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Schlussfolgerung: Öffentlich und Öffentlichkeit

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Meine kurze Betrachtung des Wandels innerhalb des Ritual-Portfolios der Republik hat sich notwendigerweise auf die Prozesse beschränkt, die in unseren Quellen sichtbar sind oder wenigstens sich auf die bekanntesten Rituale beziehen. Nur die öffentlichen Rituale sind gut genug belegt, um eine solche Untersuchung möglich zu machen. Die meisten Rituale, auf die in der späten Republik oder der frühen augusteischen Zeit etwa in den Kalendern verwiesen wird, werden fast nie in historiographischen Texten oder Reden erwähnt. In den Fällen, in denen ein spezifischer Kontext genannt wird, muss man eine Kontinuität annehmen, die mindestens von der Gründung des jeweiligen Tempels an besteht. Natürlich ist die Vorstellung einer König Numa zuzuschreibenden Liste von Festen nicht mehr haltbar.42 Viele der Rituale, die auf die frühe Republik zurückgehen oder noch älter sein mögen, wurden von Priestern der größeren Priesterkollegien durchgeführt, unter anderem auch den Flamines und den Vestalinnen. Die monatlichen Opferungen eines Schafs für Iuppiter (ovis idulis) haben zum Beispiel keine Zuschauer angezogen – jedoch beschwert sich niemand jemals darüber. Die tatsächliche Anziehungskraft vieler Rituale bleibt unbekannt, auch wenn es naheliegt, dass häufig erwähnte Rituale in der Regel auch eine bestimmte Popularität in der Teilnahme aufwiesen. Eine Liste „beliebter Rituale“ wäre eher kurz und von den Saturnalien angeführt, zusammen mit den Kalendae Ianuariae und dem Septimontium, dem Fest der Sieben Hügel, das von Nordafrika bis Gallia Transpadana gefeiert wurde. Eine solche Liste würde auch die Lupercalia (15. Februar), eventuell die Gruppe der Feralia, Parentalia und Quirinalia im Februar, mit Sicherheit die Matronalia (1. März, ein Umkehrritual mit Rollenvertauschung) und vielleicht auch Anna Perenna (15. März) aufführen. Belege für die Liberalia (17. März) sind erstaunlich vage; die Parilia (21. April) mögen beliebt gewesen sein. Der Tempel der Mater Matua hätte am 11. Juni Frauen angezogen, die Vestalia (15. Juni) vor allem Matronen genauso wie die Rituale, die mit Ceres in Verbindung stehen.43 Ein populärer Charakter der Poplifugia (5. Juli) bleibt dürftig belegt. Eine größere Sicherheit besteht im Falle der Neptunalia und Volcanalia inklusive ihrer Errichtung provisorischer Hütten und Freudenfeuer (23. Juli beziehungsweise 23. August). Im weiteren Jahresverlauf könnte man an die Feste der Brunnen und des neuen Weines (Fontinalia und Meditrinalia, beide Mitte Oktober) denken, auch wenn die Belege dürftig bleiben. Die meisten dieser Feste werden durch dezentralisierte Feiern gekennzeichnet; für die Mehrheit ist kein zentralisiertes Ritual bekannt.

Offenbar wurden ab der Mitte des vierten Jahrhunderts diese Festriten durch komplexe Rituale mit zentralisierten Riten, die mehr Zuschauer (vielleicht ein Achtel bis ein Viertel der römischen Einwohner) auch aus größeren Städten um Rom herum anziehen sollten, eher ergänzt als verdrängt.44 Große Prozessionen und Wettkämpfe unter Profis waren typisch. Die Zahl der Tage, die diesen „Spielen“ gewidmet war, stieg ständig. Bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts waren bis zu achtundzwanzig Tage regelmäßig für szenische Aufführungen (inklusive der Mimen) bestimmt45 und förderten so ein Ritual, das sogar die Zirkusspiele dominierte.46 Kommunikationsprozesse wurden durch diese Rituale möglich gemacht und gefördert. Die Notwendigkeit dafür scheint vor allem durch eine enorme Expansion und die von vielen zu tragende militärische Belastungen produziert worden zu sein, ebenso durch innere Prozesse sozialer Differenzierung und städtischer Zusammenballung. Die Rituale machten es möglich, Einzelpersonen herauszuheben – insbesondere die Magistrate, die verschiedene Prozessionen anführten (siehe Kapitel 5) – machten es aber auch möglich, sie zu kontrollieren und in einen öffentlichen Rahmen zu pressen, der die anwesenden Bürger integrierte und überstieg. Letztere wurden selbst als intern differenzierte Gruppe konstituiert, die ein symbolisches Zentrum und eine Peripherie aufwies. In der Kaiserzeit wurde diese Art von Ritual zur Standardweise der Kommunikation des Kaisers mit den Bewohnern Roms. Das gelang in großem Stil, weil sich seine formalen Aspekte gerade so entwickelt hatten, dass die Wichtigkeit eines bestimmten Einzelnen innerhalb der großen Gemeinschaft hervorgehoben werden konnte. Natürlich wurde in der republikanischen Zeit die Betonung auf den öffentlichen Rahmen gelegt, während im Kaiserreich die Zentralität des Herrschers und seine beispielhafte Rolle als Akteur und Finanzier des Rituals zu einem Hauptthema der religiösen Kommunikation wurden.

Als Resultat der aufgezeigten Veränderungen erlangte Religion im dritten Jahrhundert eine politische Bedeutung, die sie so am Anfang des betrachteten Zeitraumes noch nicht besessen hatte. Indem man die Götter in die Massenkommunikation einbezog, wurde eine solche Kommunikation erst überhaupt ermöglicht und ihr zugleich ein normativer Rahmen gegeben, der die Interaktion zwischen herausragenden Adligen und der Masse der Bevölkerung als „Öffentlichkeit“ definierte. Dieser Mechanismus trifft selbst auf die priesterlichen Bankette zu, bei denen ein Publikum nur über den späteren medialen Diskurs anwesend war. Um diese These noch einmal scharf zu stellen: Religion bemächtigte sich des „öffentlichen“ Raumes und definierte ihn. Diese Art von prozeduraler Systematisierung hatte zwei Folgen. Zum ersten wurde Ritualisierung – das Zwingen von Handlungen in die Öffentlichkeit und in religiöse Formen – eine wichtige Form sozialer Kontrolle. Dieser Prozess ist das Hauptthema des fünften Kapitels. Zuvor jedoch muss die zweite Folge angesprochen werden: Der Umfang religiöser Kommunikation stieg drastisch an. Sie wurde komplexer, neue Themen und Selbstreflexivität folgten; Raum, oder besser: Kontexte für die Rezeption griechischer Denkweisen über Religion wurden verfügbar. In lateinischer Sprache auf römischen Bühnen aufgeführt, kam solche Reflexion nicht umhin, sich auf römische Religion zu beziehen, und tat dies sehr bewusst. Diese Art der theoretischen Rationalisierung muss Thema des nächsten Kapitels sein.

Römische Religion in republikanischer Zeit

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