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Kapitel 3

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„Was ist passiert?“ Old Bob war vor Schreck vollkommen außer sich und stand von seinem Pilotensitz soweit auf, wie es das niedrige Dach der Kanzel erlaubte. Tatsächlich! Hinter Hank stand ein großer Mann mit einem Narbengesicht und presste Hank irgendetwas in seinen Rücken. Mit einem schnellen Stoß warf der Fremde Hank nach vorne in Old Bobs Arme. Dieser wurde dadurch wieder zurück in seinen Sitz geworfen.

„Hey, mit mir darf man nicht so umgehen!“, protestierte Hank erfolglos gegen diese Behandlung.

Jetzt konnte Old Bob den Fremden mustern. Der Mann war nahezu zwei Meter groß und breit gebaut wie ein Footballspieler. Er trug einen schwarzen Mantel, unter dem eine dreckige, braune Weste hervorlugte. Nach seinem Äußeren zu urteilen, hatte der Mantel schon bessere Tage gesehen: Er wies zahlreiche Spuren eines rauen Umgangs auf. In ihm war eine beachtliche hohe Anzahl an Löchern, wenn auch nicht ganz so viele wie in einem Schweizer Käse. Die schwarze Lederhose, die über beiden Knien aufgescheuert war, und ein Paar unglaublich hässlicher, roter Stiefel rundeten das geschmacklose Erscheinungsbild des Fremden ab. Unter seiner schwarzen Kappe konnte man an einigen Stellen die extrem kurzgeschnittenen Haare sehen. Seine blauen Augen, die aus dem schmutzigen Gesicht besonders hervorstachen, glühten geheimnisvoll in der Dunkelheit des gedämpften Cockpitlichts. Der Fremde besaß buschige Augenbrauen. Von ihnen ging eine Serie zahlreicher Narben im Gesicht aus. Er hatte wohl schon bei vielen Kämpfe einiges einstecken müssen. Die Tatsache, dass er hier lebendig vor den beiden stand, schien ungemein für ihn zu sprechen.

Sein Mund verzog sich zu einem süffisanten Lächeln, das so kalt wirkte wie ein Eisbärenhintern am Nordpol während einer sechsmonatigen kalten Nacht. Old Bob schauderte bei dem Gedanken, was dieser elende Kerl alles mit ihnen anzustellen vermochte.

Die Waffe, die der Mann in der Hand trug, konnte Old Bob nun eindeutig als eine Blaster O’Kill 4000 identifizieren. Traf man mit diesem Ding jemanden, so löste er sich, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, umgehend in heißen Dampf auf. Rein äußerlich wirkte die Blaster O’Kill überhaupt nicht furchteinflößend. Sie sah eher aus wie eine Kindererfindung, eine aus Klinexrollen, Klebeband und Pappkartons zusammengebastelte Attrappe, aber ihre Wirkung war bewiesen und in der Galaxis gefürchtet. Die Tatsache, dass der Besitz dieser Waffe absolut illegal war, schien deren Träger nicht im Geringsten zu beunruhigen. Hank und Old Bob am anderen Ende der Waffe hingegen waren die Unruhe in Person.

Plötzlich fiel es Old Bob wie Schuppen von den Augen: „Johnny, der Weltraumpirat! Deswegen flog die Polizeistreife hier herum!“

„Bist ein schlaues Bürschchen!“, äußerte sich Johnny, der Weltraumpirat. „Vielleicht kannst du auch noch ein wenig weiterraten und mir sagen, was wir drei nun machen werden?“

Hank sah ihn belustigt und dann wieder besorgt an. Konnte dieser Fremde seine Mission, seine Uhr zu reparieren, gefährden oder unterstützen? Hank versuchte es anhand des bei Johnny nicht vorhandenen Minenspiels herauszufinden. Selbstverständlich völlig erfolglos.

„Du entführst uns?“, fragte Old Bob vorsichtig und ließ langsam seine Hände auf die Armlehnen sinken.

„Fast richtig! Wirklich nah dran, das muss ich dir lassen. Wir werden einfach mal eine kleine Spritztour mit deinem Gleiter unternehmen.“

„Shuttle! Dies ist ein Shuttle, Sir!“, informierte Hank den Banditen.

Johnny lachte kurz auf. So eine merkwürdige Person hatte er noch nie getroffen. „Danke, Mister …“

„Hank, Hank Johnson“, plapperte Hank los. „Ich bin auf der Suche nach einem guten Uhrmacher auf Quazar IV in der Nähe des Orion, und ich frage mich, ob Sie mir helfen könnten, denn sehen Sie, meine Digitaluhr ist leider …“

„Quazar IV?“, unterbrach ihn Johnny, der Weltraumpirat, überrascht. „Ja, so ein Zufall aber auch. Genau dahin möchte ich auch!“

„Wirklich? Old Bob, hast du das gehört? Der Mann will auch dorthin!“, rief Hank aufgeregt.

„Ja, und?“, fragte Old Bob, den Blick noch immer lauernd auf die Blaster O’Kill gerichtet.

Für Hank war die Welt wieder in Ordnung. Er war sich durchaus darüber im Klaren, dass er gerade einer Entführung zum Opfer gefallen war, aber Hank hatte schon früh in seinem Leben, noch vor seiner Stadtflucht, beschlossen, die Wirklichkeit einfach zu ignorieren und die Dinge aus seiner eigenen Perspektive zu sehen. Dies ließ seiner Meinung nach die Realität viel fröhlicher erscheinen, hatte aber auch zur Folge, dass er häufig in einer kompletten Traumwelt lebte, in der er die Erde schon mehrfach vor einem großen, grünen Monster namens Schmorsch gerettet hatte. Diese Erklärung ist sehr wichtig für das Verständnis von Hanks nächstem Kommentar, der allerdings von allen anwesenden Personen im Shuttle überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde. Es sagte: „Da habe ich die Welt vor dem großen, grünen Schmorsch gerettet und schon hilft mir aus Dankbarkeit jemand auf der Suche nach einem fähigen Uhrmacher. Ist das nicht toll?“

„Na, los, Old Bob! Setz’ dich wieder auf deinen Platz und starte die Triebwerke!“ Johnny winkte mit seiner Blaster O’Kill in Richtung Steuerkonsole. „Deine Passagiere müssen in die Nähe des Orion. Worauf wartest du noch?“

Grübelnd darüber, wie er dem Piraten wohl die Sachlage vermitteln könnte, starrte Old Bob zur Konsole hinüber und schüttelte dann energisch den Kopf. „Wir können mit dem Shuttle nicht so weit fliegen. Ich kann damit maximal bis zum Mond kommen, aber dann sind die Brennstoffzellen zu ersetzen, da das Shuttle noch nicht über einen Fusionsantrieb verfügt.“

„Ach, verflixt! Ich wusste doch, dass das Wort ‚antik‘ auch noch einen Nachteil haben könnte!“, fluchte Johnny laut.

„Heißt das, wir fliegen kein Warp 9,9?“, fragte Hank irritiert.

„Nein, wohl kaum. Sonst würden wir nur ganze drei Sekunden zum Mond brauchen“, informierte ihn Old Bob.

„Wie schade!“, war Hanks einziger Kommentar dazu. Er lehnte sich gegen die Cockpitwand und beobachtete entspannt das weitere Geschehen im Shuttle. Egal was passieren sollte, er würde zu seinem Uhrmacher im Sternbild Orion kommen. Und da der Fremde noch dringender als er zum Orion kommen wollte, würde ihm sicher ein noch schnellerer Weg einfallen, als Old Bob einzuschlagen gedachte.

Hank betrachtete das Innere des Shuttles etwas näher und dabei fielen ihm die teils mächtigen Dellen an den Wänden auf, welche Old Bobs ‚Weltraumgurke‘ ihren besonderen Touch gaben. „Was ist hier drin passiert? Das sind doch keine Schäden, die von außen entstanden sind “, fragte er geradeheraus und unterbrach damit Old Bob beim Startvorgang.

Aber auch Johnny wurde durch diese Frage abgelenkt. Als er auf dem Flugfeld die unzähligen Beulen auf der Außenhülle gesehen hatte, hatte er mit sich kämpfen müssen, um überhaupt das Shuttle als Fluchtmöglichkeit von der Erde in Betracht zu ziehen. Schließlich war ihm aber jedes Mittel recht gewesen und er hatte dann doch das Shuttle über eine Wartungsluke betreten.

„Ach ja …“ Old Bob wollte die Frage überhören und weitermachen, als Johnny sich in die Unterhaltung einschaltete: „Ja, was ist hier geschehen, Bob? Ich habe schon viele Asteroideneinschläge auf Außenhüllen gesehen, aber keine, die Beulen von innen nach außen produziert haben.“

Old Bob seufzte hörbar auf. Er hatte gehofft, diese düstere Geschichte aus seiner Vergangenheit nicht noch einmal erzählen zu müssen. Sie war der Grund, warum er damals nicht mehr an seinen anfänglichen Erfolg als Transfer-Shuttle-Pilot von der Erde zum Mond anknüpfen konnte. „Also gut“, begann er. „Früher, als die Flüge zum Mond noch eine der Hauptattraktionen dieses Raumhafens waren, flog immer ein Space-Marshal mit, um Entführungen und Attentate zu verhindern.“

„So wie bei den Flugzeugen der Sky-Marshal?“, fiel Hank ein.

„Genau“, nickte Old Bob. „Diese Burschen wurden leider einer Fluglinie fest zugeteilt und meiner schlief immer während des Fluges.“

„Und als Schlafwandler hat er das Schiff dann verbeult, weil er sich vorstellte, ein Widder zu sein?“, scherzte Johnny in sarkastischem Tonfall.

„Wohl kaum, aber beinahe …“ Old Bob warf ihm einen feurigen Blick zu. „Er trug immer eine Granate gefüllt mit Gummikugeln bei sich. Eines Tages brachte ich ihm wie gewohnt sein Essen. Er hatte die Granate im Schlaf entsichert, hielt aber noch den Hebel fest und als ich ihn aufweckte, warf er sie vor Schreck mitten ins Passagierabteil.“

„Was war das denn für ein Gestörter?“, wollte Hank wissen.

„Tja, es kam wie es kommen musste. Ich rannte so schnell ich konnte zurück ins Cockpit und verschloss die Tür. Dann hörte ich auch schon den lauten Knall und das Aufprallen vieler Gummikugeln gegen die Hülle des Shuttles.“

Johnny zog eine Augenbraue hoch. „Aber Gummikugeln können doch nicht so einen Schaden anrichten, oder?“

„Dieser Idiot hatte die Sorte mit einem Stahlkern im Inneren mitgenommen.“

„Die, die eigentlich nur gegen Roboter verwendet werden soll?“, staunte Johnny.

„Genau die! Das fand ich heraus, als ich wieder aus dem Cockpit herauskam und alle außer mir entweder KO, schwerverletzt oder beides waren.“ Old Bob versank kurzzeitig in Erinnerungen und verzog dann das Gesicht. „Der Regressprozess trieb die Firma der Space-Marshals in die Pleite. Aber eigentlich brauchte man sie auch nicht.“

„Und warum hast du dein Shuttle nicht reparieren lassen?“, hakte Hank nach.

„Mich wollten die Unfallopfer auch verklagen, also habe ich auf die erstatteten Kosten verzichtet und sie ihnen als Reparationszahlung zukommen lassen. Das hat mich aus den Schwierigkeiten befreit und das Shuttle fliegt ja auch so …“

„Tolle Geschichte!“, meinte Johnny trocken und wedelte wieder mit seiner Blaster O’Kill in Richtung Steuerkonsole.

Old Bob drehte sich schließlich wegen Johnnys schlagender Argumente um und schaltete den Autopiloten ein, der das Shuttle starten ließ. Es hob sanft ab und würde von nun an sicher seinem Ziel entgegen fliegen. Old Bobs Shuttle war an die Alientechnologie angepasst worden und musste nun nicht mehr per Trägerrakete ins All gebracht werden. Es genügten hochentwickelte Brennstoffzellen, die die Reichweite bis zum Mond erhöhten. Es flog nun wie ein normales Flugzeug, aber ohne die Auswirkungen der Beschleunigungskräfte auf die Passagiere zu übertragen, da spezielle Stabilisatoren diesen Kräften entgegenwirkten. Nur deshalb konnten Hank und Johnny auch beim Start hinter Old Bob stehen bleiben.

Der Bordcomputer würde dann am Bestimmungsort auf einen automatischen Dockingmodus schalten und damit das Raumschiff selbst landen. Old Bob musste nichts mehr machen, es sei denn, er bestand explizit darauf, selbst einzugreifen. Aber selbst dann überwachte der Bordcomputer wie bei allen Flug- oder Raumfahrzeugen jeden seiner Schritte aufs Genaueste und entzog ihm bei grobem Fehlverhalten die Kontrolle über das Shuttle.

Auch in diesem Augenblick erfasste der Bordcomputer mit Hilfe mehrerer Sensoren und Kameras die Sachlage und zählte drei Personen im Bereich des Cockpits. Er befand es für höchst ungewöhnlich. Drei Leute brauchte heutzutage niemand mehr, damit ein Raumschiff flog. Genau genommen brauchte man gar keinen. Nur weil Menschen immer selbst vor Ort sein wollten, wurde von den Aliens die Option der manuellen Kontrolle offen gelassen. Die Aliens hatten damit dem andauernden Nörgeln der Menschen nachgegeben, das sie partout nicht mehr ertragen konnten.

„Hallihallöchen, Freunde!“, meldete sich die gut gelaunte Stimme des Bordcomputers.

„Äh, hallo?“, fragte Johnny vorsichtig.

„Aye weh! Der Bordcomputer!“, fluchte Old Bob laut.

Hank staunte. Einen sprechenden Computer kannte er bisher nur aus Science-Fiction-Filmen. „Ist dein Name HAL?“, fragte er deshalb überrascht. Daran, dass dies jetzt alltäglich war, musste er sich erst noch gewöhnen.

„Oh nein, so heiße ich nicht. Ich sehe aber, wir werden eine wunderschöne Zeit miteinander haben, Freunde!“, meldete sich der Bordcomputer wieder in seiner süßesten Stimmlage.

„Bist du dann vielleicht Eddie, der in der Herz aus Gold eingebaut war?“, fragte Hank verwundert, der diesen Namen irgendwo schon einmal gelesen hatte und glaubte, es mit ihm zu tun zu haben.

„Nein, das war mein literarisches Pendant aus ‚Per Anhalter durch die Galaxis‘“, informierte der Computer Hank. „Wie ich sehe“, fuhr er fort, „befinden sich drei Personen im Bereich der Kanzel und eine davon ist sogar bewaffnet! Na, so was! Böser Junge!“

„Also, mein Arzt hat mir dazu geraten“, versuchte Johnny sein Handeln zu rechtfertigen.

„Ich fliege alle zum Mond!“ Old Bob tat sein Bestes, um die Lage zu entspannen. Zickte der Bordcomputer herum, konnte Gott-Weiß-Was passieren.

„Wirklich?“, tönte der Bordcomputer gut gelaunt. „Übrigens, mein Name ist Foxy. Ihr könnt mich aber Carl nennen.“

„Wie bitte?“, fragte Hank perplex.

„Oh, Mist! Jetzt geht das schon wieder los“, entfuhr es Old Bob, der den exzentrischen Bordcomputer und seine durchgeknallte Handlungsweise ja kannte. Seine fehlerhaften Logikschaltkreise hätte er schon längst austauschen sollen. In Momenten wie diesen fragte er sich, warum er das nicht schon getan hatte.

„Carl? Wieso das denn?“, wunderte sich auch Johnny, der Weltraumpirat.

„Weil …“ Foxy oder Carl, wie er lieber genannt werden mochte, versuchte eine Erklärung für diese Tatsache zu finden, aber da Menschen und Aliens ihn gemeinsam programmiert und dabei ein heilloses Durcheinander fabriziert hatten, gab es keine logische Erklärung dafür. „… weil ihr mich eben Carl nennen sollt und nicht Foxy!“, gab Carl den dreien patzig zu verstehen. „Was macht ihr drei also im Cockpit?“, fuhr er etwas versöhnlicher fort.

„Nichts!“, log Johnny.

„Sind Sie ein Pirat?“

„Wer? Ich? Nein!“

„Aha! Ein Lügenbolzen! Ich habe doch deine Lippenbewegungen gelesen!“, sagte Carl altklug.

„Meine Lippenbewegungen?“, fragte Johnny verblüfft. Wie konnte der Computer aus ihnen schließen, dass er ein Pirat war? Johnny verstand die Welt nicht mehr.

„Oh, nein, das war völlig falsch von mir.“ Carl stimmte einen Moment lang ein Kinderlied an und sprach dann weiter: „Soll ich einen Überfall dieses düsteren Herren hier der Polizei melden, Mister Old Bob?“

„Was?“ Johnny wedelte mit seiner Knarre vor Old Bobs Gesicht herum.

Dieser lief kreidebleich an. „Nein! Nein, auf gar keinen Fall! Wir haben hier alle einen Mordsspaß!“, brachte Old Bob schnell hervor.

„Aha. Ihre Antwort ist also: Nein!“, stellte Carl fest.

„Richtig, Carl“, meinte Old Bob.

„Doch ja? – Ist gut, die Polizei wurde informiert und wird einen Abfangjäger vorbeischicken“, erklärte Carl, vorher bekannt als Foxy, sachlich.

„Was?“, schrie Johnny wütend.

„Das ist doch Quatsch!“ Old Bobs Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Er konnte den Computer noch nie leiden. „Bestelle die Polizei gefälligst wieder ab!“, fuhr er aufgebracht fort.

Johnny nickte zustimmend. „Richtig.“

„Das ist sinnlos, sie ist schon informiert!“, erklärte Carl.

„Aber kannst du das denn nicht wieder rückgängig machen?“, flehte Old Bob und zappelte unruhig auf seinem Sitz herum.

„Nein. Dazu habe ich keine Lust“, weigerte sich Carl motzend und ein paar wirklich schräge Töne wurden über das Lautsprechersystem des Shuttles abgespielt.

„Das reicht mir jetzt. Wo befinden sich die Datenbanken des Computers?“, fragte Johnny und fuchtelte wild mit seiner Blaster O’Kill durch die Gegend.

„Vor der Cockpitkanzel!“ Old Bob suchte Deckung hinter seinem Pilotensessel.

Hank sah dem Treiben fasziniert zu. Einen völlig durcheinander geratenen Computer kannte er sonst auch nur aus Spielfilmen. Er nahm zu keinem Zeitpunkt an, dass sein Leben in Gefahr sei.

„Sie sollten das lassen. Sie sollten sich einmal hinlegen, eine oder besser noch eine ganze Familienpackung Beruhigungstabletten nehmen und die ganze Sache noch einmal überdenken“, gluckste Carl vergnügt. „Moment mal!“, stutzte er auf einmal. „Meine Datenbank muss durcheinander sein.“

„Keine Angst“, entgegnete Johnny zynisch, „ich werde dafür sorgen, dass sie geordnet wird.“ Er schoss mit seiner auf minimal eingestellten Blaster O’Kill die halbe Inneneinrichtung des Shuttles kaputt, bevor er den überdimensionalen Kasten mit den Computer-Steckkarten traf. Zielen war wohl nicht seine Stärke, erkannte Old Bob, da mehrere Sessel des Passagierabteils ebenso mit in Rauch aufgegangen waren.

Eine gewaltige, übel riechende Qualmwolke deutete den Erfolg von Johnnys Tat an.

Da das Shuttle aufgrund des nicht mehr vorhandenen Autopiloten plötzlich eine extrem senkrechte Flugbahn in Richtung Erde einnahm, sehr zum Unwillen der drei Insassen, hatte das zur Folge, dass nun alle aufeinander flogen.

„Wir müssen das Shuttle stabilisieren!“, keuchte Johnny.

„Wir müssen den Knopf für die manuelle Steuerung drücken. Nur dann haben wir eine Chance!“, warf Old Bob ein.

„Ich bin hier total eingequetscht. Was ist hier eigentlich meine Hand und was die von einem anderen?“, fragte Hank und versuchte, sich aus dem Durcheinander aus Körpern, Armen und Beinen zu befreien.

„Au, meine Leiste!“, brüllte Johnny urplötzlich.

„Aha! Da ist schon mal meine eine Hand“, freute sich Hank.

„Hör’ auf mit dem Mist und hilf’ uns lieber, sonst werden wir alle sterben!“, schrie Old Bob panisch.

„Schon gut, schon gut. Ich habe einmal vor rund zehn Jahren einen Film über einen Flugzeugabsturz gesehen und ich glaube, dass ich davon viel gelernt habe“, äußerte sich Hank optimistisch.

Das donnernde Brüllen der Triebwerke steigerte sich mittlerweile zu einem schrillen Kreischen.

„Hört ihr das auch? Wir werden schneller!“, schrie Johnny. „Großer Gott, wir werden schneller! Wir prallen gleich auf!“

Old Bob verfiel in ein sirenenartiges Schreien.

„Jetzt hab’ ich’s!“ Hank schnippte mit den Fingern. „Der rote Knopf! In Katastophenfilmen ist es immer der rote Knopf!“ Er wollte seine Idee in die Tat umsetzen, befreite sich ohne Rücksicht auf Verluste von den anderen beiden und kletterte in Richtung Steuerkonsole, wobei er Old Bob seine beiden Füße an den Kopf rammte. Old Bob protestierte lautstark und auch Johnny stieß einige wüste Drohungen aus.

Hank studierte die Konsole. Es gab hier für ein automatisiertes Shuttle eine Menge Knöpfe, Schalter sowie Hebel. Und sie waren alle rot. „Scheiße!“, bemerkte Hank ganz folgerichtig.

Das panische Geschrei der beiden anderen nahm an Lautstärke zu, als die Triebwerksgeräusche noch schriller wurden. Die Insassen konnten den unvermeidlichen Aufprall auf der Erdoberfläche schon fühlen. Hank probierte einen roten Hebel aus. Die Kabinentür schloss sich und klemmte die Körperteile, die bis außerhalb der Kanzel reichten, der anderen beiden ein. Old Bob und Johnny brüllten vor Schmerzen auf.

„Ist ja gut!“, murmelte Hank verlegen und drückte einen anderen roten Schalter. Weihnachtsmusik ertönte. „Und noch einmal.“ Hank drückte einen weiteren roten Knopf. Eine Stimme meldete sich plötzlich zu Wort: „Hi, ich bin’s, euer Freund Lenny, die Notfallpersönlichkeit. Ihr habt euch also für die manuelle Steuerung entschieden. Was für eine herrliche Entscheidung! Ich wünsche euch genügend Zeit, damit ihr euch an ihr auch noch erfreuen könnt. Einen wunderschönen guten Tag noch!“

„Was denn? Es gibt hier noch einen Computer außer Carl?“ Hank schnappte sich das Steuer.

Der Sturzflug wurde immer unruhiger und das Shuttle wurde heftig durchgeschüttelt. Hank konnte sich noch am Steuer festhalten, woraufhin das Shuttle abrupt seinen Kurs nach links änderte. Damit zufrieden konnte Hank nicht sein, denn bei diesem Kurswechsel flog er nach rechts und das Shuttle schlingerte dann in diese Richtung.

Alle drei schrien wie am Spieß.

Wie durch ein Wunder bekam Old Bob plötzlich seinen Fuß aus der Tür und knallte genau auf Hank, der sich immer noch am Steuer festhielt.

„Ich übernehme jetzt!“, rief Old Bob und stieß Hank weg. Der kletterte zum Co-Pilotensitz, wo er sich festkrallte. Old Bob riss am Steuer herum und bot all seine Kräfte auf. „Ich schaffe es nicht. Ich brauche Hilfe!“, rief er. Durch einen weiteren Steuerwechsel kam Johnny, der Weltraumpirat, von der Türe los und knallte mit seinem Kopf in Old Bobs Rücken. Durch diesen Schock schaffte es Old Bob schließlich, das Steuer in die richtige Richtung herumzureißen.

Das Shuttle bewegte sich wie ein Brummkreisel, aber sie steuerten von nun an wieder ins All und nicht mehr auf den Erdboden zu. In rascher Folge legte Old Bob mehrere Stabilisatorenhebel um und die Kreiselbewegung des Shuttles hörte langsam wieder auf.

„Hat jemand die Polente gesehen?“, fragte Johnny, als er wieder bei Sinnen war.

„Wenn ich wieder weiß, wo oben und unten ist“, stöhnte Old Bob, der sich mit einer Hand seinen Kopf hielt, „dann werde ich einen Blick auf den Radarschirm werfen.“

Hank guckte aus dem rechten Seitenfenster des Cockpits. Was er draußen sah, faszinierte ihn sehr. Kaum waren sie dem Tod entronnen, passierte schon wieder etwas Aufregendes. Das musste er sofort den anderen mitteilen: „Hey, Leute! Da drüben ist ein cool aussehendes Raumschiff. Ja, und da! Sie ballern auf irgendwen!“

Eine heftige Erschütterung später fuhr ein kleiner Monitor aus einem Konsolenschacht nach oben, worauf in dicken, roten Buchstaben ‚Alarm‘ zu lesen war. Johnny und Old Bob überkam die Erkenntnis, dass sie es waren, auf die geschossen wurde.

„Verflucht! Man kommt von einer in die nächste Katastrophe!“, schimpfte Old Bob laut. So viel Aufregung vertrug er nicht mehr.

„Dann sag’ ihnen doch, dass sie aufhören sollen!“, schlug ihm Hank vor.

„Richtig!“, stimmte Johnny zu. „Gib’ mir mal einen offenen Kanal.“

Old Bob drückte einige Knöpfe und schwarzweißer Schnee begann auf dem Monitor der Sichtverbindung zu flimmern. Das Flimmern verschwand schon eine Sekunde später und ein Mann mit einem blauen Helm und schwarzem Visier erschien auf dem Bildschirm.

„Johnny, der Weltraumpirat!“, erkannte der Weltraum-Polizist ihn sofort.

„Fast richtig! Ich bin lediglich sein Neffe dritten Grades auf dem Weg zum Mars“, log Johnny und deutete mit dem Daumen auf Old Bob. „Dieser nette Bursche hier namens Old Bob fliegt mich dort hin. Warum also beschießt ihr uns?“

„Was? Neffe dritten Grades? Einen Augenblick mal bitte!“ Der Polizist verschwand vom Bildschirm und man hörte unterdrücktes Gemurmel. Das Laserfeuer wurde eingestellt und die drei flogen erneut mit normaler Geschwindigkeit in den Weltraum hinaus mit Kurs in Richtung Mond, dicht gefolgt vom Polizeicruiser.

Das Gesicht des Polizisten erschien wieder auf dem Monitor. „Wenn Sie zum Mars wollen, warum fliegen Sie dann auf den Mond zu?“, fragte er geradeheraus.

„Weil … weil … äh …“, überlegte Johnny angestrengt, der überaus um seine mies konstruierte Lügengeschichte und sein Leben besorgt war.

„Damit ich meinen Anschlussflug nach Quazar IV bekommen kann, um einen Uhrmacher dort aufzusuchen“, mischte sich Hank ungefragt ein. „Wissen Sie, meine Digitaluhr ist nämlich kaputt gegangen und … Das ist echt eine lustige Geschichte. Ich kann sie Ihnen ja mal erzählen …“

„Bullshit!“, fauchte der Polizist in die Kamera.

„Hören Sie“, fiel Old Bob Hank ins Wort und versuchte, die Lage zu retten. „Wir fliegen erst zum Mond, dann zum Mars und dies sind meine einzigen beiden Passagiere diese Woche. Sie mögen nicht normal sein und ein klein wenig exzentrisch anmuten, aber sie bringen mir mein Gehalt ein. Also, Officer, seien Sie bitte so lieb und lassen uns fliegen!“

Der Polizist hörte Old Bob aufmerksam zu, warf abermals einen Blick auf Hank und Johnny hinter ihm. Schließlich nickte er mit dem Kopf. „Also schön. In Ordnung. Ich könnte aber schwören, dass derjenige hinter dem Irren Johnny, der Weltraumpirat, ist.“

„Irre?“ Hank war außer sich. „Wer ist hier irre? Häh? Wer?“ Hank ließ sich ja viel gefallen, aber das war der berühmte Tropfen, der sein ohnehin kleines Fass zum Überlaufen brachte.

„Lass es gut sein!“, wehrte Old Bob ab und wandte sich dann wieder dem Polizisten zu. „Wenn wir den Piraten sehen, sind Sie der Erste, den wir informieren!“

Der Polizist blieb hartnäckig beim Thema. „Ihr Bordcomputer hat uns aber informiert …“

„Tja, der spinnt erst recht. Hat dauernd Halluzinationen. Ich lasse ihn demnächst durchchecken“, entschärfte Old Bob die Situation schnell und endgültig. Mit einem schnellen Griff auf einen Knopf schaltete er den Interkom ab. Das Gesicht des Polizisten verschwand.

„Dem Kerl werde ich helfen!“, schimpfte Hank weiter. Niemand durfte ihn für verrückt halten! Er wollte doch bloß seine Digitaluhr reparieren lassen!

„Den Bullen ist nicht mehr zu helfen, Mann. Die verstehen gar keinen Spaß“, erklärte Johnny. Zu Old Bob gewandt fuhr er fort: „Hey, Mann! Das hast du klasse gemacht. Ich dachte schon, dass unser letztes Stündlein geschlagen hat.“

Old Bob sah sorgenvoll hinauf zur Decke, nur um zu überprüfen, ob sie noch da war. „Dein Rumgeballer hat mir ohnehin schon genug zerstört. Die hätten mir noch mein schönes Shuttle ruiniert! Das hätte mich nicht nur meinen Monatslohn gekostet, sondern auch meinen Beruf als Fremdenführer sowie eventuell mein Leben. Was hätte ich denn dann den ganzen Tag getan?“

Hank zuckte mit den Schultern und meinte: „Na, was wohl? Du wärst als Geist deinen Bus gefahren!“

„Jetzt werden wir erstmal zum Mond fliegen und uns eine größere Kutsche zulegen“, warf Johnny mit einem schiefen Grinsen ein. Leichter Sabber lief ihm aus den Mundwinkeln. Er witterte wieder das Abenteuer und dieses Mal würde er sogar noch zwei unfreiwillige Helfer seine Schmutzarbeit machen lassen. Über ihre Zukunft wollte er sie aber erst später aufklären. Alleine die Vorfreude darauf ließ sein Grinsen ans Diabolische grenzen.

„Sind größere Schiffe eigentlich auch gleichbedeutend mit einer schnelleren Reisegeschwindigkeit?“, erkundigte sich Hank.

„Im Allgemeinen ja“, erklärte Johnny. „Es gibt natürlich auch noch andere Vorteile, die solche Luxusschlitten mit sich bringen.“

„Welche denn?“

Johnny verdrehte genussvoll die Augen und raunte: „Eine prallvoll gefüllte Bordbar inklusive Whirlpool!“

„Ah, ich verstehe“, nickte Hank gleichgültig, da er sich nichts aus Luxus machte.

„Was ist mit mir?“, warf Old Bob besorgt ein. Wenn das so weiter ging, würde er den heutigen Tag wohl wirklich nicht mehr überleben. „Auf dem Mond brauchen Sie mich ja nicht mehr und ich kann endlich wieder meine eigenen Wege gehen, oder?“

„Wie? Natürlich nicht!“, platzte es ungehalten aus Johnny heraus. „Wie kommst du nur darauf? Mein ganzer Plan fußt darauf, dass du uns erhalten bleibst. Mit deiner Flugerfahrung können wir ganz leicht in ein anderes Raumschiff eindringen und es entführen.“

„Was? Ich werde doch nicht zu einem Piraten, wie Sie!“, entrüstete sich Old Bob.

„Es ist doch aber für einen guten Zweck“, hielt Hank dagegen. „Denk’ doch auch mal an meine Digitaluhr! Sie muss repariert werden und je schneller das geschieht, desto schneller geht es mir wieder gut.“

Johnny lachte laut los. Old Bob würdigte Hank keines Blickes.

„Ja, das ist ja alles ganz prima, Hank, alter Junge“, grinste Johnny. „Aber ich dachte da auch noch an etwas anderes, was wir im Orion-Nebel anstellen könnten!“

Hank war wieder Feuer und Flamme, als er sich vorstellte, was man dort machen konnte: „Zum Beispiel eine vollkommen neue Digitaluhr kaufen?“

„Nein“, Johnny schüttelte belustigt seinen Kopf. „Ich dachte da an so etwas wie eine Art Schatzsuche!“

Hank und Old Bob starrten Johnny, den Weltraumpirat, fassungslos an.

Johnny schenkte den beiden sein strahlendstes Lächeln, das selbst einer lachenden Sonne Konkurrenz gemacht hätte. „Was ist los, Leute? Gefällt euch das etwa nicht?“

„Eine Schatzsuche? Sobald meine Digitaluhr repariert ist, bin ich dabei!“, jauchzte Hank vergnügt.

„Niemals!“, protestierte Old Bob und hob abwehrend die Hände. „Ich könnte nicht nur dabei drauf gehen, sondern auch noch mein ganzes Leben würde sich über Nacht ändern. Ich bin ein alter Mann. Ich brauche Beständigkeit und einen geordneten Tagesablauf in meinem Leben!“

„Mein Freund behauptet aber das Gegenteil!“, ließ Johnny plötzlich mit eiskalter Stimme und finsterem Blick verlauten.

„Ich scheiße auf Hank!“, fluchte Old Bob laut.

Hank schien die Beleidigung nicht mitbekommen zu haben, denn er träumte von einer neuen, noch besseren Digitaluhr.

„Ich meine damit nicht Hank!“, erklärte Johnny und begann, seine Blaster O’Kill liebevoll zu streicheln.

„Oh!“ Old Bob zuckte erschreckt auf. „Nun, in dem Fall will ich eine Ausnahme machen!“ Er wandte sich wieder den Kontrollen zu und steigerte die Leistung der Triebwerke. In der Kanzel wurde es für einen winzigen Augenblick lauter und Hank glaubte von Old Bob die unterdrückten Schimpfworte „Kahl rasierter Affenarsch!“ gehört zu haben. Weshalb wohl Old Bob solche Worte in den Mund nahm, vermochte er sich nicht vorzustellen.

Johnny, der Weltraumpirat, hörte die Worte zu Old Bobs Glück nicht und nahm mit seiner Waffe gemütlich im Sitz des Co-Piloten Platz. Hank sah aus dem Fenster hinaus, begann sich aber schnell zu langweilen und ging dann schließlich hinaus ins Passagierabteil, wo er sich auf eine Sitzreihe der Länge nach hinlegte und einschlief.

Schatzsuche wider Willen

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