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Hilfsmittel, Methode, DiGA – Wege in die GKV-Versorgung für digitale Lösungen

Da es sich bei der gesetzlichen Krankenversicherung um ein soziales Sicherungssystem in Form einer Solidargemeinschaft der Versicherten handelt, gibt es ein Regelsystem, das die Qualität der Versorgung und deren Wirtschaftlichkeit im Sinne der Versichertengemeinschaft sichern soll. Nicht jede persönliche Leistung, jedes Medizinprodukt oder jedes Arzneimittel kann daher ohne Weiteres Teil des Leistungskatalogs in der GKV sein. Zunächst muss die Sicherheit der PatientInnen gewährleistet sein. Dieser sicherheitsrechtliche Aspekt wird überwiegend außerhalb des GKV-Rechts, z.B. im Arzneimittelrecht, im Medizinprodukterecht oder im Heilberufeausbildungsrecht geregelt. Vereinzelt stellt das Sozialrecht aber zusätzliche Anforderungen.

Geht es um persönliche Behandlungsleistungen werden diese von Leistungserbringern, also natürlichen Personen, die über eine entsprechende Ausbildung verfügen und sich zur Erbringung von Leistungen zu den Konditionen der GKV verpflichtet haben, erbracht. Neben den persönlichen Leistungen gibt es veranlasste oder genehmigungsfähige Leistungen, die eine Versorgung mit Hilfsmitteln, Heilmitteln, Arzneimitteln sicherstellen. Insofern digitale Produkte mit diesem Leistungsspektrum nicht spezifisch adressiert waren, waren auch die bislang bestehenden Zugangswege für digitale Produkte kaum oder gar nicht gangbar: Vor dem DVG sah nur der im Mai 2019 geänderte § 137f SGB V ausdrücklich vor, dass digitale Anwendungen Teil der Versorgung sein konnten. Als Heil- und Hilfsmittel war der Marktzugang de facto nicht möglich. Im Bereich der Prävention oder besonderen Versorgung sind einige wenige digitale Anwendungen über Selektivverträge in die Versorgung gekommen. Regelungen zu Erprobung, Videosprechstunden und der eGK/TI betreffen zwar auch eHealth, nicht aber die Vergütung von verordneten digitalen Anwendungen (s. Abb. 2).

Abb. 2 Vor DVG viele Marktzugänge – doch kaum für digitale Anwendungen

Untersuchungs- und Behandlungsmethoden

Ärztliche Leistungen, also medizinische Untersuchungen und Behandlungen, die nur von einer zur Ausübung der Heilkunde befähigten Person erbracht werden dürfen, müssen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V). Bevor neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im ambulanten Sektor eingesetzt und zulasten der GKV abgerechnet werden dürfen, sieht das Gesetz allerdings vor, dass der G-BA nach einem Methodenbewertungsverfahren (§ 135 SGB V) eine Empfehlung in seinen Richtlinien abgegeben hat. Hier stellt sich ggf. die Frage, warum das nicht auch für DiGA-Hersteller relevant sein sollte.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann auch die Verwendung von neuen Medizinprodukten im Rahmen einer ärztlichen Behandlung eine neue Methode darstellen, wenn die Behandlung wesentlich auf der Verwendung des Medizinprodukts beruht und etwa neue Risiken für den Patienten entstehen können (vgl. BSG Urteil von 08.07.2015 – B 3 KR 6/14 RBSG 2015a und BSG Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 5/14 R). Diese Rechtsprechung ließe sich auf DiGA übertragen, was zur Folge hätte, dass bei innovativen Produkten immer zuerst eine Methodenbewertung durchzuführen wäre. Das würde allerdings zu erheblichen Kosten und Verzögerungen für digitale Innovationen führen, die mit den kurzen Entwicklungszyklen moderner Softwareentwicklung kaum vereinbar sind.


Der Gesetzgeber hat sich deshalb entschieden für digitale Medizinprodukte niedriger Risikoklassen einen anderen Weg zu gehen: Im Rahmen des beschleunigten Fast-Track-Prüfverfahrens beim BfArM können solche Medizinprodukte auch ohne vorherige Methodenbewertung durch den G-BA erstattungsfähig werden.

Das geht sogar schon in einer Erprobungsphase, falls der Hersteller noch keine ausreichende Evidenz für den Nachweis positiver Versorgungseffekte für eine endgültige Aufnahme in das Verzeichnis digitaler Gesundheitsanwendungen beim BfArM (DiGA-VZ) vorlegen kann. Der G-BA hat in diesem Bereich nur noch die Möglichkeit, eine DiGA als Ergebnis eines Methodenbewertungsverfahrens aktiv von der Versorgung auszuschließen (§ 33a Abs. 4 SGB V).

Wenn die Verwendung einer Methode nicht per se ausgeschlossen ist, stellte sich bisher weiterhin die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Verordnung möglich und wie eine Vergütung – nicht nur der verordnenden ÄrztInnen – sondern einer digitalen Gesundheitsanwendung selbst erfolgen kann.

Hilfsmittel, Heilmittel, Arzneimittel und DiGA – Was ist was?

Bevor DiGA den Weg in das SGB V gefunden hatten, gab es klassischerweise nur die Unterteilung in Hilfsmittel, Heilmittel, Verbandmittel und Arzneimittel, die im Rahmen einer Krankenbehandlung im ambulanten Sektor als verordnungsfähige Leistungen definiert waren.

Recht klar abgrenzbar waren schon bisher einerseits Arzneimittel, die eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung entfalten oder jedenfalls zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind und andererseits Verbandmittel, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen.

Schwieriger wurde es schon bei Heil- und Hilfsmitteln. Hierzu hatte die Rechtsprechung herausgearbeitet, dass es sich bei Heilmitteln um persönlich erbrachte nicht-ärztliche Dienstleistungen handelt (Krankengymnastik, Massagen usw.) und bei Hilfsmitteln um körperliche Gegenstände (z. B. Gehhilfen, Einlagen, Rollstühle usw.).

Unklar blieb, in welche Kategorie insbesondere Softwareprodukte fallen würden, die keine verkörperlichten Gegenstände sind, aber gleichzeitig wie TherapeutInnen mit einem Versicherten interagieren. An Software hatte man zum Zeitpunkt der Gesetzgebung nicht speziell gedacht. Klar war aber auch: Explizit ausgeschlossen sollten digitale Anwendungen nicht sein. Wegen der persönlichen Leistungserbringung, die bestimmendes Merkmal der Heilmittel ist, war eine Einordnung als Hilfsmittel am naheliegendsten. Hilfsmittel sind gemäß § 33 SGB V Mittel,

„die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach §34 Abs. 4 ausgeschlossen sind“.

DiGA erfüllen die erstgenannten Voraussetzungen, da sie Bestandteil ihrer Definition sind (s. Kap. 7.1 Die DiGA-Definition). Sie sind auch keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, da sie spezifisch für die Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt wurden und nicht von der Mehrzahl der Menschen – auch denen ohne Krankheit oder Behinderung – ohnehin unentbehrlich sind (Lungstras 2020).1 Überdies sind digitale Gesundheitsanwendungen auch nicht kategorisch nach § 34 Absatz 4 SGB V ausgeschlossen. Die Rechtsprechung hatte ebenfalls bereits aufgezeigt, dass Software unter die Definition der Hilfsmittel fallen kann (vgl. LSG Bayern Urteil vom 4.9.2008 – L 4 KR 15/07, LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 13.4.2011 – L 9 KR 182/09).

In der gelebten Realität haben es digitale Gesundheitsanwendungen allerdings nicht wirklich in die Regelversorgung geschafft, geschweige denn in das Hilfsmittelverzeichnis des GKV-SV. Die praktischen Hürden, denen sich spezifisch digitale Gesundheitstools bei der Antragstellung zur Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis stellen, sind damit vermutlich der eigentliche Grund für die Etablierung des Fast-Tracks. Hätte der GKV-SV sein Hilfsmittelverzeichnis entsprechend strukturiert und überhaupt einmal transparente Regeln für die Aufnahme in das Verzeichnis für Software geschaffen, wäre ein Fast-Track für DiGA nicht notwendig gewesen.2

Als Konsequenz hat der Gesetzgeber eine eigene Leistungskategorie der digitalen Gesundheitsanwendungen in § 33a SGB V implementiert, die die altbekannten verordnungsfähigen Leistungen ergänzen sollen. Dabei wurde klargestellt, dass digitale Anwendungen jetzt nicht nur noch über diesen Weg in die Versorgung kommen sollen, sondern weiterhin grundsätzlich der Weg über das Hilfsmittelverzeichnis, Selektivverträge, Modellvorhaben oder Disease-Management-Programme offensteht. Mit dem Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) wird auch nochmals ausdrücklich die Option geregelt, dass DiGA als Satzungsleistung von Krankenkassen angeboten werden können.


Digitale Gesundheitsanwendungen ergänzen bestehende Leistungskategorien verordnungsfähiger Leistungen der Regelversorgung als Teil der Krankenbehandlung über § 33a SGB V. Neben diesem bestehen aber auch andere Wege in die Erstattung. Es kann sich lohnen hier genau zu vergleichen, welcher Weg der richtige ist. Aufwand, Kosten, Verfahrensdauern und Reichweiten können erheblich voneinander abweichen. Eine DiGA kann aber theoretisch auch mehrere Wege gleichzeitig beschreiten.

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