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VORWORT

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Schon immer wollte ich eine Geschichte über den Marktplatz in meiner Gegend schreiben, irgendwo im Südosten Berlins.

Der Markt ist das Gesicht jedes Ortes und gleichzeitig der Seismograf, er registriert die kleinsten Schwankungen und zeigt im Kleinen, was kurz danach im Großen passiert.

Auf dem Markt sah ich immer die gleichen Leute, die Darsteller des Marktes. Wer sind diese Leute, sind sie das Volk? Wenn ja, hat das Volk dann ein Gesicht oder viele Gesichter oder bleiben sie anonym und ohne Gesicht? Schreiben die Leute vom Markt auch Geschichte oder nur Geschichten in der Geschichte? Sind sie repräsentativ für das Volk oder nur ein beliebiger Ausschnitt, für die Sorgen, Ansichten, Eigenschaften und Erwartungen der Masse?

Ich wusste es nicht, nur dass es die Leute gab, sie waren da, Tag für Tag. Eine Zeit lang war ich Beobachter, das Brennglas am Markt, sah ihre Gesichter, ihre Bewegungen und stellte mir ihre Hoffnungen und Ängste vor und alles andere. Dann begann ich zu schreiben, wollte der Sache eine Richtung geben. Nach den ersten Seiten war ich überzeugt, die Richtung gefunden zu haben.

Dann kam Corona, die Richtung löste sich auf, der Markt auch, obwohl er doch blieb. Nun gab es jeden Tag neue Richtungen, aber kaum Ziele. Die Akteure mussten über sich hinauswachsen, konnten es aber nicht. Die Probleme wurden größer, die Akteure nicht. Mal waren sie gut, mal waren sie böse, meistens blieben sie dazwischen, wie die meisten Menschen auch.

Die Akteure vom Markt traten aus ihrer Anonymität und Beliebigkeit und bekamen ein Gesicht, nun waren sie mittendrin statt nur dabei. Der Markt war nun repräsentativ, er zeigte das Gesicht der Masse, im Guten wie im Bösen und in der Grauzone auch. Die Akteure vom Markt wurden nicht zu Helden, sie wollten nur ein bisschen Anerkennung, Würde und Hoffnung, aber Gier, Neid und Missgunst waren ihnen auch nicht fremd.

Auf der Suche nach dem Glück waren sie trickreich und bauernschlau. Trotzdem blieben viele Fragen offen, mit Corona und ohne Corona. Corona stellte nur zu viele Fragen auf einmal.

Viele Fragen werden auch morgen nicht beantwortet sein, die Antworten werden im Verborgenen bleiben, vielleicht gibt es sie auch nicht. Dennoch haben die Akteure vom Markt viel gelernt. Auf der Suche nach der Wahrheit mussten sie feststellen, dass es die Wahrheit gar nicht gibt.

Sie kämpften in den Gräben der Ideologie und der Überzeugung, für die Wahrheit zu stehen. Dabei hatte jeder seine Wahrheit, die war dann zu klein, um die anderen zu überzeugen.

Der eine sieht es so und der andere so. Zusammen suchten sie das Traumschiff und das Paradies, darin verloren sie sich, die Ziele blieben in der Ferne zurück.

Am Ende bleibt uns der Humor und die Erkenntnis, dass die Dinge sind, wie sie sind. Mehr wird nie sein, die Leute vom Markt können es nicht besser, alle anderen auch nicht.

JENSEITS VON OSCHERSLEBEN

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