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Vorwort

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»Klein sein« oder gar »sich klein machen« klingt heute nicht attraktiv und modern – eigentlich war es noch nie der Fall. Eine erste Ideensammlung zum Thema geistlicher »Kind-Werdung« war so überschrieben: »Gott hat sich klein gemacht«. Wer sich heute klein macht, gerät rasch in Verdacht, an Minderwertigkeitsgefühlen zu leiden, kein Selbstbewusstsein zu besitzen oder von Unterwürfigkeit geprägt zu sein. Von solchem »Sich-klein-Machen« ist hier nicht die Rede. Im Evangelium ist, im unverzichtbaren Zusammenhang mit der Menschwerdung Jesu, die Rede vom Geheimnis des Kind-Seins Jesu. Und Jesus selber als »erwachsenes Kind« stellt einmal ein Kind in die Mitte, und dies als Antwort auf die Frage, was der Weg ins Reich Gottes und zu unvergänglicher Lebendigkeit sei. Und unmissverständlich heißt es: »Wenn ihr euch nicht bekehrt und nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen« (Mt 18,3–5; Mk 9,33–37; Lk 9,46–48). Gibt es eine Religion, die dem Kindsein eine solche lebenstragende, existentielle und zentrale Rolle zuweist, darf mit Recht gefragt werden.

Die Kind-Worte biblischer Wegweisung legen natürlich die Frage nahe, was denn Kindsein im Sinne Jesu bedeutet, aber auch nach dem Kind, den Kindern heute. Stehen sie in der Mitte oder doch sehr am Rande? Können sie wegweisend sein für menschliches Leben? Eine Antwort im Stil von Zeitungsüberschriften würde wohl ungefähr so lauten: Geburtenrate in Deutschland beängstigend niedrig – Betreuungsgeld und zu wenig Kindertagesstätten – China: Besuchspflicht für Kinder bei ihren Eltern in Altersheimen – Menschheit wächst um ca. 80 Millionen pro Jahr – Kinder zu Kindersoldaten gedrillt – Missbrauchte Kinder – Kinder in diese Welt setzen – und sie ihr damit aussetzen? – Kinderhilfswerke …

Und dann doch immer auch Eltern, welche die Geburt von Kindern ersehnen, nicht nur aus Gründen der Alterssicherung; und dann doch das Kind als Zeichen für neues Leben, für Zukunft, für Ursprünglichkeit, für Natürlichkeit, für strahlende Augen; und doch das Kind als eines der größten Glücksmomente im Leben und als Urbild des Menschen im Menschen; und schließlich: Alle, die dankbar sind für das unfassbare Geheimnis und Abenteuer ihres eigenen Lebens – sie alle sind einmal Kind gewesen und wohl auch in einem tiefen Sinn geblieben. Sie sind herangewachsen zu »Söhnen und Töchtern« des einen und einzigen Gottes – so die Verkündigung Jesu. So sind sie alle untereinander Brüder und Schwestern.

Kinder können nur in Beziehung zu Eltern, Erwachsenen oder anderen Menschen ihr Leben leben. Aber vielleicht ist gerade dies ihre wichtigste Botschaft: Leben heißt, in Beziehung zu leben; »alles wirkliche Leben ist Begegnung« (Martin Buber). Und Leben heißt, im Leben Leben zu lernen. »Erwachsen-Werden und Kind-Bleiben« ist im Evangelium ein entscheidendes Ziel aller Nachfolge auf dem Weg mit Jesus. Jünger zu sein heißt, lebenslang ein Lernender zu sein und in diesem Sinne Kind.

Es scheint, dass gerade dieser Aspekt in geistlichen Besinnungstexten, auch in Exerzitientagen, in Zeiten des geistlichen Übens, nicht selten zu kurz kommt. Der frühere Generalobere der Gesellschaft Jesu, Pater Peter Hans Kolvenbach, machte vor einiger Zeit in einem nachdenklich machenden Artikel auf dieses Defizit aufmerksam: »Verbergt nicht das verborgene Leben Jesu!« Andernfalls würde Wesentliches der Botschaft Jesu und seines eigenen Bewusstseins in seiner Beziehung zu Gott als »Abba«, als seinem und unserem Vater, aus dem Blick geraten.

Die Überlegungen dieses Buches möchten für das eigene Glaubensbewusstsein und Gebetsleben behilflich sein. Sie können und wollen aber auch durch ihre Einsichten, Impulse und Fragen für die Exerzitien des hl. Ignatius von Loyola anregend wirken – sowohl für diejenigen, die den Exerzitienweg gehen, wie auch für jene, die andere dabei begleiten.


Vincent van Gogh, Erste Schritte © bpk | The Metropolitan Museum of Art, New York

Und er stellte ein Kind in die Mitte

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