit weg! Nicht hier.“ Zur Verdeutlichung machte er eine die nähere Umgebung beschreibende Geste.

„Du musst aber auch nicht gleich mit ihnen reden wie mit einem Zurückgebliebenen, Hank. Sei einfach nur normal“, raunte Old Bob ihm erneut zu.

Das Walross starrte Hank an und sah dann fragend zu Old Bob. Der hob abwehrend die Hände und trat einen Schritt zur Seite.

„Wo willst du hin?“, fragte Hank, der dies sehr wohl aus seinen Augenwinkeln mitbekam.

„Ich muss jetzt los. Ein, äh, Notfall!“, log Old Bob ungeniert.

Während Hank sich mitfühlend nach der Art des Notfalls erkundigte und Old Bob irgendwas über eine dringende medizinische Fracht zu faseln begann, ordnete das blaue Walross per Telefon die Exekution sämtlicher Hasen im und rund um das Gebäude an. Dann unterbrach es erleichtert den Wortwechsel der beiden anderen mit den Worten: „Es hat sich alles geklärt. Das Problem wurde beseitigt.“

„Was? So schnell? Sie haben meine Uhr repariert? Ich habe sie doch noch gar nicht abgenommen. Hey, Sie sind prima!“ Hank glaubte an ein Wunder.

„Apropos prima! Ich habe bereits eine prima Verspätung. Bis bald!“ Old Bob nutzte diese Ablenkung und stürmte auf der Rolltreppe davon nach unten. Er wollte nur weg hier.

„Wie? Die Digitaluhr?“, fragte das Walross leicht verwirrt.

„Hey!“, rief Hank Old Bob hinterher, blieb aber weiterhin bei dem Verkäufer stehen. Hank blickte auf seine Digitaluhr, doch das Alien hatte ihn angelogen. Sie war immer noch kaputt. „Sie Dämlack! Hier, reparieren Sie sie. Sofort!“ Hank benutzte seine aggressivste Stimme, welche mächtig eindrucksvoll wirkte, nur nicht bei dem Walross, das die menschliche Sprache zwar beherrschte, aber den Tonfall nicht deuten konnte.

„Ich kann Ihnen keine Digitaluhr mehr reparieren lassen“, informierte ihn das Walross.

„Und warum nicht?“

„Weil keiner mehr weiß, wie diese uralte Technik funktioniert! Ihre Uhr ist schließlich eine Antiquität! Möchten Sie nicht viel lieber eine Plasmauhr kaufen?“

Hank hatte es ja geahnt. So langsam stieg in ihm eine tiefe Wut auf, die sich wie immer bei ihm kurz, aber heftig entladen würde.

„Nein, nein und nochmals nein!“, blaffte Hank das Walross an. „Kein Schwein weiß also mehr, wie diese Technik funktioniert, häh?“

„Schwein?“ Der Puls des Walrosses schien wieder auf 180 zu gehen. Eine solche Schädlingsplage hatte es hier in den letzten Jahren nicht mehr erlebt. Und warum wusste dieser komische Mensch, dass sich diese Tiere alle in der Gegend aufhielten? Noch bevor es einen klaren Gedanken fassen und diesen verrückten Kunden von der Haussicherheit hinauswerfen lassen konnte, wurde es erneut von Hank unterbrochen: „Ihr Mistviecher! Ich will, dass ihr meine Digitaluhr zum Laufen bringt! Sag’ mir, wer sie reparieren kann! Und sag’ es mir jetzt!“, keifte Hank laut.

Das blaue Walross dachte kurz nach. „Ah ja! Aye, ich erinnere mich an eine Zweigstelle unserer Abteilung weit draußen vor dem schönen, aber primitiven Planeten Quazar IV im Sternbild Orion. Der liegt etwas abseits des Orion Hauptplaneten. Dort könnten Sie Glück haben!“

„Glück haben?“ Hank konnte nicht glauben, was er da hörte. „Ich musste heute bereits feststellen, dass meine Uhr nicht mehr funktioniert, musste in diese irre Stadt mit euch irren Aliens kommen und jetzt muss ich auch noch meinen irren Planeten verlassen, um zu einem besonders irren Planeten zu fliegen, wo sich möglicherweise jemand Irres befinden könnte, von dem Sie Irrer gar nicht wissen, ob er meine über alles geliebte Digitaluhr reparieren kann!“ Verzweifelt klammerte sich Hank am Kragen des Armani-Anzugs des Aliens fest.

Das Walross begann aufgrund der abgeschnittenen Luftzufuhr zu keuchen und zu würgen. Da hatte ihn Hank wirklich überrumpelt, denn mit einer aggressiven Auseinandersetzung wegen einer simplen Digitaluhr hatte das Walross nicht gerechnet. Dank seiner Kraft konnte es sich aber schnell von Hank befreien, ohne diesem weh zu tun.

„Entweder das“, bestätigte es, „oder ich tausche sie Ihnen gegen eine Plasmauhr um.“

„Nein, verdammt und zugenäht!“, schrie Hank. „Ich will keine Plasmauhr, Teufel noch mal!“ Sämtliche Kunden im Kaufhaus blickten zu ihm hin. „Der Laden ist doch echt voll von Rindviechern!“, schimpfte er, schon im Umdrehen begriffen. „Old Bo-o-ob!“, versuchte er, seinen Fahrer aufzuhalten, und rannte die Rolltreppe runter.

Das Walross war froh, dass es endlich diesen verrückten Kunden los war, der nur Schreckensmeldungen auf Lager hatte. Vollkommen mit seinen Nerven am Ende befahl es dem stationären Verteidigungsdienst des Kaufhauses auf sämtliche Schweine und Rinder in der gesamten Stadt zu schießen. Diese Viecher durften hier auf gar keinen Fall die Kundschaft belästigen.

Hank stürmte inzwischen so schnell die Treppe hinunter, dass er auf dem Weg nach unten mehrere Personen auf der Treppe anrempelte, sie alle ins Trudeln gerieten und dann herunter purzelten. Mit einer gehörigen Portion Frechheit rappelte sich Hank auf den zusammengekrümmten Leibern der anderen Unfallteilnehmer auf und rannte so schnell er konnte aus dem Laden hinaus.

Als er vor dem Laden stand, konnte er Old Bobs Bus noch stehen sehen, aber Old Bob sah auch ihn kommen, und dem bereitete das eine Heidenangst. Old Bob wollte endlich fort, seinen Lebensunterhalt verdienen. Deshalb versuchte er verzweifelt, seinen Schlüssel in das Zündschloss des Busses zu stecken.

Hank drehte sich herum und merkte sich den Namen der Ladenkette. Wenn er im Sternfeld des Orion ankam, würde er ihn sicher brauchen. „Seven Seals – A Co-Corperation of Sons of Lewis“.

„Was ein blöder Name!“, fand er.

Old Bob hatte mittlerweile den Motor gestartet. Mit einem „Nein!“, das von Herzen kam, sprang Hank durch die Luft und landete genau auf der Motorhaube, wo er sich an den Scheibenwischern festhielt. Old Bob startete den Bus und fuhr mit quietschenden Reifen los. Hank fragte sich, ob Old Bob ihn ganz einfach nicht gesehen hatte, und versuchte, mit einer Hand gegen die Frontscheibe zu klopfen. Er glaubte keine Sekunde lang, dass er der Grund für Old Bobs überstürzten Aufbruch war.

Old Bob war mit der Situation völlig überfordert. Sollte er anhalten, weiterfahren oder … ja, was sollte er machen? Ohne eine Wirkung damit zu erzielen, versuchte er, Hank mit der Scheibenreinigungsanlage loszuwerden. Eine Vollbremsung später brachen beide Scheibenwischer ab, Hank flog auf die Straße und es fing wie auf Stichwort an, in Bindfäden zu regnen. Das Wetter hatte sich Old Bobs Pechsträhne angepasst. Old Bob nahm nur selten Schimpfworte in den Mund, aber in diesem Moment fluchte er so laut und bitter, dass es einigen Engeln im Himmel Tränen in die Augen trieb.

Er seufzte laut auf. Irgendwie war das heute nicht sein Tag. Für Old Bob war es seit jeher das Beste gewesen, mit dem Strom zu schwimmen. Alles andere brachte nur Probleme mit sich. Und er war bei Gott kein nachtragender Mensch. Old Bob sah Hank eindringlich durch die Frontscheibe an und erkannte ein Kind im Körper eines Erwachsenen. Es war nicht seine Schuld, fand er, dass er mit diesem Leben nicht zurecht kam.

Er seufzte noch einmal und atmete tief durch, bevor er die Tür des Busses aufschwingen ließ, um den pitschnassen Hank eintreten zu lassen.

„Ich fahre nicht zurück in den Nationalpark!“, offenbarte er Hank, noch bevor dieser drinnen war.

„Das brauchst du auch nicht. Du arbeitest doch am Flughafen und fliegst ein Shuttle, sagtest du? Gut, dann auf zum Flughafen!“

„Raumhafen!“, verbesserte Old Bob ihn und schloss die Tür wieder. Angestrengt sah er nach draußen, wo der Regen stärker wurde.

„Hey, das war echt eine linke Nummer von dir, die du da drin abgezogen hast. Hast mich einfach im Stich gelassen. Das hättest du nicht tun sollen, dann hättest du jetzt nicht so ein schlechtes Gewissen, stimmt’s?“

„Ich hätte dann auch noch meine Scheibenwischer!“, lachte Old Bob belustigt über die Absurdität der Situation. Hank stimmte in das Lachen mit ein.

Die Fahrt zum Raumhafen der Stadt gestaltete sich als eine sehr mühselige Angelegenheit, bei der Old Bob den Bus mehrmals anhalten musste, da er wegen des starken Regens die Straße nicht mehr einsehen konnte. Da aufgrund des Gegenverkehrs ein Überholen von Old Bobs Bus unmöglich war, bildete sich trotz der wenigen Fahrzeuge hier unten ein Stau hinter ihnen. Ein Choleriker hinter ihnen regte sich so sehr auf, dass er, nur um seiner Wut freien Lauf zu lassen, mit einer Plasmaschrotflinte aus seinem Wagen feuerte und das Hinterteil von Old Bobs Bus durchlöcherte. Old Bob ging hinter dem Lenkrad in Deckung. Hank stürzte zum Henkfenster und zeigte dem Choleriker den Mittelfinger, was die Situation naturgemäß nicht verbesserte.

„Lass den Kerl bloß in Ruhe und geh in Deckung“, rief Old Bob ihm zu, als er sah, was Hank da trieb. Da eine kurze Pause eingetreten war, die der Irre nutzte, um seine Flinte nachzuladen, und Hank sowieso wieder das Interesse an der Situation verloren hatte, befolgte er Old Bobs Rat. Die Plasmaflinte ging genau in dem Augenblick wieder los, als ein Blitz den schwarzen Himmel über ihnen erhellte. Dann wurde es wieder düster und blieb es auch, bis ihr Ziel in Sichtweite kam.

Der Raumhafen der Stadt beherbergte zwei riesige Flugfelder, die mit großen Raumschiffen nur so vollgepackt waren. Hank konnte vielen ‚schweren Brummern’ bei ihren Starts und Landungen zusehen. Früher waren Flüge ins All nur mit Brennstoffraketen möglich gewesen und dann wurde auch nichts Größeres als ein Spaceshuttle ins All befördert. Deshalb staunte Hank nicht schlecht über die riesigen, kugelförmigen Frachtraumschiffe der Händler. Da die Raumschiffe alle mit einem vollautomatischen Piloten ausgestattet waren, so dass die Flugkapitäne darauf zurückgreifen konnten, machte denen das Navigieren im Regen nichts aus. Und so waren auch halsbrecherisch aussehende Manöver möglich, die ja sowieso der Autopilot absolvierte.

Der Bus hatte die reguläre Fahrbahn jetzt verlassen und das wütende Hupkonzert der aufgebrachten Meute hinter ihnen verebbte nun völlig. Old Bob war dafür sehr dankbar gewesen.

Hank eröffnete Old Bob plötzlich: „Da gibt es so einen Uhrenladen auf einem Planeten namens Quazar IV nahe dem Orion Hauptplaneten. Da muss ich hin.“

„Was? Zu diesem Planeten-Verbund, den die Aliens künstlich erschaffen haben, wovon einer sogar eine eigene Intelligenz besitzt und ein anderer der Sitz des galaktischen Rates ist?“

Hank überlegte kurz, da er aber nichts von intergalaktischer Geschichte wusste, kam er zu keinem Ergebnis.

Dies war nicht schlimm, denn Old Bob fuhr schon weiter fort: „Ich fliege aber zum Mond und nicht zum Orion! Weiter komme ich auch gar nicht mit meinem Shuttle.“

„Das macht nix. Wenn ich hier keinen geeigneten Flug finde, dann flieg’ ich mit zum Mond, um von dort weiter bis zu Quazar IV zu kommen.“

Old Bob nickte ihm zu. Spätestens dann war er Hank los. Es kam also alles wieder für ihn ins Lot. Dachte er.

Den Bus parkte Old Bob auf einem weitflächig abgesperrten Gelände, das nur für Piloten der Raumschiffe und Shuttles reserviert war, und dann stiegen sie aus. Old Bob stapfte gleich in Richtung des Check-In-Schalters. Hank folgte ihm wie ein Dackel.

All die großen Raumschiffe machten ihn nervös, aber er wusste nichts mit dieser Nervosität anzufangen. Konnte es wirklich Reisefieber sein? Nein, dachte er. Er lebte seit zehn Jahren abseits der Menschheit und der Aliens. Wie konnte er sich plötzlich auf diesen Trip ins All freuen? Um sich von diesen zutiefst widersprüchlichen Gefühlen zu befreien, erzählte er Old Bob seine ganze bisherige Lebensgeschichte und fügte noch einige lustige Anekdoten aus seinem, wie er fand, reichhaltigen Fundus an Lebenserfahrungen, hinzu.

Old Bob hörte Hank zwar zu, kam aufgrund Hanks plötzlichen Redeschwalls gar nicht dazu, ihn zu kommentieren.

Hank stoppte auf einmal und hielt Old Bob am Ärmel seines Anzugs fest. „Hey, warte mal! Wer ist denn das?“

„Was? Wen meinst du?“ Old Bob blickte sich um, konnte aber nichts entdecken. Er hoffte inständig, dass heute nichts Unvorhergesehenes mehr geschah. So viel Aufregung wie heute hatte er noch nie erlebt.

„Wer fliegt denn da oben herum? Sind das die Bullen?“, fragte Hank fasziniert.

„Ja, du hast Recht, das ist in der Tat ein Gleiter der Raumhafenpolizei. Ich frage mich, weswegen die hier sein könnten.“

„Also, wegen mir nicht“, lachte Hank.

Old Bob zuckte mit den Schultern und gemeinsam stapften sie weiter in Richtung des großen Flughafenkomplexes.

Das Check-In dauerte nur wenige Minuten, da Old Bob beim Flughafenpersonal natürlich bekannt war. Hank sahen sie von oben herab mit einer guten Portion Misstrauen an. Als Hank dann jedoch anfing, jedem zu erklären, dass er nur zum Orion fliegen wollte, da vielleicht dort jemand seine Digitaluhr reparierte, wurde er auf schnellstem Wege durchgewunken. Old Bob bekam von einigen seiner Kollegen verständnislose Blicke zugeworfen, die immer noch an ihm zu haften schienen, als er mit Hank längst das Terminal verlassen hatte. Sie alle schienen ihn zu fragen: Mit was für einem Geisteskranken hast du dich da nur eingelassen?

Die beiden betraten nun den gigantisch wirkenden Abflugplatz der Raumschiffe. Old Bobs Shuttle lag am gegenüberliegenden Ende, und um dies sicher erreichen zu können, mussten sie nach dem Verlassen des Terminals eine Magnetbahn nehmen, die in die gewünschte Richtung fuhr und 20 Meter über dem Erdboden verkehrte. An dieser Stelle brachte sie ein Aufzug hinauf auf die Plattform, von der die Bahn abfuhr.

Hätte Old Bob in diesem Moment aus der Bahn in Richtung seines Shuttles geschaut, so wäre ihm eine seltsame Figur aufgefallen, die sich in dessen Nähe herumtrieb. Die Gestalt suchte etwas, war aber schon kurz darauf hinter einem Landebein des Shuttles außer Sicht.

Hank war seit den längst vergangenen Tagen seiner Kindheit nicht mehr an einem großen Flughafen gewesen, an einem Raumhafen schon gar nicht, und so betrachtete er mit einem gewissen Interesse die Abflüge und die gekonnt waghalsig aussehenden Manöver der Piloten.

„Hey, kannst du auch so cool starten, Bob?“, fragte Hank, als er ein besonders tollkühnes Manöver eines Polizeicruisers verfolgte, der zwischen zwei Gebäuden hindurch flog und dabei lässig einer Brücke auswich, die ein Gebäude mit einem anderen verband.

Das Polizeiflugzeug verschwand im schnellen Flug vom Flughafenfeld und war innerhalb kürzester Zeit außer Sichtweite.

„Jeder kann das machen, wenn er den Autopiloten einschaltet.“

„Darf ich das auch mal versuchen?“

„Um Himmels Willen! Nein! Bei allen mir gnädigen Göttern! Nein!“, platzte es aus Old Bob hervor. Kleinlaut fügte er hinzu: „Entschuldige bitte.“

„Schon gut, du brauchst nicht überzureagieren“, meinte Hank erschrocken, schüttelte den Kopf und blickte für den Rest der Fahrt durch das Fenster nach draußen.

Old Bobs Shuttlepoint war die letzte Haltestelle gewesen und die Bahn kehrte wieder in die andere Richtung zurück. Jetzt mussten sie nur noch mehrere Treppenabsätze nach unten gehen. Die Treppe bestand jedoch aus einem Metallgitter, durch das man direkt auf den Boden sehen konnte.

Hank, der nicht ganz schwindelfrei war, klammerte sich verzweifelt an das nächste Geländer und brachte sich selbst nur unter großen Mühen dazu, nach unten zu schauen.

Old Bob, der ein kleines Stück auf der Treppe vorausgeeilt war, blieb stehen und sah, wie Hank sich abmühte. Sofort machte er kehrt, um ihm zu helfen. „Oh Gott, ich wusste ja nicht, dass du unter Höhenangst leidest. Das tut mir leid! Denn dann hätten wir uns von einem Kollegen von mir beim Flugfeld absetzen lassen.“

„Schon gut“, brachte Hank knapp heraus.

„Warte, ich helfe dir.“ Old Bob streckte schon helfend seine Hände aus, aber Hank winkte mit einer freien Hand ab. „Nein, nein. Schon gut. Ich muss damit alleine fertig werden.“

„Sicher?“, hakte Old Bob unsicher nach.

„Ja, alles bestens.“ Hank kniff die Augen zusammen und versuchte krampfhaft, an etwas anderes zu denken. Trotzdem wurden seine Knie weich wie Käse und er drohte zu „Boden“ zu gehen.

Für Hank war das Ganze eine Art Mutprobe. Schon damals, als er vor über zehn Jahren noch in der Stadt gelebt hatte, pflegte er stur bei dem zu sein, was er gar nicht oder nur unzureichend konnte, aber dennoch meistern wollte. Solch einen Ehrgeiz legte er nur selten an den Tag und meist bei unpassender Gelegenheit. Er wollte keinen Teil seines Lebens aufgrund einer Phobie auslassen und so zwang er sich zum Erfolg, was allerdings meist von grandiosem Scheitern begleitet wurde. So hatte er sich zum Beispiel einmal in ein großes Spinnennetz gehockt, um seiner Arachnophobie Herr zu werden. Als die ersten dicken Spinnen dann auf ihm herum zu krabbeln begannen, hielt er es jedoch nicht mehr aus, lief schreiend zurück in die Stadt und bewarf jeden Passanten, dem er begegnete, mit einer Spinne. Hank verbuchte so etwas unter: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

„Sind wir bald bei deinem Shuttle?“, fragte Hank, um die Situation etwas aufzulockern und sich selbst ein wenig zu beruhigen.

„Gleich“, beruhigte ihn Old Bob. „Sobald wir wieder festen Boden unter den Füßen haben, kannst du bereits meinen fliegenden Untersatz erkennen.“

„Klingt prima in meinen Ohren!“ Hank hob langsam seinen rechten Daumen in die Höhe, klammerte sich aber sogleich wieder am Geländer fest. Meter für Meter kämpfte er sich so voran, während Old Bob verlegen langsam die Treppe hinab stieg, aber alle zwei Stufen einen Blick hinter sich warf.

Sobald Hank durch die luftigen Gitter des Treppenbaus merkte, dass sie dem Erdboden immer näher kamen, kehrte der Mut langsam zurück und er ließ das Geländer los, um zu Old Bob aufzuschließen.

„Hey, warum gibt es hier eigentlich keine Rolltreppe oder einen Aufzug?“, wunderte sich Hank. „Überall herrscht die Technik und hier am Ende des Landefelds regiert das finstere Mittelalter!“

„Einsparungsmaßnahmen“, war Old Bobs lapidare Antwort. „Außerdem will fast niemand mehr zum Mond. Es stimmt, dass man von dort theoretisch auch alle Ecken und Enden des Universums erreichen kann, aber jeder, der etwas auf sich hält, fliegt zum Jupiter oder mindestens zum Mars. Vom Mond aus geht höchstens jede Woche einmal ein Raumschiff zu einer der größeren Stationen. Deswegen hat man auch diesen Abflugpunkt nicht mehr ausgebaut.“ Er zuckte mit den Schultern, sah auf den Boden und seufzte. „Aber Passagiere, die zum Mond wollen, habe ich trotzdem jeden Tag, auch wenn es meist nicht mehr als nur eine Person ist. An guten Tagen ist auch mal eine Familie dabei.“

„Wirklich? Und wie komme ich dann von dort zum Orion?“

Old Bob hob den Kopf und blickte ihm in die Augen. „Tja, eigentlich ist es ganz einfach. Zum Mond fliegen, dort einen Flug buchen, eine Woche warten, bis der Flug abgeht, und diesen dann nehmen.“

Hank musterte ihn verständnislos. War denn eigentlich niemandem bewusst, dass seine Digitaluhr kaputt war und sie dringender Reparatur bedurfte? „Aber wenn ich über eine Woche warten muss auf die Reparatur meiner Uhr, werde ich ja noch verrückt!“, entgegnete Hank deshalb.

„Wie gut, dass ich damit dann nichts mehr zu tun habe“, murmelte Old Bob leise vor sich hin.

„Wie bitte?“

„Ach, nichts!“, versicherte Old Bob und hob abwehrend die Hände.

Am Ende der Treppe konnte man in etwa zwanzig Metern Entfernung das kleine Raumshuttle ausmachen, mit dem Old Bob den Linienverkehr zum Mond aufrecht erhielt. In dicken, silbernen Buchstaben wies eine Anzeigetafel darauf hin, dass diese Fluglinie „antik“ wäre und außerdem sehr beliebt bei Touristen sei.

„Junge, der Mond hat aber in den letzten Jahren an Popularität verloren. Dass sie ihn jetzt schon antik schimpfen!“, staunte Hank.

„Das kann man wohl sagen, aber es bekümmert mich nicht. Ich freue mich immer auf einen Passagier, auch wenn er so ungewöhnlich ist wie du“, meinte Old Bob und blickte ihn über seine Schulter hinweg an, während er in Richtung seines Shuttles stapfte.

„Ja, oder wie dieser andere komische Bursche, den ich dort hinter den Landebeinen des Shuttles gesehen habe!“, grinste Hank fröhlich.

„Wie bitte?“ Old Bob blickte zu seinem Shuttle hinüber, konnte aber niemanden erblicken. „Nein, nur du bist heute mein Passagier und das sogar hochoffiziell, seit wir dem Abflugsterminal einen Besuch abgestattet haben.“ Mit einem Knopfdruck auf seine Fernbedienung, die er aus seiner Jackentasche herausholte, öffnete er den Einstieg.

Hank rieb sich in freudiger Erwartung die Hände. „Junge, das wird sicherlich ein lustiger Flug, wenn wir drei zusammen sind. Wir haben uns bestimmt eine Menge zu erzählen. Der andere weiß ja noch gar nicht, dass meine Uhr kaputt ist!“, lachte er.

„Wer? Da ist doch niemand!“ Old Bob blickte sich genervt um. Da aber niemand in Sichtweite war, tat er Hanks Bemerkung als Spinnerei ab.

Old Bobs Shuttle hatte eine sehr eigenwillige Form. Von fern betrachtet hatte es das Aussehen einer giftgrünen Banane und war somit genauso gefärbt wie Old Bobs Hemd. Trat man näher an das Shuttle heran, konnte man über seine gesamte Oberfläche kleine Beulen erkennen, die der Bananen-Form des Schiffes zugesetzt hatten. Von Nahem betrachtet glich es einer unappetitlich aussehenden Gurke.

Eine kleine Gangway lud zum Einsteigen ein. Old Bob kletterte als erster die Treppe hoch, dicht gefolgt von Hank, der sich weiterhin auf den dritten Passagier freute. Er musste sich bestimmt einen anderen Eingang gesucht haben, vermutete Hank.

Old Bob achtete nicht weiter auf den Digitaluhrenfetischisten und schloss per Knopfdruck den Einstieg hinter ihnen. Er schritt nach vorne ins kleine Cockpit, in dem gerade mal so zwei Mann Platz fanden, und ging die Checkliste anhand einer Computerabbildung auf dem Hauptmonitor des Shuttles durch.

Hank sauste zum Hinterteil des Shuttles und Old Bob hoffte, dass er während der gesamten Reise zum Mond im Passagierabteil bleiben würde. Ihn viereinhalb Stunden um sich zu haben, war eine erschreckende Vorstellung. In diesem Moment bedauerte Old Bob ein wenig, dass er mit seiner alten Kiste so lange bis zum Mond brauchte. Einige der neusten Raumschiffe mit besseren Errungenschaften der Technik konnten den Mond in nur einem Bruchteil dieser Zeit mit viel mehr Masse erreichen, aber das interessierte Old Bob normalerweise nicht. Hier an Bord seines Shuttles war er der Kapitän. Vielleicht hätte er es an Bord eines der Giganten nur bis zu einem Kellner oder Steward gebracht. Bei diesem Gedanken lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Nein, er war mit seinem Job vollauf zufrieden.

„Wie hast du dein Shuttle eigentlich genannt?“, fragte Hank, der seinen Kopf plötzlich in die Kabine hineinsteckte und damit bei Old Bob fast einen Herzinfarkt auslöste.

„Schleich dich doch nicht so an!“ Old Bob kämpfte um seinen Atem und fasste sich an die Brust.

„Aber ein Flugzeug muss doch einen Namen haben!“, bestand Hank auf seiner wunderlichen Logik.

„Seit wann denn das?“, fragte Old Bob.

„In einem namenlosen Flugzeug möchte ich nicht reisen. Die stürzen ab“, erklärte Hank.

„Heutzutage stürzen Flugzeuge oder Raumschiffe nicht mehr ab“, äußerte sich Old Bob dazu.

„Ja, wegen der Alientechnologie. Ich weiß, du sagtest das schon einmal.“

„Dann brauche ich es ja nicht zu wiederholen.“

„Und wie heißt nun das Shuttle?“

Old Bob bedachte ihn mit einem genervten Blick.

„Martha! Zufrieden?“

„Nach wem ist es denn benannt?“, hakte Hank nach.

„Nach meiner mir treu ergebenen Ehefrau, bis sie der Krebs von mir nahm.“ Old Bob begann den Satz mit fester Stimme, die aber immer weicher wurde, bis sie fast ans Weinerliche grenzte. Der Name seiner Frau brachte alle die Erinnerungen an sie wieder zurück.

„Oh, das tut mir sehr leid für dich.“ Hank zeigte einen Anflug von Mitgefühl, was Old Bob verwunderte.

„Wirklich?“

„Ja, als ich noch im Marketing Business tätig war, hatte ich auch mal einen Freund, den der Krebs dahingerafft hat. Dagegen haben die Aliens wohl nichts auf Lager?“

„Doch. Eigentlich schon“, widersprach Old Bob. „Es ist nur so, dass meine Frau einen Monat starb, bevor das erste Schiff der Aliens auf unserem Planeten landete.“

„Hmm. Das ist schlimm. Aber es könnte noch schlimmer kommen. Welche Strafe steht eigentlich auf Piraterie?“, fragte Hank aus heiterem Himmel.

„Wie bitte?“ Der plötzliche Themenwechsel irritierte Old Bob.

„Na, ich frage wegen diesem komischen Typen, der mir seine Laserkanone in den Rücken presst!“ Hanks Gesicht verformte sich zu einer schmerzverzerrten Grimasse. „Aua, Mensch, mein Rückgrat!“

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