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WAS TUE ICH HIER?

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Das erste Mal kamen mir Wanderer entgegen, das kurze Gespräch mit ihnen verhalf mir wieder auf den Weg zurück: „Wohin mit dem großen Rucksack?“

„Nach Nizza.“

Manchmal muss man seine Ziele nur aussprechen und der nächste Schritt ist getan.

Mit Bongili verließ mich aber auch das gute Wetter. In meiner ersten Zeltnacht ohne sie wurde ich unerwartet mitten in der Nacht von einem Regentropfen geweckt, der mir mitten ins Gesicht fiel. Und dann noch einer und noch einer … Nach ausführlicher Recherche im Licht meiner Stirnlampe stellte sich heraus, dass mein Zelt leckte, und das nicht nur an einer Stelle, sondern überall dort, wo sich Nähte befanden – und derer gab es viele!

Ich lauschte dem Regen, er fiel laut und dicht. Dieses Prasseln auf die Zeltplane ließ mich nicht schlafen und ich fürchtete schon den nächsten Tag, der wieder nass und feucht und kalt sein würde. Die Tropffrequenz auf mein Gesicht erhöhte sich und ich stellte mir zum zweiten Mal die Sinnfrage: Was tu ich überhaupt hier?

Nachdem das Prasseln gegen Morgen nachließ und an Schlaf sowieso nicht mehr zu denken war, packte ich noch im Morgengrauen zusammen und machte mich auf feuchten Socken Richtung Gaberl. Mit ein bisserl Glück würde es dort ein offenes Gasthaus und eine warme Suppe geben. Der Weg dorthin war sehr abwechslungsreich, einmal durch den Wald und dann wieder bergan durch offenes Gelände, dazwischen versteckten sich mächtige Restschneefelder, garniert mit den Nadeln der Bäume. Immer wieder lockerten altehrwürdige Grenzbäume das Gelände auf. Leider machte sich der übergewichtige Freund auf meinem Rücken abermals unangenehm bemerkbar, ich versank oft mit einem Fuß hüfttief, auch wenn die Schneedecke zuvor zehn Schritte lang meine Last getragen hatte. Nun waren die Stöcke eine große Hilfe, ich zog mich an ihnen aus dem Trittloch, um wie auf rohen Eiern weiterzutappen.


Erste Annäherungsversuche: mein „Freund“, der Rucksack, und ich

Für diese Strapazen wurde ich tatsächlich mit einem offenen Gasthaus belohnt, es gab Fruchtsaft, Kaffee und Suppe – genau in dieser Reihenfolge. Die nassen Schuhe ein wenig trocknen, und weiter ging es Richtung Salzstiegelhaus.

Die Passstraße übers Gaberl, die kürzeste Verbindung von der Landeshauptstadt Graz in die Nordwest-Steiermark, die mir das offene Gasthaus bescherte, bescherte mir auch die vielen Menschen, die ich hier und während der nächsten Stunde traf.

Normalerweise bin ich kein Freund von Menschenansammlungen, schon überhaupt nicht in den Bergen, aber längeres Alleinsein rückt die Mitmenschen in ein anderes Licht, man wird offener und mitunter auch redselig, was für mich eine neue Erfahrung war. Ich hielt mich bislang eher für mundfaul als für ein Plappermaul. Wenn geschwätzig die Steigerung von redselig ist, dann war ich nun vielleicht sogar geschwätzig; dabei glaubte ich immer – da ich bis vierzig alleine lebte –, ein Schweiger zu sein. In Wirklichkeit war ich die meiste Zeit eh unter Menschen. Jetzt freute ich mich an der Gesellschaft einer Gruppe Geologiestudenten und über die Gastfreundschaft der Wirtin auf dem Salzstiegelhaus. Ich lachte über das Gewitter, das kurz nach meiner Ankunft niederging, und genoss es, in der gemütlichen Gaststube zu sitzen und eine warme Suppe zu löffeln.

Ich mietete mich im Matratzenlager ein, weil billig und eh egal, da sonst keine Lageranwärter da waren und ich somit allein im ganzen Dachgeschoß war. Mit Hilfe eines Silikonsprays, das ich in der Garage fand, versuchte ich mein Zelt wieder dicht zu bekommen, und spätestens jetzt war es gut, dass ich wirklich allein im Lager war, da in kürzester Zeit der ganze Dachboden nach Silikon stank. Ich öffnete die schrägen Fenster und lauschte – ja, wem wohl? – dem Prasseln des Regens. Benommen vom Silikonduft, satt und zufrieden, schlummerte ich weg.

Ein Mann geht quer

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