Читать книгу Das Phantom der Kate Summer - Josephine Katharina Groß - Страница 44
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London 2006
Ohne jegliche Vorfreude betrat Lizzy am nächsten Morgen die Royal Ballet School. Der Vorfall gestern hatte sie ganz schön aus dem Konzept gebracht. Bislang hatte sie in Miranda Brooks nur ihre strenge Ballettlehrerin gesehen, die sie als solche sehr geschätzt hatte. Im Gegensatz zu ihrer Zwillingsschwester hatte sie nämlich kein Problem damit, sich einer Autoritätsperson wie Ms Brooks unterzuordnen, und war auch ehrlich gesagt selbst ganz froh darüber. Sie hatte keine Lust, sich nach jedem Training immer wieder darüber aufregen zu müssen, so wie Faye es häufiger mal tat. Lizzy nahm die Dinge für gewöhnlich so, wie sie eben waren. In den meisten Fällen konnte sie schließlich sowieso nichts daran ändern.
Doch der Vorfall vor der Schule gestern Nachmittag, hatte sie erstmals zum Nachdenken gebracht. Zum ersten Mal hatte sie miterleben müssen, wie Ms Brooks sich Luke, ihrem Sohn, gegenüber verhielt. Ganz so, als wäre sie auch seine Lehrerin und nicht etwa seine Mutter. Natürlich war es überflüssig und töricht von ihm gewesen, sich mit Theo anzulegen und auf ihn einzuschlagen, obwohl Lizzy zugeben musste, dass es ihr ein überraschend gutes Gefühl gegeben hatte, dass er sich für sie geprügelt hatte. Trotzdem war es eine unüberlegte Tat von ihm gewesen, einfach mit den Fäusten zu handeln. Es gab schließlich keinen Streit, der sich nicht auch irgendwie anders bewältigen ließ. Aber jetzt war es nun mal so gekommen und irgendwie war Lizzy ja auch stolz auf Luke, obwohl sie Prügeleien ganz und gar nicht guthieß. Sie konnte verstehen, dass Ms Brooks deshalb wütend auf ihn gewesen war. Dennoch war sie erschrocken, als sie bemerkt hatte, wie hart ihre Lehrerin mit ihm umging. Sie hatte ihn mit ihren Worten beinahe vor allen Zuschauern, die sich um die zwei Kämpfenden angesammelt hatten, verleumdet und somit abgrundtief gedemütigt. Es hatte Luke sehr große Schmerzen bereitet, das hatte Lizzy in seinen Augen sehen können. Er hatte es nicht verdient, dass seine Mutter so mit ihm umging. Beinahe so, als wäre er ein Nichts für sie. Als würde sie sich für ihn schämen und ihn gar nicht haben wollen. Lizzy konnte sich nur schwer vorstellen, was das für ein Gefühl sein musste, von der eigenen Mutter verstoßen zu werden. Sie würde sich Mühe geben, ihm in nächster Zeit noch mehr zu zeigen, wie viel er ihr bedeutete. Er sollte merken, dass er geliebt wurde, wenn schon nicht von seiner Mutter, dann immerhin von ihr.
Jetzt musste sie aber erst einmal zwei Stunden Pas de deux Unterricht hinter sich bringen. Während sie sich überlegte, wie sie Theo Fitzgerald heute gegenübertreten sollte, wurde sie plötzlich zur Seite gezogen.
»Du wirst es nicht glauben, Lizzy!«, zischte ihr eine in den letzten Wochen sehr vertraut gewordene Stimme zu.
»Luke!«, rief Lizzy überrascht aus, als sie ihn sah. Was war denn geschehen?, fragte sie sich in Gedanken.
»Meine Mutter will, dass ich der Ballettschule beitrete«, antwortete Luke auf ihre stumme Frage, und schien darüber noch geschockter zu sein als Lizzy. Diese war zwar erst überrascht, freute sich dann aber.
»Aber das ist doch toll!«, sagte sie und umarmte Luke stürmisch. »Dann hab ich dich ja an meiner Seite, wenn ich Theo, diesem Mistkerl, wieder gegenübertreten muss.«
»Ich denke, sie will mir jetzt mehr Disziplin eintrichtern«, entgegnete Luke beinahe abfällig.
»Ach, das ist doch auch nicht weiter schlimm«, tat Lizzy mit einer wegwerfenden Handbewegung ab und fügte mit verführerischer Stimme, von welcher sie selbst höchst überrascht war, hinzu: »Hauptsache, wir verbringen dadurch jetzt noch mehr Zeit miteinander.«
Das zauberte auch auf Lukes Gesicht wieder ein Lächeln. Er konnte sich auf keinen Fall länger zusammenreißen. Er zog ihren Körper noch näher an sich und überraschte sie mit einem ebenso verführerischen Kuss.
Zu schade, dass in diesem Moment die Klingel zum Unterricht läutete.
Ms Brooks hatte sich dazu entschlossen, ihren Sohn Luke in die Jungenklasse des sechsten Jahrgangs zu integrieren. Er war natürlich noch völlig unerfahren, also dachte sie sich eine Methode aus, wie er alles einigermaßen nachholen konnte. Vormittags wurde er während ihres Unterrichts ins kalte Wasser geworfen. Danach sollte er von Theo Fitzgerald höchstpersönlich Nachhilfestunden erhalten.
Miranda Brooks schämte sich sehr für den Vorfall vor ihrer Schule. Sie hatte Luke zwar immer verleumdet, doch er war immerhin ihr Fleisch und Blut, also trug sie die Verantwortung für sein Auftreten und Verhalten. Dass er sich mit anderen Jungs prügelte, konnte sie unter keinen Umständen länger dulden. Es stellte nicht nur sie als Mutter in ein schlechtes Licht, sondern auch sie als Pädagogin, und somit auch die Royal Ballet School.
Nein, so konnte es auf keinen Fall weitergehen, dachte sie sich. Und so sollte dies die Strafe der beiden Jungen werden. Sollten sie daraus lernen und in Zukunft respektvoller miteinander umgehen.
Doch da schien es noch ein weiteres Problem zu geben. Die beiden Jungs hatten sich schließlich nicht grundlos gestritten. Das wäre ja auch noch schöner gewesen, wenn Luke sich einfach so zum Spaß auf einen ihrer Schüler gestürzt und mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen hätte. Wäre das so gewesen, hätte sie sich keine Mühe mehr mit ihm gegeben, so wie sie es jetzt tat. Sie hätte ihn ganz einfach im hohen Bogen rausgeworfen. Sollte er doch zu seinem Vater zurückkehren und selbst sehen, was aus ihm würde. Zum Glück war es soweit aber noch nicht gekommen. War es bei ihrem Streit nicht um Elizabeth Summer gegangen?
Sie ist die Unscheinbarere von beiden, die sich immer im Hintergrund hält, hatte Katherine zu ihr gesagt. Pah, dachte sich Miranda. Dieses Mädchen war gestern zum Grund für eine Prügelei geworden und das auf ihrem Schulgelände. Das konnte und wollte sie dem Mädchen unter keinen Umständen noch einmal durchgehen lassen!
St. Petersburg 2006
»Mädchen, ich möchte euch zwei neue Mitschülerinnen vorstellen. Diejenigen von euch, die am Pas de deux Unterricht teilnehmen, dürften sie bereits kennen. Sie sind gebürtig aus London in England, deshalb verstehen sie die russische Sprache noch nicht so gut. Wenn ihr euch kurz vorstellen würdet, Mädchen.« Irina Iwanowa, die Ballettlehrerin des sechsten Jahrgangs, welche Ms Brooks vor allem in ihrer Statur komplett unähnlich sah, machte eine Geste zu den beiden Mädchen und trat einen Schritt hinter sie zurück. Sie war klein, rundlich und auf ihrer Nase thronte eine große Hornbrille. Auch ihr Klamottengeschmack schien ganz anders zu sein als der von Miranda Brooks, die eigentlich immer nur schwarz trug. Irina Iwanowa war gekleidet wie ein Paradiesvogel. Auf ihrer luftigen Bluse, ihrem locker um die Schultern geschwungenen Schal und ihrer gestreiften Hose wurde keine Farbe vernachlässigt. Und ihre dunkelroten Schuhe glänzten wie frische Kirschen. Zum Glück hatten sich Lucy und Faye gestern bereits, gemeinsam mit Dima, jeweils eine kurze Vorstellungsrede überlegt, die sie nun auf akzeptablem Russisch vortrugen.
Als Faye an der Reihe war, bemerkte sie, dass Anastasija sie böse anfunkelte, doch ließ sie sich davon nicht beirren. Sie hatte Erfahrungen mit der einschüchternden Art von Georgiana Fitzgerald gemacht und hatte ihr jedes Mal eins ausgewischt, indem sie sich davon einfach völlig unbeeindruckt gezeigt hatte. Warum sollte es da mit Anastasija anders sein.
Vielleicht, weil sie nicht nur darum konkurrierten, die beste Tänzerin zu werden. Da gab es noch etwas anderes als den Ruf der Klassenbesten, was Anastasija sich nicht so einfach davonstehlen lassen wollte. Bis Faye kam, hatte Dimitrij die Mädchen immer links liegen gelassen. Seit sie hier war, hatte sich etwas in ihm verändert und Anastasija hatte es bemerkt. Doch sie wollte sich nicht so leicht geschlagen geben. Immerhin hatte sie Galina, Dimas Zwillingsschwester, auf ihrer Seite. Das musste doch für irgendetwas gut sein.
London 2006
»Also, Jungs. Meinen Sohn Luke Jackson habt ihr ja bereits kennengelernt und es wird euch bestimmt überraschen, aber er wird ab heute mit euch zusammen trainieren«, begrüßte Miranda Brooks ihre Schüler. »Ach und, Theo …«, fuhr sie nebensächlich fort, während sie wie beiläufig ein paar Unterlagen ordnete.
»Ja, Ms Brooks?«, erkundigte sich Theo überrascht. Er hatte gedacht, dass die Sache von gestern mit der Standpauke, die er erhalten hatte, erledigt gewesen wäre.
»Für dich habe ich eine ganz besondere Aufgabe. Bleib bitte nach dieser Stunde noch hier«, fuhr Miranda in strengem Ton fort.
»Ja, Ms Brooks«, sagte Theo, welcher plötzlich ganz kleinlaut geworden war.
Eigentlich hatte Lizzy auf einen Brief ihrer Schwester warten wollen, bis sie ihr wieder schrieb, doch nun konnte sie es einfach nicht länger abwarten, ihr die neuesten Ereignisse aus London mitzuteilen. Deshalb griff sie, sobald sie nach Hause kam, zum Telefon und rief bei den Petrovs an.
Es meldete sich eine ältere Frauenstimme auf Russisch. Lizzy vermutete, dass es sich hier um Ms Nadina handeln musste, und fragte sie deshalb auf Englisch, ob sie sie mit ihrer Freundin Katherina verbinden könnte, sie müsse unbedingt mit ihr sprechen. Einen Augenblick später hörte sie die vertraute Stimme ihrer Schwester am anderen Ende der Leitung und musste an sich halten, um nicht vor Sehnsucht nach ihr aufzuschluchzen. Wie nah sie ihr plötzlich zu sein schien. Doch der Eindruck täuschte. Sie war so viele Kilometer von ihrer Schwester entfernt.
»Bist du das, Lizzy? Hallo?« Lizzy hatte ganz vergessen, zu antworten. Schnell sprach sie in den Hörer: »Ja, Faye, ich bin’s. Ich muss dir unbedingt etwas erzählen!«
Am anderen Ende wurde Fayes Neugier geweckt. »Dann erzähl mal! Du bist ja völlig außer dir.«
Lizzy holte einmal tief Luft, um sich etwas zu beruhigen, und fing dann an zu erzählen: »Du wirst es mir womöglich nicht glauben …«, begann sie.
»Na das werden wir dann schon sehen. Jetzt fang endlich an oder ich lege wieder auf«, unterbrach Faye sie ungeduldig, um ihre Schwester etwas auf Trab zu bringen.
»Okay, okay, ich erzähl ja schon«, meinte diese entschuldigend. »Ich hab dir doch von diesem Ekel namens Theo Fitzgerald geschrieben …«
»Georgianas Cousin? Ja, hast du, erzähl weiter.«
»Nun ja, es kam da zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und Luke und als Strafe hat Ms Brooks Luke als Schüler an unserer, also inzwischen nur noch meiner, Schule aufgenommen. Er hat jetzt jeden Tag mit den anderen Jungs Training und danach soll er noch weiter mit Theo üben. Ausgerechnet mit Theo! Was ist denn, wenn …«, da Lizzy immer hysterischer wurde, hielt es Faye für richtig, sie hier erst einmal zu unterbrechen: »Warte … Hast du grade wirklich gesagt, dass dein Freund da, dieser Luke, der zufälligerweise Ms Brooks Sohn ist, jetzt auch Ballett tanzt? An der Royal Ballet School?«
»Ja …«, kam als Antwort. Lizzy war den Tränen nahe. Die Geschehnisse der letzten Tage waren einfach zu viel für sie gewesen.
»Und dann bekommt er auch noch Nachhilfestunden von diesem Theo, mit dem er eine – wie war noch gleich deine Bezeichnung dafür? – Auseinandersetzung hatte?«, hakte Faye nach.
»Ja … Also na ja, es war keine gewöhnliche Auseinandersetzung. Sie haben …«, alles was folgte, war ein lang gezogener Seufzer.
»Sie haben was, Lizzy?«, hakte Faye nach.
»Sie haben sich geprügelt … Und ich bin schuld!«
»Das glaub ich nicht, Lizzy. Warum solltest du schuld an einer Prügelei sein? Du tust doch keiner Fliege was zuleide«, sagte Faye und musste lachen, bei dem Gedanken daran, wie ihre schüchterne Schwester sich mit Jungs schlug.
»Du verstehst das falsch, Faye … Ich habe die Prügelei doch nicht begonnen! Es ging dabei um mich … Also ich war wohl der Auslöser, warum Luke auf Theo losgegangen ist.«
»Oh mein Gott, Lizzy! Die beiden haben sich doch nicht etwa um dich geprügelt?!«, Fayes Stimme tönte Lizzy laut und schrill ins Ohr.
»Ich befürchte doch … Heute war jedenfalls Lukes erster Tag und er wollte mir einfach nicht erzählen, wie es gelaufen ist«, fuhr Lizzy verzweifelt fort. »Dabei erzählt er mir sonst doch auch alles. Und ich merke doch, dass nicht alles gut ist. Das ist doch auch logisch. Dieser Theo verspürt einen unglaublichen Hass gegen ihn und ich wage sogar zu behaupten, dass er Luke mehr hasst, als Georgiana uns beide zusammen, oder auch Kate Summer. Das einzig Gute an der Sache ist, dass ich Luke jetzt noch öfter sehen kann und wer weiß, vielleicht beginnt er ja auch bald mit dem Pas de deux Unterricht. Ich würde alles dafür geben, dass ich mit ihm tanzen könnte, anstatt mit dem blöden Theo Fitzgerald, diesem … diesem …«
»Beruhige dich, Lizzy!«, versuchte Faye, sie zu besänftigen. Doch Lizzy hörte nicht auf ihre Schwester. »Diesem aufgeblasenen, eingebildeten, egoistischen, schmierigen Lackaffen!«, mit einer erlösenden Leichtigkeit kamen ihr die Beleidigungen nun über die Lippen. Doch dann fuhr sie bedrückt fort: »Aber ich denke nicht, dass Ms Brooks mich mit ihm tanzen lässt. Neulich erst hat sie mich nachsitzen lassen, nur weil sie Luke und mich gesehen hat, wie er … meine Hand gehalten hat.« Faye musste am anderen Ende der Leitung schmunzeln. Sie spürte, dass ihre Schwester ihr etwas verheimlichte, etwas das ganz und gar nicht zu ihrer sonst so schüchternen, zurückhaltenden Schwester passte. Doch sie sagte nichts. Lizzy würde ihr schon alles erzählen, wenn sie bereit dafür war.
»Hör zu, Lizzy. Mach dir über die ganze Sache jetzt mal nicht so viele Gedanken. Das wird sich schon alles wieder einrenken, vertrau mir«, versuchte Faye, sie zu beruhigen.
»Du hast vermutlich recht …«, entgegnete Lizzy, doch stockte sie innerlich, als sie bemerkte, dass sie die ganze Zeit nur über sich und ihr Leben in London geredet hatten. Was war sie nur für eine grauenvolle Schwester, dachte sie sich, dass sie sich nicht einmal nach Fayes Befinden erkundigt hatte. Das wollte sie jetzt gleich nachholen. Außerdem war es vielleicht gar nicht so schlecht, mal das Thema zu wechseln.
»Und wie ist es so bei dir in St. Petersburg? Ich habe lange nichts mehr von dir gehört«, fragte sie betont gelassen.
»Ach, mein Leben hier ist in letzter Zeit relativ eintönig«, begann Faye zu erzählen. »Die Mädchen hier an der Waganowa-Ballettakademie sind ganz schön, na ja wie soll ich’s sagen … zäh. Sie sind alle so spindeldürr, dass man ihnen nicht zutrauen würde, dass sie so hart trainieren und ständig ihr Bestes geben, doch irgendwie sind sie trotzdem dazu in der Lage. Ich habe hier viel nachzuholen, das kannst du mir glauben. Deshalb hab ich in den letzten Tagen auch mehr Zeit in der Akademie verbracht, als sonst wo. Mein Leben besteht sozusagen nur noch aus Training und Schlafen, wobei Ersteres einen größeren Platz in meinem Leben einnimmt als Letzteres.« Faye stöhnte einmal erschöpft auf. Lizzy hörte die ganze Zeit über gespannt zu. »Doch ich kann dir berichten, dass meine Mühe sich bereits ausgezahlt hat, Lizzy«, fuhr Faye mit neuer Energie fort. »Und zwar studieren wir gerade Dornröschen für eine sehr große Aufführung vor der kompletten High Society Russlands ein und mir wurde schon jetzt zugetraut, nicht nur eine der Ratten – wie alle anderen aus meiner Klasse auch – zu tanzen, sondern auch eine der fünf Feen!«
»Oh mein Gott, das ist ja super, Faye!«, kam vom anderen Ende aus London. Lizzy freute sich sehr für ihre Schwester, jetzt schon in einem fremden Land so eine Rolle übernehmen zu dürfen. Am liebsten hätte sie sie jetzt umarmt.
»Ja, oder?«, fuhr Faye freudig fort. »Obwohl ich zugeben muss, dass ich nicht die Einzige bin, der so eine Ehre zuteilwurde. Hab ich dir in meinem Brief neulich schon von Anastasija Sokolowa geschrieben?«
Lizzy überlegte kurz. »Anastasija wer?«
»Du glaubst ja gar nicht, wie eingebildet und arrogant sie ist! Sie steht unserer Georgiana wirklich in nichts nach, würd’ ich mal sagen. Aber dass sie auch eine der Feen sein darf, ist nur zweitrangig. Ich bin eigentlich viel zu aufgeregt, als dass ich noch Energie übrighätte, um mich über diese eingebildete Kuh aufzuregen.«
»Du und aufgeregt? Das kann ich mir gar nicht vorstellen«, fiel ihr Lizzy ins Wort und musste plötzlich lachen. Faye war eigentlich kein Mensch, der aufgeregt war. Sie machte sich eigentlich keine Gedanken darüber, was die Leute im Publikum von ihr dachten. Sie genoss einfach das Gefühl, auf der Bühne zu stehen und zu tanzen. Was mochte dieses Mal anders sein, fragte sich Lizzy innerlich.
»Das ist nicht lustig, Lizzy!«, fuhr Faye sie an, doch sie meinte es natürlich nicht böse. Sie war niemals böse auf ihre Schwester, das war unvorstellbar. »Wärst du etwa nicht aufgeregt, wenn Anna Nikitina höchstpersönlich im Publikum sitzen würde?«, fragte sie neckisch. Anna Nikitina war Primaballerina am Bolshoi Theater in Moskau und das größte Vorbild der Zwillinge, seit sie Plié sagen konnten.
»Nicht dein Ernst!«, war das Einzige, was Lizzy herausbrachte. Sie ließ beinahe den Hörer fallen.
»Und ob das mein Ernst ist! Ich kann es selbst kaum glauben, aber es ist wirklich wahr! Mrs Iwanowa, meine Lehrerin, hat uns bei der letzten Probe davon erzählt. Ich war mir sicher, ich hätte mich verhört, außerdem ist mein Russisch ja auch noch nicht wirklich perfekt, aber Dima hat es mir später auch noch mal bestätigt und er ist nicht der Typ Junge, der mich so auf den Arm nehmen würde.«
»Das würdest du ihm sonst bestimmt auch ewig nachtragen«, sagte Lizzy und lachte wieder.
»Darauf kannst du Gift nehmen! Mich so hereinzulegen würde ihm deshalb nicht im Traum einfallen«, sagte Faye todernst, doch stimmte sie gleich darauf in Lizzys Lachen mit ein. Sie freute sich, dass es ihr gelungen war, ihre Schwester aufzuheitern und sie auf andere Gedanken zu bringen.
»Ich kann’s immer noch nicht glauben, dass Anna dich bald tanzen sehen wird. Wenn du eine der fünf Feen bist, wirst du ihr bestimmt auffallen«, schwärmte Lizzy nun.
»Es wäre so toll, wenn ich sie sehen würde. Am besten lerne ich vorher noch ein bisschen besser Russisch, sodass ich mich für den Fall der Fälle mit ihr verständigen kann.«
»Ich wünschte, ich könnte bei dir sein und sie auch treffen!«, sagte Lizzy.
»Du bist immer bei mir, vergessen? Falls ich sie sehen sollte, werde ich mich natürlich als Katherina Zummernova vorstellen, als Kate Summer. So wirst du auch dabei sein. Wir sind auf ewig miteinander verbunden«, sagte Faye in einem für sie eher ungewöhnlich sanften Tonfall.
»Ich vermisse dich ganz schrecklich, Faye.« Lizzy war gerührt davon, dass sie sich plötzlich, wo sie so weit voneinander entfernt waren, eigentlich nähergekommen waren.
»Ich dich auch, Lizzy«, entgegnete Faye. Und es stimmte. Durch die räumliche Trennung hatte sie erst verstanden, was ihr ihre Schwester bedeutete. Wie gern sie sie hatte, auch wenn sie ihr öfters mal auf die Nerven ging. Für Faye war klar, dass sie niemals jemanden so lieben könnte, wie ihre Zwillingsschwester. Nicht jetzt und nicht in hundert Jahren.