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I. Baurecht – wieso?

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Wieso überhaupt muss sich ein Planer mit einer juristischen Materie auseinandersetzen? Genügt es nicht, wenn man sich den notwendigen Sachverstand bei einem ausgebildeten Juristen besorgt oder dort um Beratung nachfragt? Ja und nein: Die Grundlagen des Baurechts muss ein Planer beherrschen. Er oder sie ist verantwortlich für die Einhaltung von „öffentlich-rechtlichen“ Vorschriften, so heißt es z. B. in § 43 Abs. 1 Landesbauordnung Baden-Württemberg. Ein Planer wird zwar nicht über alle Details und die Auslegung der Vorschriften im Einzelnen alles wissen müssen, die zentralen Regelungen zu kennen und ein Problembewusstsein zu haben, gehört aber zur planerischen Verantwortung. Beispielhaft ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (Urteil vom 12. 12. 2007, Az. 1 U 180/07, MDR 2008, 746) zu nennen, in der die Reichweite der Kenntnis und der rechtlichen Prüfung für einen Architekten beschrieben wird. Der Entwurfsverfasser muss erkennen, in welchem Gebiet (Bebauungsplan, Innen- oder Außenbereich) er plant und wie die rechtliche Bewertung aussieht. Daher sind die Kenntnisse im Baurecht nötig. In dem vorliegenden Buch geht es speziell um das öffentliche Baurecht.

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Hierzu ein Einstiegsfall, der eine gewisse Aktualität hat:

Ein Unternehmer, der sich auf das Thema Windkraft spezialisiert hat, möchte mehrere Windräder mit einer Nabenhöhe von über 150 m errichten. Er kennt Flächen, die aus seiner Sicht wegen einer guten Windhöffigkeit geeignet sind. Nun will er diese errichten. Kann er das ohne Weiteres?

Hier stellen sich Fragen der Raumordnung, des Bauplanungsrechts (gibt es einen Teilflächennutzungsplan für Windkraft oder kann das Vorhaben als sog. privilegiertes Vorhaben im Außenbereich geplant werden?) bis zum Thema des einzuleitenden Verfahrens (Baugenehmigungsverfahren oder immissionsschutzrechtliches Verfahren?).

Auch der „Klassiker“ sei hier angesprochen:

Sie erhalten den Auftrag, ein Wohnhaus zu entwerfen, das etwas ganz Besonderes sein soll. Wie groß darf es sein? Wäre auch eine andere, ergänzende Nutzung neben Wohnen zulässig? (dazu Rn. 28)

Es gibt Fragen, wie die der bauleitplanerischen Beurteilung (gibt es einen Bebauungsplan, liegt das Vorhaben im Innen- oder Außenbereich?) und der bauordnungsrechtlichen Bewertung (z. B. Abstandsflächen), denen Sie sich als Planer stellen müssen.

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Das öffentliche Baurecht wirkt auf drei zentrale Bereiche ein:

– den Einzelnen, der ein Vorhaben umsetzen, also z. B. ein Haus bauen möchte,

– die Städte und Gemeinden, die eine Steuerung der gemeindlichen Entwicklung wünschen und planen sollen, sowie

– die Allgemeinheit, die vor Gefahren, die durch Bauen entstehen können, geschützt werden möchte.

Für diese Grundstruktur gibt es rechtliche Vorgaben aus dem öffentlichen Baurecht:

Der Grundsatz der Baufreiheit ist für jedermann im Grundgesetz durch Art. 2 (freie Entfaltung der Persönlichkeit) und Art. 14 (Eigentumsrechte) abgesichert, jedoch unterliegt er bestimmten Einschränkungen. Inhalt und Schranken der Baufreiheit werden durch Gesetze bestimmt. Der Einzelne muss also im Sinne des Allgemeinwohls Beschränkungen hinnehmen, da diese für ein geordnetes Zusammenleben notwendig sind. Zwischen den Interessen des Individuums und der Allgemeinheit soll – was das Baurecht betrifft – ein Ausgleich geschaffen werden.

Einige Beispiele solcher Beschränkungen:

– Vorschriften des Immissionsschutzes (wegen Lärm, Geruch),

– des Natur- und Umweltschutzes (wegen Sicherungen von geschützten Tier- und Pflanzenarten),

– des Denkmalschutzes (wegen des Erhalts des Kulturgutes),

– des Hochwasserschutzes (wegen der Gefahrenabwehr für Menschen und Gebäude).

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Zu den Aufgaben der Städte und Gemeinden gehört das grundgesetzlich garantierte Planungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG). Mit ihrer städtebaulichen Planung, z. B. durch Festsetzungen in Bebauungsplänen, wird ein Rahmen geschaffen. Entweder schränken die gemeindlichen Planungen die Möglichkeit des Bauens für den Einzelnen ein oder aber sie schaffen Baurechte durch die entsprechenden Festsetzungen in Bebauungsplänen.

Die Planung der Gemeinde ist stets mit der Einbeziehung der Bevölkerung und von Fachstellen verbunden, bevor sie verbindlich festgelegt wird.


Abb. 2: Bekanntmachung der Gemeinde Zaisenhausen vom 20. 02. 2017.

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Als weitere zentrale Aufgabe des Baurechts ist der Schutzgedanke relevant. Die Gefahrenabwehr ist in den Landesbauordnungen die zentrale Vorschrift (z. B. § 3 Landesbauordnung Baden-Württemberg). Soziale Gesichtspunkte (z. B. § 3 Abs. 4 Landesbauordnung Baden-Württemberg), aber auch ästhetische Belange bei der Bauausführung (z. B. § 11 Landesbauordnung Baden-Württemberg) sind weitere Zielvorstellungen des Baurechts.


Abb. 3: Einsturzgefährdetes Gebäude – mögliche Gefahren gilt es zu verhindern (z. B. durch Absperrungen oder Abriss, falls eine Sanierung nicht vorgenommen wird).

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Um das öffentliche Baurecht zu verstehen, müssen sowohl Vorgaben aus dem Grundgesetz, dem Bundesrecht als auch landesrechtliche Regelungen beachtet werden. Dass dies so ist, folgt aus der föderativen Struktur der Bundesrepublik Deutschland und den damit verbundenen Zuständigkeiten. Vgl. zur Verdeutlichung die folgende Übersicht:

RechtsmaterieInhaltliche Regelung (beispielhaft)
Verfassung(Grundgesetz der Bundesrepublik)Verfassungsrechtliche Vorgaben (persönliche Freiheiten, Eigentumsrechte)
BundesrechtRegelungen zur Bodenordnung, des Städtebaurechts, der Raumordnung
LandesrechtGefahrenabwehr

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Neben den Vorschriften im öffentlichen Recht gibt es auch andere Rechtsbereiche, die in unserem Leben eine wichtige Rolle spielen.

Grundsätzlich unterscheiden wir im Recht das

– Privat- (oder auch Zivil- [vom lat. ius civile]) Recht.

– Öffentliche Recht,

– Strafrecht.

Vereinfacht ausgedrückt geht es beim Privatrecht um die rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen Privatpersonen, beim Öffentlichen Recht ist „der Staat“ als Hoheitsträger gefragt und beim Strafrecht wird ein Vorgang unter dem Gesichtspunkt der Vorgaben des Strafgesetzbuches beurteilt.

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Das vorliegende Buch befasst sich mit dem „Öffentlichen Baurecht“. Darunter versteht man Regelungen, die staatlichen Organen oder einem entsprechenden Hoheitsträger zugewiesen sind. Typisches Beispiel für das Baurecht ist die Erteilung einer Baugenehmigung, die nur durch die entsprechende staatliche Stelle ausgesprochen werden darf (vgl. z. B. §§ 48, 58 Landesbauordnung Baden-Württemberg).

Hingegen regelt das private (oder zivile) Baurecht Rechtsbeziehungen zwischen „gleichrangigen“ Personen. Der Planer etwa, der von seinem Kunden (dem Bauherrn) einen Auftrag zum Entwurf bekommt, diesen erstellt und auch ausführt, wird privatrechtlich tätig. Fehler bei der Tätigkeit sind daher grundsätzlich dem Privatrecht zuzurechnen.

Auch die Nachbargesetze der Bundesländer regeln die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen (Nachbarn) und gehören nicht zum öffentlichen Baurecht. Beispielswiese das Nachbarrechtsgesetz des Bundeslandes Baden-Württemberg (NRG), in dem z. B. Regelungen zur Ableitung von Regenwasser (§ 1 NRG), zum Hammerschlags- und Leiterrecht (§ 7c NRG) oder zu Abständen bei Bepflanzungen (§§ 11 ff. NRG) enthalten sind.

Öffentliches Baurecht für Architekten und Bauingenieure

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