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Einheit von Philosophie und Religion

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Wir stellen also fest, dass Philosophie und Religion keine fremden Bereiche sind, sondern innerlich aufeinander verweisen, so wie sie auch miteinander entstanden sind. Denn die Philosophie ist in Griechenland aufgekommen als eine Reflexion über den wahren Ursprung, als eine Reflexion, die in der Religion schon vorbereitet war. So sehen wir, dass beide Bereiche zusammengehören. Es ist deswegen auch nicht erstaunlich, dass die christliche Theologie in einer ersten Phase weitgehend auf die Philosophie zugegangen ist. Kirchenväter wie Clemens von Alexandrien haben den christlichen Glauben, das Evangelium, als die “wahre Philosophie” bezeichnet. Damit wollten sie sagen: Wenn ihr wirklich nachdenkt, auch philosophisch nachdenkt, könnt ihr erkennen, dass die christliche Botschaft die „Vernunft“ in einer Weise erfüllt, wie das eure philosophischen Lehren niemals vermögen.

Auch Augustinus nimmt weitgehend die damalige Philosophie auf, vor allem die des Platonismus, und integriert sie in seine Theologie. Allerdings betont er auch die Unterschiede und knüpft damit in gewisser Weise an die Kontroverse zwischen Paulus und den griechischen Philosophen an. Augustinus betont, dass es einen Kern des Glaubens gibt, den die damalige Philosophie nicht erreicht. Er besteht nicht in der Lehre von der Jenseitigkeit Gottes, sondern von seiner Diesseitigkeit, also der Lehre von der Menschwerdung, von der Inkarnation, und von all dem, was daraus folgt. Es ist die Botschaft, dass Gott das Leiden des Menschen auf sich nimmt und damit seine letzte Solidarität mit ihm ausspricht.

Diese Botschaft von der Einheit von Gott und Mensch geht über die Philosophie hinaus. Hier bahnt sich eine gewisse Spannung an zwischen Philosophie und Glauben, die für die weitere Entwicklung prägend bleibt. Wenn nämlich die Vernunftfähigkeit mit der konkreten griechischen Philosophie identifiziert wird, dann ist es klar, dass gewisse theologische Gehalte über die Vernunft hinausgehen. Aber gilt das für die Vernunft überhaupt?

In der mittelalterlichen Frühscholastik steht Anselm von Canterbury für das Bemühen, auch die genuin christlichen Gehalte in einer philosophischen Weise darzulegen, so dass man den Eindruck hat, Philosophie und Theologie sind zu einer Einheit geworden. Anselm schreibt ein Buch „Cur deus homo (Warum ist Gott Mensch geworden)?”, in dem er den erlösenden Schritt Gottes zur Menschwerdung vernünftig zu erklären versucht. Das in der Weise, in dem er sagt, dass die Einheit von Gott und Mensch nur verwirklicht werden kann, wenn Gott das schuldbeladene Leiden des Menschen mitträgt, aus dem sich der Mensch allein nicht befreien kann. Anselms Programmwort lautet: “fides quaerens intellectum” (der Glaube, der nach Vernunft sucht).

Doch In der Hochscholastik änderte sich die Situation durch das Bekanntwerden des Gesamtwerkes des Aristoteles. Eine geschlossene imposante Philosophie war da vorhanden, zu der die christlichen Gehalte nicht passten. Man besass also eine Theologie, die weitgehend philosophisch bestimmt war. Man war aber mit einer überzeugenden Philosophie konfrontiert, in der sich aber nichts spezifisch Christliches fand.

Einige Theologen sprachen von einer “doppelten Wahrheit”, einer philosophischen und einer theologischen. Doch führte das zu einem schizofrenen Vernunftbegriff, gegen den sich Thomas von Aquin wandte. Thomas kam zu folgender, einflussreicher Lösung: Die Philosophie ist weitgehend mit der des Aristoteles identisch. Was man philosophisch sagen kann, lässt sich in der aristotelischen Philosophie sagen. Aber es gibt darüber hinaus ein höheres Stockwerk, für die eigentlichen theologischen Einsichten. Diese sind philosophisch nicht mehr erreichbar. Sie kommen nämlich aus der Offenbarung, die durch die Autorität der Kirche, also durch die lehramtlichen Dokumente, vermittelt ist. Das ist nicht mehr Philosophie, sondern Theologie.

So großartig diese Synthese war, so ist sie doch mit einer Schwierigkeit behaftet, nämlich mit der Trennung des geistigen Bereichs in verschiedene Stockwerke, deren Bezug zueinander ein schier unlösbares Problem darstellt.

Bis heute ist dieses Stockwerk-Denken der Thomistischen Konzeption mit ihren Problemen in der Theologie (besonders in der katholischen) wirksam, wurde aber durch Theologen wie Karl Rahner und andere bereits erheblich modifiziert.

Die weitere Entwicklung sei kurz skizziert. Im sog. Nominalismus verstärkt sich die beschriebene Kluft, aus philosophischen und theologischen Gründen weiter. In der Philosophie wurde man skeptisch gegenüber der aristotelischen Lehre, nach der die Grundstrukturen unserer Welt durch Abstraktion zu erkennen sind.

Man sagte, die Philosophie könne nur Begriffe darstellen, in denen wir über die Welt nachdenken. Aber deren Zusammenhang mit dem Sein sei problematisch. Die Philosophie mußte somit auch skeptisch werden gegenüber einem vernünftigen Zugang zu dem, was man den „letzten Ursprung“ nennt, die letzte allgemeine Wirklichkeit.

Auf der anderen Seite gewannen die theologischen Aussagen an Gewicht. Sie wurden nun die einzigen Garanten für einen Zugang zu den wesentlichen Wahrheiten.

Das war die geistige Welt, in der Martin Luther aufwuchs. Er hatte nominalistische Lehrer, auf deren Einfluss seine Betonung des Glaubens, die Konzentration auf die Bibel und die Skepsis gegenüber der philosophischen Vernunft zurückzuführen sind. Damit ist die protestantische Tradition vorgezeichnet.

Im katholischen Bereich gibt es eine gewisse Entsprechung zu diesen reformatorischen Gedanken und ihrem Auseinander von Vernunft und Glauben im sog. Jansenismus, einer antirationalistischen Glaubensströmung in Frankreich, deren philosophisches Sprachrohr Pascal wurde mit seinem Wort vom Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der nicht der Gott der Philosophen ist.

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