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Theologie

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Accius’ dramatische Produktionen enthalten einen Apparat personalisierter Götter innerhalb eines polytheistischen Rahmens, der es ihnen erlaubt, die Handlung voranzutreiben. Dies scheint auf den ersten Blick nicht anders zu sein als bei seinen Vorgängern. Die Auswahl der Götter, die als Handlungspersonen ausgewählt werden, ist nicht außergewöhnlich, trotz der Willkür der Überlieferung: Iuppiter taucht mehrmals auf (z.B. 535, 646 Ribbeck = 210, 450 Dangel, im folgenden R und D), Juno (652 R = 702f. D), Mars als Mavors (321 R = 157 D), Arquitenens, „Bogenträger(in)“, wird für Diana benutzt (52 R = 324 D) und Apollo (167 R = 285 D). Minerva trägt als Beinamen den Namen armipotens (R 127), „Waffenträgerin“. Die Liste wird weitergeführt durch die „im Wald wohnenden“ Faune (237 R = 428 D), Silvanus (405 R = 481 D), Fortuna und Sol (619 R = 88 D), gemeinsam mit Gruppen von Göttern wie die di inferni (62 R) und die Kabiren (526 R), ein scheinbar typisch römischer Begriff für die „großen Götter“, denen zum Beispiel auf Lemnos und Samothrake gehuldigt wird.5 Nach Servius auctus (Aen. 8,130) bekam die Genealogie des Euander, die bis auf Maia und ihren Sohn Mercurius zurückgeht, eine ausgedehnte Behandlung im Atreus (I R = I D). Vulcan unterscheidet sich dadurch, dass er dreimal erwähnt wird (484, 529 und 558 R = 129, 204 und 233 D als Mulciber).

Eine echte und reine römische Religion, die jenseits von jedem griechischen Einfluss liegt, existierte nie, wie Franz Altheim gezeigt hat.6 Gleichzeitig können verschiedene Formen und Stufen der Anpassung identifiziert werden. Daher scheint es im Zusammenhang mit zeitgenössischen Kultnamen auffällig, dass es genau der Nachkomme der Beziehung des Gottes Zeus mit der menschlichen Semele ist, Dionysus, der bei seinem griechischen Namen genannt wird, auch wenn lateinische Entsprechungen als Bacchus und Liber bekannt waren:7 o Dionyse, optime pater, vitisator, Semela genitus, euhie! (240–242 R). Diese Passage aus den Bacchae ist kein Einzelfall. Im Tereus wird derselbe Gott in ähnlicher Weise angesprochen beziehungsweise dazu aufgerufen, sich ihm zuzuwenden: Deum Cadmogena natum Semela adfare et damulanter pete (642 R = 445 D). Die längste Genealogie aus dee Praetexta Aeneadae sive Decius (frg. I = 676 D), ist die des Iuppiter (in der langen Version seines Namens): Es geht in vier Schritten zu Anchises. Sie ist durch und durch griechisch und endet bemerkenswerterweise mit Anchises und nicht mit Decius.8 Die zuvor genannte Genealogie des Euander aus den Scholia Danielis mag ebenfalls in einem griechisch klingenden Text geendet haben (Atreus I R/D). Wenn man das als Form der Distanzierung sieht, passt die herausgehobene Aussage in der Epinausimache (328 R = 139 D), dass die Kinder der Götter Sterbliche seien, sehr gut in das ontologische Bild der Trennung von Göttern und Menschen.

Aussagen und Hervorhebungen dieser Art waren am Ende des zweiten Jahrhunderts v. Chr. von zeitgenössischer Relevanz (diese Charakterisierung möglicher Gleichzeitigkeit wird mit Bedacht genutzt, da chronologische Genauigkeit in einer Geschichte dieser Art unmöglich ist). In der im Kult implizierten „bürgerlichen“ Theologie Roms – das Kapitel 12 wird sich mit dieser Art von Reflexion näher beschäftigen – gab es die lange gültige Tradition der Unterdrückung oder zumindest Streichung von Beziehungen unter den Göttern und vor allem mit Menschen. Besonderes Augenmerk liegt in dieser Beziehung auf dem zentralen Gott der politischen Gemeinschaft, Iuppiter.9 Die Überkorrektheit, die in der Wahl von Iovis statt Iuppiter, sprachlich am Griechischen orientiert, demonstriert wurde, und die Tatsache, dass Accius wie bei der Rede von Zeus so den Beinamen pater, „Vater“, nicht nutzte – der im Vergleich dazu im Kult anderen Göttern gegeben wurde (Mars Pater oder sogar Marspiter, Ianus Pater) – könnten ein Teil dieses Trends gewesen sein und nicht etwas, dass als Gräzismus interpretiert werden muss. Bereits vor Accius kann dies bei Naevius (als Autor aktiv von etwa 235–205 v. Chr.) und Pacuvius (der zwischen etwa 220 und 130 v. Chr. lebte) gefunden werden.10 Es stand im Gegensatz zu dieser Rationalisierung, die der frühen adligen Kohärenz entstammte, dass am Ende des zweiten Jahrhunderts Bezugnahmen auf göttliche Abstammung auch vor der Öffentlichkeit genutzt wurden, um Distinktion für Einzelne zu erreichen, die politisch gesehen eher zweitrangigen gentes entstammten.11 Das Vortragen solcher Ansprüche göttlicher Abstammung fand im gleichen Kontext statt, in dem auch die Zusammenstellung (und Erfindung) der republikanischen Konsularfasten stattfand – die fasti waren hierbei sowohl Erinnerungsmedium als auch Wettbewerbsmedium für die adlige Unterscheidung in Bezug auf das politische Gewicht der eigenen Abstammung – und die in der augusteischen Zeit fortgeführt wurde.12

Auf dieser Grundlage ist es kaum Zufall, dass das Wort caelites, „Himmelsbewohner“, im Sinne von „Göttern“ gleich dreimal in den Fragmenten des Accius auftaucht. Ich interpretiere dies als Teil des gleichen Trends der ontologischer Trennung zwischen Menschen und Göttern. Accius ist nicht der erste, der es nutzt. Es erscheint zweimal in Fragmenten von Ennius’ Dramen und Arcturus stellt sich selbst mit diesem Begriff zu Beginn des Prologes von Plautus’ Rudens (1–3) so vor:

Qui gentes omnes mariaque et terras movet,

eius sum civis civitate caelitum.

ita sum ut videtis splendens stella candida.

Mit ihm, der alle Völker, Meere und Kontinente bewegt, bin ich Mitbürger in der Stadt der Himmlischen. Ich bin, wie Du siehst, ein funkelnder und heller Stern.

„Himmlisch“ bedeutet hier „Bewohner des Himmels“ und muss wörtlich genommen werden, auch wenn metaphorisch gesehen „Götter“ impliziert sind, wie der erste Vers zeigt.13 Die gleiche Rangfolge der Bedeutung findet sich in der Hecuba des Ennius in der Formulierung o magna templa caelitum commixta stellis splendidis (scaen. 196 Vahlen): Götter mögen sie sein, aber sie wohnen auch im Himmel, unter den Sternen. Die engere räumliche Bedeutung des Begriffes, der durch seine Etymologie überbestimmt war, ist auch in der ähnlichen Form caelestes enthalten, die von Cicero an völlig dominiert. Bei Accius gehört templum resonit caelitum, „der Widerhall des Tempels der Himmlischen“ (Aeneadae x = 686 D) in diese Kategorie.

Das Wort bekommt eine neue Färbung in Ennius’ Telamo. In einer Passage, die scharfe Kritik an den momentanen religiösen Ideen auf vielfältige Weise übt,14 bemerkt der Gott Telamo im Angesicht des Todes seines Sohnes Ajax, dass Götter sich nicht um Menschen scheren: „Denn wenn sie sich um sie scheren würden, würde es dem Guten gut gehen und dem Schlechten schlecht, was nicht der Fall ist“ (nam si curent, bene bonis sit, male malis, quod nun abest, scaen. 318 Vahlen = trag. 265 Jocelyn). Dies ist die klassische Formulierung des Problems der Theodizee15 und eine Standardpolemik gegen das stoische Konzept der göttlichen Fürsorge. Es ist wichtig, dass Telamo genau in dieser Bemerkung vom Begriff dei zum Begriff caelites wechselt und ihn in dem Zusammenhang16 verwendet, dass die Götter beziehungsweise die Bewohner des Himmels sich nicht um Menschen scheren:

Ego deum genus esse semper dixi et dicam caelitum, sed eos nun curare opinor, quid agat humanum genus. 17

Ich habe immer gesagt und werde immer sagen, dass die Rasse der himmelsbewohnenden Götter existiert; aber ich glaube nicht, dass sie sich darum kümmern, was die menschliche Rasse tut.

Zwei weitere Passagen des Accius müssen in diesem Kontext gelesen werden. Die Verbindungspunkte sind ähnlich: Das Thema ist der Kult der – vielleicht das beste Adjektiv, das seinen Ton widerspiegelt – hohen Götter: Im ersten Fall das Herantreten an die caelitum aras (298 R = 606 D) und im zweiten ein Ausruf (593 R = 566 D): Delubra caelitum aras sanctitudines!18 In beiden Fällen gibt es durch die Verbindung zu erdgebundenen Monumenten eine gewisse Spannung. Die Überlegenheit oder, um einen schamlosen Anachronismus zu verwenden, die Andersheit, die Alterität der Götter wird hervorgehoben und nicht der deus otiosus des Ennianischen Telamo hervorgeholt. Die Entfernung, genauer: die Art der Entfernung zwischen Göttern und Menschen, die von Accius beschrieben wird, verbietet jegliche routinisierte, gesellige Nähe.

Auf der Basis der dürftigen Überbleibsel der gerade zitierten Formulierungen ist es natürlich unangebracht, Accius’ Theologie zu rekonstruieren.19 Man könnte den Ausführungen von Thomas N. Habinek folgen und auf die Schaffung einer künstlichen Sprache verweisen, die weit entfernt von der alltäglichen Sprache der normalen Leute ist. Die Schaffung eines solch reinen Lateins würde dann den Versuch markieren, eine exklusive kulturelle Ressource für den Adel zu schaffen.20 Der Gebrauch von caelites statt des normalen dei, die Rede von „Himmelsbewohnern“ statt „Göttern“, würde einen sozialen Unterschied anzeigen. Stattdessen schlage ich vor, dass Accius einen kritischen Standpunkt im zeitgenössischen Streit unter dem Adel einnimmt, indem er gegen die göttlichen Genealogien der Römer mit Hilfe von systematischem theologischem Wissen argumentiert.

Der oben zitierte Begriff sanctitudo führt zu einer weiteren Beobachtung. Auf der einen Seite ist es der geläufige Begriff der vorciceronianischen Zeit, im Gegensatz zu sanctitas. Auf der anderen Seite sind die üblichen Glossen, also eine Art der Übersetzung im Sinne von „religiöser Schutz“ oder „Heiligkeit“, nicht sehr überzeugend. Wenn man die Unüblichkeit des Begriffs in seiner Bedeutung des zweiten Jahrhundert in Rechnung stellt, stoßen wir auf Ciceros erfolgreichen Versuch, eine Wandlung des Begriffs sanctitas hin zu einem allgemeineren religiösen Begriff wie „notwendiger Kult“ zu betreiben.21 In dieser Hinsicht stellt Accius auch das Paar nomen und numen zusammen (646 R = 450 D, auch 691f. R = 704f. D), das mit dem ähnlichen Klang von „Name“ und „göttlicher Wille“ im Lateinischen spielt. Die erzwungene Unterscheidung kann am besten als Versuch verstanden werden, die im Ritual bekannte Form der Gottheit – nomen – von seiner unerkennbaren Persönlichkeit – numen – zu unterscheiden, und vielleicht auch als Versuch, Ersteres durch die mit Letzterem gelieferte Brille zu betrachten.

Die Zuschreibung einer erhöhten Transzendenz an die Götter macht es möglich, dass die Namen der Götter metaphorisch genutzt werden, was bereits bei Plautus sichtbar wird. Ich würde die Nutzung von duo Marvotes – „zweierlei Mars“ – als eine Kollision zweier Reihen von Soldaten als Beispiel dafür sehen. Wir müssen im Hinterkopf behalten, dass Accius diese Art der Nutzung strikt als nicht buchstäblich zu nehmen qualifiziert: crederes, „man könnte glauben“ (321 R = 157 D).

Römische Religion in republikanischer Zeit

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