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Ozon, die Schwester von Wasserstoffsuperoxid

Mitunter wird Ozon als Schwester von Wasserstoffsuperoxid bezeichnet und tatsächlich haben beide Substanzen viele Gemeinsamkeiten. Die wichtigste dürfte darin bestehen, dass sowohl Ozon als auch Wasserstoffsuperoxid therapeutisch breit eingesetzt werden. Ozon (O3) besitzt im Vergleich zu Sauerstoff (O2) sowie Wasserstoffsuperoxid (H2O2) im Vergleich zu Wasser (H2O) ein „überschüssiges“ Sauerstoffatom. Dadurch sind beide in der Lage, den Körper mit Sauerstoff anzureichern. Beschäftigen wir uns zunächst aber ein wenig näher mit Ozon.

In einer Fußnote schlägt Schönbein 1840 den Namen Ozon vor: „An diese Bemerkung knüpfe ich noch den Vorschlag, das riechende Princip Ozon zu nennen.“ *

Nach einem heftigen Gewitter riecht die Luft ganz besonders frisch. Dafür ist Ozon verantwortlich, das sowohl durch die Energie von UV-Strahlen der Sonne als auch durch die Energie eines Gewitters oder eines Blitzschlags gebildet wird. Schon die Hebräer sprachen vom „Atem Gottes“ und 1785 beschrieb der Niederländer Martin van Marum (1750–1837) erstmals den stechend-penetranten Geruch von Ozon. Der deutschstämmige Baseler Chemiker Christian Friedrich Schönbein (1799–1868) entdeckte Ozon im Jahr 1839 und entwickelte Methoden, das Gas nachzuweisen (Schönbein 1840). Im Jahre 1856 wurde Ozon erstmals zur Desinfektion von Operationssälen verwendet, aber erst 1865 fand der schweizerische Chemiker und Physiker Jacques-Louis Soret (1827–1890) heraus, dass es sich bei Ozon um das dreiatomige Sauerstoffmolekül O3 handelt (Soret 1865).

Die Bedeutung der Ozonschicht in der Atmosphäre – oder besser ihre Zerstörung – wurde vor allem durch das seit den 1980er-Jahren im Winter und Frühling auftretende Ozonloch ins allgemeine Bewusstsein gerückt. Diese Ozonschicht in etwa 20 bis 30 Kilometer Höhe schützt uns zu einem gewissen Grad vor den gefährlichen UV-Strahlen der Sonne, indem sie einen Großteil davon absorbiert. So nützlich und wichtig das Gas „dort oben“ ist, so schädlich und gefährlich ist Ozon aber auf der Erde. Hier wird es unter anderem durch Abgase im Übermaß gebildet und verursacht Symptome wie Bronchitis.

In therapeutischen Dosen und verantwortungsvoll angewendet – in hohen Dosen kann es die Lungen schädigen –, ist Ozon aber ein Therapeutikum mit einem breiten Anwendungsspektrum, ähnlich wie Wasserstoffsuperoxid. Von etlichen Kommunen wird Ozon zur Wasserdesinfektion eingesetzt. Gegenüber Chlor hat es nämlich den Vorteil, keine unerwünschten Effekte (wie Reizungen der Augen und der Haut) hervorzurufen.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fanden in Deutschland bei mehr als einer Million Patienten über zehn Millionen Ozonbehandlungen statt.

Schon 1860 wurde in Monaco die erste Fabrik zur Wasseraufbereitung mit Ozon gebaut.

Nach einer schweren Choleraepidemie in Hamburg wurde 1901 in Wiesbaden das erste Wasserwerk erbaut, bei dem das von Werner von Siemens (1816–1892) entwickelte Prinzip zur Wasseraufbereitung mit Ozon zur Anwendung kam. Bald darauf folgten Wasserwerke dieser Art in Paderborn, Marseille, Brüssel, Moskau, Zürich, Singapur, Los Angeles, San Francisco und vielen weiteren Städten.

Seit 1950 wird Ozon auch für die Desinfektion öffentlicher Bäder genutzt und bei den Olympischen Spielen von 1984 in Los Angeles bestanden europäische Sportlerteams darauf, dass Ozon statt Chlor in den Schwimmhallen verwendet wurde (Altman 1995).

Therapeutisch wird Ozon meist eingesetzt als Ozon-Sauerstoffgemisch, d.h. als ozoniertes, also mit Ozon angereichertes Wasser zur Begasung des Dickdarms (Insufflation), als Infusion (arteriell oder venös) oder Injektion (intramuskulär) und zur Eigenblutbehandlung (große und kleine Autohämotherapie). Der Berliner Arzt Dr. Albert Wolff behandelte 1915 erstmals Hauterkrankungen mit Ozon und im ersten Weltkrieg setzten es die Deutschen bei Verwundungen und Infektionen ein, da es Bakterien, Viren und Pilze vernichtet. Nach und nach eroberte Ozon immer mehr Anwendungsgebiete. In den 1930er-Jahren führten die Ärzte Prof. Dr. Erwin Payr (1871–1946) und Dr. Paul Aubourg die rektale Insufflation (Einlauf) gegen Kolitis und Fisteln ein, 1945 folgte die Infusionstherapie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ebenfalls durch Payr, und Ende der 1950er-Jahre führte Prof. Dr. Werner Zabel die Ozonbehandlung bei Krebs ein, die sich in den folgenden Jahrzehnten vor allem in Deutschland immer mehr durchsetzte. In den 1980er-Jahren schließlich behandelte der deutsche Arzt Dr. Horst Kief erstmals AIDS-Patienten mit Ozon. Der erste Ozongenerator, ein Gerät, mit dem Ozon zu therapeutischen Zwecken hergestellt wird, wurde Ende der 1950er-Jahre von dem deutschen Forscher Dr. Joachim Hänsler entwickelt.

Altman (1995) schätzt, dass in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland mehr als eine Million Patienten über zehn Millionen Ozonbehandlungen erfahren haben. Heute sind es vor allem arme Staaten wie Kuba, die sich die kostengünstige Therapie zunutze machen.

*Der Vorschlag geht ursprünglich auf seinen Baseler Kollegen, den Philologen Wilhelm Vischer-Bilfinger (1808–1874) zurück.

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