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Aller guten Dinge sind drei Nicht jedes Kompliment ist angebracht

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Treppenhäuser sind für den Rettungsdienst eine hochinteressante Sache. Natürlich gibt es eine Idealvorstellung, wie dieser Bauteil eines Hauses gestaltet sein sollte: breit, sauber, hell – das wären die ersten Adjektive, die mir einfallen würden. Leider sieht die Realität oft anders aus.

In vielen Treppenhäusern herrschen Zustände, die an einen Parcours moderner Hindernisläufe erinnern. Nachdem man im Eingangsbereich über sieben bis acht Fahrräder beziehungsweise Kinderwagen geklettert ist, beginnt ein kraftraubender Aufstieg durch einen engen dunklen Schlund. Vorbei an fragwürdigen Graffitis, immer darauf bedacht, nicht in benutzte Windeln zu treten, gilt es, aus hygienischen Gründen möglichst wenig mit dem Geländer oder den Wänden in Kontakt zu kommen. Falls Sie meine ganz persönliche Meinung zu diesem Thema interessiert: Treppenhäuser als Fluchtweg sind ganz okay, ansonsten bevorzuge ich großzügige vertikale Transportanlagen für Personen oder Güter aller Art, im Volksmund auch gern als Aufzug oder Lift bezeichnet.

Es ist zwar unnötig zu erwähnen, dass das Gebäude mit der Hausnummer 45 in der Mainhofstraße nicht über ein solches Transportmittel verfügte, aber der Vollständigkeit halber sei es hiermit getan. Die Sonne ging gerade auf und mein Lieblingskollege Hein und ich waren auf dem Weg ins vierte Obergeschoss, als uns auf halbem Weg ein Hindernis der besonderen Art begegnete. Begleitet von unverständlichem Brüllen und dem Geräusch einer zuschlagenden Tür polterte uns ein junger Mann entgegen, der es offensichtlich äußerst eilig hatte, das Haus zu verlassen.

Kontrolliertes Fallen – damit wäre sein Bewegungsablauf wohl passend beschrieben. Hein konnte gerade noch ausweichen, der Zusammenstoß mit mir war allerdings nicht mehr zu vermeiden. Ungefähr achtzig Kilogramm Mensch trafen mich unvorbereitet an der linken Schulter und brachten mich aus dem Gleichgewicht. Um nicht selbst zum Patienten zu werden, überließ ich die medizinische Ausrüstung der Schwerkraft und fand letzten Halt am gedrechselten Holzgeländer. Der Fliehende eilte wortlos weiter.

»Ein einfaches ›Entschuldigung‹ hätte gereicht …«, rief ich wütend hinter ihm her, bevor unten die Haustür ins Schloss fiel.

Auf der Treppe hatte sich der Defibrillator in verschiedene Einzelteile zerlegt, und auch die mitgeführte Absaugpumpe hatte ordentlich was abbekommen.

»Ich, ich, ich hab, ich hab mir den Kerl genau gemerkt«, rief Hein erschrocken. »Anfang dreißig, einsachtzig groß, blonde Haare, blaues T-Shirt mit orangefarbener Aufschrift.«

Genervt unterbrach ich ihn: »Hervorragende Arbeit, Watson! Und wer sucht nach dem Typ? Richtig! Niemand. Der will wahrscheinlich nur den nächsten Bus erwischen. Ist ja auch scheißegal! Lass uns das Zeug hier einsammeln, und dann ab in den vierten Stock. Da wartet ein Patient auf uns.«

Wenig später erreichten wir eine Wohnungstür, deren Namensschild mit dem Alarmschreiben übereinstimmte. Erwartungsvoll klingelte Hein bei Herrn oder Frau Dürstel. Ein sonores Brummen schallte durch den Flur, und eine Millisekunde später wurde die Tür nicht nur geöffnet, sondern förmlich aufgerissen.

»Gottlob! Da sind Sie ja! Ich habe Sie gerufen. In der Nachbarwohnung gab es Tumult vom Allerfeinsten, nicht zum ersten Mal – ich weiß! Aber diesmal waren auch weibliche Hilfeschreie zu hören. Ich bin sicher, Sie werden gebraucht!«, ereiferte sich ein schmächtiges Männlein mit hektischer Stimme.

»Jetzt mal ganz in Ruhe. Das heißt, bei Ihnen ist gar nichts passiert, sondern Sie machen sich Sorgen über Vorkommnisse in Ihrer Nachbarwohnung – richtig?«, fragte ich.

»Ja genau!« Der Notrufer nickte. »Da ging es wieder mal hoch her. Geschrei und Geräusche, als würde das ganze Haus abgerissen … nicht zu vergessen die Hilferufe.«

»Mag ja sein, dass wir hier gebraucht werden. Aber haben Sie außer uns auch die Polizei angerufen?«, warf Hein ein. »Ihre Schilderung lässt den Eindruck entstehen, dass unser aller Freund und Helfer hier ebenfalls gebraucht werden könnte.«

Herr Dürstel antwortete nicht sofort. Zunächst strich er sich mit der linken Hand mehrfach durch einen kaum vorhandenen Schnäuzer und überprüfte zeitgleich mit der Rechten, ob der Reißverschluss seiner Hose auch wirklich geschlossen war.

»Der Gründer vom Roten Kreuz, dieser Henry Dunant, der hat auf dem Schlachtfeld doch auch nicht die Polizei gerufen, sondern das Verbandszeug ausgepackt!«, konterte er schließlich und blieb erwartungsvoll im Türrahmen stehen. Dem war nichts hinzuzufügen. Der Gute machte zwar einen merkwürdigen Eindruck, aber was blieb uns übrig?

Hein und ich machten eine Kehrtwende um hundertachtzig Grad und standen vor einer Tür ohne Namensschild. Hein klingelte, es vergingen circa zehn Sekunden, und Hein klingelte erneut. Diesmal mit Erfolg. In diesem Haus schien es üblich, die Wohnungstüren aufzureißen. Allerdings stand nun kein schmächtiges Männlein, sondern ein geschlechtsreifes, ausgewachsenes Mannsbild im Türrahmen.

»Was kann ich denn gegen euch tun? Hat der Idiot von nebenan wieder um Hilfe gerufen? Verpisst euch! Ihr habt mit Sicherheit Besseres zu tun«, begrüßte uns ein Hüne mit geschätzten hundert Kilo Lebendgewicht, der trotz der frühen Stunde einen betörenden Duft nach Mariacron verströmte.

»Es hieß, eine Frau habe um Hilfe gerufen«, entgegnete Hein, um eine selbstbewusste Ausstrahlung bemüht.

»Das ist jetzt nicht so ungewöhnlich!«, meinte der leicht ungepflegt wirkende Mittvierziger. »Die ruft ständig um Hilfe. ›Schatz, kannst du mal den Kasten Sprudelwasser aus dem Keller holen? Schatz, kannst du heute mal die Wohnung saugen?‹ Und so weiter. Für gewöhnlich ruft meine Alte aber nicht so laut, dass die dämliche Nachbarsfigur davon was mitkriegt. Vielleicht zwischendurch mal nachts, aber das hat dann andere Gründe – haha, knick-knack!« Der Hüne zwinkerte vielsagend mit dem linken Auge.

»Herr Schmitz! Sie sind so was von ekelhaft – gewalttätig, frauenverachtend und oft schon morgens betrunken …«, echauffierte sich Herr Dürstel aus dem Hintergrund.

»Boah, mach den Kopf zu, du Plagegeist!«, unterbrach Herr Schmitz. »Bei dir hat die Schaukel früher auch zu nah an der Hauswand gestanden. Mein Gott, du gibst jetzt Ruhe, sonst bist du heute schon der Zweite, dem ich ’ne Fünf auf die Backe male.«

Obwohl die Stimme des Hünen durchaus ernst zu nehmend klang, traute sich Hein scharfsinnig nachzufragen: »Wer war denn der Erste? Etwa Ihre Frau?«

»Bis gerade konnte ich euch ja ganz gut leiden, aber von mir aus …« Herr Schmitz warf Hein einen langen Blick zu, bevor er fortfuhr: »Mein angeblich bester Kumpel hat sich eben an meine Herzdame rangemacht. Da musste der König dem Buben mal zeigen, wer hier die Asse im Ärmel hat. Und was macht der Typ? Sagt glatt zu meiner Frau, so was wie mich hätte sie gar nicht verdient – da fragt man sich doch, wer hier beleidigt wird?! Ich mag es gar nicht, wenn ich nachdenken muss. Also hab ich mal kurz kurzen Prozess gemacht.«

»Und Ihrer Frau geht’s wirklich gut?« Die Seelenruhe, mit der der selbst ernannte König den Grund für den Tumult erklärte, machte mich nervös.

»Ahhh …« Ein genervtes Stöhnen verließ Herrn Schmitz, und ich rechnete damit, mindestens verbal verprügelt zu werden. Stattdessen zitierte der Hüne seine Angebetete herbei. »Peggy! Schwing deinen hübschen Hintern sofort nach hier! Hier sind ein paar Clowns vom Lotto, die wollen sich vom ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes überzeugen.«

Es vergingen einige Augenblicke, bis sich herausstellte, dass Herr Schmitz bezüglich des Hinterteils von Frau Schmitz keinesfalls übertrieben hatte und dass auch sonst anatomisch alles in bester Ordnung war.

Herr Dürstel bekam beim Anblick der Dame einen extrem verklärten bis glasigen Blick, und ich musste mich zurückhalten, um ihm keine Packung Papiertaschentücher anzubieten.

»Äh, hier sieht ja alles ganz hervorragend aus«, bemerkte Hein, ebenfalls von Frau Schmitz’ optischem Eindruck geblendet, bevor Herr Schmitz ihn warnend unterbrach.

»Ganz vorsichtig jetzt, Herr Rettungssanitäter! Ganz dünnes Eis!«

»Ich meine die Gesamtsituation.« Hein lächelte versöhnlich. »Wir wollen hier noch mal Gnade vor Recht ergehen lassen. Im Prinzip ist ja auch gar nichts passiert. Betrachten wir das Ganze einfach mal als vorausschauende Alarmierung. Herr Dürstel, Sie beruhigen sich, und wenn es schlimmer wird, rufen Sie einfach noch mal an.« Mit diesen Worten entließ Hein uns unprätentiös aus der Einsatzstelle.

Während der Rückfahrt schwärmte er zwar noch farbenfroh von Frau Schmitz und erwähnte sogar mehrfach, dass er sie, falls nötig, sehr gern medizinisch versorgt hätte, aber schon zehn Minuten später in der Küche der Wache war die Hochglanzblondine vergessen.

Stattdessen erzählte ich Hein von meiner bevorstehenden Pilgerreise durch Spanien. »Das Motto lautet: Gehe in dich, auch auf die Gefahr hin, dass du dort niemanden antreffen wirst«, was Hein mit einem trockenen »Religion ist was für Leute, die keinen Alkohol vertragen« kommentierte. Gerade wollte ich ihm erklären, dass das Pilgern heutzutage nur eingeschränkt mit Religion zu tun hat, als Bernie, einer unserer Kollegen, unsere Aufmerksamkeit erregte.

Der Gute stand vor einer Batterie aus Pumpkannen, vier an der Zahl, die für gewöhnlich frischen Kaffee beinhalteten. Bernie hatte die Dinger zerlegt und mit der Reinigung der Einzelteile begonnen. Als er mit einer frischen Klobürste das Innere der Kannen schrubbte, unterbrach Hein ihn perplex: »Was machst du da?«

»Das siehst du doch, ich mach diese Scheiße hier sauber! Hier kommt ja kein Kaffee mehr raus, ohne dass man die halbe Tasse voller Brocken hat. Einfach widerlich! Aber außer mir interessiert das ja keinen!«, antwortete Bernie ungehalten.

»Das sind keine Brocken, du Ignorant – das ist bestes Fruchtfleisch!«, meinte Hein mit gespielter Fassungslosigkeit.

Damit hatte er den Bogen überspannt. Bernie, in Fachkreisen auch gern als »Küchenhitler« bezeichnet, eskalierte vollkommen. Als Autor möchte ich mir an dieser Stelle eine Aneinanderreihung von Beleidigungen und Schimpfwörtern ersparen. Denken Sie sich bitte einfach eine Sprechblase aus einem Comicstrip, gefüllt mit Totenköpfen, Messern, Pistolen, Bomben und Explosionen.

Bevor es handgreiflich werden konnte, hatte der Bürger ein gnädiges Einsehen und alarmierte uns zu einem chirurgischen Notfall in den Drosselweg.

»Ich hab kein gutes Gefühl!«, meinte Hein, als wir in den Rettungswagen stiegen.

»Warum das? Bernie beruhigt sich schon wieder«, entgegnete ich verdutzt.

»Das meine ich nicht. Der Drosselweg geht direkt von der Mainhofstraße ab, da waren wir vor ungefähr einer halben Stunde – du erinnerst dich an Herrn und Frau Schmitz? Das ist doch kein Zufall!«

Hein sollte recht behalten. Der Hinweis der Leitstelle, das Eintreffen der Polizei abzuwarten, ertönte aus dem Funklautsprecher, als wir in besagten Kreuzungsbereich einbogen.

Die Reize, die mein Gehirn ab nun verarbeiten musste, glichen willkürlich zusammengestellten Einzelszenen aus irgendwelchen Hau-drauf-Filmen, die ich irgendwo irgendwann mal angeschaut hatte. Schlechte Kung-Fu-Szenen aus Fernost, Filme mit Bud Spencer und Terence Hill, Prügeleien aus Das A-Team und nicht zuletzt die Rocky-Filme dürften als geistige Vorlage dienen.

Der Blonde im blauen T-Shirt, mit dem wir auf der Treppe Bekanntschaft geschlossen hatten, und Herr Schmitz standen sich mit geballten Fäusten gegenüber. Von einem staatlichen Schiedsrichter in Uniform war noch nichts zu sehen, und so ließen Hein und ich den Kampf zunächst auf uns wirken.

Allerdings muss man sagen, dass von einem wirklichen Kampf noch keine Rede sein konnte; beide Kontrahenten schienen in der Zwischenzeit mächtig an ihrem Promillegehalt gearbeitet zu haben, und so handelte es sich eher um einen aggressiven Ausdruckstanz. Jedenfalls wechselten sich um sich selbst kreisende, unkontrollierte Angriffsbewegungen mit spektakulären Manövern zum Gleichgewichtserhalt ab. Wenn man die Situation vorteilhaft beschreiben mochte, konnte man von zwei extrem schlecht trainierten Boxern sprechen, die verzweifelt versuchten, sich besoffen aufs Maul zu hauen.

Und immer dann, wenn man meint, das Leben hätte keine Aufwertung der Situation, keine Steigerung parat, dann ergießt sich das Füllhorn der Unmöglichkeiten mit brachialer Gewalt.

Ein übergewichtiger Motorradpolizist erreichte die Szenerie, bei dessen Anblick ich berechtigt bezweifelte, dass er leichter als seine eigene Maschine war. Nichtsdestotrotz wusste er das Gerät gekonnt einzusetzen. Die Kämpfenden sprangen mit knapper Not auseinander, bevor mindestens einer von beiden vom Kraftrad samt Polizisten überfahren worden wäre. Ob Absicht oder nicht – im Nachhinein kann es nicht verifiziert werden. In jedem Fall hatte der Beamte die Situation zunächst geklärt. Das Absteigen vom Motorrad glich zwar einer ausgesprochen schwierigen akrobatischen Zirkusnummer, aber weder seine Ankunft noch der vorherige Kampf hatten Verletzte gefordert. Mit anderen Worten: Es handelte sich um eine reine Polizeilage, bei der es Platzverweise und Belehrungen hagelte.

»Willst du noch mal mit Herrn Schmitz reden?«, fragte mich Hein, während wir das Schauspiel beobachteten.

»Nicht zwingend. Worüber sollten wir auch sprechen? Es ist ja nichts passiert«, antwortete ich mit einer Mischung aus Selbstschutz und gespielter Naivität.

»Jo!«, resümierte Hein und startete den Rettungswagen. Erneut konnten wir wieder einrücken, ohne von unseren Qualitäten wirklich Gebrauch gemacht zu haben.

Indes hofften Hein und ich, dass Bernie die Küche inzwischen verlassen hatte und eine konfliktfreie Tasse Kaffee möglich war. Die Luft auf der Wache schien tatsächlich rein zu sein – alle beide bemerkten wir die bohrenden Blicke, die hätten töten können, viel zu spät. Ein flüchtig geworfenes Auge in die Küche war als Erkundung einfach nicht ausreichend gewesen. Wir hätten es besser wissen müssen.

Bernie stand unbemerkt in einem angrenzenden Vorratsraum und beobachtete uns aufmerksam. Verdeckt durch eine offene Schranktür wurde er Zeuge, wie ich einen Topfdeckel nach dem anderen anhob. Jeder mit einem koffeinhaltigen Heißgetränk in der Hand, steckten Hein und ich unsere Nasen analytisch in die Töpfe auf dem Herd.

»Riecht eigentlich ganz gut. Kochen kann der Wahnsinnige ja, das muss man ihm lassen«, lobte ich anerkennend, als Bernie wie ein wütender Dämon über uns herfiel. Ein wie ein Diskus geworfener Topfdeckel, der Heins Kopf nur knapp verfehlte, um dann scheppernd an einem Küchenschrank abzuprallen, läutete das Inferno ein.

»Ihr kleine Bande von undankbaren Nichtsnutzen! Was glaubt ihr eigentlich, warum Deckel auf den Töpfen liegen? Hä? Keine Antwort? Dachte ich mir, ihr dämlichen, hungrigen Schmarotzer! Raus aus meiner Küche! Jawohl, meine Küche! Was habt ihr beiden hier verloren? Das ist heute mein Reich! Ihr seid so nützlich wie ein Sonnendeck auf ’nem U-Boot. Wenn einer von euch noch einen Topf anpackt, dann schmeiße ich den ganzen Rotz auf den Hof, dann hab ich hier zum allerletzten Mal gekocht! Zu blöd und dämlich für ein simples Spiegelei, aber mir in die Töpfe gucken! Ich glaub, mir platzt der Arsch!« Mit diesen Worten trat Bernie mir in den selbigen, bevor er dem flüchtenden Hein eine altmodische Käsereibe hinterherwarf.

Erneut rettete uns nur knapp der Bürger. Ein Alarm ertönte, und wir flohen weiter Richtung Rettungswagen. Beide hatten wir uns nicht getraut zurückzublicken, womöglich war Bernie mit der Küchenmessersammlung hinter uns her. Andererseits hätten wir davor keine allzu große Angst haben müssen, denn die Dinger sind auf allen Rettungswachen dieser Welt vom Spülmaschinengebrauch so stumpf, dass die Bezeichnung »sehr flacher Löffel« passender wäre.

»›Mein Reich‹! Der Kerl hat sie doch nicht alle!«, rief Hein, während er in den Rettungswagen sprang. »›Küchenhitler‹ ist schon der passende Spitzname!«

»Diesmal haben wir Glück gehabt, aber pass bloß auf und sei froh. Leo hat schon mal den großen Holzlöffel abbekommen, da waren zwei Finger gebrochen«, erklärte ich warnend, als der Rettungswagen sich endlich in Bewegung setzte.

»Wo geht’s eigentlich hin?«, erkundigte sich Hein, noch außer Atem von der Flucht. »Schon wieder in die Mainhofstraße«, antwortete ich sorgenvoll, und Hein ergänzte ebenfalls Böses ahnend: »Ohh, ohh.«

Und so kam es auch. Unsere wiederkehrenden Protagonisten, Herr Schmitz und der Unbekannte aus dem Treppenhaus, hatten Ernst gemacht. Bei unserer Ankunft stand Herr Schmitz bereits breitbeinig, aber leicht schwankend an einer Hauswand und wurde von einem Polizisten durchsucht. Sein Opfer war diesmal nicht mit einer Ohrfeige davongekommen. Eine geplatzte Unterlippe und eine beeindruckend geschwollene Nase waren offensichtliche Zeichen seiner körperlichen Unterlegenheit.

»Ich wollte doch nur nett sein!«, brachte der Geschlagene lallend und lispelnd hervor, bevor er unterbrochen wurde.

»Wer sich verteidigt, klagt sich an!«, zeterte Herr Schmitz ebenfalls im Alkoholdialekt. »Von wegen nur nett sein. Nett! Nett ist die kleine Schwester von Scheiße. An den Arsch von meiner Alten wolltest du ran. Sei froh, dass ich voll bin wie ein Eimer. Alkohol offenbart immer mein gutmütiges Wesen, nüchtern hätte ich dir ins Gesicht geschlagen … du … du …«

»Ahh, ich verstehe, der wollte seinem Kumpel nur mal pädagogisch wertvoll in den Bauch boxen, hat ihn besoffen verfehlt und dabei unabsichtlich zweimal mitten ins Gesicht getroffen. Ja, so was kann passieren …«, klärte Hein den wahrscheinlichen Tathergang auf.

»Hein – wenn ich dich nicht hätte …«

»Dann hättest du einen anderen.«

Der Rest ist schnell beschrieben: Wir kümmerten uns um den Verletzten und brachten ihn in ein geeignetes Krankenhaus. Die Polizei kümmerte sich um Herrn Schmitz und brachte ihn in eine Ausnüchterungszelle.

Vielleicht noch ein kleiner Blick in die Statistik: Früher oder später fahren wir jeden Mitbürger mal ins Krankenhaus. Also kann jeder einmal Grund für einen Notruf sein. Aber dreimal innerhalb weniger Stunden? Fetten Respekt!

Rettungsgasse ist kein Straßenname

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