Читать книгу Die Perserkriege - Josef Fischer - Страница 6
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Man stelle sich das folgende Szenario vor: Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges beschließen die baltischen Staaten einen Aufstand und fordern ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Um militärische Unterstützung für dieses Unterfangen bitten sie die Schweiz und Österreich, und tatsächlich schicken die Österreicher – während die Schweizer neutral bleiben – ein kleines Truppenkontingent, das sich nach der ersten militärischen Niederlage freilich gleich wieder nach Hause zurückzieht. Der Aufstand scheitert schließlich. Die Sowjetregierung will die auswärtige Einmischung in ihre Angelegenheiten allerdings nicht auf sich beruhen lassen und schickt einige Zeit später eine Invasionsarmee nach Österreich. Nun geschieht das Unglaubliche: Dem österreichischen Bundesheer gelingt es, in einer einzigen Schlacht die Angreifer zurückzuschlagen und zum Abzug zu zwingen.
Wir wollen dieses Spiel nicht weiter auf die Spitze treiben, denn dieser Vergleich hinkt – wie fast jede historische Analogie – natürlich in vielerlei Hinsicht. Er verdeutlicht aber für den modernen Leser die Größen- und Machtverhältnisse und den –zumindest auf den ersten Blick – unerwarteten Ausgang der griechisch-persischen Auseinandersetzungen vom sogenannten „Ionischen Aufstand“ bis zur Schlacht von Marathon. Der militärische Konflikt zwischen den Griechen und dem Achaimenidenreich zählt zu den bedeutsamsten, meistrezipierten und meistdiskutierten kriegerischen Auseinandersetzungen der Weltgeschichte. Er begann mit der Eingliederung der ionischen |8| Küstenstädte in das Persische Reich um die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr., erreichte mit einer Erhebung dieser Städte, dem schon erwähnten„Ionischen Aufstand“,sowie den persischen Angriffen auf das griechische Mutterland unter den Großkönigen Dareios (490 v. Chr.) und Xerxes (480/79 v. Chr.) erste Höhepunkte, erlebte dann unter umgekehrten Voraussetzungen, das heißt in Gestalt griechischer Offensivaktionen gegen das Perserreich (etwa durch den Attisch-Delischen Seebund oder durch das lakedaimonische Heer unter der Führung des Agesilaos) und wiederholter persischer Einflussnahme – vor allem durch den Einsatz von Finanzmitteln –auf die griechische Politik seine Fortsetzung und fand schließlich in der Eroberung des Achaimenidenreiches durch ein griechisch-makedonisches Heer unter der Führung Alexanders des Großen in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v.Chr. seinen Abschluss.Die erste Phase der griechisch-persischen Konflikte bis 479 v.Chr. (Schlachten bei Plataiai und Mykale) wird im Folgenden genauer betrachtet.
In diesem Zusammenhang muss es auch um die historische Bewertung der Perserkriege gehen. Der Erfolg, den die Griechen bei der Verteidigung ihrer Heimat erringen konnten, wurde nicht nur im antiken Hellas euphorisch gefeiert, sondern er wurde auch bis in heutige Zeit immer wieder als Sieg des Westens über den Osten, als Triumph der Freiheit über die Despotie hochstilisiert. Die Perserkriege wurden als entscheidender Zusammenprall der Kulturen, als erfolgreicher Existenzkampf des Griechentums, Europas, ja des Abendlandes überhaupt betrachtet, der griechische Sieg entsprechend als „Geburtsstunde Europas“angesehen. Einige aktuelle Beispiele, die von dieser ideologischen Überhöhung der Perserkriege Zeugnis ablegen, mögen an dieser Stelle genügen: Der bekannte amerikanische Althistoriker BARRY STRAUSS bezeichnete das Gefecht im Sund von Salamis etwa im Titel seiner vor einigen Jahren erschienenen populären Darstellung dieses Kampfes als „Seeschlacht, die die westliche Zivilisation rettete“, und PAUL CARTLEDGE, Professor für Griechische Kultur an der Universität Cambridge, charakterisierte die Schlacht an den Thermopylen, eigentlich eine griechische Niederlage, als „Schlacht, die die Welt veränderte“. Dem britischen Sachbuchautor TOM HOLLAND schließlich gelang es im Vorwort seiner ungemein populären Darstellung der Perserkriege sogar, eine Brücke von den griechisch-persischen Auseinandersetzungen über die Kreuzzüge bis hin zum islamistischen Terror der al-Quaida zu schlagen. Solche Parallelisierungen sind jedoch bedenklich.
Die universalgeschichtliche Bedeutung des griechischen Triumphes muss differenzierter betrachtet werden. Eine Zuspitzung des Konfliktes auf Schlagwörter |9| wie „westliche Freiheit“gegen „orientalische Despotie“, wie sie oft vorgenommen wird, wird den historischen Verhältnissen jedenfalls sicherlich nicht gerecht. Im letzten Kapitel wird darauf noch einmal einzugehen sein.
Ziel des vorliegenden Buches ist es, nicht nur einen kompakten Überblick über die Kriegsereignisse zu geben sowie diese in ihren historischen Kontext einzubetten (und damit gleichzeitig eine knappe Einführung in die Kulturgeschichte Griechenlands in archaischer Zeit sowie in die Grundzüge der persischen Kultur zu bieten), sondern auch – soweit dies die Quellen zulassen – der persischen Seite gerecht zu werden und so manche nicht haltbare Stereotype und Vorurteile, die –selbst in modernen Darstellungen –das Perserbild und die Wahrnehmung der griechisch-persischen Konflikte verzerren, zu widerlegen.
Die vorliegende Darstellung wendet sich in erster Linie an interessierte Laien. Sie setzt daher keinerlei Kenntnisse voraus und versucht, Fachjargon möglichst zu vermeiden sowie alles eventuell Unklare zu erklären. Besonderer Wert wird darauf gelegt, die antiken Quellen selbst „sprechen zu lassen“. Zahlreiche, oft lange Zitate griechischer und römischer Geschichtsschreiber sowie griechischer Inschriften in deutscher Übersetzung sollen den Leser mit jenen Zeugnissen vertraut machen, die die Grundlage unseres Wissens über die Epoche der Perserkriege bilden.
Um die Lesbarkeit des Textes zu erhöhen, wurde im Darstellungsteil auf Anmerkungen verzichtet. Diese finden sich hinten in einem knappen kommentierten Anmerkungsteil. Die dort ebenfalls aufgelistete Forschungsliteratur ermöglicht es, Quellenprobleme und Forschungsdiskussionen nachzuvollziehen, die in diesem Rahmen nicht dargestellt beziehungsweise ausführlicher diskutiert werden können.
Wie bei jeder althistorischen Studie kommt der Frage nach der Schreibweise von Eigennamen eine besondere Problematik zu. Im vorliegenden Band werden (fast) alle Eigennamen möglichst eng nach der griechischen Schreibweise wiedergegeben; im Fall bekannter Persönlichkeiten, deren „eingedeutschte“ Namen allgemein bekannt und verbreitet sind, wurde darauf aber verzichtet (z.B. Herodot statt Herodotos).
Für die Durchsicht des gesamten Manuskriptes bedanke ich mich herzlich bei Oliver Schipp, für die Korrektur einzelner Teile des Buches bei Jörg Weilhartner, Manuel Tröster und Olivier Gengler. Alle verbliebenen Unzulänglichkeiten sind allein dem Autor anzulasten.
Gewidmet ist das Buch meinen beiden Kindern Maria und Alexander.
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