Читать книгу Snobby und das Geheimnis der weißen Fee: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 7) - Jork Steffen Negelen - Страница 6

Das Tor von Selan

Оглавление

So wie es das Tor von Dragon-Gorum angekündigt hatte, zog ein mächtiger Sturm auf. Er trieb große Mengen von Schnee und Eis vor sich her und sein Heulen war nicht zu überhören. Als er nach einigen Stunden nachließ, brachen die Gefährten rasch auf. Artem und Tritor hatten es besonders eilig. Für sie war der Weg zurück nach Ando-Hall lang und beschwerlich. Der Sturm hatte den Weg zugeweht und sie würden suchen müssen, um ihn zu finden. Sie verabschiedeten sich und verschwanden durch das Tor.

Die nächsten Gefährten, die aufbrachen, waren die Kobolde, die Minitrolle und die Nekromanten. Artur gab Snobby noch eine Menge guter Ratschläge mit auf dem Weg. Snobby nickte nur und hörte sich geduldig die Worte seines Bruders an.

Aurelia machte Arturs Belehrungen ein Ende. »Lass es gut sein, mein lieber Freund. Snobby ist alt genug und er weiß bestimmt, was er tut.«

»Endlich erkennt das mal jemand«, rief Snobby erfreut aus.

Als Artur noch etwas sagen wollte, packte die Bergnymphe den Kobold am Kragen und zog ihn mit sich zum Tor. »Da geht es hinaus, mein kleiner Freund. Halte deine Flugschale bereit und verliere nicht deine Wolfsfelle. Sonnst frierst du beim Flug nach Bochea an deiner Schale fest. Um Snobby kümmert sich Aella. Die beiden haben ihre Aufgabe auf der Insel Selan zu erfüllen. Du erinnerst dich an die Worte des Tores?«

»Sagtest du Selan?«, fragte Artur verblüfft. »Heist die Insel etwa so?«

»Ja, so nennt man die Insel der Alten«, erklärte Aurelia. »Hast du das etwa nicht gewusst, mein kleiner Artur?«

»Nein, das habe ich noch nicht gewusst. Erinnere mich daran, dass ich es in meine Bücher eintrage, wenn ich mit meinen Brüdern wieder wohlbehalten zu Hause angekommen bin.« Artur sah, wie die Bergnymphe ihm erstaunt ansah. Aurelia ließ seinen Kragen los und sie gingen beide durch das Gesicht hindurch. Es leuchtete in allen Farben des Regenbogens auf und ein gütiges Lächeln umspielte seinen Mund.

»Aurelia will also Monga jagen«, sprach das Gesicht zu Snobby und Aella. Die beiden waren die letzten Gefährten, die noch durch das Tor gehen mussten. »Sie hat den Namen der Insel genannt. Ich selbst kann ihn nicht aussprechen. Das würde das Tor aufwecken, das die Insel der Alten bewacht. Wenn ihr diesen verfluchten Ort betreten habt, so sprecht diesen verdammten Namen niemals laut aus. Das Tor würde erwachen und es gäbe für euch keine Möglichkeit zur Flucht. Selbst eure Flugkünste würden euch nicht helfen. Die Insel ist mit einem Bann umgeben, der euch an einer Flucht hindert. Ihr müsst durch das Tor zurückkehren, wenn es schläft. Prägt euch meine Worte ein. Kommt dem Felsen nicht zu nah und holt euch das Orakel. Es ist ein Wesen aus Fleisch und Blut. Seine Macht ist groß, doch gebunden an den Tempel der Insel dient es Dämonicon und seinem Vater Imperos. Ihr müsst vorsichtig sein und jedes Versteck nutzen, das ihr findet. Mich selbst betrübt es unendlich, dass ich euch zu so einem gefährlichen Ort schicken muss.«

»Das verstehen wir sehr gut«, sprach Snobby. »Du solltest dir aber keine großen Sorgen machen«, fügte Aella hinzu. »Wir können gut auf uns selbst achten und die weiße Magie wird uns helfen.«

»Ich hoffe, dass euch der Schöpfer hilft«, entgegnete das Gesicht. »Die Zeit ist gekommen, um Abschied zu nehmen. Ihr geht durch mich hindurch und ich schicke euch auf die Insel. Seid vorsichtig, meine Freunde und hütet euch vor dem Tempel der sieben Alten, denn nur dann werdet ihr euer Schicksal meistern.«

Der Kobold und die Fee traten an das Tor heran. Das Gesicht leuchtete auf der Felswand in allen Farben auf, als sie hindurchgingen. Es verschwand sofort, als die beiden ungleichen Gefährten die Insel erreichten.

Selan erwies sich als düsterer Ort. Das Tor der Insel stand in einer großen Ebene. Es sah wie ein hoher Bogen aus, den Wind und Wetter aus einem Felsen herausgewaschen hatten. Doch beim näheren Betrachten bemerkten die beiden Reisenden, dass dieses Tor das Werk eines Baumeisters sein musste. In seiner Mitte war ein Gesicht zu erkennen. Es ähnelte dem Tor von Dragon-Gorum ein wenig, doch seine Augen waren geschlossen und es schnarchte fürchterlich.

Aella und Snobby gingen hinter einem der vielen Felsbrocken in Deckung, die in der Nähe des Tores herumlagen. Das Gesicht des Tores hörte plötzlich auf zu schnarchen. Es räusperte sich laut und öffnete die Augen. Dann gab es ein drohendes Brummen von sich. Schließlich schlief es wieder ein und sein Schnarchen dröhnte so laut, das es die Felsen erzittern ließ.

Snobby gab Aella einen Wink und sie schlichen von einem Felsbrocken zum nächsten. Da sie nicht wussten, wo sie sich auf der Insel befanden, wollten sie sich ein Stück vom Tor entfernen. Danach mussten sie nach einem Hinweis suchen. Irgendwo würde es einen Weg geben und am Strand der Insel musste die Stadt sein, von der ihnen das Tor von Dragon-Gorum berichtet hatte. Dort sollte auch der Tempel mit dem Orakel sein.

Das Einfachste war es wohl, einmal um die Insel zu fliegen. Dann kamen sie auf jeden Fall zu der Stadt. Snobbys Gedanken kreisten um diese Stadt und er fragte sich, wie sie wohl aussehen würde. Ihm fiel auf, dass er den Namen der Stadt nicht ein einziges Mal gehört hatte. Er zupfte Aella am Ärmel ihres Mantels. Die Nymphe sah sich gerade die Gegend an.

»Was ist denn?«, flüsterte sie und sie beugte sich zu dem viel kleineren Kobold herunter.

»Ich wollte dich nicht stören«, flüsterte Snobby zurück. »Doch ich kenne den Namen der Stadt nicht, die wir auf dieser öden Insel suchen. Das freundliche Tor hat ihn nicht erwähnt.«

Die Nymphe hockte sich neben Snobby hin. »Du hast recht«, flüsterte sie. »Wir kennen nicht einmal den Namen dieser Stadt. Doch das ist für uns nicht wichtig. Viel wichtiger ist der Weg, der zu ihr führt. Ich konnte noch keine Straße oder einen Weg entdecken. Außerdem ist es hier verdammt warm.«

Dem stimmte der Kobold sofort zu. »Das habe ich auch schon bemerkt. Ich schwitze mächtig und meine Wolfsfelle sind eine große Last. Ich werde meinen Mantel ausziehen und ihn zusammen mit den Fellen in meinem Zylinder verstauen. Da passt alles hinein und durch seine Magie wiegt er nicht mehr als vorher.«

Die Nymphe war erstaunt und sie zog sofort ihren Mantel aus. »Passt der auch noch hinein?«, wollte sie wissen.

»Selbstverständlich kommt das gute Stück in mein geheimes Versteck«, flüsterte Snobby mit einem kleinen Lächeln. Er verstaute alles, was sie nicht unbedingt brauchten, in seinem Zylinder. Danach setzte er ihn wieder auf seinen Kopf. Zufrieden sah er zu Aella, die schon wieder die Gegend betrachtete und dann zum nächsten Felsbrocken schlich.

Der Kobold folgte ihr und so kamen sie nach einer Stunde zu einem großen Stein, der keinem der Felsen ähnelte, die hier in der Gegend herumlagen. Auf ihm hatte vor langer Zeit jemand einige Zeichen hineingeschlagen. Aella strich mit beiden Händen über sie und flüsterte dann dem Kobold zu, was sie auf dem Stein lesen konnte. »Wanderer, gehst du nach Norden, so kommst du zum Heiligtum unserer Ahnen. Gehst du nach Süden, so kommst du zu unserer Stadt und zum großen Wasser, dass die Insel umgibt. Gehst du nach Westen, so führt dich dein Weg zu der Höhle des Wächters und gehst du nach Osten, so wirst du den Tod in die Augen schauen.«

»Na dann ist ja alles klar«, flüsterte Snobby. »Wir gehen selbstverständlich nach Süden. Alle anderen Richtungen wären wohl Quatsch für uns.«

Aella sah zu dem kleinen Kobold mit dem großen Zylinder und sie streckte ihre Armen aus, so als wollte sie in alle Richtungen gleichzeitig zeigen. »Du hast absolut recht, mein kleiner Freund. Doch eine Frage habe ich an dich. Wo ist Süden und wo ist der Weg, der uns zu der Stadt bringt?«

Snobby wollte etwas entgegnen, doch nun fiel ihm auf, dass der Himmel mit düsteren Wolken verhangen war und kein Sonnenstrahl die Insel erreichte. Er sah sich um, doch so weit er auch schaute, ein Weg oder etwas Ähnliches war nicht zu entdecken. Ratlos sah er zu Aella. Er rieb sich mit der linken Hand sein Kinn und schob seinen Zylinder auf seinem Kopf ein wenig nach hinten. »Vielleicht sollten wir es mit fliegen probieren?«, fragte er vorsichtig.

Aella schüttelte heftig den Kopf. Sie hockte sich wieder neben dem Kobold hin und tippte ihn sanft an seiner Nase an. »Damit sollten wir es probieren«, erklärte sie. »Der Himmel ist mit Absicht verdunkelt worden. Man kann am Tage ein gutes Stück von der Insel sehen, doch die Sonne sieht man nicht. Straßen und Wege wurden mit Absicht nicht angelegt, damit sich jeder verirrt, der nicht auf diese verdammte Insel gehört. Doch einen Wegweiser konnte niemand von diesen Inselkreaturen ausschalten. Es sind unsere Nasen, die uns führen werden. Ich kann das Meer riechen, und wenn du dir ein wenig Mühe gibst, dann kannst du es auch.«

Snobby war erstaunt, doch er hielt seine Nase in den Wind, der leicht über die staubige Sandebene strich. Ein feiner Geruch von Salzwasser lag in der Luft und der Wind zeigte ihm die Richtung an. Mit einem breiten Grinsen sah er zu Aella. Seine rechte Hand zielte nach Osten, denn von dort kam der Wind.

»Meine liebe weiße Fee«, sprach er leise zu ihr. »Du hast absolut den richtigen Riecher, wenn ich das so sagen darf.«

Die Fee lächelte und sie zwinkerte dem Kobold zu. »Lass uns keine Zeit verlieren. Wir holen uns das Orakel und verschwinden wieder.«

»Ja«, antwortete Snobby. »Das machen wir.«

Doch so leicht, wie sich das die beiden ungleichen Gefährten dachten, war die Aufgabe nicht zu schaffen. Ein Geräusch schreckte sie auf und sie duckten sich hinter dem Stein mit der Inschrift. Aus der Ferne drang das Rumpeln eines Karrens in die Ohren der Fee und des Koboldes. Dieser Karren kam schnell näher und das Knallen einer Peitsche ließ die Gefährten zusammenzucken. Sie warteten, bis der Karren dicht neben dem großen Stein war.

Eine Stimme wurde laut und die Peitsche knallte wieder. »Zieh, du faules Miststück!«, rief der Kutscher. Ein Knacken war darauf hinzuhören und ein fürchterlicher Fluch folgte. Dem Gefährt war ein Rad von der Achse gesprungen. Der Karren kippte zur rechten Seite weg und der Kutscher flog mit seinem Begleiter in den Dreck. Die Gefährten sahen vorsichtig hinter dem Stein hervor und der Kobold konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Der Karren hatte nur zwei Räder und ein bedauernswerter kleiner Esel musste ihn ziehen. Der Kutscher war ohne jeden Zweifel ein Dragolianer und sein Begleiter ein Obinarer. Waffen hatten sie nicht bei sich. Wegen der Wärme waren sie nur spärlich bekleidet. Der Dragolianer hob den Karren an und der Obinarer steckte das Rad auf die Achse. Dann gönnten sie sich einen Schluck Wasser aus einer Kürbisflasche.

»Das tut gut«, schnaufte der Obinarer. Auf seiner gelben Schuppenhaut war deutlich der Staub zu sehen, den der Karren aufgewirbelt hatte.

»Wir haben den Weg bald geschafft«, erklärte der Dragolianer. Das Orakel wird morgen Nacht sprechen und einer der Priester hat mir versichert, dass es uns sagen wird, wer uns bedroht. Außerdem soll unser Herr bald zurückkommen. Er ist schon längst auferstanden, so wie es der erste Priester vorhergesagte.«

»Da erzählst du mir nichts Neues«, meinte der Obinarer. »Ich war dabei, als er im Frühjahr die Auferstehung Dämonicons vorausgesagt hatte. Niemand kennt das Schicksal so gut, wie der erste Priester. Doch der Iht-Dag meint, dass Orakel wäre noch viel besser. Lass uns die Opfergaben zum Felsen bringen. Dann sind wir rechtzeitig wieder in der Stadt. Platos wird dieses Mal auch im Tempel sein.«

Der Kutscher setzte er sich wieder auf seinen Platz und der Obinarer schob ihn ein Stück an. Danach sprang auch er auf und sie setzten ihre Fahrt fort.

Als die Karre nicht mehr zu hören war, sah Snobby zu Aella. Sie schien über die Worte des Obinarers erschrocken zu sein. »Stimmt etwas nicht?«, fragte der Kobold.

»Nein nein, es ist alles in Ordnung«, antwortete die Fee. »Lass uns der Spur des Karrens folgen. Sie wird uns zur Stadt bringen. Doch wir müssen verdammt vorsichtig sein.«

»Das wollte ich auch vorschlagen«, entgegnete der Kobold. Er sah sich die weiße Fee noch einmal prüfend an. Sie schaute in die Umgebung und deutete zu der Karrenspur, die im Sand gut zu sehen war. Snobby nickte ihr zu und sie schlichen weiter von Felsbrocken zu Felsbrocken.

Nach ungefähr zwei Stunden legten die Gefährten eine Rast ein. Sie hockten sich hinter einem Felsen und teilten sich den Inhalt einer Flasche Wasser. Es schmeckte köstlich und die Hitze des späten Nachmittags verstärkte diesen Eindruck noch. Als sie aufbrechen wollten, hörten sie wieder den Knall einer Peitsche. Der Eselskarren mit dem Dragolianer und dem Obinarer kam vom Felsen der Alten zurück. Sie hatten sich mit der Auslieferung ihrer Opfergaben nicht viel Zeit gelassen und der Esel zog den Karren, so schnell er konnte, zur Stadt zurück.

Als der Karren nicht mehr zu hören und zu sehen war, gingen Aella und Snobby den frischen Spuren nach. Sie führten tatsächlich zu einer Stadt, die an der südlichen Küste der Insel lag. Doch was war das für ein Ort, zu dem die Fee und der Kobold gingen? Das letzte Licht des Tages versuchte noch einmal, die dichten Wolken zu durchdringen, bevor die Sonne im Westen unterging.

Im Schein dieses Lichtes bot die Stadt einen unheimlichen Anblick. Ihre Erbauer hatten sich gründlich auf einen Angriff vorbereitet. Die Mauer, die die Stadt umschloss, war mit großen eisernen Dornen gespickt und ihre Höhe zeigte den beiden Reisenden, welche Furcht ihre Bewohner vor einem Krieg hatten. Es gab wohl für jede Himmelsrichtung ein Stadttor. Jedes Tor wurde von einem Dutzend Kriegern bewacht. Sie kontrollierten jeden Bewohner, der hinaus oder hinein wollte.

Fremde Reisende kamen wohl nie zu diesem Ort. Die Häuser, die hinter der Stadtmauer standen, wirkten dunkel und kein einziges Licht schien durch ihre wenigen Fenster.

Als die Nacht hereinbrach, kamen Snobby und Aella in der Nähe der Stadt zu einer Fischerhütte. Sie war halb verfallen und bot nur wenig Schutz vor dem Wind, der immer stärker wehte. Dieser Wind vertrieb offenbar die Wolken, denn Snobby entdeckte am nächtlichen Horizont einige Sterne. Er machte Aella darauf aufmerksam. Als der Wind nachließ, war das Rauschen des Meers zu hören. Gleichmäßig schlugen seine Wellen gegen das Ufer. Es musste in der Nähe sein, denn die Luft roch angenehm salzig.

Die Fee nahm den Kobold an die Hand und sie zog ihn zum Wasser mit. Das Rauschen wurde lauter und sie sahen, wie sich die Sterne und der Mond in den Wellen spiegelten. In der Nähe war eine Hafenmauer mit einigen Fischerbooten. »Morgen Nacht ist Vollmond«, flüsterte Aella. »Wir sollten uns heute Nacht ein Versteck in der Stadt suchen und uns dann auf die Lauer legen. Wenn wir das Orakel stehlen, haben wir nur einen Versuch. Sicherlich wird es gut bewacht, sodass wir schnell handeln müssen.«

»Da stimme ich dir zu«, antwortete Snobby ebenso leise. »Die beste Gelegenheit haben wir bestimmt im Tempel. Wenn wir da ein sicheres Versteck finden, könnten wir noch vor dem nächsten Abend Erfolg haben.«

Aellas Augen wanderten zu dem Mond, der mit seinem blassen Licht den Strand erhellte. Sie ließ die Hand des Kobolds los und hockte sich vor ihm hin. »Ruhen wir uns noch einen Augenblick aus. Dann schleichen wir uns zur Stadt und erkunden die Mauer, die diesen unheimlichen Ort umgibt. Wenn alle Bewohner schlafen, haben wir es bestimmt viel leichter.«

Snobby sah Aella in die Augen, in denen sich das Licht des Mondes widerspiegelte. »So werden wir es machen«, stimmte er den Worten der Fee zu und er drehte sich zur Stadt um. Wie ein einziger schwarzer Schatten lag sie im Lichtschein des Mondes und ein mulmiges Gefühl machte sich im Bauch des Koboldes breit.

Nur wenige Minuten später schlichen sie zur Stadtmauer. Schon von Weitem konnten sie die Wachen erkennen, die mit Fackeln ihren Weg auf dem Wehrgang erhellten. Immer wieder sah einer dieser Wachen über die Mauer. Für den Kobold war das ständige Kommen und Gehen der bewaffneten Männer beunruhigend. Sein mulmiges Gefühl verstärkte sich in seinem Bauch.

Als es nur noch wenige Schritte waren, ergriff Snobby die rechte Hand der Fee. Er zog sie hinter eines der wenigen Gebüsche, die nahe der Stadtmauer wuchsen.

»Was ist denn?«, zischte die Fee leise zu dem Kobold, als sie sich neben ihm hinhockte.

»Nicht so laut«, flüsterte Snobby. »Die Wachen sind sehr aufmerksam. Wir müssen noch ein wenig warten.«

Eine Stunde verging und die beiden Gefährten bemerkten, dass die Aufmerksamkeit der Wachen nachließ. Irgendetwas musste sie ablenken, denn sie kamen nicht mehr auf den Wehrgang. Snobby packte seine Flugschale aus und vergrößerte sie mit einer Beschwörung. Er setzte sich auf sie und schwebte vor der Fee.

Aella brauchte keine Schale zum Fliegen. Mit Leichtigkeit erhob sie sich in die Luft und flog neben dem Kobold. Gemeinsam erreichten sie den Wehrgang, der auf der Mauer vom Stadttor zum nächsten Wachturm verlief. Das bleiche Mondlicht erhellte die Dächer der Häuser. Dazwischen gab es dunkle Schatten, die Schutz boten und die Gefährten vor unerwünschten Blicken schützten. Sie landeten zwischen den Häusern und duckten sich in die Schatten. Dann sahen sie sich vorsichtig um.

Die Wachen gingen gerade wieder mit ihren Fackeln auf der Mauer entlang. Ihre Waffen klapperten und einer von ihnen fluchte laut vor sich hin. »Die Suppe war früher besser gewesen.«

»Und das Brot war nicht so hart«, stimmte ihm ein anderer Wachmann zu.

»Wir sollten uns mal bei den Köchen in der Küche beschweren«, meinte der Nächste. »Dieses faule Pack strengt sich schon lange nicht mehr an. Nicht einmal Fleisch war in der Suppe drin. Und da soll man seinen Dienst die ganze Nacht verrichten. Anstatt zu schlafen, laufen wir auf dieser öden Mauer herum. Ich habe dazu keine Lust mehr.«

»Ich auch nicht«, stimmte der erste Wachmann zu. »Die Kerle, die den Tempel bewachen, haben es viel besser. Die werden von der Tempelküche versorgt. Die haben fast jeden Tag und jede Nacht Fleisch auf dem Teller.«

»Du hast recht«, fügte der Zweite hinzu. »Und morgen Nacht haben sie es noch viel besser. Da spricht das Orakel und ein Teil der Opfergaben geht an die Wachen des Tempels. Das war schon immer so. Und wir gehen wie immer leer aus.«

Die Wachen gingen schimpfend ihrer nächtlichen Arbeit nach und die beiden Gefährten hockten sich in einer schattigen Ecke zwischen zwei Häusern hin. »Nun wissen wir genug«, flüsterte die Fee.

»Wir brauchen ein sicheres Versteck«, flüsterte der Kobold zurück. »Es muss in der Nähe des Tempels sein und wir müssen unbemerkt hinein und hinauskommen.«

»Das weiß ich selbst«, antwortete Aella, nachdem sie sich noch einmal prüfend umgesehen hatte. »Wir müssen das Orakel aus dem Tempel bringen, bevor es mit seinen Voraussagungen beginnt. Es würde die Priester warnen und den Iht-Dag auf uns aufmerksam machen.«

»Ach ja«, flüsterte Snobby. »Da ist ja noch dieser Platos. Die beiden Dummköpfe, die mit dem Eselskarren zur Stadt wollten, haben sich ja laut genug über ihn unterhalten.«

Der Kobold sah aufmerksam zu Aella und ihm entging nicht, dass sie bei dem Namen des Iht-Dags zusammenzuckte. Ihm beschlich eine unbestimmte Ahnung und eine Frage kam ihn in den Sinn. Was wäre, wenn die Fee den Diener des Dämonicons kannte? Snobby wagte es nicht, die Frage offen auszusprechen. Er sah selbst noch einmal nach den Wachen. Von ihnen war nichts zu sehen oder zu hören.

»Wir sollten hier verschwinden«, flüsterte der Kobold der Fee zu. »In der Nähe der Stadtmauer sind wir nicht sicher.«

Im Schatten der Häuser huschten die beiden Gefährten durch die Nacht. Sie waren schnell und leise, so als wären sie Diebe, die einen großen Beutezug durchführen wollten. Doch in der Nähe des Tempels mussten sie halten. Die Wachen, die diesen Ort beschützten, waren überaus aufmerksam und keiner von ihnen fluchte über das Essen.

Im Schatten eines Hauses sahen sich die Gefährten den Ort an, in dem die Obinarer und die Dragolianer das Orakel wie einen gewaltigen Schatz hüteten. Nach und nach schlichen die Fee und der Kobold von Haus zu Haus. Sie waren auf der Suche nach einem Versteck. Es war schon weit nach Mitternacht, als sie sich für den Dachboden eines Hauses entschieden. Ein kleines Fenster, das einen Spaltbreit offen stand, wirkte auf die Gefährten wie eine Einladung. Sie konnten ihr nicht widerstehen.

Snobby und das Geheimnis der weißen Fee: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 7)

Подняться наверх