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1. Heimat (jetzt)
ОглавлениеLangsam ziehen die letzten Wolken über den Himmel. Nur noch ein leichter Regen fällt auf Land und Meer. Der Tag ist halb vorbei und nun werden die Winde wärmer. Zum ersten Mal in diesem Jahr. Endlich scheint der extrem harte Winter zu weichen und der schon von allen lang ersehnte Frühling anzubrechen.
Björn ist begeistert. Endlich! So lange wünscht er sich bereits den Frühling herbei. Diesen ganz besonderen. Der Zug wird kommen und ihn mitnehmen. Dieses Jahr wird er seine Aufgabe erfüllen, auf die er seit seiner Geburt vorbereitet wurde.
Aber jetzt muss er erst einmal sein Boot an Land festmachen und den Fang abliefern. So wie jeden Tag. Heute war er ein paar Stunden länger mit seinen Netzen auf dem Meer, weil sich zuerst keine Fische zeigen wollten, aber seine Ausdauer hat sich gelohnt. Immer wieder ließ er die Netze ins Wasser. Es war eine Mühe, die zwei Meter hohen und zehn Meter langen Netze jedes Mal ins Boot zu ziehen, nur um zu sehen, dass sich erneut kein Fisch darin befand.
An einer neuen Stelle warf er sie immer wieder aus. An dem unteren Rand des Netzes sind Senker aus Stein befestigt, am oberen Rand leichte Holzstücke gebunden, sogenannte Flotten. Leise schwebten die Stellnetze senkrecht im Wasser, um auf einen Schwarm Fische zu warten. Die Netze waren so geknüpft, dass Fische einer Größe mit dem Kopf durch die Maschen schwimmen konnten, aber nicht mit dem restlichen Körper. Wenn sie sich wieder befreien wollten, blieben sie mit ihren Kiemendeckeln hängen. Und je mehr sie zappelten, um sich zu befreien, umso mehr verhedderten sie sich im Netz.
Während er zwischen den einzelnen Versuchen auf das Ergebnis wartete, legte er sich rücklings ins Boot und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen. Sanft auf den kleinen Wellen schaukelnd, schaute er auf den endlosen Horizont. In dieser Richtung gibt es keine weiteren Ufer mehr. Da ist er sich sicher. Sonst müssten sie schließlich auch zu sehen sein. Soweit er weiß, gibt es außer seiner Welt kein anderes Land, vollständig umgeben vom ewigen Meer. Dort hinauszufahren, würde im Verderben enden. Die wenigen, die es in ihrem Wahn versucht haben, sind nie wieder heimgekehrt, sondern anscheinend ewig weitergefahren.
Wie sich die Unendlichkeit wohl anfühlt? Oder ist da einfach nur nichts? Fühlt sich das "Nichts" irgendwie an. So ließ er seinen Geist schweifen und schickte ihn auf irrwitzige Phantasiereisen.
Beim letzten Fangversuch, Björn wollte schon fast endgültig aufgeben, waren die Netze endlich randvoll. Ein riesiger Schwarm Dorsche hatte sich in den Maschen des Netzes verfangen. Nur mit Mühe und all seiner Kraft und Geschicklichkeit konnte er den kompletten Fang ins Boot hieven. Seine in jahrelangem Training gestählten Muskeln waren bis zum Bersten angespannt. Stück für Stück zog er das Netz zurück ins Boot und immer mehr Fische landeten auf dem Deck. Genau so hatte er sich diesen Fischzug vorgestellt.
Und nun muss er die vielen Fische zum Verteiler bringen. Aber sobald er an Land angekommen ist und das Boot angebunden hat, kommen schon seine Eltern und Geschwister, um zu helfen. Als ob sie geahnt hätten, dass es heute einen besonders großen Fang gäbe und alle Hände zum Tragen gebraucht würden.
Seine Mutter, Kirsten, hatte sich bereits Sorgen gemacht. So lange war Björn noch nie allein auf dem Meer gewesen. Allerdings hatte ihr sein Vater, Lars, Mut gemacht, da Björn stets sehr vorsichtig und vernünftig ist. Hinzu kommen seine Geschicklichkeit und seine jahrelange Erfahrung auf See. Er hatte bereits vermutet, dass Björns Ehrgeiz ihn dazu bewogen hatte, länger als gewöhnlich draußen zu bleiben, um einen besonders stattlichen Fang mit an Land zu bringen.
Während Björn die Fische aus den Maschen des Netzes befreit, packen seine Eltern diese in Weidenkörbe, damit seine Geschwister sie leichter zu einem Ochsenkarren tragen und aufladen können.
Gemeinsam ist die Arbeit schnell erledigt. Der schwere Fang hat das Netz leicht beschädigt, weshalb sich Björn vornimmt, so früh wie möglich am nächsten Morgen aufzustehen, um es zu reparieren. Er wird mit gezwirnten Hanfgarn und einer Filetnadel die defekten Stellen ausbessern müssen. Aber er ist sich sicher, dass er nur wenige Minuten für die kleinen Stellen benötigen wird. Schließlich ist es nicht das erste Mal und er hat viel Übung darin. Schon mit sechs Jahren hat er seinem Vater oft beim Ausbessern der Netze geholfen.
Nachdem am Hafen soweit alles erledigt ist, geht es auf dem Ochsenkarren in die Stadt zum Verteiler. Rumpelnd bewegt sich der Wagen über die gepflasterte Straße. Nur Minuten später sind sie schon am Stadtrand, wo gerade ein neues Haus entsteht. Das Holzskelett des einstöckigen Fachwerkhauses steht bereits. Wie hier in Sizza üblich wurde als Holzart Eiche genommen. Es ist in der Region in ausreichender Menge vorhanden, außerdem ist Eiche witterungsbeständig und widersteht Fäulnis am besten. Ein Trupp Arbeiter ist gerade dabei, in die verschalten Öffnungen zwischen den Holzbalken Strohlehm einzustampfen. Es ist eine Mischung aus Lehm und Stroh, die einfach herzustellen ist und später die Wände sehr gut isoliert.
Als Björn nach getaner Arbeit noch durch die breiten Straßen zu seinem Lehrer Roland geht, spürt er, dass die ganze Stadt Sizza von einer Unruhe befallen ist. Nicht nur er scheint den Beginn des Frühlings zu fühlen. Auch die anderen Bewohner wissen um den nahenden Zug. Es ist das Ereignis des Jahres und diesmal wird Björn dabei sein.
Langsam kommt er dem Haus seines Lehrers näher. Es ist eine kleine Holzhütte etwas außerhalb der Stadt. In der Nähe befindet sich die Lehmgrube, aus der der Grundstoff für die Wände der Fachwerkhäuser gewonnen wird. In der Grube stampfen ein paar Ochsen, die durch ihre Bewegung Lehmschlemme produzieren. Gerade wird von einigen Arbeitern Stroh hineingeworfen. Dieses wird durch das Vieh untergearbeitet und schon ist der Strohlehm gebrauchsfertig.
Als Björn das Haus seines Lehrers betritt, lächelt dieser wissend. Er scheint die Vorfreude seines Schülers zu fühlen
"Nun ist es bald soweit und du wirst uns verlassen. Ich bin so stolz auf dich. So einen guten und gelehrigen Schüler hatte ich selten."
Lachend streckt er Björn seinen einen Arm und den Stumpf des zweiten entgegen. Freundschaftlich umarmen sie sich. Roland bildet seinen jetzigen Schützling seit dessen vierten Lebensjahr aus. Über vierzehn Jahre üben sie fast jeden Tag, vom Kampf mit den bloßen Fäusten über den Umgang mit einem einfachen Stück Holz bis hin zum Schwert.
Roland ging auch vor Jahrzehnten mit dem Zug und kam nach etlichen Jahren als einer der wenigen Veteranen zurück. Er war sogar der einzige im gesamten Umkreis. Trotz seines verlorenen Armes ist er ein begnadeter Kämpfer und gibt all sein Wissen und Können an seine Schüler weiter.
Björn hatte den Armstumpf einmal aus Zufall gesehen, als einziger in der gesamten Stadt. Normalerweise achtete Roland pedantisch darauf, dass niemand sein Makel sehen konnte. Björn musste schwören, es niemanden zu erzählen. Der linke Arm endet am Ellenbogen, wie er es auch von seinem Onkel kennt. Dieser war mit dem Arm unter das Rad eines Wagens geraten und hatte ihn so verloren.
Aber bei Roland ist die Wunde nicht nur vernarbt, sondern mit einer dicken, schwarzen Schicht überzogen. Und diese setzt sich bis zur Schulter und sogar über einen Teil seiner Brust fort. Roland verbarg damals sekundenschnell alles und Björn durfte dies nie wieder ansprechen. Bis heute fragt er sich, was diese schwarze Schicht gewesen sei.
Aber jetzt liegen sie sich in den Armen und freuen sich über den bevorstehenden Zug. Zur Feier des Tages holt Roland ein Geschenk für seinen Schüler aus einem Versteck. Es ist vollständig in ein rustikales Leinentuch gehüllt und etwas über einen Meter lang.
"Mein Schüler, lange Jahre hast du hart trainiert und mit allen Waffen kannst du perfekt umgehen. Als Belohnung habe ich hier etwas ganz Besonderes für dich. In deinem Geburtsjahr ging ich, wie so oft, am Meer entlang und da sah ich am Strand etwas Merkwürdiges. Erst als ich es anhob, erkannte ich es. Ein Stück EisHolz. Du hast sicher davon gehört. Es ist extrem selten und härter als Stein. Nur sehr wenig davon befindet sich hier in unserer Stadt. Als ich es sah, wusste ich genau, was daraus werden soll, nur nicht für wen. Trotzdem machte ich mich daran und bearbeitete das Holz. Ich benötigte fast zehn Jahre, um dies zu erschaffen. Zu dieser Zeit warst du bereits mein Schüler und da wusste ich auch schon, dass du es zu deinem Zug erhalten wirst. Du bist wirklich ein würdiger Träger."
Feierlich überreicht Roland das Geschenk. Langsam und vorsichtig schlägt Björn die Tücher zur Seite. Zum Vorschein kommt ein Schwert vollständig aus EisHolz. Das dunkelrote Holz mit schwarzer Maserung ist unverwechselbar. Das Rot scheint von innen heraus zu leuchten, während das Schwarz alles Licht verschluckt. Noch nie ist ein Baum oder ein Strauch in der bekannten Welt gefunden worden, der aus so einem Holz besteht. Nur ganz selten werden Bruchstücke davon gefunden. Meist von Bauern beim Umpflügen ihrer Felder. Aber am Strand, das grenzt schon an ein Wunder, denn das Holz ist so schwer, dass es tatsächlich nicht schwimmen kann, sondern immer untergeht.
Björn kennt Schwerter aus Holz sehr gut und in vielen Trainingsstunden hat er etliche davon verschlissen. Selbst bei den aufwendig im Feuer gehärteten Holzschwertern brachen nach einigen heftigen Kämpfen die Klingen. Aber ein Schwert aus EisHolz! So eine Waffe hatte er noch nie gesehen. Gab es so etwas überhaupt? Was konnte sie? Konnte überhaupt einer dagegen ankämpfen? Und das Wichtigste: War ER überhaupt würdig, dieses Schwert zu führen?
Nachdem er schließlich sein neues, fantastisches Schwert vorsichtig ausgepackt und ein paar lockere Lufthiebe vollführt hat, greift sich Roland ein gehärtetes Holzschwert und fordert ihn zum Duell. Auch Roland selbst hat seine Schöpfung noch nie im Kampf erprobt. Nach zehn Jahren Arbeit daran und weiteren acht Jahren Hüten dieses Schatzes wie seinen Augapfel kann er es nun endlich an einen würdigen Besitzer übergeben und im Kampf bewundern.
Roland und Björn stellen sich in einem mittleren Abstand gegenüber. Dass der Abstand zweier Kämpfer "Mensur" heißt, war eines der ersten Dinge, die Björn von seinem Lehrer beigebracht bekam. Nach einer Verbeugung beginnt das Kampftraining. Roland eröffnet einen Angriff und Björn schützt sich durch eine Parade. Sein Lehrer hat ihm vielfältige Möglichkeiten hierfür aufgezeigt.
Die Paraden lassen sich grob in Körper- und Klingenparaden unterteilen. Bei einer Körperparade weicht man dem gegnerischen Angriff aus, oft reicht hier schon ein Schritt nach hinten. Während man bei einer Klingenparade die gegnerische Waffe mit der eigenen abblockt und wegdrückt. Als nächsten darf Björn einen Angriff starten und Roland pariert. Und so geht es abwechselnd immer weiter.
Nach einer kleinen Ewigkeit, so scheint es Björn zumindest, ist das Training beendet. Sein neues Schwert liegt fantastisch in seiner Hand. So gut kam er bisher mit keinem zurecht.
Als er es sich genauer anschaut, erkennt er auf dem EisHolz keinen einzigen Kratzer. Der Kampf ist absolut spurlos an ihm vorübergegangen. Roland schaut hingegen sein Schwert ungläubig an. Es besteht aus Eiche und wurde im Feuer zusätzlich gehärtet. Bisher hatte dieses Schwert in allen Übungsstunden nur wenige, kleine Schrammen abbekommen. Aber nun hat es in nur einem Kampf etliche, tiefe Scharten erhalten. Damit hat selbst der erfahrene Lehrer nicht gerechnet. Er wird ihn viel Mühe kosten, diese Schäden wieder auszubessern.
Nachdem Björn sich noch auf das Herzlichste bei seinem Lehrer bedankt hat, macht er sich erschöpft auf den Heimweg, nicht ohne sein wunderbares, neues Schwert ordentlich in Tücher zu hüllen. So stolz und unbesiegbar hat er sich noch nie in seinem Leben gefühlt. Wann wird ihn der Zug endlich an den Rand bringen? Er wird die Grenzen sprengen und seine Welt befreien. Er alleine mit seinem mächtigen Schwert.
Zu Hause isst er nur eine Kleinigkeit im Kreise seiner geliebten Familie. Zu fünft sitzen sie in der Küche an einem Holztisch und erzählen ausgiebig über die Ereignisse des Tages. Es gibt, wie abends bei ihnen üblich, leckeres Graubrot mit Butter und einigen Wurstsorten.
Danach wäscht sich Björn nur kurz und geht die Treppen hinauf in den ersten Stock. Hier befinden sich die Zimmer der drei Kinder und das Elternschlafzimmer. Vollkommen erledigt von dem langen, anstrengenden und ereignisreichen Tag legt er sich sofort ins Bett. Kaum berührt sein Kopf das Kissen, schon befindet er sich im Traumland und besteht mit Leichtigkeit die schwersten Abenteuer.
Am nächsten Morgen geht der Alltag für Björn aber erst einmal weiter. Er muss früh aufstehen, das Netz flicken und danach auf das Meer hinausfahren, um zu fischen, nachmittags den Fang zum Verteiler bringen, im Haushalt helfen und jede freie Minute zu Roland gehen, um weiter zu üben.
Die ersten Anzeichen des Frühlings treten zwar immer weiter in den Vordergrund, aber es wird noch Wochen dauern, bis der Zug hier in Sizza eintrifft. Erst zwei Wochen nach dem ersten Vollmond im Frühling ist der jährliche Termin.
Am Sonntag, wie jede Woche, schläft Björn etwas länger und frühstückt im Kreise der Familie. Seine beiden Geschwister sind neidisch, dass Björn auf die lange Reise gehen darf, aber so sagt es nun einmal das Gesetz. Nur jeweils das älteste Kind einer Familie darf mitreisen, sobald es das 18. Lebensjahr erreicht hat. Und dies ist eben Björn. Nica, seine wunderschöne Schwester, ist ein Jahr jünger und Hans, sein kleiner Bruder, sogar drei Jahre.
Nach dem Frühstück toben die drei zusammen wild im Haus herum. Nichts ist vor ihnen sicher. Wenn mal wieder ein Stuhl oder etwas anderes umfällt, meint ihre Mutter nur immer scherzhaft:
"Der Schwarze Schatten soll euch holen."
Wie sooft werden aber auch ihre Eltern in das bunte Treiben einbezogen. Lachend laufen sie über die Wiese und raufen um ein paar Früchte. Zwischendurch trinken sie im Garten am Tisch sitzend frisches Wasser, um sich zu erholen. Langsam kommen sie wieder zu Atem, während Björn auf das Gezwitscher der Vögel in den schattenspendenden Ästen über ihnen lauscht. So friedlich ist ihre Welt hier, doch wie mag es am Rand aussehen?
Aber wer will jetzt daran denken. Und schon kullern alle fünf wieder über die Wiese, versuchen sich zu kitzeln oder auf andere Art zu necken. So verrinnt die Zeit bis Mittag im Fluge.
Gemeinsam stehen sie nun auch in der Küche und bereiten das Essen zu, Kartoffeln und Lamm. Dazu gibt es frische Pfifferlinge und Steinpilze. Es ist eins von Björns Lieblingsgerichten, denn seine Mutter will ihn, solange er noch hier in der Stadt lebt, verwöhnen und ihm alles erdenklich Gute zukommen lassen. Auch die anderen genießen das kleine Festmahl und so wird lange und ausgiebig geschlemmt. Nur ein paar wenige Knochen erinnern am Ende an dieses wohlschmeckende Mahl.
Nachdem abgewaschen und das Geschirr wieder verstaut ist, gibt es einen kleinen Verdauungsspaziergang durch die benachbarten Gässchen der Stadt, über die sauber gepflasterten Steinwege, vorbei an gepflegten Häusern. In jedem Vorgarten blühen die ersten Blumen und verströmen einen betörenden Duft. Es wird gegrüßt und gelacht, hier ein kleiner Plausch und dort ein kleiner Tratsch. So vergeht Tag um Tag, Woche um Woche.
In den Tagen nach Vollmond füllt sich die Stadt. Aus den benachbarten Dörfern und Gehöften kommen weitere Teilnehmer des Zuges, um auf dessen Ankunft zu warten. Freundlich werden die Neuankömmlinge von den Sizzanern begrüßt. Viele räumen in ihren Häusern ein Zimmer frei, um ihnen Unterkunft zu gewähren. Gastfreundschaft wird hier schon immer großgeschrieben. Besonders gegenüber den Teilnehmern des Zuges.
In den lauen Abendstunden werden an vielen Stellen der Stadt Feste gefeiert. Musiker spielen zum Tanz auf und von den Bewohnern der Häuser wird Wein und Gebäck nach außen gereicht. Einwohner von Sizza tanzen mit den Neuankömmlingen und immer wieder wird auf das schöne Leben in diesem Land angestoßen.
Seit Menschengedenken gibt es innerhalb der bekannten Welt keine Kriege mehr. Es kann sich nicht einmal jemand einen Krieg zwischen Menschen vorstellen. Warum sollten auch Menschen gegen Menschen kämpfen?
Für den Frieden sorgen seit Ewigkeiten die Teilnehmer des Zuges an der Grenze, wo ein immerwährender Kampf stattfindet, um den Gegner abzuwehren.
Alle Menschen haben ausreichend zu Essen und Trinken. Es gibt keine Armut und kein Unrecht. Alle hergestellten Waren und die gesamte Nahrung werden über die Verteiler gerecht an die Bürger verteilt.
In jedem Dorf und jeder Stadt existiert diese Einrichtung. Die Arbeiter dort nehmen die Dinge an, lagern sie ein oder verteilen sie weiter. Keiner bekommt mehr als nötig und nie einer zu wenig. Die Weisen stimmen sich auch unterhalb der Dörfer und Städte ab.
Ist in einer Region zum Beispiel durch Dürre die Nahrung knapp, so geben die anderen Teile ihrer Vorräte dorthin ab. Dieses System hat sich seit langer Zeit bewährt und so wurden bereits viele Krisen erfolgreich gemeistert.
Vor etwa fünf Jahren waren in der benachbarten Stadt Elms die Ernten nach einem verregneten Sommer extrem schlecht ausgefallen. Verschärfend kam noch hinzu, dass sich in diesem Jahr auf den dortigen Roggenfeldern das Mutterkorn[1], ein schmarotzender Pilz, ausgebreitet und die gesamten Mehlvorräte verunreinigt hatte. Zum Glück erkannte man dies bereits nach den ersten leichteren Erkrankungen sofort und vernichtete Mehl und Brot.
Somit war aber der Verteiler um einen Großteil seiner Vorräte für den Winter gebracht. Die Weisen der Stadt Elms reagierten sofort und schickten Boten aus, um Hilfe der Nachbargemeinden zu erbitten. Bereits kurze Zeit später trafen Ochsenkarren um Ochsenkarren mit neuen Vorräten ein. Elms war gerettet und der Bevölkerung ging es auch im darauffolgenden Winter den Umständen entsprechend gut.
Wer weiß, was ohne die sofortige Hilfe gewesen wäre. Keiner möchte sich das entsetzliche Leiden der Bevölkerung ausmalen, wenn alle im Winter hungern müssen, die Wege zugeschneit sind und keine Möglichkeit besteht, an ausreichend Nahrung zu gelangen.
Nur durch die bewährte Organisation der Verteiler unter Aufsicht der Weisen können solche Szenarien auch in Zukunft abgewendet werden. Nur durch gegenseitige Hilfe und Unterstützung können alle ein sorgenfreies Leben führen.