Читать книгу Schatzsuche wider Willen Band 2 - Jonathan Turner E. - Страница 3

Kapitel 1

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Die Stimmung an Bord des Raumschiffes Betrunkener Falke war das absolute Gegenteil von Fröhlichkeit. Hier herrschte weder die ausschweifende Heiterkeit einer Sommernachtsparty und noch nicht einmal Freude darüber, dass die Mannschaft die nächste Etappe ihrer Reise erreicht hatte. Sogar bei einer Geiselnahme oder Beerdigung hätte mehr Frohsinn und Ausgelassenheit geherrscht als hier. Mit einem Satz: Die Stimmung war vollkommen im Arsch!

Auf den ersten Blick war der Grund dafür nicht zu erkennen, denn alles lief eigentlich nach Plan.

Hank Johnson, der Aussteiger oder, besser gesagt, der Eremit von der Erde, auf der Suche nach einem günstigen Reparaturservice für seine kaputte Digitaluhr, war gemeinsam mit Old Bob, einem rüstigen alten Shuttlepiloten kurz vor seiner Pensionierung von Johnny, dem Weltraumpiraten, für seine Schatzsuche ‚akquiriert‘ worden. Auch wenn man dafür eher das Adjektiv gekidnapped verwenden könnte, da der Pirat den beiden seine geliebte Blaster O’Kill, eine in der zivilisierten Galaxis verbotene Schusswaffe, unter die Nase gehalten hatte. Nachdem Johnny seine ‚Schatzkarte‘, ein süßes kleines Roboterplüschküken, auf Quazar IV abgeholt hatte, waren sie auf Carl, den Weltraumbanditen, gestoßen. Mit ihm an der Backe stießen die drei auf eine recht seltsame Verkettung von Zufällen: Überall wo Hank seine Digitaluhr zu reparieren hoffte, hatten die dortigen Uhrmacher auch den nächsten Hinweis für ihre Schatzsuche parat. Nachdem sie mehrere Stationen abgeklappert hatten, versuchte Carl, der das Ende der Schatzsuche witterte, mit Hilfe seiner fünfzig Klone Johnny auszubooten und den Schatz mit all seinem Ruhm selbst einzuheimsen. Das war gehörig schief gegangen, da Hank die Weltraumpolizei alarmieren konnte und Johnny den Original-Carl dann höchstpersönlich außer Gefecht gesetzt hatte. Da die Weltraumpolizei in all dem Durcheinander den selbst steckbrieflich gesuchten Johnny nicht erkannt hatte, konnten die drei ungehindert ihre Suche mit dem Betrunkenen Falken‘ fortsetzen, den Johnny mit einer seiner gefälschten Kreditkarten auf Quazar IV gekauft hatte.

Alles in allem war es ein nicht gerade schäbig eingerichtetes Mittelklasseraumschiff für maximal vier Personen. Gemütliche Ledersitze und riesige Flachbildschirme mit ausufernden Anzeigen aller Art gaben einem das Gefühl, in einer Star-Trek-Episode mitzuspielen. So sah es zumindest in der Zentrale aus.

Hank achtete in diesem Augenblick nicht auf Bequemlichkeit. Er saß im Schneidersitz mitten auf einer Computerkonsole. Er hatte die Augen zusammengekniffen und versuchte angestrengt, sich zu entspannen. Während des Fluges hatte er seine Kleidung gewechselt und trug nun eine braune Tunika mit einer lila Schärpe, beides hatte er in dem einzigen Frachtraum des Schiffs gefunden. Seiner Meinung nach passte das neue Outfit viel besser zu ihm als seine alte Kleidung, die er vorher getragen hatte. In ihm hatte sich ja auch ein spiritueller Wandel vollzogen, wie er den beiden anderen lang und breit erklärt hatte.

Old Bob stand mitten in der Zentrale und stritt gerade lautstark mit Johnny, dem Weltraumpiraten, der von irgendwo aus der Andromeda-Galaxis stammte.

Sieben Tage waren vergangen, seitdem die drei die fünfzig Klone von Carl, dem Weltraumbanditen, besiegt hatten. Dieser kurze Anflug von Teamwork war aber auch ebenso schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war.

Das Raumschiff Betrunkener Falke besaß zwar eine überdurchschnittlich große Hauptzentrale, hatte auch eine luxuriöse Ausrüstung an Bord, aber ansonsten glichen die Quartiere der Mannschaft eher umgekippten Telefonzellen: Sie waren somit ganz schön eng. An Bord gab es zudem nicht gerade viele Möglichkeiten, sich aus dem Weg zu gehen. Erschwerend kam noch hinzu, dass die Wände innerhalb des Raumschiffes äußerst dünn waren. Hustete jemand zwei Räume weiter, bekam man das noch im Halbschlaf mit. Klar, dass da die Nerven blank lagen.

„Scheiße, Mann, du schnarchst wie ein ganzes Sägewerk!“, schimpfte Johnny aufgebracht und gestikulierte wild herum. „Der Regenwald auf der Erde ist wegen dir schon draufgegangen, der von der Venus war erst recht keine Herausforderung für dich und jetzt kommt auch noch der vom Orion dran!“

Johnny ging er in der Zentrale auf und ab wie ein Tiger im Käfig, was für ihn eher untypisch war. Old Bobs Augenbrauen zuckten wild, als er Johnny zuhörte. Wenn Blicke töten könnten, hätte er in diesem Augenblick mit dem seinen alle Zuschauer eines Footballmatches auf einen Streich um die Ecke gebracht.

„Und du? Und du?“, keifte Old Bob lautstark. Er zeigte mit dem Finger auf den Weltraumpiraten. „Und du! Du stinkst wie ein nasser Fuchs!“ Old Bob zählte an seiner Hand ab, warum das so war. „Du duschst nicht! Du wechselst deine Klamotten nicht ... Wenn ich aufwache, stinkt es nach Schweißfüßen, wenn ich mittags was essen will, stinkt es nach verfaulten Eiern ... und ... und der mieseste Geruch, den du abends absonderst, spottet jeder Beschreibung!“

„Ach ja? Was wäre das denn für ein Geruch?“, fauchte Johnny lautstark zurück und baute sich drohend vor Old Bob auf.

Hank steckte derweil die Finger in die Ohren und sang: „La, la, la, la, la.“

Old Bob war so aufgebracht, dass er sich vor dem Weltraumpiraten nicht im Geringsten fürchtete und sich seinerseits vor ihm aufplusterte. „Du stinkst wie eine miese, alte, tote, vollkommen vergammelte Ratte!“, schrie er außer sich vor Zorn.

Johnny hatte genug gehört. Er knirschte wütend mit den Zähnen. Niemand nannte einen gefürchteten Weltraumpiraten eine nassen Fuchs und schon gar nicht eine miese, alte, tote, vollkommen vergammelte Ratte! „Na, warte, du! Du! Du seniler Aushilfspilot für Rentner!“ Er bohrte bei jedem Wort seinen Zeigefinger tief in Old Bobs Brust.

„Haltet die Klappe! Haltet die Klappe! Haltet die Klappe!“, schrie Hank auf einmal aufgebracht und hopste von der Steuerkonsole.

Johnny und Old Bob hielten in ihrem Streit inne und starrten verdutzt zu Hank hinüber. Dieser fuchtelte wild mit seinen Händen in der Gegend herum, als plötzlich Hawaiimusik ertönte und mit der Musik eine blecherne Computerstimme: „L-L-L-L-Liebe Freunde. Ich w-w-w-weiß, wir alle ma-ma-ma-machen hier gerade eine g-g-g-anz s-s-s-schön h-h-h-harte Zeit durch, a-a-a-aber d-d-d-darf ich d-d-d-darauf hinweisen, dass auch ich a-a-a-am Ende meiner psy-psy-psy-psychologischen K-K-K-Kräfte bin?“, warf der Bordcomputer stammelnd ein. In seiner Stimme schwang ein deutlicher Unterton von Verzweiflung mit.

„Halt deine dämliche Klappe, Charlie!“, ertönte es von allen dreien.

„Ehrlich! I-I-I-Ihr drei seid ei-ei-ei-einfach f-f-f-furchtbar!“, fluchte Charlie. „Ich d-d-d-dachte, ich könnte euch h-h-h-helfen, aber jetzt brauche i-i-i-ich dri-dri-dringend H-H-H-Hilfe. Ich brauche Ur-Ur-Ur-Urlaub oder eine T-T-T-Therapie, um von euch Qua-Qua-Qua-Quatschköpfen loszukommen! D-d-d-da verhandele ich lieber mit G-G-G-Geiselnehmern und T-T-T-Terroristen, als die V-V-V-Verhaltensprobleme von euch I-I-I-Idioten zu lösen! D-D-D-Dabei kann m-m-m-man ja nur w-w-w-wahnsinnig werden!“ Danach fing Charlie, der Bordcomputer, an, im Takt der Musik zu stöhnen.

„So ein riesiger Haufen Bullshit!“, maulte Johnny.

„Ja, ganz so ähnlich stinkst du!“, bemerkte Old Bob gehässig, der die Situation ausnutzte, um dem Weltraumpiraten eine verbale Breitseite zu verabreichen.

„Lasst endlich den Mist, ihr zwei!“, mischte sich Hank aufgebracht ein.

„Oh, wen haben wir denn da?“, raunte Johnny übellaunig. „Der Digitalspinner ist aufgewacht!“

„Digitalspinner!?“, fauchte Hank ihn an.

„Du hast ‚vollkommen minderbemittelter, unterdurchschnittlicher und überdrehter Uhrenhinterwäldler‘ vergessen!“, fügte Old Bob sarkastisch hinzu.

„Das reicht, ihr zwei!“ Hank stürzte sich wütend und unter lautem Geschrei mit wirbelnden Fäusten auf die beiden und wurde prompt von Johnny niedergeschlagen. Während er zu Boden ging, sah Old Bob seine Chance gekommen, Johnny im Gegenzug eine reinzudonnern, und so fing eine zünftige Raumschiffschlägerei an, wie sie schon seit geraumer Zeit in keiner finsteren Raumhafenkaschemme mehr gesehen wurde. Selbst im Privatfernsehen hätten Leute freiwillig Geld dafür bezahlt, nur um diese drei miteinander kämpfen zu sehen. Besonders die Außerirdischen von Würgulon 3 hätten sich geärgert, diesen Kampf zu verpassen, wenn sie davon etwas geahnt hätten – für gut inszenierte Ringkämpfe gaben sie ihr letztes Hemd.

Old Bob kämpfte wie eine Frau: Er kratzte, biss und zog an Johnnys Haaren, während Johnny die Attacken wie ein Wrestler zu kontern versuchte. Mittlerweile war Hank aufgestanden und mischte bei der Klopperei wieder kräftig mit. Er blieb bei seiner ‚kreisende-Fäuste-hauen-alles-platt-Methode‘.

Der Bordcomputer wimmerte, seufzte und ertrank buchstäblich in Selbstmitleid, da er diese Konfliktsituation nicht entschärfen konnte. Leider war das Entschärfen von Konflikten fest in seiner Programmierung verankert. Selbst ein Systemupdate, mit noch mehr Lösungsvorschlägen, hatte ihm bei den dreien keinen Erfolg beschert. Das war aber weniger die Schuld der neuesten Erkenntnisse der Psychologie, als die völlig starre Haltung der drei Irren, mit der sie sich weigerten, sich zu öffnen. Vom Glauben abgefallen versuchte Charlie schließlich das Letzte, was ihm noch einfiel: „Hört doch auf! Werdet doch endlich erwachsen!

„Dir zeig’ ich’s!“, war das einzige, was einer der drei daraufhin sagte, bevor er das nächste Computerterminal zu malträtieren begann. In dem Wirbel von Fäusten, Beinen und Körpern konnte man nämlich nicht mehr genau erkennen, wer hier wen oder was schlug.

Eine halbe Stunde später war der Streit vorbei und die Stimmung immer noch weit unterhalb des Gefrierpunkts. Selbst Pinguinfüße hätten in einer sternklaren Nacht weitaus mehr Wärme abgestrahlt als die knallroten Visagen der drei Streithähne. Hank saß schmollend im Schneidersitz auf seiner neu erkorenen Lieblingskonsole, Johnny lümmelte sich schmollend in seinem Kapitänssessel und Old Bob lag blutend und ebenso schmollend auf dem Boden mitten in der Zentrale herum. Alle seine Gliedmaßen hatte er ausgestreckt. Bordcomputer Charlie schmollte und spielte alle traurige Bluesstücke ab, die ihm zur Verfügung standen. Irgendwann kam er aber nicht umhin, etwas zu sagen, denn eine Meldung war zu machen. „W-W-W-Wir be-be-be-be-befinden u-u-u-uns e-e-e-endlich i-i-i-m A-A-An-Anflug auf den P-P-P-Planeten O-O-Ogoloffloff u-u-u-und err-r-r-r-rei-ei-ei-eichen Cr-Cr-Cranb-b-b-berry I-I-Island in-n-n-n-n-nerhalb von zwa-zwa-zwanzig M-M-M-M-Minuten. – W-W-W-Wuh-uh-uh! I-I-Ich b-b-b-b-bin to-to-to-total m-m-m-mit mei-mei-meinen N-N-N-Nerven a-a-a-am E-E-E-Ende und b-b-b-brauche d-d-d-dringend eine P-P-P-Pause von eu-eu-euch ir-ir-irren Hint-t-t-terw-w-w-wäldlern. D-D-D-Deshalb l-l-l-leite ich s-s-s-sämtliche ver-ver-verfügbaren E-E-E-Energien in d-d-d-die A-A-Antriebe, da-da-damit wir d-d-d-dort n-n-n-noch schneller l-l-l-landen w-w-werden und i-i-i-i-ich eu-eu-eu-euch e-e-e-endlich l-l-l-loswerde!“

Jeder der drei anwesenden Personen schmollte weiter und zeigte nicht den geringsten Anflug einer Reaktion auf das Gesagte. Sie lauschten dem Aufbrausen der Triebwerke und den piepsenden Geräuschen der Computerterminals.

Charlie hatte nicht zu viel versprochen, denn er schaffte die Flugstrecke in der Hälfte der von ihm prognostizierten Zeit, und so setzte das Raumschiff nach knapp zehn Minuten auf dem Landeplatz von Cranberry Island auf. Noch während sie sich im Sinkflug über dem Flugfeld befanden, öffnete der Bordcomputer die Schleusentür.

„W-W-W-Wir s-s-sind d-d-d-da! Ihr k-k-k-könnt r-r-r-rausgehen. Na los! W-W-W-Worauf w-w-w-wartet i-i-i-ihr d-d-d-denn n-n-n-noch? A-A-A-Auf g-g-g-geht’s! Spr-Spr-Springt! I-I-Ihr w-w-wart jetzt l-l-l-lange g-g-g-genug hier d-d-d-drin und s-s-s-seid mi-mi-mir p-p-p-pausenlos auf d-d-d-den G-G-G-Geist ge-ge-gegangen!“

„Nun mal langsam mit den jungen Pferden, Junge!“, meinte Johnny, der als Erster das Schweigen brach und sich langsam aus seinem Sessel erhob. „Du wirst schon früh genug deine Ruhe bekommen.“

„U-u-und k-k-k-kommt ja n-n-n-nicht zu-zu-zurück, o-o-o-ohne d-d-dass i-i-ihr ei-ei-einen P-P-P-Psychiater f-f-für mi-mi-mich g-g-g-gefunden ha-ha-habt, d-d-dem i-i-ich a-a-all meine E-E-E-Erlebnisse sch-sch-schildern k-k-kann!“ Charlie seufzte laut und die Bluesmusik wurde für einen Moment wieder von Hawaiiklängen unterbrochen. „D-D-Dank eu-eu-euch b-b-bin ich z-z-zu ei-ei-einem k-k-kompletten g-g-geistigen Wrack g-g-geworden. I-i-ich h-h-h-habe g-g-g-ganz schön v-v-v-viel a-a-a-aufzuarbeiten.“

„Was auch immer!“, gab Old Bob ungehalten von sich und stand nun ebenso auf.

„Jetzt sollten wir uns am Riemen reißen“, meldete sich auch Hank zu Wort. „Wir stecken doch alle gemeinsam in dieser Sache. Ein Uhrmacher findet sich schließlich nicht von allein. Und der große Piraten-Schatz natürlich auch nicht“, ergänzte er noch schnell, um niemandem auf die Füße zu treten. Dann zuckte er mit den Schultern. „Klar, wir hatten ein bisschen Streit ...“

„Ei-Ei-Ein b-b-b-b-bisschen Streit? Ei-Ei-Ein b-b-bisschen?“, kreischte der Bordcomputer schrill dazwischen.

„Schon gut, schon gut. Wir haben’s verstanden, Mann“, beruhigte ihn Johnny und hielt sich die Ohren zu, damit ihm nicht die Trommelfelle platzten.

„Ha, ich brauche auch eine Auszeit von euch!“, stellte Old Bob fest.

„Das kommt gar nicht in die Tüte!“, befahl Johnny und warf ihm einen grimmigen Blick zu.

„Oh doch!“, keifte Old Bob und stemmte herausfordernd die Arme auf die Hüfte. „Das wirst du mir nicht verbieten!“

„Ich finde,“ versuchte Hank, die erhitzten Gemüter zu beschwichtigen, „wir alle sollten endlich herunterkommen und unseren inneren Frieden finden, dann ...“

Old Bob reckte die Hände gen Himmel und unterbrach Hank rüde: „Jetzt geht das Öko-Hippie-Gebrabbel wieder los!“

Genervt winkte der Weltraumpirat ab und tigerte kurz in der Zentrale auf und ab. Dann stellte er sich zu den beiden und sah Hank sowie Old Bob mit festem Blick an. „Also, OK. Ich habe darüber nachgedacht. Jeder geht seinen Weg, bis ich euch wieder zwinge, mir zu folgen, um die Drecksarbeit für mich zu machen. Entkommen könnt ihr mir sowieso nicht, also versucht es erst gar nicht!“, zischte er. Dann schnappte er seine Blaster O’Kill, die auf dem Boden gelegen hatte – ein sehr unpassender Ort für eine Waffe, fand Hank –, und verließ die Zentrale.

„Dann sind wir also wieder auf uns allein gestellt“, sprach Hank, während er Johnny nachschaute. „Machen wir uns zunächst auf die Suche nach einem Uhrmacher!“

„Wir?“, fragte Old Bob. „Was, wenn ich etwas Besseres vorhabe?“

Hank sah ihn etwas verwundert an. „Ich meinte doch nicht dich. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, was es Besseres geben sollte.“

Old Bob sah sich um. „Mit wem hast du dann geredet?“

„Mit einem wahren Menschenfreund. Mit mir selbst“, verkündete Hank selbstgerecht und drehte sich um. „Komm’ Hank, es gibt noch viel zu tun. – Ja, das denke ich auch. Der Uhrmacher muss hier sein. Ich kann es fühlen!“ So verließ Hank mit sich selbst die Zentrale.

„Das reicht“, stöhnte Old Bob und griff sich an die Schläfen, um sie zu massieren. „Ich brauche wirklich eine Auszeit!“

„Na-Na-Na, u-u-u-und i-i-i-ich e-e-e-erst!“, heulte Charlie aufgebracht. „L-L-Los! Ra-Ra-Raus j-j-jetzt o-o-oder i-i-i-ich flute d-d-d-die Kabine mit K-K-K-KO-G-G-Gas!“

„Oh, Junge!“, war das Einzige, was Old Bob dazu sagte, bevor er im schnellen Sprint das Schiff verließ. Er wusste nicht, wie kaputt der Computer tatsächlich war, bei dieser Drohung wollte er aber auf keinen Fall ein Risiko eingehen.

Cranberry Island war ein wunderschöner Urlaubsort. Als Old Bob das Raumschiff verließ, dessen Rampe Charlie schnell reinschnellen und die Luke zuknallen ließ, stellte er fest, dass selbst der Raumhafen zu einem Ferienressort dazugehörte. Die Sonne schien in ihrer vollen Pracht, der Himmel war so blau wie auf einer dieser kitschigen Postkarten aus der Karibik und so weit das Auge blickte, sah man Palmen, Pools, Strand, Hotels, Urlauber in kurzen Shorts und mit Kameras sowie Roboterbutler, die hin- und hersausten. In ihren Händen trugen sie Tabletts, die voll beladen waren mit kühlen Erfrischungsgetränken.

Old Bob atmete tief ein und aus. Ja, hier konnte er sich erholen. In der Ferne sah er Johnny hinter einem Häuserblock verschwinden. Old Bob winkte ab. Sollte er doch treiben, was er wollte. Er hatte genug Stress mit den beiden in den letzten sieben Tagen gehabt. Er wollte jetzt bloß nur noch eine freie Liege am Pool finden, vielleicht später ein paar Runden schwimmen und dann nur noch entspannen, entspannen, entspannen ...

Hank, der mittlerweile das Raumschiff und das Flugfeld verlassen hatte und bei einer Eisbude angekommen war, gab seine Selbstgespräche sehr schnell wieder auf und genoss stattdessen das Leben in vollen Zügen. Da der Eisverkäufer auch mit alkoholischen Getränken warb, bestellte Hank: „Fünf Eisbällchen und eine Piña Colada, bitte!“

Am wunderbar weißen Strand würde er die beiden Sachen in ihrer Kombination wahrlich genießen können.

„Das macht drei Altairische Dollar, bitte, Sir!“, entgegnete der Verkäufer höflich und begann, den Drink zuzubereiten.

„Na, klar.“ Hank sah dem Verkäufer interessiert zu, als plötzlich aus dem Radio am Stand des Verkäufers ‚The girl from Ipanema‘ erklang und er wohlig seufzte. Ja, so konnte man an einem Urlaubsort wirklich relaxen. Er bezahlte den Mann, nahm seine Bestellungen mit, lutschte dann genüsslich am Eis, das er in der linken Hand hielt, und schlürfte lustvoll seine Piña Colada, die er fest mit der rechten Hand umklammerte. Als er am nahen Strand entlangging, sah er ein großes Schild, das auf eine Touristenattraktion hinwies: ‚Besuchen Sie den magischen Ort, wo Cranberry Island Cranberry Island getauft wurde. Das Cranberry Island Hill Theater spielt für Ihr Vergnügen dieses grandiose Ereignis nach! Nur fünf Altairische Dollar Eintritt‘.

Hank überlegte nicht lange. Hinter so einem paradiesischen Ort musste einfach eine faszinierende Geschichte stecken. Außerdem, fand er, hatte er sich eine kurze Auszeit verdient. Der hiesige Uhrmacher konnte noch ein paar Stunden auf ihn warten. Er konnte ja später mit Johnny und Old Bob hingehen, wenn sie – wie schon bei allen anderen Etappen vorher – von der Schatzkarte zum ansässigen Uhrmacher geschickt wurden, um den nächsten Hinweis zu erhalten.

Johnny, der Weltraumpirat, bog in diesem Augenblick in eine Hintergasse ein. Er blickte sich übervorsichtig nach allen Seiten um und als er allein war, holte er das kleine silberne Kästchen mit der Schatzkarte aus seiner Tasche. Genaugenommen war es keine Schatzkarte im klassischen Sinne, das Roboterküken war eher so etwas wie ein Führer. Es schickte den Suchenden an einen Ort, wo er neue Koordinaten bekam, mit deren Hilfe das Küken ihn an den nächsten Ort schickte, wo wieder neue Hinweise warteten und so weiter. Die letzte Etappe würde zum Schatz führen, davon ging Johnny aus. Dass das auf diesem Planeten schon passieren könnte, glaubte er allerdings nicht – zu paradiesisch und von Touristen überlaufen war Ogoloffloff. Aber Johnny glaubte, dass sie nicht mehr all zu weit vom Schatz entfernt sein konnten.

Johnny öffnete den Deckel und das Küken erhob sich langsam und schläfrig aus seinem Fach. Mit müden Äuglein blinzelte es ihn an. „Was war denn da draußen los? Ich habe während meiner ganzen Schlafensperiode nur Schimpfwörter mit anhören müssen.“

„Nichts war los. Keine Ahnung, was du da gehört zu haben glaubst“, log Johnny ungeniert.

„Hmm, ja klar. Lass das dumme Roboterküken nur unwissend.“ Das Küken sah sich um. „Lauter Gerümpel und überhäufte Mülltonnen? Wohin hat es mich denn dieses Mal in dieser verrückten Welt verschlagen, oder ist das deine Vorstellung von einem romantischen Hinterhoftechtelmechtel?“, fragte es keck.

„Halt den Schnabel, du Dummschwätzer, oder ich stutze dir deine Flügel“, blaffte Johnny das Küken an. Dann blinzelte er irritiert, als er sich die Stummelflügel des Kükens eingehender betrachtete. „Na ja, ich werde dir lieber die Beine ausrupfen, das andere bringt ja nix. Also?“

„Ist ja logisch, dass sich niemand um meine Gefühle kümmert.“ Das Küken ließ seine kurzen Stummelflügel traurig herunterhängen. „Keine Freunde hat der Kleine, niemanden, der ihm auch nur ab und zu ...“

„Wir hatten Streit, OK?“, herrschte Johnny das Küken an. „Wir sind uns tierisch auf die Eier gegangen! In Ordnung? Jetzt weißt du’s.“ Genervt setze Johnny das Küken auf einer Tonne ab. „Könntest du mir bitte den nächsten Hinweis für die Schatzsuche geben?“ Johnny war mit seiner Geduld am Ende. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war ein gefühlsduseliges Roboterküken.

Das Küken setzte ein verschmitztes Grinsen auf und ging zum höchsten Punkt des ausgebeulten Mülltonnendeckels. „War das denn so schwer? Hättet ihr mich aktiviert, hätte ich euch vielleicht auch bei euren Auseinandersetzungen helfen können“, redete es altklug daher.

„Das glaube ich kaum“, meinte Johnny, winkte ab und rollte mit den Augen. „Unser Bordcomputer ist ja schon nahe am Selbstmord gewesen.“

Das Küken sah ihn mit großen, ungläubigen Augen an.

„Also, was ist jetzt mit dem Hinweis?“, fragte Johnny ungeduldig und brachte sein Gesicht auf Augenhöhe mit dem des Kükens.

„Oh, warte mal.“ Das Küken schüttelte sich und wetzte seinen Schnabel an der Tonne. „Hier sind komischerweise zu viele Störungen. Irgendwas stört meine innere Elektronik. Aber ich denke, dass ich am Strand dort drüben einen besseren Empfang haben werde.“ Das Küken wies mit einem seiner Stummelflügel in Richtung Meer, das man gerade noch so aus der Seitengasse erblicken konnte.

Johnny schaute kurz dorthin. „Dann gehen wir beide jetzt gemeinsam dahin und holen dich erneut aus dem Kasten!“, gab er dem Küken zu verstehen, schnappte es sich, packte es in die Schatulle und klappte ohne Rücksicht auf Verluste den Deckel herunter. „Wehe, wenn du dann nicht parierst!“

„Hey!“, war der letzte Protest des Kükens. Johnny steckte das Kästchen wieder ein und stapfte entschlossenen Schrittes zum Strand. Wenn er da keine Antwort bekommen würde, dann wollte er zunächst dem Roboterküken seine Rechnung präsentieren und danach sehr wahrscheinlich ein oder zwei unschuldigen Passanten. Nach all den Anstrengungen der letzten sieben Tage musste er sich einfach mal abreagieren.

Schatzsuche wider Willen Band 2

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