Читать книгу 1x1 des Bewusst-Seins - Jürg Rohrer - Страница 6
ОглавлениеDie Bedürfnisse der Menschen
Warum gehen die meisten von uns Menschen täglich zur Arbeit, weshalb leben wir mit einem Partner zusammen, weshalb zeugen wir Kinder? Was wollen wir damit erreichen? Wonach streben wir eigentlich? Geht es nur darum, unsere Nahrung zu beschaffen, uns fortzupflanzen oder wollen wir möglichst viele Gegenstände kaufen, Aktien von Firmen besitzen, Karriere machen, in die Geschichte eingehen, Macht über andere ausüben?
Über die Zielsetzungen und Ursachen der menschlichen Handlungen ist schon sehr viel geschrieben worden, wir wollen hier deshalb das aus unserer Sicht wichtigste der verschiedenen Theorien extrahieren und uns eigene Gedanken dazu machen.
Im allgemeinen geht man davon aus, dass alle Menschen letztendlich vergleichbare Bedürfnisse haben. Je nach dem, welche Bedürfnisse bereits befriedigt sind, je nach Alter, Lebenserfahrung und Kultur setzt der Mensch die Prioritäten bei den noch offenen Bedürfnissen jedoch anders. Am bekanntesten ist wohl die Darstellung der Bedürfnisse und Prioritäten in Form einer Pyramide nach Maslow (Maslow’sche Bedürfnispyramide). Maslow vertrat die Theorie, dass der Mensch den einzelnen Bedürfnissen klare, hierarchische Prioritäten zuordnet. Sobald der Mensch eine Stufe in seiner Bedürfnispyramide erreicht hat, regt sich das Bedürfnis zum Erreichen der nächsthöheren Stufe. Stellvertretend für viele andere Darstellungen betrachten wir kurz die einzelnen Elemente dieser Pyramide von Maslow:
1 Zuerst setzt der Mensch seine Priorität bei den existentiellen Bedürfnissen, also bei Nahrung, Kleidung, Schlaf. Wenn die existentiellen Bedürfnisse nicht erfüllt sind, ist das Überleben gefährdet, es besteht Lebensgefahr.
2 Wenn die existentiellen Bedürfnisse befriedigt sind, wird das Bedürfnis nach Sicherheit wach: Der Wunsch nach Schutz vor den Gefahren des Lebens wie zum Beispiel Krieg, Krankheiten, Unfall, Umwelt-Katastrophen, usw. steht im Vordergrund.
3 In der nächsten Stufe der Priorität stehen gemäss Maslow die sozialen Bedürfnisse: Der Mensch möchte mit Gleichgesinnten zusammen sein, möchte akzeptiert und geliebt werden.
4 Bei der darauf folgenden Stufe geht es um die eigene Wertschätzung und die Wertschätzung von anderen Personen: Der Mensch möchte sein Selbstbewusstsein stärken und sucht dazu bei anderen Personen Beachtung und Anerkennung.
5 Als oberste Zielsetzung gilt das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung: Der Mensch möchte sich selbst sein können, innere Ruhe, Glück und Harmonie dauernd erleben können.
Wie bereits erwähnt, sind die Bedürfnisse der Menschen schon häufig untersucht und beschrieben worden, die Bedürfnispyramide kann beliebig verfeinert, geändert und ergänzt werden. Man kann sich auch mit gutem Recht fragen, ob zum Beispiel das Erreichen der 3. Stufe wirklich eine notwendige Voraussetzung für die 4. und 5. Stufe darstellt. Für unsere Zwecke ist es nicht sehr sinnvoll, die individuellen Bedürfnisse der Menschen allzu stark zu verallgemeinern. Trotzdem: Wer die Menschen beobachtet, sieht, dass aller Individualität zum Trotz, die grosse Mehrheit der Personen in einem bestimmten Wirtschafts- und Kulturraum ihre Prioritäten sehr ähnlich setzt. Sehr sehr ähnlich sogar, wenn man genauer hinsieht.
Die Priorität in den Bedürfnissen ändert sich jedoch meistens bei jedem Menschen im Laufe seines Lebens. Ältere Menschen setzen die Prioritäten in vielen Dingen anders als junge Menschen. Wir wollen auf die vielen Arten der menschlichen Bedürfnisse nicht näher eingehen. Erstaunlicherweise finden sich bei praktisch allen Untersuchungen über die Beweggründe für das menschliche Handeln zwei grosse Gemeinsamkeiten:
In der ersten Priorität stehen die existentiellen Bedürfnisse.Es leuchtet sicher ein, dass nicht nur der Mensch, sondern generell jedes Wesen auf der Erde zuerst nach Möglichkeiten zum Überleben sucht, insbesondere nach Nahrung und nach einer Umgebung, wo ein Leben überhaupt möglich ist.
In der obersten Stufe der Priorität steht die Harmonie mit sich selbst.Je mehr die anderen menschlichen Bedürfnisse befriedigt sind, desto stärker regt sich der Wunsch nach einem dauernden Zustand von Glück, Harmonie, Geborgenheit, innerer Ruhe und Gelassenheit. Der Mensch möchte überall und jederzeit sich selbst sein können und sich dabei völlig akzeptiert und geliebt fühlen.Da es sich um eine abstrakte Lebensqualität handelt, ist dieser Zustand schwierig klar zu beschreiben. Die Religionen umschreiben ihn zum Beispiel mit dem Eintritt in den Himmel, Erreichen des Nirwanas, Leben von bedingungsloser Liebe, dem totalen Frieden auf Erden, Ausbruch aus dem Zyklus der Reinkarnation, usw.
Diese höchste Zielsetzung im Leben ist eigentlich gar nicht so erstaunlich. Wenn wir einmal unterstellen, dass das oben erwähnte Bedürfnis «irgendwie» erreichbar ist, müsste ein solcher Zustand nicht herrlich sein? Stellen Sie sich vor, Sie wären dauernd in einem Zustand, wo Sie nichts mehr beunruhigen kann, wo Sie vollständig zufrieden und ruhig sind. Liebe spüren und ausstrahlen. Keine Krankheiten, keine Unfälle, keine Streitigkeiten, keine Sorgen, einfach nur noch Harmonie.
Müsste dies nicht für jedermann auf der Erde erstrebenswert sein? Falls Sie nicht daran glauben, dass dies erreichbar ist, wäre es nicht sinnvoll, sich in diese Richtung zu entwickeln, dieses Ziel wenigstens so weit wie möglich versuchen zu erreichen?
Werbung spricht unsere Bedürfnisse an
In keinem Industriezweig werden die Bedürfnisse der Menschen so intensiv untersucht, wie in der Werbung. Wenn man weiss, wonach die potentielle Käuferschicht eines Produktes oder einer Dienstleistung wirklich strebt, wo diese Personen ihre höchsten Prioritäten setzen, kann man genau diese Bedürfnisse in der Werbung ansprechen und damit sehr viel Geld verdienen!
Das Streben nach Harmonie und Glücklichsein, nach einem Leben in Liebe und Frieden wird deshalb in der Werbung häufig ausgenutzt: Zuerst sieht man eine leidende Person, welche ein Gebrechen, eine Krankheit oder ein Problem hat, dann ein Produkt (Pille, Salbe, Esswaren, Getränk, Auto, Waschpulver, Software, Computer, Telefon, Ferienort, usw.) und schlussendlich dieselbe Person, welche dank der Verwendung des gezeigten Produktes glücklich ist. Oftmals wird auch nur die glückliche Person zusammen mit dem Produkt gezeigt. Achten Sie einmal bewusst darauf, wie häufig die Werbebotschaften unabhängig vom angebotenen Produkt nach diesem Muster aufgebaut sind.
Dem Betrachter soll jeweils suggeriert werden: Dank dem Einsatz dieses Produktes wirst Du erfolgreich, schön, begehrt, reich, oder was auch immer werden – und dies wird Dich (auch) glücklich machen, Deine tiefsten Sehnsüchte werden damit erfüllt.
Warum verspricht uns die Werbung Harmonie und Glücklichsein? Warum vermittelt die Werbung nicht nur nüchterne Tatsachen, warum appelliert sie an unsere Gefühle und Sehnsüchte? Die Antwort liegt auf der Hand: In jedem Menschen steckt die Sehnsucht nach dem höchsten Ziel, nach der dauernden Harmonie, nach dem dauernden Zustand des Glücklichseins. Diese Sehnsucht kann man auch ausnutzen, um finanzielle Gewinne zu maximieren, um Macht zu erlangen, ja sogar um andere Menschen zu manipulieren. Wir werden darauf im Kapitel über die Zielsetzungen nochmals zu sprechen kommen.
Ersatzhandlungen
Betrachten wir den Aufwand, den gewisse Menschen treiben, um das oben erwähnte Glücksgefühl auch nur kurzzeitig zu spüren, so wird klar, dass viele von uns eigentlich schon lange nach Möglichkeiten zum Erreichen der dauernden Harmonie mit sich selbst, also der obersten Stufe der Bedürfnisse, suchen. Nachfolgend nur eine kleine Auswahl an Möglichkeiten, was alles unternommen wird:
Überwindung der Todesangst: Man setzt sich einer grossen Lebensgefahr aus, um nach dem Überleben der Situation für kurze Zeit ein unbeschreibliches Glücksgefühl zu spüren. Dabei spielt es in den meisten Fällen eine untergeordnete Rolle, ob diese Lebensgefahr objektiv vorhanden ist oder nur subjektiv als grosse Lebensgefahr wahrgenommen wird. Beispiele von solchen Tätigkeiten sind ungesichertes Klettern in einer Felswand, Skiabfahrten über senkrechte Felswände, Sprünge ins unbekannte Wasser aus grosser Höhe, Wasser-Canyoing, Bootsfahrten über Wasserfälle, Bungeejumping, Fahrten auf gewissen Bahnen in Vergnügungsparks, aber auch das Spielen von bestimmten Computerspielen.
Grosse Leistungen vollbringen: Der erste, beste, schnellste oder schönste zu sein, welcher irgend etwas gemacht hat oder immer noch macht, führt ebenfalls – zumindest für kurze Zeit – zum Erleben eines Glücksgefühls der Art «Ich bin der Grösste, der Beste». Bei diesen Aktivitäten spielt das Publikum häufig eine grosse Rolle, man muss die entsprechende Person sehen können, sich allenfalls mit ihr identifizieren können. Dadurch wird ein Teil des kurzzeitigen Glücksgefühls auch auf die Zuschauer übertragen. Beispiele: Veranstaltungen aller Art im Spitzensport, Miss- oder Mister-Wahlen, Guinness Buch der Rekorde, usw.
Wie aus obigen Beispielen ersichtlich ist, sind sehr viele von uns in der Regel unbewusst auf der Suche nach Möglichkeiten zur Erreichung der persönlichen Harmonie, der obersten Stufe in der Prioritätenliste der menschlichen Bedürfnisse. Irgendetwas zieht uns, wir wollen «uns selbst finden», «etwas erleben» meistens ohne selbst wirklich zu verstehen, was wir damit meinen.
Deshalb nochmals die Frage an Sie: Wie stehen Sie persönlich dazu: Möchten Sie der persönlichen Harmonie, einem dauernden Gefühl von Liebe und Glück auch näher kommen? Möchten Sie auch sämtliche Einflüsse und Gegebenheiten in Ihrer Umgebung gelassen hinnehmen können? Sich nicht mehr ärgern und keine Ängste mehr ausstehen müssen?
Wenn man sich dieses Ziel bewusst vornimmt, müsste es doch auch Möglichkeiten geben, sich diesem Ziel für längere Zeit als nur für ein paar kurze Sekunden im Leben zu nähern!
Die Betrachtungen in den nächsten Kapiteln sollen dazu dienen, die Verwirklichung dieses Ziels zu diskutieren und vor allem konkrete Möglichkeiten für jeden einzelnen aufzuzeigen. Es liegt in unserer eigenen Entscheidung, ob wir dieses Ziel anstreben und erreichen wollen oder nicht. Nichts und niemand kann uns dazu zwingen oder daran hindern!