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Mission Irland

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Am nächsten Morgen wachte ich mit leichten Kopfschmerzen auf. Ich brummte vor mich hin und strich meine Haare aus meinem Gesicht. Da entdeckte ich den Brief neben mir und überlegte. Der Flug! Sofort sprang ich auf und schaute auf die Uhr. Ich war erleichtert, als es erst neun Uhr morgens war. Wie in Trance schlenderte ich ins Badezimmer, nahm eine kalte Dusche, schminkte mein Gesicht und trocknete meine Haare, die ich offen trug. Dann packte ich all diese Kosmetiksachen in meinen Kulturbeutel und legte diesen in meinen Koffer. Das wäre wohl geschafft! Doch nun käme die größte Herausforderung: meine überbesorgte Mutter. Ich nahm mein Handy und wählte ihre Telefonnummer. „Guten Morgen, Lilly! Wie geht’s dir?“ „Guten Morgen! Mir geht’s blendend. Und zwar so dermaßen, dass ich heute Mittag für ein paar Tage in den Urlaub fliegen werde!“ rief ich mit übertriebener Freude. Es war Stille am Telefon. „Ist das ein Scherz?!“ fragte sie dann empört. „Ähm, nein? Ich brauche einen Tapetenwechsel und genau den werde ich ab heute haben!“ „Und wohin soll es gehen, Lilly?“ „Nach Irland!“ „Was willst du denn da? Da regnet es doch nur die ganze Zeit! Ich glaube nicht, dass dies dein vorbelastetes Gemüt guttun würde!“ rief sie. „Das Wetter ist doch nicht alles! Außerdem bin ich eine erwachsene, selbständige Frau!“ „Lass sie doch einfach in Ruhe, Margit!“ hörte ich meinen Vater im Hintergrund rufen. Innerlich musste ich darüber lachen. „Nun gut, dann erhole dich und melde dich ab und zu mal, ja?!“ sagte sie dann. Ich wusste, dass es ihr überhaupt nicht recht war und sie sich Sorgen machte, doch sie konnte nichts dagegen tun und das war ihr auch bewusst, deswegen akzeptierte sie es einfach. Natürlich hatte ich den Brief nicht erwähnt, denn sonst hätte dieses Gespräch niemals ein Ende gefunden. „Danke, Mama. Macht es gut, allerseits!“ „Pass auf dich auf.“ sagte sie noch schnell, ehe ich auflegte. Das Segelboot packte ich mehrfach in Zeitungspapier ein und verstaute es zwischen meinen weichen Klamotten. Den Brief rollte ich wieder ein, band ihn mit der Kordel zu und legte ihn in meine Handtasche. Ich war nun bereit. Bereit, Samantha Williams von ihrem Leid zu erlösen und Licht in das Dunkle zu bringen.

Als ich im Bus Richtung Flughafen saß, schloss ich nochmal die Augen und döste. Ich musste plötzlich an die merkwürdigen Worte des Antiquitätenhändlers denken. Wie in einem Film zog sich alles nochmal vor meinen Augen ab.

„Lassen Sie doch einfach die Antiquität entscheiden! Das Richtige und Passende wird zu ihnen finden.“

„Soso, das Boot hat Sie also als neuen Besitzer ausgewählt.“ „Sie meinen also, es ist das Richtige für mich?“ „Fühlt es sich denn richtig an?“ „Ja, das tut es.“ „Dann gehört es nun Ihnen, bewahren Sie es gut auf, es steckt viel Geschichte hinter diesem handgeschnitzten Schatz!“

Umso länger ich über die Worte des Antiquitätenhändlers nachdachte, umso mehr glaubte ich, dass er von dem Brief und der Geschichte dahinter wusste. Hatte er mir das Boot unbewusst untergejubelt, ohne dass ich etwas gemerkt hatte? Aber wie kann das sein, ich habe mich still und leise für das Segelboot entschieden, ohne Einfluss auf dem Händler. Vielleicht wusste er ja doch nichts von dem Brief und es war einfach mein Schicksal, es Samantha und Jack zurückzubringen? Ist es möglich, dass ich von höheren Mächten dafür auserwählt wurde? Werde ich auf Probe gestellt? Ich stellte mir so unendlich viele dumme Fragen, worauf es nicht mal eine einzige dumme Antwort gab. Egal wie es wohl sein mochte, ich fand mich schnell damit ab, es niemals zu erfahren.

Eine Stunde später, kam ich am Flughafen an. Ich suchte den richtigen Schalter, gab meine Unterlagen der Mitarbeiterin und sah zu, wie mein Koffer auf dem Band verschwand. Nach dem Check-In kaufte ich mir noch ein Sandwich in der Flughalle und aß es geschwind. Ich war so in meinen Gedanken an Samantha vertieft, dass ich gar nicht mitbekam, wie die Passagiere ins Flugzeug stiegen. Sofort eilte ich herbei, stieg ein und suchte meinen Sitzplatz. Es war eine relativ kleine Maschine, was mir nicht ungewöhnlich erschien. Welcher normale Mensch flog schon im Hochsommer freiwillig ins schlechte Wetter? Das konnten wirklich nur Menschen sein, die genauso verrückt waren wie ich. Doch ich konnte nicht abstreiten, welch‘ herrliches Gefühl es war, als der Flieger gen Himmel abhob, mit Ziel auf die grüne Insel.

Während des Fluges überlegte ich mir, wie ich vorgehen sollte. Wenn alles so abläuft, wie ich es mir vorgestellt hatte, würde ich am frühen Abend in Dingle eintreffen. Und dann? Es wäre vielleicht unhöflich, noch so spät bei den Williams aufzutauchen, deswegen beschloss ich, es erst morgen zu wagen. Ich würde schon eine Unterkunft in Dingle finden, in der ich für eine Weile bleiben könnte, dachte ich mir. Doch was würde ich nur sagen, wenn Samantha wirklich vor mir steht? Mir fehlten schon bei dieser Vorstellung die Worte. Ich lugte aus den Flugzeugfenster und stellte fest, dass ich immer noch leichte Kopfschmerzen vom gestrigen Wein hatte. So verstellte ich mein Sitz, lehnte mich zurück, schloss die Augen und schlief ein.

„Was ist das?“ fragte ich, während er die Zeitung las. Desinteressiert warf er einen Blick auf dem mehrseitigen Papierstapel, welches zusammengetackert war. Wortlos schlürfte er an seiner morgendlichen Kaffeetasse und versuchte, Zeit zu gewinnen. „Pascal, was ist los mit dir? Du gehst mir schon tagelang aus dem Weg und verheimlichst mir irgendetwas! Rede doch gefälligst mit mir!“ rief ich. Er legte die Tasse beiseite und setzte ein strenges Gesicht auf. „Gut, ich wollte eigentlich auf den richtigen Zeitpunkt warten, um mit dir darüber zu sprechen.“ Er machte eine kurze Pause und ich setzte mich ihm gegenüber. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was mich gleich erwarten würde. „Okay, Lilly. Ich habe ein Jobangebot in einer hoch angesehenen Firma in den USA erhalten.“ Wie ein Blitz strömte der Schreck durch meinen Körper und lähmte mich. Er merkte, dass ich nichts sagen konnte und reichte mir den mehrseitigen Arbeitsvertrag. Ich las nur das Datum und die ersten Sätze, das reichte mir schon. „Dieser Vertrag ist schon zwei Wochen alt! Wann zum Teufel wäre für dich der richtige Zeitpunkt gewesen, es mir zu sagen? Das Arbeitsverhältnis würde schon in drei Wochen beginnen!“ rief ich empört. Sofort blätterte ich auf die letzte Seite und entdeckte seine Unterschrift. Mir blieb der Atem stehen. „Ich fasse es einfach nicht! Du hast ernsthaft schon entschieden, diesen Job anzunehmen, ohne mit mir darüber zu sprechen? Wieviel Wert bin ich dir eigentlich?“ schrie ich und stand völlig hysterisch auf. „Lilly, ich hätte es dir rechtzeitig gesagt, ich musste selbst erstmal lange Zeit darüber nachdenken. Du bedeutest mir sehr viel und ich würde dich gerne nach Amerika mitnehmen, wenn du auch möchtest.“ Er stand auf und trat näher. Ich war so sauer, dass ich nicht mal weinen konnte. Wortlos standen wir uns gegenüber und ich wollte es einfach nicht glauben. „Ich habe dort bereits eine Wohnung gekauft und recherchiert: Es gibt so viele Schulen in der Umgebung, in denen du unterrichten könntest.“ „Du hast auch schon eine Wohnung gekauft?“ flüsterte ich, denn nicht mal mehr schreien konnte ich. „Überlege es dir einfach, du kannst jederzeit nachkommen und bei mir einziehen.“ Er küsste mich auf die Wange, nahm seine Aktentasche und verließ die Wohnung. Noch immer stand ich am selben Fleck und musste erstmal realisieren, was da eben passiert war. Er schlug mir vor, darüber nachzudenken, doch das musste ich gar nicht mehr. Pascal hatte bereits entschieden, mich zu verlassen. Ob ich mitkommen würde, oder nicht. Ich war ihm nicht wichtig genug, um eine gemeinsame Zukunft zu schmieden, stattdessen plante er nur seine eigene.

Am Abend saßen wir uns wieder gegenüber. Er versuchte, meine Hände zu halten, die verkrampft auf dem Tisch lagen, doch ich wich zurück und sagte schließlich: „Ich werde nicht mit dir nach Amerika gehen.“ Er nickte plötzlich verständnisvoll und lächelte dann, was mir vollkommen das Herz zerbrach. Er signalisierte mir damit, dass er erleichtert war und schon von vornherein wusste, dass ich nicht mitkommen würde.

Der Engel, der mich sandte

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