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Bundeskanzleramt

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Als Susanne Ehrlich, die Leiterin des Kanzlerbüros, am Telefon die seltsam belegte Stimme des Bundesaußenministers Georg von Rüdesheim hört, ist ihr klar, dass es jetzt brennt. Sie ahnt nichts Gutes für den Dienstplan ihrer Chefin.

»Ist die Bundeskanzlerin erreichbar, sie antwortet nicht auf Ihrem Krypto-Handy?«, fragt von Rüdesheim.

»Das kann sein, Herr Minister, wenn sie das andere Telefon benutzt.«

»Diese Krypto-Dinger sind extrem unpraktisch«, entgegnet er etwas unwirsch.

»Darf ich die Chefin in Berlin vermuten? Ich muss sie dringend sprechen.«

»Darf ich erfahren, worum es geht?«

»Sie dürfen«, antwortet Georg von Rüdesheim nun etwas spitz. Es nervt ihn, dass in allen Vorzimmern dieser Welt die Büroleiter die Macht haben, wie bei ihm selbst …

»Der IS hat offensichtlich die beiden deutschen Geiseln Weier und Fischer in seiner Gewalt. Es gibt die klare Drohung, sie zu enthaupten, wenn wir uns nicht zurückziehen.«

»Ich darf Sie durchstellen Herr Minister, haben Sie Ihr Krypto-Handy aktiviert?«

»Ich rufe selbstverständlich bereits damit an.«

Bundeskanzlerin Dr. Henriette Behrens ist auf dem Weg von ihrer Wohnung im Süden Berlins zum Bundeskanzleramt. Vor und hinter ihr je ein Wagen mit Personenschutz.

Henriette ist gern Kanzlerin. Sie kommt aus einer bekannten Diplomatenfamilie, wohnte lange in Rom, studierte politische Wissenschaften, Geschichte und Philosophie und promovierte über den römischen Kaiser Marc Aurel. Sie ist bei vielen Menschen im Land wegen ihrer menschlichen Art und sachlichen Politik beliebt. Ihre Politik wirkt durchschaubar, so wie sie selbst erscheint, transparent und authentisch. Sie kann knallhart sein, aber sie ist berechenbar. Die Bundeskanzlerin sagt, was sie will und hält es ein. Man kann sich auf sie verlassen, national wie international. Den Parteivorsitz hasst sie eigentlich, braucht ihn aber zum Erhalt ihrer Macht wie ein notwendiges Übel. Und sie muss diese Macht festigen, denn sie regiert seit kurzem in einer komplizierten Dreierkoalition umgeben von politischen Gegnern, die nur darauf lauern, dass die Kanzlerin einen Fehler macht. Gemäß dem Auftrag jeder Opposition: Sturz der Herrschenden.

Henriette hat sich heute für eine ihrer weißen Seidenblusen entschlossen, darüber trägt sie ein dunkelblaues Kostüm. Eine dezente Perlenkette, zwei kleine diamantene Ohrstecker. Noch mehr Schmuck mag sie nicht. An dem leichten YPSILON-Parfümgeruch konnte man die heute Neunundvierzigjährige bereits seit zwei Jahrzehnten leicht identifizieren. Inzwischen ist es schwer, das Parfüm noch auf dem Markt zu bekommen.

Die Kanzlerin wird von ihren Ministerinnen überwiegend kritisch gesehen, von den männlichen Kollegen hingegen geradezu verehrt, besonders von ihrem italienischen Amtskollegen. Nicht nur wegen ihrer Affinität zu Italien, sondern wohl auch, weil sie jung, Single und außerordentlich hübsch ist. Das Bild von Signora Henrietta steht in Rom auf seinem Schreibtisch, seitdem die eigene Frau ihn verlassen hatte.

Ihre in Stufen geschnittenen, halblangen, schwarzen Haare wurden im ganzen Land zur Henriette-Frisur. Handtaschen und Schuhe bekamen ihren Markennamen. Ihre Kleidung ist ständig Thema in der Boulevardpresse. Die Times schrieb in der Titelgeschichte Germany‘s best Brand über den überwältigenden Charme und Verstand einer »einzigartigen Ausnahmeerscheinung« unter den Regierungschefs in Europa.

Was um alles in der Welt trage ich heute beim Empfang des Emirs von Katar?, fährt ihr durch den Kopf. Von Rüdesheim hatte betont, dass das reiche Katar für Deutschland immer wichtiger werde, und es Zeit wäre, die politische Zusammenarbeit zu verstärken.

Sie schaut in den Spiegel, fährt mit dem Stift über ihre Lippen, presst sie zusammen und betrachtet dabei kritisch ihren Mund.

Bei dem Emir liefe sie wenigstens nicht Gefahr, umarmt zu werden.

Henriette hasst es, wenn Männer sie in aller Welt in den Arm nehmen. Es macht sich gut auf Bildern, die schöne erste Frau im mächtigsten Staat Europas zu umarmen. Fast jeder giert danach. Körperliche Umarmung heißt auch, politisch Macht dort zu demonstrieren, wo das Wort nicht reicht. Selbst kleine Männer scheuen nicht davor zurück, die 1,76 Meter große, schlanke Henriette an sich zu ziehen.

Es gibt bei öffentlichen Umarmungen alle Sorten von Männern. Souveräne Beschützertypen, andere sind einfach nur gockelhaft. Wenn sie aus Brüssel zurückkommt, hat sie ein Bombardement von Küsschen links, Küsschen rechts hinter sich. Sie hat inzwischen ihre eigenen Abwehrstrategien entwickelt, indem sie früh abblockt. Nicht immer gelingt es.

Am liebsten würde ich mich vor dem Mittagstermin mit dem Emir noch frisch machen und umziehen, denkt sie.

Wie ist der Plan? Jetzt gleich noch ein einstündiges Treffen mit Vertretern von Banken und ein zweistündiges mit Gewerkschaften und den Repräsentanten der Kirchen …

Sie schaut auf die Notizen, die sie neben sich auf dem Rücksitz des Wagens ausgebreitet hat. Henriette mag keine Gittermappen. Die Papiere müssen, wenn möglich, immer greifbar um sie herum sein, wie die Zutaten in der Küche, dann kann sie am besten kochen.

Sie zählt. Sechzehn wichtige Telefontermine am Nachmittag. Auch der Bundespräsident möchte mit ihr über eine schwierige Gesetzesvorlage sprechen.

Ein gemeinsamer, dringender Brief einer Frau Weier und Frau Fischer ist dabei. Die Ehefrauen der zwei verschleppten deutschen Geiseln flehen sie verzweifelt um Hilfe an.

Beide Ehemänner hatten sich nach langem Drängen ihrer Baufirma aus Hanau bereit erklärt, in den gefährlichen Irak zu fahren, um dort Geschäftschancen wahrzunehmen. Beide Frauen sind in Todesangst um ihre Lieben und verzweifelt, dass sie ihre Männer trotz aller Warnungen von Kollegen und auch des Auswärtigen Amtes nicht zurückgehalten haben. Der Brief ist anrührend geschrieben. Henriette spürt die große Not. Sie wird sich noch genauer informieren, bevor sie heute Abend nach zwanzig Uhr endlich die Füße hochlegen kann.

Henriette Behrens hat ein diskretes Treffen, und das kennt nur ihre Büroleiterin und langjährige Freundin Susanne Ehrlich.

Auf dem Krypto-Handy erscheint die Nummer vom Außenminister von Rüdesheim. Die Bundeskanzlerin ist ihm gegenüber mehr als vorsichtig. Der Koalitionspartner hatte ihn bei der Regierungsbildung gnadenlos durchgeboxt, und nun ist er traditionsgemäß in dieser Funktion leider auch Vizekanzler. Was hinter den Kulissen läuft, kann selbst sie nur ahnen. Gelegentlich bleibt ihr nichts anderes übrig, als ihn zurückzupfeifen, was in der Presse sofort als Konflikt in der Außenpolitik zwischen ihr und dem Außenminister ausgelegt wird. Rüdesheim beobachtet sie argwöhnisch, auch in ihrem offensichtlich auffällig guten Verhältnis zum Verteidigungsminister.

»Herr von Rüdesheim, haben wir ein Problem?«

»In der Tat, Frau Bundeskanzlerin.«

Er berichtet von dem Erpressungsvideo.

»Das müssen Sie noch wissen: Die Drohung wird von einem sehr gut Deutsch sprechenden Terroristen vorgetragen. Sie, Frau Bundeskanzlerin, werden namentlich adressiert und massiv bedroht. Das Thema läuft bereits allen Medien mit den üblichen Spekulationen über unsere Reaktion. Ministerialdirigent Dr. Kürten bereitet für heute eine Sitzung des Krisenstabes WEFI bei uns im Lageraum vor.«

Henriette überlegt kurz.

Option eins, ich delegiere das Ganze wie so Vieles. Option zwei, ich mache den Fall zur Chefsache und greife aktiv in das Geschehen ein. In beiden Fällen: Ausgang offen. Option zwei kann ich zeitlich überhaupt nicht gebrauchen, und sie ist auch politisch gefährlicher …«

Sie weiß, dass sie in dieser brisanten Lage auf einem Feuerstuhl sitzt. Zwei deutsche Geiseln könnten erstmals von dieser Terrororganisation hingerichtet werden. Es ist nicht ihr Ding, heiße Themen auszusitzen. Sie wurde gewählt, um zu handeln. Sie handelt im Kabinett, in Brüssel, und sie muss jetzt auch einmal im Krisenkeller handeln! Henriette entschließt sich für die Option zwei.

»Um wie viel Uhr tagt der Krisenstab?«

»Um 16:00 Uhr.«

»Ich werde dazukommen. Bitten Sie auch Innenminister Dr. Bauer und Verteidigungsminister Voss dazu – und natürlich alle Ebenen, die wir für die Entscheidungsfindung benötigen.«

»Wird erledigt, Frau Bundeskanzlerin.«

So ein Blödmann, denkt Henriette. Wann begreift der endlich, dass ich kabinettsintern nur mit Namen angesprochen werden möchte?

Dann ruft sie ihr Leitungsbüro an, lässt die anstehenden Besprechungstermine mit Banken, Kirchen und Gewerkschaften kürzen. So wird sie noch einige Telefontermine schaffen. Das Umziehen kann ich vergessen, denkt sie und greift sich ein paar Akten.

»Zum AA Krisenreaktionszentrum!«

»Normal oder mit Blaulicht?«

»Normal, ich möchte vor Kriegsausbruch noch in Ruhe ein Nachmittagsschläfchen machen.«

Ihr Lieblingsfahrer gibt dem ersten Wagen die Einzelheiten durch und schmunzelt. Er ist stolz darauf, diese Chefin fahren zu dürfen. Sie sieht nicht nur verdammt gut aus, sondern hat es richtig drauf, und wie immer die Ruhe weg.

Im Lageraum sind alle versammelt. Noch ist der zentrale Bildschirm dunkel. Gespannte Ruhe. Zum ersten Mal wird die Chefin selbst bei einer Krise anwesend sein.

Seit 15:30 Uhr fahren gepanzerte Limousinen vor. Die Fahrer springen heraus und öffnen den Ministern die Türen. Raumschutz ist hier nachrangig, man ist im Innenhof bereits im gesicherten Bereich. Verteidigungsminister Paul Voss wird von einem Heeresgeneral begleitet, Innenminister Dr. Siegfried Bauer von einem hohen Beamten der GSG 9 Bundespolizei, der Hausherr, Außenminister Georg von Rüdesheim, kommt allein.

Dr. Rudolf Kürten begrüßt jeden Einzelnen seiner Gäste per Handschlag. Großes Kino heute. Doch in Krisen wie dieser wird Rudi ganz ruhig, noch ruhiger als sonst.

Die Herren werden höflich, aber bestimmt gebeten, ihre Handys vor Eintritt in den Lageraum abzugeben. Das dient nicht nur der Sicherheit, sondern folgt Rudis Prinzip. Das Prinzip heißt: Kopf vor Technik.

Rudi überblickt den Raum. Der ist so, wie er ihn immer haben wollte. Leere Tische, aneinandergereiht in einem langen ovalen Block, am Ende über Eck. Schreibblock, Stift, sonst nichts. Diese ungewöhnliche Logistik hatte ihm ebenfalls jener Oberst aus Blankenese empfohlen. Seitdem gibt es im Lageraum keine Informationsüberflutung mehr. Es wird konzentriert und kurz vorgetragen, zugehört und diskutiert. Krisenrelevante Informationen werden während der Sitzung aus den Fachbereichen außerhalb des Lageraumes abgerufen, aus allen Ressorts und den Geheimdienstquellen. Bei Bedarf wird alles, was wichtig ist, auf einen großen Schirm projiziert. Doch nur bei Bedarf.

Rudi ist zufrieden. Hier befindet er sich direkt auf der strategischen Ebene. Trotzdem ist er froh, dass heute die letzte Entscheidung nicht auf seinen Schultern ruht.

Um exakt 15:58 Uhr wird es plötzlich ruhig im Lageraum.

»Meine Damen und Herren, die Frau Bundeskanzlerin!«

Alles erhebt sich.

Strahlend betritt sie in ihrem dezenten, blauen Kostüm den nüchternen, unpersönlich großen Raum. Henriette gibt dem Hausherrn die Hand. Georg von Rüdesheim weiß, dass sie auf einen Handkuss keinen Wert legt.

»Guten Tag zusammen, ich freue mich, hier im Krisenkeller zu sein! Mein Handy hat man mir abgenommen. Wäre auch sinnlos gewesen, wenn ich die Wände hier sehe.«

Lachen im Raum. Vorschrift ist Vorschrift auch für die Nummer Eins.

»Frau Bundeskanzlerin, ich stelle vor, Ministerialdirigent Dr. Kürten, Ministerialrat Dr. Bloedorn, BKA-Direktor Busch und der Kommandeur KSK, Brigadegeneral Wolf.«

Es folgen Ressortleiter und eine Reihe von Mitarbeitern. Die Crème de la Crème im Krisenkeller.

Henriette legt Wert darauf, jedem Einzelnen die Hand zu schütteln. Wertschätzung durch persönliche Begrüßung, wann immer möglich, ist ihre Devise. Sie ist sich ihrer Premiere in diesem Kreise bewusst, und ihr Charme erfasst schnell den gesamten Lageraum.

»Ich möchte zuerst das Video sehen.«

»Selbstverständlich, Frau Bundeskanzler«, erwidert Bloedorn, grammatikalisch völlig korrekt.

»Ich bin bekanntlich eine Frau«, sagt sie gewinnend, »also können Sie ruhig Frau Bundeskanzlerin zu mir sagen, selbst, wenn das einem weißen Schimmel gleich kommt. Die Tautologie nehme ich zugunsten der Emanzipation gerne in Kauf!« Wieder Erheiterung. Sie hat schon jetzt den Schlüssel umgedreht, denkt Rudi. Señora Henrietta hat ein Gespür dafür, dass auch im Worst Case gelacht werden darf … die Spannung muss raus … denn gleich wird es ernst, verdammt ernst.

Das projizierte Video ist erschreckend. Eine Gruppe maskierter Terroristen. Aber irgendetwas ist anders als sonst, denkt Henriette. Die gesamte Inszenierung. Das ist wie Hollywood …

Der Mann im Vordergrund will gerade sprechen.

»Bitte Stopp!«, sagt die Kanzlerin.

Sie erträgt das nicht, denkt Bloedorn.

Stimmt nicht. Die Kanzlerin will sich das stehende Bild erst einmal genau ansehen, bevor die Sprache kommt. Für sie ist der Gesamteindruck, die Körpersprache mindestens so wichtig wie das gesprochene Wort. Und hier erst recht. Was ist Show, was ist echt?

Sie schaut sich die Figuren genau an. Beide Geiseln in der inzwischen typischen, orangefarbenen Häftlingskleidung, identisch mit der Kleidung im Gefangenenlager Guantanamo. Kleider als Unterdrückungssymbol. Ihr habt unsere Brüder, wir eure. Wir sind auf Augenhöhe – Gottlose!

Weier und Fischer knien gefesselt auf dem Wüstenboden mit einem Schild um den Hals:

Ich will nicht sterben, Frau Bundeskanzlerin. Bitte helfen Sie!

Eine Gruppe fünf maskierter Terroristen in schwarzer IS-Kampfkleidung, Maschinengewehre und Panzerabwehrraketen hochhaltend. Neben jedem Gefangenen steht ein Terrorist mit einem Messer in der Hand – am Hals der Geisel.

Jetzt steht die Bundeskanzlerin auf, geht näher an den Bildschirm heran, sie studiert die Augen hinter den Masken, alles junge Männer, nein, eindeutig eine Frau dabei! Die Uniformen sauber, perfekt. Geschnürte Kampfstiefel. Am Gürtel etliche Ausrüstungsteile. Bodyguards aus dem Vorhof der Hölle.

Im Hintergrund eine Fahne: Tod den Feinden der Gotteskrieger.

Die brauchen gar nicht mehr zu sprechen, denkt sie, die perfekte Inszenierung zum Angst machen.

Sie sagt kein Wort. Im Raum ist es mucksmäuschenstill, als sie sich wieder setzt. Ihr Gesicht ist ernst, aber nicht fassungslos.

»Bitte weiter!«

Der Krieger in der Frontreihe spricht frei, in tadellosem, fast akzentfreiem Deutsch:

»Wegen der Entscheidung der deutschen Bundesregierung, dem Islamischen Staat zu schaden, werden diese beiden deutschen Geiseln sterben. Wir werden Sie, Henriette Behrens, Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, wo immer Sie sind, jagen, finden und schänden. Von nun an sind Sie nicht mehr allein. Noch haben Sie Zeit zum Überlegen. Wenn Deutschland unsere Forderung nicht erfüllt, werden Weier und Fischer an eurem Weihnachtstag, dem 25. Dezember, zwölf Uhr, enthauptet. Ein weiteres Ultimatum wird es nicht geben. Allahu Akbar!«

Im Hintergrund wird geschossen. Die Geiseln sind vor Angst erstarrt.

Dann dreht sich der Sprecher herum. Offensichtlich ist die Vorführung vorbei.

Doch dem ist nicht so.

Auf seinem Rücken sehen die Menschen im Krisenkeller ein großflächiges Foto von der Bundeskanzlerin. Henriette Behrens – verzerrt zu einer hämischen Fratze.

Um Gottes Willen, denkt sie, auch das noch …

Das Bild ist unerträglich, und doch kann sie den Blick nicht abwenden. Was sind das plötzlich für dunkle Flecken, die jetzt auf dem Orange der Gefangenenhemden zu erkennen sind? Wasser …?

Dann sieht sie einen Strahl.

Mein Gott … nein … er uriniert sie an … er uriniert Weier und Fischer an … ins Gesicht … mit meinem Bild auf dem Rücken …

Auf dem Bildschirm flimmert es. Der Spuk ist vorbei.

Es ist jetzt sehr still im Raum. Nur die Normuhren ticken in der Stille, leise und erbarmungslos, erinnern daran, dass die Zeit drängt.

Henriette trinkt einen Schluck Wasser. Sie wirkt äußerlich wenig beeindruckt. Aber in ihr lodert urplötzlich eine unglaubliche Wut. Es fehlen ihr die Worte.

Ein offensichtlich deutscher Terrorist, der auf zwei dem Tode geweihte deutsche Staatsbürger uriniert, und die Bundeskanzlerin und damit Deutschland in übelster Weise beschmutzt!

Sie weiß, dass sie nur mittelbar gemeint ist. Es ist primär eine Botschaft der IS-Terrormiliz an die Welt. Aber es ist auch eine höchst persönliche Drohung. Sie könnte tatsächlich jetzt hoch gefährdet sein. Die Sicherheitsstufe muss wohl auf 1+ hochgefahren werden, denkt sie als Erstes, nachdem sie sich gefangen hat.

»Wie ist ihre Bewertung, meine Herren?«

»Ministerialdirigent Dr. Kürten wird Ihnen die Lagebeurteilung vortragen«, sagt der Außenminister.

»Zunächst, Frau Bundeskanzlerin, das Video wurde nach fünf Minuten aus dem Netz genommen.«

»Zu lange. Damit ist es im Netz unterwegs«, bemerkt von Rüdesheim.

Rudi wendet sich direkt an die Kanzlerin. Er nimmt in Kauf, dass sein Chef ihn dafür nur von der Seite sieht.

Der oberste Krisenmanager der Nation ist rhetorisch perfekt und heute in Höchstform. Er braucht keinen Beamer. Sein Beamer ist er selbst, seine sichere Gestik und das Spiel mit den Augen. Er schaut nach rechts und links, als lese er von einem Teleprompter. Dabei wirkt er völlig unprätentiös, ohne jede Eitelkeit oder Überheblichkeit. Sobald er Quellen erwähnt, spricht er die betroffenen Experten direkt an.

Rudi entführt die Zuhörer für eine Zeit in den Abgrund des Dschihad. Die Zuhörer merken nicht, dass hinter dieser perfekten Präsentation eine komplexe Strategie steht, durch die alle Leitungsebenen, und die Kanzlerin insbesondere, zu bestimmten Entscheidungsoptionen geführt werden sollen. Der ungewöhnliche Ministerialdirigent mit kleinem Zopf und Kinnbärtchen hätte Turnschuhe anhaben können, an seiner Klasse würde dieses nichts ändern. Und die zählt hier.

Die Kanzlerin hört aufmerksam zu. Zwischendurch macht sie Notizen.

»Wie viel Lösegeld fließt jährlich in die Hände der Terroristen, Herr Kürten?«

Sie hat über die Arbeit dieses Krisenmanagers bisher nur das Beste gehört.

»Allein im letzten Jahr hat al-Qaida fünfzig Millionen Euro Lösegeld einkassiert.«

Rudi lässt die Zahl für einen kurzen Moment im Raum stehen.

Millionen für Geiseln, Millionen für neue Waffen. Neue Entführungen, neue Millionen … neue Waffen. Der Kreislauf des Terrors …, denkt Henriette.

»Wer ist unser Gegner in dieser Lage?«, fragt sie.

»Keiner von uns kennt die Lage so gut wie Direktor Harry Busch, Frau Bundeskanzlerin.«

Harry erfüllt ganz und gar nicht das Klischee eines BKA-Beamten. Gewinnend, groß, schlank, stattlich mit vollem, silberfarbenem Haar. Seit vielen Jahren leitet er die Verhandlungen der Bundesregierung mit kriminellen Gruppen und Einzeltätern im Ausland. Wenn er nicht direkt vor Ort ist, gibt er wenigstens für jede Phase die Verhandlungsstrategie vor. Sobald die Forderung auf dem Tisch liegt und der Fall einigermaßen klar ist, empfiehlt er der Leitung, ob und wie viel geboten werden sollte.

Lösegeldzahlungen sind eine heikle Sache im Amt. Natürlich geschehen sie, aber man spricht nicht darüber. Das Agreement in der Verhandlung macht er erst, nachdem er alles über seine Gegner weiß. Man muss den Gegner kennen, bevor man ihn füttert.

»Schießen Sie los! Herr Busch! Ich bin gespannt auf Ihr Wissen!«

Harry Busch verbeugt sich kurz, ist äußerlich unbeeindruckt.

Was hat der, was ich nicht habe, fragt sich Bloedorn. Dass die Bundeskanzlerin seinen Ohrring-Chef offensichtlich kennt und mag, gefällt ihm gar nicht. Nun auch noch dieser Harry! Er überlegt, wie er die Aufmerksamkeit der Kanzlerin auf sich ziehen kann.

Doch Harry startet.

»Die Geiseln befinden sich im Nordirak in Kalak Chyah, wie Sie hier sehen, nordöstlich von Mossul, etwa achtzig Kilometer Luftlinie hinter der türkischen Grenze. Die Gegend wird überwiegend von Sunniten bewohnt und wurde von den Dschihadisten eingenommen. Für die entflohenen Bewohner sind nicht die ebenfalls sunnitischen IS-Kämpfer die Schuldigen, sondern der schiitische Ministerpräsident in Bagdad. Beide Geiseln wurden vor vier Tagen durch amerikanische Drohnen identifiziert. Danach haben wir gebeten, die Drohnenflüge einzustellen.«

Es folgen sechs Luftaufnahmen von einem einsam gelegenen Haus. Flachbau, zwei sitzende Männer an einem Tisch davor. Ein Bild zeigt in einiger Unschärfe, wie zwei Menschen gefesselt vor das Haus geführt werden.

»Sind wir denn sicher, dass das unsere Geiseln sind? Ich erkenne das nicht«, fragt Henriette.

»Die beiden Figuren auf dem Hof wurden mit den besten Methoden der Bildauswertung als unsere beiden gekidnappten Deutschen identifiziert, Frau Bundeskanzlerin. Der linke ist Helmut Weier, der rechte Josef Fischer. Wir sind da sehr sicher, denn einer unserer eigenen Leute«, er schaut zu Brigadegeneral Wolf hinüber, »operiert seit Einstellung der Drohnenflüge in dem Gebiet. Er ist zurück und meldete, dass die Geiseln leben, und vermutlich nur von zwei bis vier Kämpfern bewacht werden. Vorher waren mehr da, aber die sind in die umliegenden Kämpfe am Staudamm verwickelt. Das Gebiet ist komplett in der Hand des IS. Man fühlt sich augenscheinlich sicher.«

»Haben wir weitere Erkenntnisse über die Gruppe und deren wahre Motive?«

»Der Bundesnachrichtendienst hat zweifelsfrei den Deutsch sprechenden Terroristen auf dem Video identifiziert. Es ist ein Wilfried Peschtl aus Hannover, seit elf Monaten verschwunden. Er hat derzeit die Rolle eines Vorzeigeterroristen.«

»Was wissen wir über die Vita dieses Mannes?«

»Peschtl ist ein Deutsch-Ägypter. Er steht bei uns auf der Liste radikaler Islamisten, weil er in Indonesien Kontakt mit al-Qaida hatte, und das auch nicht verheimlichte. Er hat lange Jahre in Köln gelebt und ist mit seiner Familie in Richtung Türkei verschwunden. Peschtl heißt beim IS Djehad Ardeshir. Er hält es für seine Pflicht, Ungläubige umzubringen.“

Harry zeigt mehrere Fotos des Dschihadisten: Groß, blond, Bart und Nickelbrille.

»Der sieht eher wie ein Gelehrter aus und nicht wie ein Gewalttäter«, bemerkt der Außenminister.

»Er ist intelligent und hat in Ägypten Religionswissenschaften und Kommunikation studiert. Hinter diesem Gesicht steckt allerdings einer der brutalsten ausländischen Terroristen. Vermutlich war er schon im direkten Umfeld von Bin Laden an Terrorakten in Pakistan beteiligt und ist dann mit einer Gruppe Islamisten zum IS gekommen. Er liebt die Außendarstellung und brüstet sich damit, engen Kontakt zu Kalif Abdullah, dem politischen und religiösen Führer des IS zu haben.«

»Gehen wir davon aus, dass der IS hinter dieser Entführung steckt, oder ist das eine Splittergruppe?«, fragt der Außenminister mit Blick auf Busch.

»Mit Sicherheit kommt diese Aktion von ganz oben. Die Drohung ist an die Bundesregierung gerichtet, das macht auch keine Splittergruppe ohne Weisung. Und die Geiseln werden bei Mossul, also in der Nähe des Hauptquartiers des IS gefangen gehalten. Das ist der Stand heute, und der kann sich mit Veränderung der Lage im Irak sehr schnell ändern. Vor allem sollten wir nicht darauf hoffen, dass irakische Spezialkräfte die beiden deutschen Geiseln heil herausbringen. Das ist bereits bei anderen Geiselbefreiungen gründlich missglückt.«

»Gibt es politische Kontakte zu diesem selbst ernannten Kalifen?«, fragt der Außenminister.

»Ob man mit dem Kalifen überhaupt in Kontakt kommen kann, ist zu bezweifeln, Herr Minister, und der Versuch auch nicht zu empfehlen. Er ist aktuell der meistgesuchte Terrorist der Welt. Die Amerikaner haben auf ihn eine Prämie von zwanzig Millionen US-Dollar ausgesetzt. Abdullah war ein Straßengauner. Mehrere Jahre saß er im Camp Bucca, dem zeitweise größten Gefängnis der Amerikaner im Irak. Drei seiner Vorgänger wurden ermordet. Als selbst ernannter Nachfolger Mohammeds muss er Erfolge in der Expansion des Gottesstaates nachweisen und sich zudem in seinem Handeln strikt an die Scharia halten, wohl wissend, dass der Schura-Rat ihn daraufhin ständig prüft, wie er ihn auch jederzeit absetzen kann.«

»Was ist der Schura-Rat?«, will die Kanzlerin wissen.

»Ein wichtiges Gremium in der IS-Führungsriege, in dem neun Geistliche sitzen, die in islamischem Recht bewandert sind. Der Rat soll gewährleisten, dass die IS-Spitze sich an die fundamentalistische Auslegung der Scharia hält. Nach der Lehre des Korans kann er den Kalifen sogar absetzen – theoretisch.«

»Und praktisch?«, setzt die Kanzlerin nach.

»Eher nicht, das ginge zu weit. Der IS ist zwar in seinen Ansichten extrem altmodisch, aber in seiner Führung hochmodern. Ich darf das an dieser Grafik erläutern.

Kalif Abdullah hat zwei Stellvertreter, einen für Syrien, den anderen für den Irak. Beide sind Oberstleutnante aus der irakischen Armee und Kampf- und Gefängnisgefährten des Kalifen. Das Trio bildet die Führungsebene, genannt das Emirat, darunter sind neun Räte.«

»Können die Drei allein entscheiden?«, will die Bundeskanzlerin wissen.

»Soviel wir wissen, nein. Das Emirat wird von dem Schura-Rat und dem Führungsrat durchaus überwacht. Nachgeordnet sind weitere Räte – ähnlich wie Ministerien – zuständig für Recht, Sicherheit, Militär, Geheimdienste, Medien, Finanzen und die Kämpfer.«

»Sie sagen, sie werden von den Ministerien überwacht? Sind ja Zustände wie bei uns …«

Die Herren schmunzeln.

»Teils, teils, Frau Bundeskanzlerin. Der Schura-Rat prüft, ob sich die Führung an die fundamentalistische Auslegung der Scharia hält. Wenn also Kalif Abdullah mit Ihnen einer Verhandlungslösung zustimmen würde, und der Rat der Auffassung ist, die beiden Gottlosen müssen enthauptet werden, dann wird sich der Kalif dem beugen müssen. Und davon ist auszugehen.«

»Ich halte das auch für einen theoretischen Ansatz, Frau Bundeskanzlerin«, bemerkt von Rüdesheim, »unsere Verbündeten hätten kein Verständnis dafür, dass wir mit dem meistgesuchten Terroristen über die Auslösung zweier Geiseln verhandeln.«

»Sie erinnern sich an den letzten Fall«, ergänzt Rudi, »da konnten wir mit dem IS noch verhandeln. Die Geisel kam frei. Aber da waren wir militärisch noch nicht engagiert. Heute ist die Lage ganz anders.«

Henriette bemerkt das zustimmende Nicken in der Runde. Trotzdem, sie ist immer für Verhandlungen. Gerade bei Entführungen.

»Hinzu kommt«, fährt Rudi fort, »die Terroristen setzen sich mit dieser multimedialen Inszenierung im Namen Allahs selbst unter Zugzwang. Bisher wurde jede öffentliche Enthauptungsdrohung realisiert. Die Entscheidung der Terroristen ist somit präjudiziert. Das Ultimatum wird nach unserer Einschätzung nicht verlängert, will sagen, die Geiseln haben ohne Hilfe keine Chance.«

»Und was heißt das?«, fragt die Bundeskanzlerin.

»Wenn es unsere Zielsetzung ist, das Leben der Geiseln nicht zu gefährden, und ich denke, das ist unumstritten, dann müssen wir zeitnah handeln«, sagt ihr oberster Krisenbeauftragter Rudolf Kürten. Er ist jetzt bei den Objectives, doch das weiß nur er.

Was heißt das nun wieder?, denkt Bloedorn.

Rudi lässt die Katze noch im Sack und kommt mit dem Ausschlussverfahren.

»Da es keine Geldforderung gibt, sondern nur eine politische Erpressung, sehen wir keine Verhandlungslösung.«

»Und wenn wir eine Menge Geld anbieten? Werden die dann doch weich?«, will die Bundeskanzlerin wissen.

»Der Islamische Staat hat durch die erbeuteten Öl- und Gasvorkommen, durch unveränderte Zuwendungen befreundeter Staaten und durch Raub in den eroberten Gebieten trotz seiner massiven Gebietsverluste immer noch genug Geld. Wir sprechen über Milliarden.«

»Und selbst wenn er etwas bräuchte, wir zahlen ja bekanntlich nicht in Geisellagen«, ergänzt der Außenminister.

Das wollen wir hier mal nicht näher ausführen, denkt Henriette und erwidert: »Natürlich nicht … und in diesem Fall können wir dem IS ja kaum Entwicklungshilfe anbieten, wie beim letzten Mal.«

Die Herren senken die Köpfe. Nur drei unter ihnen kennen die Summe, die unter einem unspektakulären Titel über den Haushalt eines anderen Ministeriums gezahlt wurde. Der Bundesrechnungshof prüft auch das Auswärtige Amt regelmäßig.

»Also gut«, sagt sie, »wenn Lösegeld nicht funktioniert, und wir zum Schein auf die politische Erpressung eingehen?«

»Das wird uns niemand abnehmen«, interveniert der Außenminister, »und würde auch öffentlich unserem Grundsatz widersprechen, dass wir nicht erpressbar sind. Ich muss wirklich davor warnen, Frau Bundeskanzlerin. Es würde auch nur ein einziges Mal funktionieren, was ich im Übrigen bezweifle. Der internationale Schaden wäre in jedem Fall enorm.«

»Könnte ein hochrangiger Vermittler eines anderen Staates helfen?« Henriette denkt dabei an den Emir von Katar. Der war äußerst zugänglich.

»Eine interessante Option«, fährt Rudi fort, »die Erfahrungen aus den Hinrichtungen der bisher enthaupteten westlichen Geiseln zeigen jedoch, dass es den Dschihadisten überhaupt nicht um Verhandlungen geht. Es geht ihnen um den öffentlichen Showdown, in dem wir, die Regierungen, die tatsächlichen Opfer sein sollen. Die Geiseln sind denen völlig egal.«

Die Spannung im Raum erhöht sich. Hoffentlich sagt sie jetzt das Richtige, denkt Rudi.

Sie sagt es.

»Ich will, dass die Geiseln rauskommen. Also, welche machbaren Optionen haben wir?«

Zum ersten Mal meldet sich der Bundesminister der Verteidigung, Paul Voss, zu Wort. Man weiß, wann immer er sich meldet, und das ist selten, macht er eine Punktlandung. Und er scheint im Anflug zu sein.

Er schaut sie mit festem Blick an. »Ich sehe nur eine Lösung in dieser Lage, Frau Bundeskanzlerin. Wir holen sie SOFORT SELBST heraus!«, spricht er ruhig und bestimmt.

Der Satz schlägt ein wie eine Bombe. Man kennt den Einfluss von Voss bei der Kanzlerin. Sie selbst hat den Parteilosen in das Ressort geholt. Und sicherlich nicht, weil der Mitte fünfzigjährige blonde Riese der best aussehende und best angezogene Mann im Kabinett ist, sondern weil er ebenso unkonventionell Problemlösungen ansteuert wie sie selbst. Er gilt konkurrenzlos als der Vertraute in ihrem engsten Zirkel.

»Und wie stellen Sie sich das SOFORT RAUSHOLEN vor?«, will die Kanzlerin mit Blick auf Voss wissen.

»Wir machen das mit dem KSK, dem Kommando Spezialkräfte. Die Chancen stehen gut. Wir sind nicht weit von der türkischen Grenze entfernt und operieren somit aus dem NATO-Territorium heraus. Der Plan steht im Wesentlichen bereits. Wenn Sie möchten, wird Brigadegeneral Wolf, Kommandeur KSK, den Befreiungsplan vortragen.«

Die Kanzlerin runzelt die Stirn, ist offensichtlich etwas überrascht über diese Vorplanung innerhalb des Heeres.

»Hm, aber warum das KSK und nicht die GSG 9?«, wirft sie ein, »die waren doch schon 1977 in Mogadischu extrem erfolgreich, wenn ich mich recht erinnere.«

»Würden wir gern übernehmen«, sagt Innenminister Dr. Bauer, »aber in diesem konkreten Fall hat das KSK größere Erfahrung, sowohl durch das Personal wie auch im Gelände, das dem in Afghanistan nicht unähnlich ist.«

»Wir haben das Szenario seit den ersten Hinweisen bereits auf Machbarkeit geprüft. Männer und Ausrüstung stehen seitdem bei mir in Calw bereit«, ergänzt der Brigadegeneral.

Henriette sieht bereits den Protest im Bundestag. Wenn Militärs im vorauseilenden Gehorsam vorpreschen, müssen Politiker besonders aufpassen.

»Wie ist die rechtliche Situation zum Einsatz des KSK? Brauchen wir die Zustimmung des Iraks?«

»Wir haben und wollen aus Geheimhaltungsgründen nicht die Zustimmung des Iraks. Ein Einsatz des KSK in fremden Staaten ohne deren Einwilligung verstößt klar gegen das Völkerrecht«, erläutert Innenminister Dr. Bauer. Er blickt vielsagend über seine Lesebrille zur Kanzlerin und ergänzt, »das kann man später regeln.«

Der Bundesaußenminister wackelt sichtbar und bedeutungsvoll mit dem Kopf – aber er schweigt. Die Kanzlerin versteht das als Zustimmung.

»Angenommen, wir kommen unserer Schutzverpflichtung mit allen Konsequenzen nach: Spielt es rechtlich eine Rolle, dass die Geiseln sich freiwillig und entgegen aller Warnungen in das Kriegsgebiet begeben haben?«, fragt sie.

»Niemand darf gegen seinen Willen an einer derartigen Reise gehindert werden«, antwortet Dr. Bauer, »die Entscheidung für die Reise hebt die Schutzpflicht des Rechtsstaates nicht auf.«

Diese geldgierigen Firmen, denkt Henriette, das kann Menschenleben kosten und uns eine Menge politischen Ärger.

»Gut, weiter. Ist der mögliche Einsatz des KSK im Nordirak durch das Parlament zu genehmigen? Wenn ja, können wir das gleich vergessen.«

Sie blickt zum Bundesverteidigungsminister.

»Das KSK kann, wie auch die Bundeswehr an sich, grundsätzlich nicht ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages an bewaffneten Einsätzen im Ausland teilnehmen. Wir kennen ja die ministerielle Bedeutung von grundsätzlich, soll heißen, Ausnahmen sind erlaubt. Und das wäre auch der Weg. Die einzige Ausnahme ist: Gefahr im Verzug für deutsche Staatsbürger. In diesem Fall ist das Parlament so schnell wie möglich nachträglich zu befragen.«

»Dann hätten wir das Thema ja vom Tisch. Hoffentlich! Gut, meine Herren, kommen wir zu den Fähigkeiten des KSK. Was darf das KSK vor Ort, was darf es nicht?«

Alles schaut gespannt auf den Brigadegeneral. Die meisten wissen, dass Frank Wolf stolz auf seine Truppe ist, aber auch, dass es für die deutschen Elitesoldaten klar definierte Grenzen im Einsatz gibt.

»Das KSK ist von der Ausrüstung und Ausbildung eine Eliteeinheit, auch wenn es offiziell nicht so heißt. Die Spezialkräfte haben keine besonderen rechtlichen Einsatzgrundlagen. Aus diesem Grund sind sie auch allen anderen Bundeswehreinheiten gleichgestellt.«

»Können Sie das bitte übersetzen, Herr General?«

»Es bedeutet, dass wir nicht die gleiche Handlungsfreiheit im Einsatz haben wie zum Beispiel amerikanische, englische oder israelische Spezialkräfte. Schießen ist nur bei Abwehr von Gefahren oder in Notwehrsituationen erlaubt. Gezielte Tötungen Verdächtiger im Sinne einer Liquidierung sind bei den Partnern üblich, bei uns sind sie strikt verboten. Verdachtspersonen muss man nach Ansprache festnehmen, im Zweifelsfalle laufen lassen. Wir dürfen Gefangene nicht an Länder übergeben, in denen die Todesstrafe droht. Der KSK-Soldat agiert also in vielen Situationen in rechtlich ungeklärtem Rahmen, und das kann schon mal Verwirrung schaffen.«

»Erläutern Sie das bitte genauer.«

»Die Verbündeten sind von der Einsatzbefähigung des KSK hoch beeindruckt. Wir trainieren Seite an Seite, auch in deren Hubschraubern. Im gemeinsamen heißen Einsatz allerdings sind wir nicht wirklich beliebt. Wenn die anderen kurzen Prozess machen, stehen wir aus rechtlichen Gründen im Zweifelsfall voll auf der Bremse.«

Man spürt im Raum, auf welch dünnem Eis sich der Kommandeur KSK bewegt. Steht er in Konflikt mit seinem rechtlichen Umfeld? Hat er ein Problem mit dem Primat der Politik? Es könnte sein letzter Auftritt sein, denkt Bloedorn zufrieden.

»Sind ja gute Aussichten, Herr General. Ich höre die Jungs im Irak schon rufen Sie sind vorläufig festgenommen! Warum schlagen Sie mir diese Unwägbarkeiten vor?«

Der drahtige, baumlange Wolf, der für Henriette eine gewisse Ähnlichkeit mit dem legendären Kommandeur GSG 9 im Mogadischu-Einsatz hat, fährt unbeirrt fort:

»Ich musste das grundsätzlich ausführen, damit das Ganze klar wird. Hier aber ist die konkrete Gefahrenlage anders. Wir haben ein kleines, überschaubares Handlungsfeld. Jeder Dschihadist, den wir im Umfeld der Geiseln antreffen, ist eine potenzielle Gefahr. Es wird natürlich keiner vorläufig festgenommen. Das heißt wie bei den anderen Spezialkräften: Überraschung, kompromissloser Angriff und Rückzug.«

»Können Sie das bitte mal übersetzen?«

»Keine Verwundeten, keine Gefangenen, Rückkehr mit zwei lebenden Geiseln.«

»Und wenn Zivilisten als Schutzschild im Einsatzgebiet sind?«

»Davon gehe ich nicht aus, und letztlich – ein Restrisiko bleibt.«

»Über welche Kräfte reden wir?«

»In der Befreiungsoperation sieben Elitesoldaten. Dazu zwei Hubschrauber, zwei weitere als Back-up, und eine 120 Mann starke Logistik- und Einsatzzentrale auf türkischer Seite unter meiner Führung. Die türkische Seite wird unser Vorhaben nach meiner Einschätzung auch genehmigen. Ich erinnere an den Einsatz meiner Soldaten an der türkisch-syrischen Grenze, die bei der erfolgreichen Befreiung von zwanzig türkischen Soldaten maßgeblich beteiligt waren. Wir haben bei unserem NATO-Partner Türkei noch etwas gut, und das hat man uns danach auch klar gesagt.«

»Na ja, dann hoffen wir das mal. Sind unsere Kräfte denn in dieser schwierigen Lage ausreichend?«

»Angesichts der sehr überschaubaren Lage denken wir – ja.«

»Haben wir Ausrüstungslücken?«

»Dieses Kommando hat das Beste, was auf dem Markt ist. Wir setzen den neuen Hubschrauber H145M für die Spezialkräfte ein. Gepanzert, bewaffnet, Nachtsichtfähigkeit. Ein Prototyp, extra für solche Aufgaben vorbereitet.«

»Ich sehe, da wurden schon vorsorglich einige Hausaufgaben gemacht. Wann haben Sie denn vor, die Operation zu starten?«

»Am ersten Weihnachtstag. Zeit über dem Ziel zwei Uhr nachts Irak-Zeit. Also Mitternacht unserer Zeit. Bis zum 23. Dezember hätten wir auf dem Flugplatz Diyarbakir in der Nähe der türkisch-irakischen Grenze alles fertig, wenn wir heute loslegen.«

Die Runde spürt, dass man angesichts des Ultimatums und des Vorbereitungsdrucks vor einer Go-No-Go-Entscheidung steht.

»Sind wir sicher, dass die Geiseln beim Zugriff vor Ort sind?«, fragt die Kanzlerin.

»Wir werden das vorher noch einmal verifizieren.«

Henriette analysiert die Situation: Die Geiseln in Lebensgefahr, Verhandeln nicht möglich, Lösegeldzahlung keine Option, militärische Spezialkräfte einsatzbereit, die Chancen für eine Rettungsaktion hoch, rechtlich vertretbar. Habe ich eine sinnvolle Alternative, die dem Ziel der Rettung gerecht wird? Nein.

»Sie haben doch immer Decknamen, Herr Wolf. Wie soll denn Ihre Operation heißen?

»Operation Eagle.«

»Warum Eagle

»Unsere Kräfte kommen wie ein Adler blitzartig aus der Luft, greifen sich die Geiseln und sind wieder weg. Wir rechnen mit drei bis fünf Minuten. Dann ist der Spuk vorbei und wir sind mit den beiden Geiseln wieder auf dem Heimflug.«

»Und das klappt wie bei der Navy Seals-Operation gegen Bin Laden in Pakistan?«

»Jede Situation ist anders, Frau Bundeskanzlerin, wir haben alle Optionen gedanklich durchgespielt. Meine Männer werden in der Lage eigenständig entscheiden. Selbst ich habe in der Phase des Zugriffs keine Einwirkungsmöglichkeiten mehr. Es wird alles rasend schnell gehen, keineswegs einfach, aber es ist machbar.«

Henriette denkt noch einmal nach. Worauf werde ich mich hier einlassen? Kann ich den Informationen vertrauen? Was sagt mein Bauch?

Der Brigadegeneral Spezialkräfte spürt die Zweifel der Kanzlerin. Er führt ein Kommando, das weltweit zu den besten dieser Art gehört, und ist völlig überzeugt, dass diese Geiselbefreiung eine klassische Aufgabe für seine Elitesoldaten ist. Mit hoher Aussicht auf Erfolg. Es gab schon gefährlichere Szenarien.

»Das Ziel meines Kommandos ist es, die beiden Deutschen, Helmut Weier und Josef Fischer, und unsere Männer in einer perfekt geplanten Überraschungssituation unbeschadet zurückzubringen. Unser Plan ist die einzige und letzte Chance für die Geiseln. Wir setzen modernste Technik und Aufklärung ein und gehen von der Vorbereitung bis zur Durchführung mit höchster Präzision vor. Wir sind sicher, dass wir das stemmen. Failure is not an option, Frau Bundeskanzlerin!«

Rudi grinst innerlich. Hier steht ein Apollo 13-Kollege. Die Lagebeurteilung ist durch die Dynamik der Kanzlerin zwar etwas anders gelaufen als geplant, aber sie war umfassend und folgerichtig. Bis zum fundierten Entschluss, und der steht kurz bevor. Der Brigadegeneral hat das Ding wirklich perfekt gedreht.

Henriette schaut sich um.

»Meine Herren, irgendwelche Kommentare oder Einwände?« Die drei anwesenden Minister nicken zustimmend. Keine Einwände.

»Die langfristige Wettervorhersage ist gut, Frau Bundeskanzlerin«, sagt Bloedorn.

»Ihr Wort in Gottes Gehörgang, Herr …«, sie schaut auf sein Namensschild, »Herr Bloedorn.«

Rudi grinst in seine Hand hinein.

»Frau Bundeskanzlerin«, sagt Harry Busch, »es gibt einen taktischen Vorschlag.«

»Welchen?«

»Anders als eben besprochen: Geben wir dem IS doch ein Signal, dass wir zu politischen Verhandlungen bereit sind, aber mehr Zeit brauchen. Bieten wir an, dass wir mit dem Irak und Syrien über eine Kontaktaufnahme mit dem IS reden wollen. Das könnte vor Ort die Lage für die Geiseln entschärfen. Natürlich ist das ein Scheinangebot. Und die Verbündeten werden soweit möglich vorab informiert.« Henriette schaut zu den Ministern. Man nickt zustimmend. Auch der Außenminister, der zuvor noch anderer Auffassung war.

»Einverstanden, fädeln Sie das ein.«

Henriette betritt wieder einmal Neuland in ihrem Amt. Aber diesmal lastet die Verantwortung schwer. Sie fühlt sich, als hätte sie nach dem festgestellten Eintritt des Verteidigungsfalles jetzt als oberster Dienstherr die Befehls- und Kommandogewalt inne. Und irgendwie ist es ja auch so in dieser Lage. Sie muss das Leben von zwei deutschen Geiseln schützen. Das geht nur militärisch.

Die Bundeskanzlerin holt tief Luft. Dann spricht sie langsam und bestimmt:

»Befehl für die Operation Eagle ist erteilt! Ich werde mir heute noch die politische Genehmigung aus der Türkei einholen. Sie, Herr General Wolf, sind mir für die Vorbereitung und Durchführung persönlich verantwortlich. Sollten sich inakzeptable Unsicherheiten ergeben, blasen wir ab! Wann ist dafür der letztmögliche Zeitpunkt?«

»Bis eine Minute vor der Landung am Objekt, also 25. Dezember, 01:59 Uhr. Bis dahin kann ich noch einen Rückzug befehlen.«

»Können wir die Operation über Video in das Lagezentrum übertragen?«

Die Teilnehmer der Lage sind verblüfft. Eine Videoübertragung von einem Einsatz deutscher Spezialkräfte auf dem Territorium eines anderen Staates, das ist Neuland im Krisenkeller.

»Das kriegen wir hin, auch nachts um zwei Uhr. Die Bilder werden grün sein, aber erkennbar«, bestätigt Wolf. Er hat das für sich bereits mehrmals praktiziert, warum soll es nicht auch mit Schaltung nach Berlin funktionieren. Seine Leute brauchen dafür nur einen sicheren Datenweg.

»… und wir werden dafür sorgen, dass die Bilder hier ankommen, Frau Bundeskanzlerin«, ergänzt geflissentlich Bloedorn.

»Gut, meine Herren, sofern nichts dazwischen kommt, sehen wir uns hier im kleinen Kreis am 24. Dezember, 23:30 Uhr, wieder. Ich weiß, was ich Ihnen hier zumute. Doch ich meine, dass wir unsere Elitesoldaten Heiligabend und über die Weihnachtstage nicht allein lassen sollten. Wenn jemand nicht hier sein kann, habe ich dafür volles Verständnis. Sprachregelung nach außen weiterhin: Die Bundesregierung ist in ihrer Politik nicht erpressbar. Ich danke Ihnen für die hervorragende Unterrichtung. Viel Glück bei der Vorbereitung!«

19:00 Uhr. Die Sitzung ist beendet. Rudi geht sofort in sein Zimmer, er hat eine schwierige seelsorgerische Mission vor sich. Er muss mit den Ehefrauen der Geiseln reden, so reden, dass nichts verraten wird, aber sie dennoch beruhigt sind. Die Quadratur des Kreises.

Bevor die Bundeskanzlerin abfährt, winkt sie den Verteidigungsminister zu sich.

»Wirst du das schaffen, Paul?«

»Wir kriegen das hin, Henriette. Es gibt bei diesen Aktionen keine Garantien. Du weißt das, aber wir sind zuversichtlich, dass wir die beiden Geiseln rausbekommen!«

»Ich hoffe das, sonst Gnade dir Gott. Dann bis nachher. Ich versuche 20:00 Uhr.«

»Bis nachher.«


Als der gepanzerte schwarze Audi A8 mit der Bundeskanzlerin auf dem Rücksitz auf das kleine Hexenhaus mit Walmdach und Butzenscheiben in Berlin-Dahlem zurollt, ist es längst dunkel. Die skandinavische Kaltfront hat Berlin erreicht. Der erste Schnee in diesem Jahr bleibt wie feine, zarte Watte auf den Ästen der Bäume liegen und verwandelt Stadt und Land in eine Märchenlandschaft funkelnder Weihnachtslichter.

Die vorausfahrenden Personenschützer geben über Funk das Okay an den Fahrer. Die Strecke ist »sauber«, die Lage ist ruhig, keine Besonderheiten. Noch haben die Personenschützer keine Weisung für die höchste Sicherheitsstufe 1+ erhalten. Henriette hatte die Termine des restlichen Tages so kurz wie möglich gehalten, sie möchte nach diesem Höllenarbeitstag endlich für sich sein – oder besser gesagt, bei ihm.

Dieser Mann war das Unglaublichste, was ihr nach drei Jahren Ehe und einer unkomplizierten Scheidung widerfahren war. Es war diese eine Besprechung in ihrem Kanzler-Büro, als er auf eine Frage nicht antwortete. Er sah sie einfach mit seinen stahlblauen Augen an. Seine rechte Augenbraue bewegte sich leicht nach oben, und bei ihr brannte sich sein jungenhaftes Lächeln geradezu ein. Der Kerl antwortet einfach nicht, was bildet der sich ein? Nach zehn Sekunden hatte sie ihre Frage vergessen. So etwas kam bei Henriette, der Klugen und Beherrschten, so gut wie nie vor. Sie wusste nicht genau, was passiert war. Aber das Ergebnis war eine innere Vibration verbunden mit großer Neugierde. Noch am selben Abend gingen sie zusammen essen und dann zu ihm.

Danach wollten beide diese Treffen nicht mehr missen, wissend, dass es ein Spiel mit ungewissem Ausgang war. Warum, denkt sie, fasziniert mich dieser Mann unverändert … mit Paul in seinem Hexenhaus zusammen zu sein, bedeutet sprechen, sich fallen lassen dürfen, in der absoluten Gewissheit, dass er sich als Minister keine Rechte herausnehmen wird … grenzenloses Vertrauen, etwas, was im politischen Berlin verloren gegangen ist … vielleicht nie da war …

Sie zieht ihr Blackberry aus der Tasche und sieht sich ein Foto von ihm an, lächelt über sein schütter werdendes, blondes Haar, seinen Bauchansatz und die heimliche Eitelkeit eines Mannes, der in die Jahre kommt. Du musst doch nichts verbergen … gerade du … du hast für einen Mann eine geradezu unglaubliche Empathie … kannst unterscheiden zwischen dem, was geht, und was nicht möglich ist … bei allem, was du machst, bleibst du derselbe … auch in der Kabinettsrunde … vielleicht passen wir deswegen so gut zusammen …

Sie betrachtet noch schnell ein aktuelles Bild ihres Kabinetts. Ein Abbild der Gesellschaft. Überwiegend Männer, große und kleine, dünne und dicke. Sieben Frauen, fünf unscheinbare und zwei attraktive. Sie studiert die Gesichter, deren persönliche Agenda sie geschickt verborgen halten, auch die aus den eigenen Reihen. Die Minister sind vorsichtig bei ihr. Sehr vorsichtig. Sie wissen, dass die Kanzlerin absolute Kabinettsdisziplin erwartet. Wer einmal öffentlich Illoyalität zeigt, ist gefährdet. Bei Henriette gibt es nur eine einzige Wiedergutmachungschance. Kabinettsdisziplin … die Hofschranzen habe ich gleich zu Anfang entfernt, doch die vielen Ja-Sager … unerträglich … Paul ist der beste Verteidigungsminister, den ich mir wünschen kann … er scheint überhaupt der Erste zu sein, der diesen unkontrollierbaren Apparat in den Griff bekommt … misslungene kostspielige Rüstungsprojekte der Vorgänger … zunehmende Auslandsverpflichtungen … desolate Einsatzbereitschaft … Generäle und Staatssekretäre, die nur darauf warten, dass er einen Fehler macht … wieso hat Paul trotzdem eine gute Presse, fragt sie sich, als sich das Auto langsam seinem Haus nähert. Ich werde ihn fragen, wie er das hinbekommt, in diesem Moloch mit Schleudersitz gut zu sein, und trotzdem diese unglaubliche Gelassenheit zu bewahren.

Sie biegen in seine Straße ein.

Das Amt, so spürt sie, war für ihn kein Karriereschritt, sondern ein Weg zu sich selbst. Vielleicht mag sie ihn deswegen. Und wohl auch weil er, wie sie, die philosophischen Schriften des Stoikers Marc Aurel liebt. Beide sind verantwortungsvolle Bewahrer, stets das Gemeinwohl im Auge, vor allem sind sie keine Spieler.

Sie schaltet ihr Handy aus. Die Nation muss heute ein paar Stunden ohne mich auskommen … ich brauche nach dieser Krisensitzung eine Tankstelle, und die heißt Paul …

Als sie sich vorstellt, wie es gleich laufen würde, lacht sie leise. Natürlich werden sie über den KSK-Einsatz sprechen. Aber ich möchte heute Abend nicht mehr eingeschnürt sein, einfach mal wieder Frau sein …

Sie freut sich diebisch darauf, damit auch zu spielen, wissend, dass ihre Beziehung sofort zu Ende ist, wenn sie ein Thema im politischen Berlin wird. Ihre prickelnde und längst nicht ausgelebte Beziehung war bisher geheim geblieben. Das musste so bleiben. Sie blickt auf die Personenschützer, die ersten in der Reihe möglicher Wissensträger, und weiß, dass die niemals auch nur ahnen dürfen, was sie mit dem Verteidigungsminister jenseits des Amtes wirklich verbindet.

Das Eingangstor öffnet sich. Paul steht dort und blickt auf ihr Auto. Er hat sein Jackett gegen einen schwarzen Kaschmirpullover über einem roten Polohemd getauscht.

»Seien Sie herzlich willkommen Frau Behrens, Henriette Behrens.«

»Was soll denn diese Begrüßung?«

»Schau dir doch mal dein Nummernschild an, James!«

Henriette dreht sich zum Fahrzeug und schüttelt den Kopf.

»Herrgott, haben die mir wieder eine 007 drauf geklemmt! Mit dem Ding war ich gerade noch in Brüssel, übrigens zur Freude der anderen Regierungschefs.«

Die schwere weiße Sicherheitstür gleitet ins Schloss. Er hilft ihr aus dem Mantel. Mit einem Schlag fallen der Dienst und der Stress der Krisensitzung von ihr ab.

Sie gehen die leicht knarrende Holztreppe mit dem wunderbar geschwungenen Treppenlauf hoch in seinen Wohnraum.

Ich liebe dieses Haus, keine Bunkeratmosphäre, kein Bauhausstil, keine sterilen Vorzeigemöbel, eben diese warmen Farben und der harzige Geruch des Brennholzes, denkt Henriette.

Sie lässt sich sofort auf den karminroten Ohrensessel der Werkstattmanufaktur fallen, streift die Schuhe herunter und legt die Füße auf die Fußbank und schließt die Augen.

Paul ist nebenan in der Küche, fragt nicht, lässt sie einfach sein.

Als sie die Augen wieder öffnet, sieht sie auf dem kleinen Kapitäns-Schreibtisch die Bilder seiner blassen blonden Frau, seiner beiden erwachsenen Söhne und seiner beiden Enkelkinder.

Paul war schon Witwer, bevor sie ihn ins Kabinett holte. Er hatte ihr nur wenig über den langsamen Leukämie-Tod seiner Frau erzählt. Es muss wohl eine gute Ehe gewesen sein. Paul meinte, danach hätte er sich verändert. Er sei etwas introvertierter geworden. Er käme mit Hilfe seiner Zugehfrau ganz gut allein zurecht. Was er nicht mag, sind die wiederholten Berichte in den Gazetten-Blättern, die ihn zum begehrtesten Single im politischen Berlin machen.

Ihr Blick streift weiter über die weißen, bis zur Decke führenden Regalbretter. Oben sind die vielen Bücher nur mit einer eingehängten Leiter zu erreichen. Sie stehen nicht wie die Zinnsoldaten, sondern liegen zwischendurch in angenehmer Unordnung. Das Regal lebt.

Zwischen den Büchern Erinnerungen von Reisen. Darunter eine kleine Elefantenherde, Erdmännchen, Giraffen und Zebras mit einem Bild, das ihn mit Safari-Hut vor der Hütte einer Himba-Frau zeigt. Sie muss über Pauls kleinen Zoo schmunzeln. Andere haben Papageien oder Singvögel im Käfig. Paul hat seine Erdmännchen.

Die Heizkörper sind mit weißen Gitterelementen verkleidet und bilden mit dem Bücherregal und den weißen Sprossen der Fenster eine dezente, harmonische Einheit. In jeder Ecke leuchtet eine Stehlampe, alle mit unterschiedlichen, warmen Farben. Vor dem Kamin sein geliebter Schaukelstuhl, zwei Leder-Sitzkissen und ein halbleeres Glas mit Rotwein. In einer Ecke ein Gitarrenkasten und ein Notenständer. Die anderen Zimmer kennt sie nicht, und sie fragt sich, wie schon öfter, wie wohl sein Schlafzimmer eingerichtet ist. Spartanisch oder in dem Ambiente dieser Wohlfühl-Oase?

Sie rutscht den Ohrensessel herunter, legt den Kopf zurück, streicht sich mit beiden Händen über die Schläfen und die Haare, legt die Arme auf die Lehnen, öffnet die Hände und schließt erneut die Augen.

Sie genießt es, hier zu sein und wieder diese wunderbar knisternde Grundspannung zu spüren, von der sie beide nicht wissen, wohin sie treibt. Heute ist ihr nach vielen, warmen Strahlen.

Paul schaut aus der Küche zu ihr hinüber.

Er kennt diesen Moment. Henriette tankt auf, auf ihre Weise.

Er versucht, so leise wie möglich zu sein, als er mit ihrem Lieblingsdessert kommt und es zu ihr auf den hölzernen Beistelltisch stellt: Schokoladeneis mit Schokoladensoße, Schokoladenstreuseln und Sahne. Ihre Augen sind noch geschlossen. Henriette entspannt total.

Sie fühlt, wie sich seine Hände auf ihren Kopf legen und die Fingerspitzen hinter ihren Ohren langsam zu ihrem Nacken wandern. Er sagt nichts, aber sie sieht seine liebevollen Lachfältchen auch so. Seine Strahlen durchziehen ihren Körper wie unendlich feine Wärmefäden, dringen über den Bauch bis zu den Zehen. Sie lässt es zu, spürt, dass sie es will. Sie atmet tief durch, hebt ihre Arme zu ihm, sucht seine Hände und legt sie auf ihre Brüste. Er fühlt ihren schnellen Herzschlag. Sie öffnet die Augen und will seinen Kopf zu sich ziehen.

Da fällt ihr Blick auf den Schreibtischstuhl. Sie zuckt jäh auf! Ein Aktenrücken mit roten Großbuchstaben schaut sie an wie eine hässliche Drohung: OPERATION EAGLE – TOP SECRET.

Flash! Dieses übergroße Geiselfoto von heute im Lagezentrum mit zwei angstverzerrten Gesichtern, die geschändet werden von einem, der ihr Bild auf dem Rücken trägt. Sie schüttelt sich, als wolle sie dadurch das verfluchte Bild loswerden.

Augenblicklich spürt Paul ihre Verkrampfung.

»Was passiert gerade bei dir?«, fragt er, als er von ihr lässt.

Sie richtet sich langsam im Sessel auf und zeigt auf den Aktenordner. Paul begreift.

Henriette ist wieder im Krisenkeller.

»Erzähl‘ mir von diesen Jungs. Können die das wirklich?«

»Ich habe keine Zweifel. Wolf hat die Besten zusammengeholt.«

»Was heißt das, Paul?«

Paul nimmt vorsichtig ihre Füße hoch, setzt sich vor ihr auf den Fußhocker des Ohrensessels, legt ihre Beine behutsam auf seine Oberschenkel und reicht ihr das Eis.

»Die eigentliche Befreiung machen wir mit drei kampferprobten Elitesoldaten. Sie kennen sich lange. Der Truppführer, Hauptmann Marc Anderson, noch keine dreißig, hat verschiedene Male Terroristen in Afghanistan, im Irak und in Algerien gestellt und einige Geiselbefreiungen hinter den Linien durchgezogen. Einmal war er vierzehn Tage verschollen und tauchte dann plötzlich wieder auf. Er ist so eine Art Mehrzweckwaffe, extrem schnell im Kopf und arbeitet am liebsten autark. Wir wollten ihn vor einigen Monaten aus der Einsatzkompanie herausnehmen und langfristig aufbauen. Er hat jedoch die Generalstabsausbildung und die Beförderung zum Major abgelehnt. Anderson will bei seinen Jungs bleiben.«

»Ich vermute, die anderen beiden sind seine Jungs?«

»Richtig, der nächste Mann an seiner Seite ist Hauptfeldwebel Thomas Heinrich, sechsundzwanzig Jahre, Experte für Sprengstoff und Nahkampf.

Er verehrt Marc.«

»Und Nummer Drei?«

»Feldwebel Tim Nader, dasselbe Alter, Deutsch-Libanese, Muslim. Übrigens der einzige Muslim im KSK. Ein hervorragender Einzelkämpfer und ein Sprachgenie. Kommt aus einer muslimischen Hamburger Tee-Dynastie. Ohne ihn könnten wir EAGLE gar nicht durchziehen. Alle drei haben sich irgendwann und irgendwo einmal gegenseitig das Leben gerettet. Sie kennen sich untereinander besser als manch lange verheiratetes Ehepaar. Sie vertrauen einander blind.«

»Jemand verheiratet?«

»Marc Anderson hat sich nach zwei Jahren Ehe scheiden lassen. Tim und Thomas haben es gar nicht erst versucht. In der Kompanie ist praktisch keiner mehr verheiratet. Das Band der Familie haben sie gegen das Band der KSK-Brüder eingetauscht. Wolf sagte mir, Marc, Thomas und Tim seien so etwas wie drei ganz besondere Brüder mit einer sehr starken emotionalen Bindung.«

»Warum zerbrechen diese Familien? Ist Calw etwa familienfeindlich?«

Paul greift zu der kleinen Karaffe auf dem Beistelltisch und gießt etwas Rumtopf auf ihr Eis.

»Danke, Paul, hm, der schmeckt ja irrsinnig gut. Wenn wir beide gefeuert werden, verkaufen wir deinen wunderbaren Rumtopf auf dem Gendarmenmarkt.«

Paul lacht lauthals, als er sich das vorstellt, wie er das Eis macht und sie verkauft. Sie, die Ex-Kanzlerin, würde selbst das bringen!

»Ach, Henriette, die sozialen Probleme in den Spezialkräften bei Heer und Marine sind ein Dauerthema. Du musst dir sie so vorstellen: Diese Ausnahmesoldaten dürfen ihren Familien nicht sagen, wohin sie gehen, was sie gemacht haben, und woher sie kommen. Da sie aber sprechen müssen, reden sie mit ihren Brüdern in der Kaserne, in ihrer Festung.«

»Warum machen diese Kerle das? Sind das infantile Rambos, die, wie sagt man das heute, es geil finden, jemanden wegzupusten?«

»Klar, dass sich diese Männer beweisen wollen. Sie gehen permanent an ihre physischen und psychischen Grenzen. Aber Rambos, nein Henriette, die wollen wir nicht. Die lässt Wolf erst gar nicht zu. Wir wollen schon Aggressionen, aber wir nehmen nur Männer, die ihre Aggressionen kontrollieren können. Und diese drei Ausnahme-Männer sind jetzt schon Patrioten. Alle drei wurden vom US-Präsidenten mit der Navy Presidential Unit Citation ausgezeichnet. Das ist ein ziemlich seltener Orden.«

»Wieso das?«

»Marc und sein Trupp segelten in Afghanistan mit Gleitfallschirmen dreißig Kilometer in feindliches Gebiet und retteten zusammen mit den Navy Seals amerikanische Soldaten. Seitdem heißt Marc bei denen respektvoll Marc Blitzkrieg. Durften sie natürlich auch nicht ihren Familien erzählen. Die Orden hat der Kommandeur ihnen auch gleich wieder abgenommen und in seinem Schrank verpackt.«

»Wieso Afghanistan, da hat Deutschland sich doch noch strikt rausgehalten, das durften die doch gar nicht!«

»Vergiss es, Henriette, war vor deiner Zeit. Doch seit wann interessierst du dich für Dienstgrade unterhalb der Generalsebene?«

Sofort bedauert er diese Frage, als er einen leichten, aber unübersehbar missbilligenden Zug in ihrem Gesicht sieht, und sie sich ruckartig im Sessel ganz hoch stemmt.

»Ich respektiere Menschen, die sich unter Hintanstellung ihres Lebens für dieses Land einsetzen. Der Dienstgrad ist für mich völlig uninteressant. Du wirst bitte dafür Sorge tragen, Herr Minister, dass das gesamte Team, einschließlich Hubschrauberbesatzungen und den Einsatz unterstützenden Kräften unbeschadet aus dieser Sache rauskommt.«

Sie sieht, dass er von ihrer förmlichen Reaktion irritiert ist, streicht ihm liebevoll über den Arm und lehnt sich an seine Schulter.

»Paul, ich habe Angst, dass ich einen Riesenfehler mache und das Leben dieser Jungs aufs Spiel setze. Wie ist deine Einschätzung, wirklich ehrlich, bitte?«

Paul steht auf, legt ihre Beine wieder auf den Hocker und geht zum Bücherregal.

»Das ist ganz einfach, Henriette.«

Er zieht zielsicher ein Buch aus dem Regal, blättert, schaut sie etwas verschmitzt an und zitiert: »Marc Aurel, Wege zu sich selbst, Viertes Buch, Nr. 18: Wie viel Unruhe erspart sich der, der nicht darauf schaut, was der Nächste gesagt oder getan oder gedacht hat, sondern allein, was er selber tut, damit eben dieses gerecht ist …«

Henriette zwinkert ihm zu, steht auf und geht mit der leeren Karaffe in seine Küche zum Rumtopf.

Klug gesagt, Marc Aurel, denkt sie, als sie den Rumtopf nachgießt und der süßliche, typische Geruch in ihre Nase steigt, aber wie stark muss man sein, dass einem das Gerede der anderen im Grunde egal ist … ja, die Fraktion traut mir zu, dass ich die Einsamkeit des Führens ertragen kann … heute Abend ist es schwer … verdammt schwer … ich kann diese Entscheidung nicht teilen … auch nicht mit Paul … sie bleibt bei mir, mit allen Konsequenzen … im besten Fall zwei lebende Geiseln, im schlechtesten zwei tote Geiseln und tote Soldaten.

Paul lacht, als sie zurückkommt und scheinbar gelassen das restliche Eis mit neuem Rumtopf begießt. Aber er spürt ihre Unsicherheit, vielleicht sogar die Angst vor den Konsequenzen ihrer Entscheidung. Er überlegt kurz, ob er ihr ihre Angst nehmen soll. Nein, denkt er, solange sie nichts sagt, macht es keinen Sinn, sie zu beschwichtigen … sie verarbeitet das immer auf ihre Weise … mit sich selbst … sie sucht Nähe, aber igelt sich in dieser Nähe gern ein … sie wird das stemmen … mit Verstand und Bauch … in Extremlagen ist Henriette Behrens unschlagbar …

Bevor sie den leeren Eisbecher in die Küche bringt, gibt sie ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Weißt du eigentlich, dass Marc Aurel kaum zum Schreiben kam, weil er dauernd Krieg gegen die Barbaren führen musste? Barbaren, die mindestens so schlimm waren wie heute dieser selbst ernannte Islamische Staat?«

»Richtig, aber dabei hat er seiner Frau Faustina auf dem Feldlager nicht nur vierzehn Kinder gemacht, sondern konnte mitten in der Rastlosigkeit der Regierungsgeschäfte seine Heiterkeit und seinen inneren Frieden bewahren.«

Sie kommt zu ihm zurück. Er sitzt inzwischen auf einem Kissen am Kamin.

»Vierzehn …?«

»Du hast richtig verstanden.«

»Die Heiterkeit zu bewahren ist für mich in Ordnung, so du mir in den Regierungsgeschäften beistehst, für das Erste ist es zu spät.«

Er lacht wieder lauthals. »Für die vierzehn Kinder oder das Feldlager?«

»Untersteh‘ dich, Paul! Wir haben eine Vereinbarung.«

Paul schaut sie an, wie damals im Büro, mit dieser hochgezogenen Augenbraue. Sie beschließt, diesen Moment auf keinen Fall zu wiederholen, zumal allmählich der Rumtopf wirkt.

»Ich habe eine Bitte an dich. Sage mir rechtzeitig, wenn ich in dieser Operation Eagle aus der Spur laufe.«

»Das sehe ich nicht, Henriette, du hast heute eine fantastische Lage gemacht, und bis zum Einsatzbefehl haben wir noch Zeit, mögliche Fehler zu erkennen und zu korrigieren. In der Zwischenzeit achte auf dich, wie ich auf Operation Eagle aufpassen werde.«

Sie nickt, schlüpft in ihre blau-weißen Pumps und zupft das Kostüm zurecht.

»Wie sehe ich aus?«

»Wie immer, perfekt, James.«

Sie nimmt seinen Kopf zwischen ihre Hände, küsst ihn flüchtig auf den Mund.

»Entschuldige, Paul, ich muss von dieser Sache erst wieder frei sein.«

Bevor er die Arme um sie legen kann zieht sie das Handy hervor und weist den Personenschutz an, vorzufahren.

Paul bringt sie zur Haustür und versucht, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Er hatte sich heute so gelassen wie möglich gezeigt, und war doch aufgeregt gewesen, wie vor dem ersten Date. Sie wären fast im Bett gelandet, endlich wieder, wie damals, aufregend und alles vergessend.

Was ist da verdammt noch mal schief gelaufen? Die WEFI-Akte kann es doch nicht allein gewesen sein! Was empfindet sie wirklich für ihn? Kann sie sich überhaupt zu einer Beziehung bekennen? Die schöne Henriette ist und bleibt so eine Art Touch-and-Go-Fall. Kurze Berührung, schon ist sie wieder weg. Vielleicht hat ihr Verhalten gar nichts mit dem Amt, sondern allein mit ihrer Bindungsfähigkeit zu tun? Eigentlich ist sie mit 49 Jahren längst ein eingefleischter Single. Wenn ich ehrlich bin, kenne ich sie besser im Kabinett als privat. Wer ist Henriette Behrens? Warum geht sie mir nicht aus dem Kopf? Was macht sie aufregend und sexy für mich? Macht ihre Macht mich an? Was wäre mit meinen Gefühlen, wenn sie nicht Bundeskanzlerin wäre? Nein, ihr Amt ist mir egal. Sie könnte auch eine Bibliothekarin in Trastevere in Rom sein. Doch was ist mit ihren Gefühlen? Machst du dir da nicht einfach gewaltig etwas vor, Paul Voss?

Die Rücklichter des Audi A8 verschwinden. Er würde zu gern wissen, was Henriette jetzt über ihre Beziehung zu ihm denkt. Egal. Weihnachten wird es nach der erfolgreichen Operation Eagle eine neue Chance geben. Mit einer ganz anderen, völlig entspannten Henriette. Glaubt er.

Drei Brüder

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