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Irland, im Jahre 841

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„Gesegnet sei unsere Heimat. Amen.“ sprach der Priester und beendete - wie üblich - mit diesen Worten den Gottesdienst, während das Volk leise die Kirche verließ. „Primrose!“ hörte ich den Mönch flüsternd rufen, als ich gerade dabei war, mich der Menschenmasse anzuschließen. Er kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. „Sei gegrüßt, Keiron.“ Ich freute mich ihn zu sehen. „Meine Liebste, mir kam zu Ohren, dass du letzte Nacht bei der Geburt von Lord Colmans ersten Sohn dabei warst, ist es wahr?!“ Ich sah in sein altes, faltiges Gesicht und antwortete ihn schließlich: „So war es. Lord Colman hatte mich gebeten, bei der Geburt seines Kindes beizustehen!“ „Oh Primrose, das ist wunderbar!“ flüsterte er voller Begeisterung. Ich lächelte. „Wenn sich dies bei den Völkern herumspricht, dass Lord Colman eine junge Heilerin bei sich ließ, könntest du nach England gehen und wohlmöglich Heilerin des Königs sein. Gewiss wirst du dort ein wohlerhabeneres Leben haben, als hier!“ Der alte Mönch schien ganz aufgeregt zu sein und ich berührte seine zitternden, kalten Hände. „Ganzgleich wie es auch kommen wird, mein lieber Keiron. Du weißt, dass mein Schicksal vom Herrn bereits besiegelt wurde. Er wird mich auf den rechten Weg weisen.“ Ich lächelte ihn noch einmal an, ließ seine Hände los und verließ mit meinen Flechtkorb in der Hand die Kirche. Ich bedeckte meinen Kopf mit der Kapuze meines braunen Stoffumhangs und lief entlang der vielen Hütten, bis ich am Ende der Festung angekommen war. Ich durchquerte die Tore und steuerte auf den dichten Wald zu. Der Wind wirbelte mein langes, dunkelgrünes Kleid auf und ich konnte fühlen, dass der Winter bald einbrechen würde. Verträumt atmete ich tief ein und roch den vertrauten Geruch von Tau und Moss. Ich folgte den schmalen Bach, der sich durch den Wald zog und lief so lange, bis ich nur noch das Plätschern der leichten Strömung hören könnte. Dann kniete ich mich nieder, entnahm aus meinem Korb zwei Kelche und füllte sie mit dem glasklaren Wasser. Danach sammelte ich Moos, pflückte Weißdorn, Eisenkraut, Wurzeln und andere nützliche Pflanzengeschöpfe, die ich in meiner Hütte weiterverarbeiten konnte. Mit großzügig gefüllten Korb dieser Heilkräuter, berührte ich mit meiner Hand die raue Oberfläche eines Eschenbaumes, schloss die Augen und sprach: „Erhöre mich, Herr. Sei nicht zornig, was ich Euch nahm. Das Leben meines Volkes sei damit gesegnet.“ Ich küsste den Baumstamm und ließ ihn los. Ein plötzlicher, kräftiger Windstoß ließ meinen Umhang tanzen, ich bemerkte, wie sich ein großer Vogelschwarm aus den Baumkronen erhob und flüchtig gen Himmel flog. Ich sah den Vögeln hinterher und kniff nachdenklich die Augen zusammen. Irgendetwas war anders als sonst. Der Wald wirkte unruhig, es schien mir, als würde bald ein Sturm aufziehen. Demnach beschloss ich, mich lieber auf den Weg zurück zur Festung zu machen.

Schon kurz bevor ich meine Hütte erreichte, fing es an zu regnen. Ich hatte Glück, das der Korb mit samt Heilkräuter nicht allzu nass geworden war. Sofort schürte ich ein kleines Feuer und wärmte mich daran auf. Ich lauschte nun nicht mehr den angenehmen Klängen des Waldes, sondern den lautstarken Geräuschen meines Volkes. Kinder, die sich kichernd an den Pfützen des Regens vergnügten, ächzendes Vieh das sich weigerte in den Stall zu gehen oder hysterisch vorbeirennende Menschen, die nach Unterschlupf suchten. Nachdem es gewaltig donnerte, malte ich mir aus, wie sich die Kinder ängstlich in die Arme ihrer Eltern schmiegten. Ein Gefühl der Sicherheit, welches ich schon lange nicht mehr verspürte. Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich an meine Eltern dachte, die qualvoll an Fieber litten. Der weise Keiron stand mir jeden Tag bei und versuchte sie zu heilen, doch sie waren bereits zu schwach um zu überleben. Noch bevor meine Mutter für immer ihre Augen schloss, versprach Keiron für mich zu sorgen und erfüllte so ihren letzten Wunsch. Er konnte mich zwar nicht ins Kloster mitnehmen, doch er kümmerte sich stets liebevoll um mich und lehrte mich das Lesen und Schreiben. Ich wünschte mir, eine wahrhafte Heilerin zu werden, um anderen Menschen vom Leid zu erlösen. Und durch Keirons Wissen und Fähigkeiten konnte ich mir diesen Wunsch erfüllen.

Während ich in Erinnerungen schwelgte, konnte ich hören, dass der Regen langsam weniger wurde. Der zornige Wind jedoch peitschte gegen die Hütte und jaulte durch die Schlitze. Trotz alledem wurden meine Augen schwer und es dauerte nicht lange, bis mein Körper zu Boden sank und ich in den Schlaf versank.

„Primrose!“ hörte ich jemanden rufen und hysterisch an meiner Tür klopfen. Ich schreckte auf und eilte benommen zur Tür, um sie zu öffnen. Keiron stand kreidebleich da und schnappte nach Luft. „Was ist passiert?“ fragte ich besorgt. „Lord Colman erwartet dich! Beeile dich - es geht um Leben und Tod!“ Ohne zu zögern nahm ich einen meiner vorbereiteten Flechtkörbe zur Hand, der mit bereits fertigstellten Tinkturen gefüllt war. Ich folgte Keiron nach draußen in die Dunkelheit, bis wir an der großen Hütte von Lord Colman ankamen. Ich machte mich schon auf das Schlimmste gefasst und trug die Hoffnung in mir, dass der neugeborene Sohn wohlauf sei. Noch bevor ich die Tür öffnete, nahm mich Keiron in den Arm und flüsterte: „Ganzgleich was du tust, handle stets mit dem Wissen, das ich dich lehrte. Handle niemals mit Gefühlen.“ Ich nickte Keiron zu und betrat allein die große Hütte. „Sei gegrüßt, Primrose!“ rief er laut und kam auf mich zu. „Seid gegrüßt, Lord!“ Ich atmete erleichtert auf, als ich seine Gemahlin mit einem friedlich schlafenden Kind in den Armen sah. Lord Colman trug einen dunkelroten Ärmelrock, gegürtet mit einem schlichten Lederband und einem Umhang aus Schafspelz. Sein dunkles, mittellanges Haar war streng zu einem Zopf gebunden und betonte seine markante, strenge Gesichtsform. Nachdem er mich kurz musterte, fing er an, mit verschränkten Armen zu sprechen. „Nun, welche Grenzen hast du dir in der Heilung im Wohle deines Volkes gesetzt?“ Ich überlegte nicht lange. „Es gibt keine Grenzen. Ich gebe mich voll und ganz der Heilung hin, ganzgleich was es ist.“ Er nickte zufrieden. „Nun, was ich dir jetzt sage, beruht auf höchster Verschwiegenheit.“ Lord Colman prüfte streng meinen Blick. „Gewiss, Lord.“ nickte ich vorsichtig. Dann fuhr er fort: „Drei verletzte Männer liegen in der Scheune des verstorbenen Bauers Edward. Ich möchte, dass du sie heilst.“ „Wie Ihr es wünscht, mein Lord.“ sprach ich. Noch bevor ich mich zum Gehen umdrehen konnte, fügte er noch brummend hinzu: „Niemand darf von der Anwesenheit dieser Männer erfahren, hörst du!“ Wieder nickte ich, verließ eilend die große Hütte und machte mich auf den Weg zur verlassenen Scheune. Ich fragte mich, wer diese Männer seien und weshalb der Lord sie versteckt hielt. Doch noch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, stand ich schon vor der Scheune und versicherte mich, dass mir weder Keiron, noch irgendjemand anderes gefolgt war. Langsam öffnete ich die quietschende Tür und trat ein. Es war sehr finster - nur ein kleines Feuer inmitten der Scheune spendete etwas Licht. Das Stroh war zu drei Hügeln gekehrt worden, auf denen die Verletzten eingewickelt in warmen Pelzdecken lagen. Sie schienen zu schlafen, denn sie bemerkten mich nicht, als ich ihnen näherte. Ich legte meinen Korb ab und kniete mich zum ersten Verletzten nieder. Es war ein großer starker Mann mit wuscheligen, braunen Haaren die bis zum Oberarm hingen und langen, gekringelten Vollbart, der Stellen von getrocknetem Blut aufzeigte. Über sein Gesicht zog sich eine veraltete Narbe von der Augenbraue bis zur Stirn. Vorsichtig zog ich die Pelzdecke weg um seinen Oberkörper zu untersuchen. Einen mächtigen Wildtierpelz trug der Mann über seine Schultern. Eine silberne Brosche mit Abbildung eines Wolfes hielt diesen am Rumpf zusammen. Die dunkelblaue Tunika bedeckte seinen breiten Körper mit einem hüftlangen Kettenhemd. Er schnaufte plötzlich laut auf, riss die Augen auf und packte mich am Handgelenk. Ich erschrak. Mit seinen großen, dunkelbraunen Augen starrte er mich böse an. „Es wird Euch nichts geschehen, ich bin eine Heilerin.“ beruhige ich ihn. Und dann entdeckte ich plötzlich den Armschmuck um sein Handgelenk. Es war ein ineinander geschlängelter Armreif aus Bronze, mit den Enden von zwei Drachenköpfen. In diesem Augenblick wusste ich nun wer diese Fremden waren un erschauderte.

Primrose & Bjarne - Der Wille der Götter

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