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III. Unterscheidung Bauplanungs- und Bauordnungsrecht

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Bei Bauvorhaben können die Planung und Realisierung unterschiedliche Auswirkungen auf die Umgebung haben. Werden große Infrastruktureinrichtungen geplant – etwa Bahntrassen, Flughäfen, Hochspannungsleitungen oder Windparks –, ist zu prüfen, welche Auswirkungen hiervon ausgehen können und ob die Planung raumverträglich ist oder nicht. In einem besonderen Verfahren (dem sog. Raumordnungsverfahren) sind diese Fragen zu klären. Regelungen dazu enthalten das Raumordnungsgesetz und die dazu erlassene Raumordnungsverordnung. Die Landesgesetze, beispielsweise das Landesplanungsgesetz Baden-Württemberg, enthalten Ergänzungen speziell für das jeweilige Bundesland.

Bei allen Großvorhaben ist es somit erforderlich, zu prüfen, ob ggf. das Thema Raumordnung abzuhandeln ist. Hierzu ist die Kontaktaufnahme mit der zuständigen Behörde (in Baden-Württemberg dem jeweiligen Regionalverband bzw. dem Regierungspräsidium) sinnvoll. Häufig ist die raumordnerische Betrachtung im Vorfeld der eigentlichen Bauleitplanung von Bedeutung.

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Entsprechend den grundgesetzlichen Möglichkeiten (Art. 74 Nr. 18 und 31 GG) sind sowohl – so die Begriffe im Grundgesetz – das „Bodenrecht“ als auch die „Raumordnung“ durch den Bundesgesetzgeber geregelt worden. Mit dem Raumordnungsgesetz und dem Baugesetzbuch sind dazu die zentralen Gesetzeswerke geschaffen worden. Die Besonderheiten des Raumordnungsrechts werden in diesem Buch nicht näher behandelt. Es würde den Rahmen dieses Werkes sprengen. Planer sollten aber bei allen Großvorha ben beachten, dass das Thema Raumordnung eine Rolle spielen kann. Ein recht aktuelles Praxisbeispiel, bei dem der Einstieg Fragen der Raumordnung betrifft, dann das Thema der Bauleitplanung (gibt es z. B. einen Plan für Windkraftflächen?) sowie die Probleme der Genehmigung für die Errichtung der Anlage(n) eine Rolle spielen, sei im Folgenden mit dem Schlagwort „Windkraft“ angesprochen.


Abb. 6: Windpark in Mecklenburg-Vorpommern.

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Aufgrund der weiter fortschreitenden Technik gibt es inzwischen immer leistungsfähigere Windkraftanlagen. Auch die Höhe der Anlagen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen und Anlagen mit einer Tendenz zu einer Gesamthöhe von bis zu 200 m werden vermehrt nachgefragt. Solche Anlagen haben Auswirkungen auf die Umgebung: Sie sind vor allem weithin sichtbar, sie beeinträchtigen das Landschaftsbild und würden bei einer unkontrollierten Zulassung zu einer – so in der Diskussion oft zitierten – „Verspargelung der Landschaft“ führen. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die Privilegierung (gemeint ist eine vorrangige Zulassung) von Windkraftanlagen im Außenbereich gilt für „raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen“ die Klärung ihrer Vereinbarkeit im Sinne der Raumord nung. Nach der Definition in § 3 Abs. 1 Nr. 6 Raumordnungsgesetz sind raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen u. a. Maßnahmen, die Raum in Anspruch nehmen oder die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebietes beeinflussen. Das ist bei der Errichtung mehrerer Windkraftanlagen (Windparks) im Regelfall gegeben. Die Anschlussfragen: Welche Vorgaben zur Raumordnung für den betreffenden Bereich gibt es? Sind Pläne für Flächen zur Windkraft in Raumordnungsplänen vorgegeben oder nicht?

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Regelungen zu Plänen der Raumordnung sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. So können in Baden-Württemberg Flächen für Windkraftanlagen ausgewiesen werden, jedoch nur im „positiven Sinne“ (sog. Vorrangflächen). Nicht aber enthalten die Pläne auch ein Verbot für andere Flächen (Ausschlussflächen). Daher ist in unserem Fall zu fragen, ob und welche Regelungen für Windkraftanlagen der Regionalplan enthält. Weist er positiv Flächen für Windkraftanlagen aus, ist das Problem raumordnerisch „gelöst“.

In einem sich anschließenden Genehmigungsverfahren sind dann weiter Fragen der Bauleitplanung (gibt es einen Bauleitplan für die Windkraftanlagen?) zu beachten. D.h. wo genau sind Standortflächen ausgewiesen. Wenn kein Plan vorliegt, die Planung also „in der freien Landschaft“ realisiert werden soll, ist zu klären, ob dies baurechtlich nach § 35 BauGB möglich wäre. Weiterhin spielen bei der Klärung zur Genehmigung viele Fachgesichtspunkte, u. a. Fragen des Landschaftsschutzes, des Artenschutzes und des Immissionsschutzes (hier sind Schlagworte u. a. Lärm, Schattenwurf, Infraschall) die zentrale Rolle.

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Das Bauplanungsrecht selbst ist vor allem Städtebaurecht. Dabei unterscheiden wir das Allgemeine und das Besondere Städtebaurecht. Die damit verbundenen rechtlichen Regelungen enthält das Baugesetzbuch. Die dortigen Regelungen sind Bundesrecht und gelten somit in ganz Deutschland.

Im allgemeinen Städtebaurecht soll die Nutzung der Grundstücke im Gemeindegebiet gesteuert werden. Ziel ist eine Sicherung vorhandener bewährter Strukturen, aber auch eine Entwicklung dort zu steuern, wo sie aus kommunaler Sicht nötig ist. Dabei sind soziale, wirtschaftliche und Umweltschutz-Gesichtspunkte zu beachten (vgl. § 1 Abs. 5 BauGB). Die Beplanung und die Nutzung von Grundstücken stehen beim Bauplanungsrecht im Vordergrund, wie ja schon der Begriff sagt.



Abb. 7: Öffentliche Bekanntmachung der Stadt Stutensee (bei Karlsruhe) zur Aufstellung eines Bebauungsplans samt Begründung.

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Die Städte und Gemeinden haben das Recht, aber auch die Pflicht, bei Bedarf die planerische Entwicklung in ihrem Bereich vorzunehmen, wie sich aus der Vorschrift des § 1 BauGB ergibt. Das heißt konkret eine Bestandsaufnahme, eine Auswertung der Fakten und Überlegungen (im politischen Raum) zur Gestaltung des Gemeindegebiets nach den gegebenen Bedürfnissen.

Wie dies geschehen soll, sagt das Gesetz auch, nämlich durch die Aufstellung von Bauleitplänen, d. h. durch die beiden Möglichkeiten Flächennutzungs- und Bebauungsplan. Aber auch für die Sicherung der kommunalen Planung und Vorgaben für Flächen, für die keine Bauleitpläne bestehen, enthält das BauGB Regelungen.

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Für unseren Einstiegsfall (s. o. unter I Rn. 10) ist nun zu prüfen, ob ein Bauleitplan zum Thema Windkraft vorliegt oder nicht. Wenn die Gemeinde einen Plan (für Windkraftanlagen genügt ein Flächennutzungsplan, vgl. § 5 Abs. 2b BauGB, möglich ist aber auch ein Bebauungsplan) aufgestellt hat, sind die dortigen Vorgaben zu beachten. So besteht mit der Darstellung von Flächen für die Windkraft auch ein Ausschluss für andere Flächen im Gemeindegebiet. Wenn der Plan also eine Fläche für die Anlagen ausweist, bedeutet dies gleichzeitig ein „Nein“ für andere Flächen. Somit wird die Privilegierung für Windkraftanlagen durch den Plan abgeändert. Wenn indes kein Bauleitplan vorliegt, ist die Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB anwendbar. Eine planerische Steuerung der Windkraft im Außenbereich der Gemeinde wird damit deutlich schwerer.

Bei dem Beispiel eines Wohnhausbaus (s. o. unter I Rn. 10) ist ein Bebauungsplan zu lesen, falls ein solcher vorliegt. Die dortigen Festsetzungen sind bei der Planung zu beachten, ebenso die Vorgaben der Landesbauordnung (z. B. Regelungen zu Abstandsflächen, barrierefreies Bauen und allgemein Anforderungen an „gesunde Wohnverhältnisse“). Abweichungen von den Festsetzungen sind nur unter bestimmten, eng umgrenzten Voraussetzungen möglich (§ 31 BauGB), denn der Planungswille der Gemeinde hat sich im Bebauungsplan niedergeschlagen. Fehlt indes ein Bebauungsplan, hat der Planer zu überlegen, ob sich seine Planung in die Umgebung einfügt; vereinfacht ausgedrückt, ob sie sich an die Größe und die Nutzungsart (Wohnen oder eine andere Nutzung) in der Umgebung hält oder nicht.

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Im Besonderen Städtebaurecht geht es vor allem um die Verbesserung einer bereits vorhandenen städtebaulichen Struktur durch unterschiedliche Möglichkeiten, die „passgenau“ auf eine Kommune angewandt werden sollen.


Abb. 8


Abb. 9: Sanierungssatzung – Lageplan. Hier soll ein Teil der Gemeinde „aufgewertet“ werden, da bauliche Missstände festgestellt wurden. Das Besondere Städtebaurecht gibt hier rechtliche Vorgaben/Möglichkeiten an.

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Das Bauordnungsrecht hingegen ist Landesrecht. Es wird in den jeweiligen landesrechtlichen Bauordnungsgesetzen geregelt, z. B. in der Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO). Diese beinhaltet inhaltliche Vorgaben an das geplante Objekt als auch Fragen zu den Verfahren. Somit vor allem

– Fragen der Gefahrenabwehr im Baurecht (daher auch die früher geläufige Bezeichnung „Baupolizei“),

ästhetische Belange bei der Bauausführung (vgl. beispielhaft § 11 LBO Baden-Württemberg),

sozialpflegerische Belange („humanes Wohnen“, vgl. beispielhaft § 3 Abs. 4 LBO Baden-Württemberg) sowie

– die Arten und die Durchführung von Genehmigungsverfahren (vgl. §§ 49 ff. LBO Baden-Württemberg) im Baurecht.

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Im Bauordnungsrecht der Länder sind auch die Verfahrensregelungen zur Erlangung von baurechtlichen Genehmigungen festgelegt, die in den einzelnen Bundesländern zum Teil deutlich voneinander abweichen. Daher müssen Planerinnen und Planer stets die Landesbauordnung des Bundeslandes heranziehen, in dem das Vorhaben realisiert werden soll.

Auch hier ein Hinweis auf unseren Ausgangsfall (s. o. unter I Rn. 10): Für die Genehmigung von Windkraftanlagen wäre ein baurechtliches Genehmigungsverfahren nötig, wenn der Gesetzgeber keine abweichende Regelung getroffen hätte. Grundsätzlich bedarf nämlich die Errichtung von baulichen Anlagen – wie Windkraftanlagen – einer Baugenehmigung. Für große Windkraftanlagen, die über 50 m (Nabenhöhe) hoch sind, ist jedoch (anstelle eines Baugenehmigungsverfahrens) ein immissionsschutzrechtliches Verfahren durchzuführen, in dem auch die Fragen des Baurechts mit abgearbeitet werden (vgl. dazu 4. BImSchV Nr. 1.6, §§ 19, 9, 10 BImSchG). Bei kleineren Anlagen ist aber ein „normales“ Baugenehmigungsverfahren nötig. Bei sehr kleinen Anlagen (max. 10 m Höhe) gibt es in einigen Bundesländern sogar eine Verfahrensfreiheit, d. h. es ist keine Baugenehmigung nötig (vgl. z. B. für Baden-Württemberg, Anhang zu § 50 LBO Nr. 3d).

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Die Landesbauordnungen haben eine Reihe von Anlagen festgelegt, die keines Verfahrens und auch keiner Genehmigung bedürfen. Grund ist, dass diese Bauten kaum oder nur geringe Gefahren mit sich bringen oder von „untergeordneter Bedeutung“ sind.


Abb. 10: Kleingartenhütte in einer Kleingartenanlage, die baurechtlich verfahrensfrei wäre: vgl. Anhang zu § 50 LBO Baden-Württemberg Nr. 1 g. Hinweis: Die Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes sind ebenso wie mögliche Festsetzungen in einem Bebauungsplan zu beachten.

Zusammenfassend dargestellt:

RaumordnungsrechtMuss die Bauleitplanung beachten (Bauleitpläne, FNP und BP, dürfen den Vorgaben der Raumordnung nicht widersprechen).
Bauplanungsrecht1. Allgemeines Städtebaurecht: Insbesondere Vorgaben des FNP (vorbereitende Bauleitplanung) und des BP (konkreter Bauleitplan).
2. Besonderes Städtebaurecht: Insbesondere städtebauliche Aufwertung (Beseitigung von entsprechenden Missständen).
BauordnungsrechtInsbesondere Gefahrenabwehr, Genehmigungsverfahren, Vorhaben, die baurechtlich verfahrensfrei sind.
Öffentliches Baurecht für Architekten und Bauingenieure

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