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Start der Diakonenausbildung im Rauhen Haus in Hamburg

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Am 1. April 1954 kehre ich wieder zurück nach Hamburg. Vier Jahre habe ich auf diesen Tag des Eintritts in eine Diakonenanstalt gewartet. Nun ist es endlich soweit. Mit mir zusammen treten am 1. April noch zwei weitere Diakonenschüler den Dienst an: Johannes Gebauer und Walter Lorenz.

Johannes Gebauer – Walter Lorenz

Da ich den weitesten Weg habe, komme ich als letzter der drei, ich bin also der Dienstjüngste.

Die Anstaltshierarchie

Ja, das Dienstalter spielt 1954 und noch etliche weitere Jahre für die Hierarchie im Rauhen Hause eine entscheidende Rolle. Es herrschen klare Verhältnisse. Der jeweils dienstältere Bruder ist in der Rangordnung dem dienstjüngeren übergeordnet. Ich wage es als Neuling, einen dienstälteren „Bruder“ zu duzen und werde zusammengepfiffen, ob wir denn zusammen im Sandkasten gespielt hätten, er verlange gefälligst, dass ich ihn sieze. Es war Bruno Schulze. Als ich ihn viele Jahre später darauf anspreche, will er es nicht mehr wahrhaben, denn inzwischen unterrichtet er als Professor an der Fachhochschule des Rauhen Hauses im Kreise der von der 1968er-Bewegung geprägten Dozenten und dem Prinzip der Egalität verbundenen emanzipierten Studenten. Fünfzehn Jahre später wird man diese von mir vorgefundene und akzeptierte Hierarchie „feudalistisch“ nennen. Aus der Feudalzeit stammen tatsächlich einige gängige Begriffe, die sich aus der wichernschen Epoche herübergerettet haben.

Der leitende Pastor ist der „Direktor“, und er hat tatsächlich eine Position nach Gutsherrenart. Die Brüderhausvorsteher hatten im 19. Jahrhundert und weit bis ins 20. Jahrhundert hinein eine unangefochtene Patriarchenstellung. Diese galt in einigen Brüderhäusern, die nach dem „Mutterhausprinzip“ arbeiteten, etwa in Nazareth/Bethel, bis in die 1960er Jahre mit uneingeschränktem Sendungsprinzip als selbstverständlich, auch für gestandene Männer und bereits examinierte Diakone mit lebenslanger Unterordnung und Gehorsam bei ihrem beruflichen Einsatz. Das Rauhe Haus ist in punkto Sendungsprinzip und freie Stellenwahl Mitte der 1950er Jahre schon sehr liberal. Der fertige Diakon kann zwar die Hilfe des Brüderhauses bei Stellensuche und Erstellung des Dienstvertrages in Anspruch nehmen, sich seine Arbeitsstellen aber selbst wählen, soll jedoch laut Brüderordnung das Rauhe Haus über jeden Stellenwechsel informieren.

Die hauptamtlich verantwortlichen Diakone im Rauhen Haus nennen sich „Inspektoren“, ähnlich wie die Verwalter auf einer landwirtschaftlichen Domäne, und sie haben in ihrem Verantwortungsbereich weitreichende Vollmachten. Der für den manuellen Arbeitseinsatz in der „Anstalt“ verantwortliche Bruder wird „Vogt“ genannt und handelt nach den Weisungen des Wirtschaftsinspektors und Konviktmeisters (das Amt des Konviktmeisters ist mit der heutigen Funktion nicht vergleichbar). Es werden also Bezeichnungen benutzt, wie sie in den Gutsverwaltungen bis in diese Zeit hinein üblich waren. Begriffe wie „Mitbestimmung“ sind Mitte der 1950er Jahre im internen Bereich des Rauhen Hauses und auch bei den anderen Brüderhäusern völlig unbekannt und undenkbar. Bis zum ersten Weltkrieg hatten auch die fertig ausgebildeten Diakone in den Brüderschaften keinerlei Mitbestimmungsrecht. Die am Ende des 19. Jahrhunderts von Johannes Wichern ausgestellten Zeugnisse für Brüder des Rauhen Hauses enthielten noch einen Passus, wonach die Gültigkeit des Zeugnisses erlischt, wenn der Bruder nicht mehr den Dienst wahrnimmt, in den ihn das Rauhe Haus entsandt hat. Alle Entscheidungen trafen die Vorsteher, es waren immer Theologen, selber. Erst nach dem Ende des 1. Weltkrieges und mit zunehmender beruflicher und fachlicher Professionalisierung in den 1920er und 30er Jahren emanzipierten sich die Diakone, besonders durch die „doppelte Qualifikation“ durch ein staatlich anerkanntes Examen als Wohlfahrts- oder Krankenpfleger von „Gehilfen“ der Pastoren zu einem eigenständigen Berufsstand mit eigenem fachlichen Aufgabenbereich und entsprechendem Standesbewusstsein. Noch Ende der 1950er Jahre versuchte ein Pastor in Hamburg-Rothenburgsort, „seinen“ Diakon als persönlichen Aktentaschenträger auf seinen Dienstgängen zu missbrauchen.

Am Tage des Eintritts erhalte ich einen „Laufzettel“, mit dem ich mich bei einigen wichtigen Persönlichkeiten der Anstalt melden muss: Bruder Friedrich Düwel, ein älterer Diakon, verwaltet das Diakonenbüro mit den Brüderakten. Er erzählt mir, dass er Anfang der 1920er Jahre zusammen mit Kurt Esmarch das Hamburger Hafenkonzert, die älteste deutsche Rundfunklivesendung, mitbegründet habe. Düwel war wohl früher selber mal zur See gefahren und weiß spannend Seemannsgarn zu erzählen. Außerdem spricht er in der Weise eines Franz von Assisi mit den Vögeln, die vor seinem Bürofenster von den dort rot prangenden Vogelbeeren fressen.

Als Nächstes führt mich mein Weg zu Pastor Gotthold Donndorf, dem Direktor des Rauhen Hauses, einem würdevollen, von liberaler Theologie geprägten Patriarchen, der seit 1939 in diesem Amt ist.


Gotthold und Juliane Donndorf

Auch „Frau Pastor“ Juliane Donndorf hat ein gewichtiges Wörtchen in der Hierarchie mitzureden. Sie wacht über sittsames und wohlanständiges Benehmen der jungen Brüder, die ja schließlich in der gutbürgerlichen Gesellschaft, von der der kirchliche Betrieb geprägt ist, nicht unangenehm auffallen dürfen. So mancher junge Bruder wird von ihr beiseite genommen und über falsches Verhalten bei Tisch oder anderen Lebenssituationen aufgeklärt.

Ferner muss ich zu Bruder Friedrich Jahnke, dem damaligen Brüderältesten, der dieses Amt neben seinem Job als Geschäftsführer des Evangelischen Hilfswerkes und der Inneren Mission in Hamburg (Amt für Gemeindedienst) ausübt, einem begabten und umsichtigen Mann und Hansdampf in allen diakonischen Gassen, dem die Diakonenschaft berufspolitisch viel zu verdanken hat und, der wesentlich an der Emanzipation der Diakone mitgewirkt hat.


Jahnke hält sich nur alle paar Tage mal für einige Stunden im Rauhen Hause auf.


Er ist Geburtsjahrgang 1903, Sohn eines Rauhhäusler Diakons, der im Alter von 48 Jahren „an Überarbeitung verstarb“. Daraufhin beschloss Friedrich: „Ich werde, was mein Vater war!“, brach seine Gymnasialausbildung ab und ging ins Rauhe Haus, wo er zeitgleich mit August Füßinger ausgebildet wurde. Friedrich Jahnke war schon zu Beginn der NS-Zeit Landeswart der Bezirksgruppe Hamburg des Deutschen Diakonenverbandes und Wortführer der gemäßigten deutschchristlichen Richtung der Brüderschaft des Rauhen Hauses und hatte auch die später viel gescholtene Ergebenheitsentschließung formuliert, die der Deutsche Diakonentag 1933 an die Reichsleitung der Deutschen Christen richtete:

Die an der Geburtsstätte des erneuerten Diakonenamtes, dem Rauhen Hause, zum 9. Deutschen Diakonentage versammelten 1.000 deutschen Diakone versichern der Reichsleitung der „Deutschen Christen“ ihre Treue und stellen sich geschlossen und vorbehaltlos hinter ihre Führung. Sie erwarten, dass diejenigen Diakone, die sich dieser Bewegung noch nicht angeschlossen haben, ihren organisatorischen Beitritt unverzüglich erklären. – Wir begrüßen den nationalsozialistischen Aufbruch unseres Volkes als eine Gnade Gottes und nehmen mit unserem ganzen Sein, Denken, Fühlen und Wollen daran teil, hoffend, dass nun Volk und Kirche eine lebendige Gemeinschaft werde. Wir bieten der Kirche erneut, wie einst Wichern schon, unseren Dienst an, um im notwendigen Helferdienst am Leben mitzuwirken, dass endlich die deutsche evangelische Volkskirche des Dritten Reiches werde, in der alle evangelischen Deutschen Heimatrecht finden.“

(Siehe Martin Häusler: „Dienst an Kirche und Volk“, S. 246)


Deutscher Diakonentag 1933 – vor der alten Wichernschule

Nach dem Kriege ist Jahnke als aktives CDU-Mitglied in der Hamburger Kommunalpolitik stark engagiert. Sein kirchenpolitisches Engagement im Dritten Reich bringt ihm in den 1970er Jahren bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit erhebliche Vorwürfe ein.

Der für alle Ausbildungsbrüder wichtigste Mann ist danach an der Reihe: Bruder August Füßinger (siehe Band 11 „Genossen der Barmherzigkeit“).

Er verdient besondere ausführlichere Erwähnung, denn er bestimmt zwischen 1927 und 1966 als graue Eminenz, Konviktmeister und Erziehungsinspektor, später zeitweise auch als Brüderältester, das Leben im Rauhen Haus und das Schicksal jeden einzelnen Ausbildungsbruders in jener Zeit entscheidend mit. Nach Meinung des Vorstehers des Rauhen Hauses Mitte der 1930er Jahre, Pastor Wegeleben, war August Füßinger schon damals „der ungekrönte König des Rauhen Hauses“. „Fü“, wie wir ihn kurz nennen, wurde am 13.09.1900 in München als Sohn des Maschinenschlossers Otto Fühsinger geboren. Die katholische Familie zog 1904 von München nach Wesermünde-Lehe (heute Bremerhaven). 1914 konvertierte die Familie wegen unüberbrückbarer Streitigkeiten mit dem katholischen Geistlichen und Lehrer und einer nicht gerechtfertigten körperlichen Züchtigung von Sohn August durch diesen. Sie wurde Mitglied der evangelisch-reformierten Gemeinde in Lehe. Dementsprechend hat August Füßinger profunde Kenntnisse katholischer Dogmen, Riten und Denkungsart, was gelegentlich in Gesprächen angewendet wird und in seiner Denk- und Handlungsweise auch immer wieder durchbricht. Der Vater Otto Fühsinger war beim Norddeutschen Lloyd tätig und wurde bald Werkmeister. Seine fünf Söhne absolvierten beim Norddeutschen Lloyd eine Lehre. August Füßinger hatte den Beruf eines Elektromechanikers erlernt und darin fünf Jahre lang gearbeitet. In seiner Freizeit war er für den Christlichen Verein junger Männer (CVJM) tätig und wurde schließlich dessen zweiter Vorsitzender. Der erste Vorsitzende war Pastor Rosenboom, der ihm eine Ausbildung im Rauhen Haus empfahl und ihn auch zu seinem Antrittsbesuch nach Hamburg begleitete.

Ins Rauhe Haus trat er am 1.10.1923 ein. Das Diakonenexamen bestand er am 21.03.1927, wurde am 22.03.1927 Oberhelfer im Rauhen Haus, am 1.10.1927 Anstaltsinspektor und am 1.07.1928 der für die praktische Brüderausbildung verantwortliche Konviktmeister. Er wollte nach seiner Ausbildung nicht im Rauhen Hause tätig sein, da er das Kommen und Gehen seiner potentiellen Vorgänger beobachtet hatte und das Rauhe Haus zu diesem Zeitpunkt praktisch zahlungsunfähig war. Die Anstalt rettete sich durch Landverkäufe, z. B. gegenüber dem Horner Weg 170 - auch der Holstenhof wurde verkauft.


Das Rauhe Haus war auch eine Ausbildungsstätte für Hauswirtschaft, die unter dem Regiment von Frau Runge stand. Bruder Runge war zu der Zeit als Inspektor im Rauhen Hause tätig. Mädchen aus christlichen Familien wurden dort in allen hauswirtschaftlichen Fächern ausgebildet. Etliche Ehen mit Brüdern sind aus dieser Stätte entstanden, so fand auch August Füßinger hier seine Frau. Am 23.03.1928 heiratete er Elisabeth Holve aus Hemer in Westfalen, die ihm zwei Söhne gebar und ihm fleißig und aufopfernd als Wirtschafts- und Küchenleiterin beruflich zur Seite stand. Fü: „Die Westfalen haben eine hohe Wohnkultur und ihre Frauen verstehen die Kunst, mit wenig gut zu kochen. Ich hielt ja von Natur aus nicht viel von der Einrichtung Ehe, aber als ich 1922 zu einem Besuch in Westfalen war, stand für mich fest: Wenn ich eine Frau heirate, dann nur aus diesem Land.“ – „Man hat mir gesagt, mit der Wahl meiner Frau habe ich die größte Leistung meiner Menschenkenntnis erwiesen.“ – „Darüber, wie ich meine Frau kennen gelernt haben soll, erzählt man sich viele Geschichten. So soll ich meine Taschenuhr gezogen und zu ihr gesagt haben: ‚Wenn Sie meine Frau werden wollen, überlegen Sie sich das. Es ist jetzt 9 Uhr. Bis 12 Uhr sagen Sie mir Bescheid.’“

Nach Einführung der Wohlfahrtspflegerausbildung im Rauhen Haus bestand Füßinger das staatliche anerkannte Wohlfahrtspflegerexamen am 13.6.1930.

Das Rauhe Haus benötigte damals dringend einen Sanierer mit Härte und Konsequenz und war deshalb auch zu Zugeständnissen bereit. August Füßinger setzte als vermutlich erster Diakon einen unkündbaren Anstellungsvertrag nach Beamtenrecht durch, ein Musterfall für viele spätere Diakonen-Anstellungsverträge.

Die Sanierungsmaßnahmen bezogen sich sowohl auf die Kosten- als auch auf die Einnahmeseite. Beispielsweise wurden alle Gehälter um 10% gekürzt. Mit der Stadt Berlin wurde ein Vertrag zur Aufnahme von Fürsorgezöglingen abgeschlossen, die dann in der Fischerhütte untergebracht wurden. Beispielsweise war im großen Speisesaal des Wirtschaftsgebäudes (heute steht dort die Mitte der Wichernschule) nicht genügend Geschirr und Bestecks für alle Essenden vorhanden. Das sofortige Abräumen nach dem Essen war nicht Ausdruck übertriebener Ordnungsliebe, sondern aus der Not geboren. Nach sofortigem Spülen kamen Geschirr und Bestecke sogleich wieder zum Einsatz. Aus dieser Zeit stammt August's extreme Sparsamkeit, die Angst vor Liquiditätsproblemen und vor Zinslasten. Nach seinen Erfahrungen war eine Anstalt wie das Rauhe Haus mit ihrem sehr langsamen Kapitalumschlag nicht in der Lage, Zinsen mit normalen Zinssätzen zu erwirtschaften. Die Notwendigkeit eisernen Sparens blieb bis weit nach dem 2. Weltkrieg zwingendes Gebot, zumal die Anstalt nach den Bombenschäden fast gänzlich wieder aufgebaut werden musste. Da das Rauhe Haus nach Wicherns Konzeption ein offenes Gelände ohne Einzäunung sein sollte, sich aber langsam Gewohnheitsrechte regen Durchgangsverkehrs zu entwickeln drohten, wurde unter Füßingers Einfluss ein stabiler Eisenzaun rund um das Anstaltsgelände herum gezogen. Sonst ging der weitere Aufbau im Vergleich zu anderen Anstalten (z.B. Alsterdorf) wegen Füßingers Bedenken gegen Kredite und Zinsen sehr langsam voran. Pastor Donndorf war ein begnadeter Spendenwerber, der nach dem Vorsteherwechsel schnell die notwendige Liquidität schaffte. Bezüglich der Kosten war jedoch weiterhin äußerste Sparsamkeit angesagt. Die Arbeitsleistung der Ausbildungsbrüder trug wesentlich dazu bei. Aber auch das von Füßinger und seiner Frau aufgebaute Beziehungsnetz zur Veiling, Gemüsegroßmarkt, Lebensmittelverarbeitern ect. ermöglichte kostengünstigen Einkauf oder kostenfreie Abholung von nicht absetzbarem Obst, Gemüse und anderen Lebensmitteln. Die sofort erforderliche Verarbeitung machte eine große Flexibilität des Speiseplanes wichtig, was öfter zu Differenzen mit Frau Donndorf führte. Eine größere Käsespende aus den USA konnte trotz guter Qualität wegen geschmacklicher Schärfe der Ware nicht in der eigenen Küche verbraucht werden. So wurde sie einer Käsefabrik im Austausch gegen Streichkäse angeboten. Auch bei Personalkosten in Küche und Gartenpflege wurde gespart. Neben Ausbildungsbrüdern wurden behinderte Frauen und Männer durch Vermittlung des beim Arbeitsamt tätigen Bruders Mielenz eingesetzt, gleichzeitig eine sinnvolle Arbeitstherapie für die sonst schwer vermittelbaren Behinderten. Sowohl die Mitarbeiterführung als auch der sparsame Einkauf erforderten vom Ehepaar Füßinger außergewöhnlichen Einsatz.

Füßinger wurde 1933 auf Wunsch des damaligen Vorstehers des Rauhen Hauses, Pastor Fritz Engelke, Parteigenosse der NSDAP: „In der Hauskonferenz wurde vereinbart, dass der Vorsteher und der Brüderälteste nicht eintreten, während der Oberstudiendirektor, der Büroleiter und ich der Partei beitreten würden.“ Damit wollte die Leitung des Rauhen Hauses verhindern, dass die Anstalt von einem NS-Staatskommissar übernommen werden würde. Später übernahm Füßinger das Amt des Kreisamtsleiters der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV). Von diesem Ehrenamt trat er 1935 zurück, als es hauptamtlich wurde. Er sah seine Aufgabe im Rauhen Haus. Der Rang „Kreisamtsleiter“ konnte ihm jedoch nicht genommen werden, was sich im 3. Reich noch als hilfreich, nach dem Kriege jedoch als nachteilig erwies. Der „Reichsführer“ der Diakone, Fritz Weigt, berief Füßinger 1933 in den „Führerrat“ der Deutschen Diakonenschaft. Michael Häusler kennzeichnet Fü in seiner Studie „Dienst an Kirche und Volk“ als „...einen mit der Kirche verbundenen, aber theologisch indifferenten Pragmatiker, der in der Diakonenschaft wie auch im eigenen Brüderhaus stets auf weitgehende politische Loyalität gegenüber dem nationalsozialistischen Staat drängte...


Diakon August Füßinger – von mir gezeichnet


Als Taktiker war er bereit, „alle mögliche Unbill zu schlucken“. Fü: „Wenn andere im Himmel Bescheid wissen, dann weiß ich auf der Erde Bescheid.“ Füßinger warnte vor einem voreiligen Abrücken von den Deutschen Christen, denn es sei „für die Kirche entscheidend, ob Hitler auf ihrer Seite steht“, eine Haltung, die er auch innerhalb der deutschen Diakonenschaft vertrat.“ Im Auftrag der Schulleitung machte Bruder Füßinger die Diakonenschüler darauf aufmerksam, dass sie nur zur Wohlfahrtspflegerprüfung zugelassen werden können, wenn sie einer Gliederung der NSDAP angehören. Er riet den Brüdern, daran die staatliche Prüfung nicht scheitern zu lassen und versorgte etliche Brüder mit einer Bescheinigung über ihr Mitwirken bei der NSV. Dabei wählten die wenigsten Brüder aufgrund einer Überzeugung eine bestimmte Organisation; die meisten von ihnen versuchten, mit dem geringsten Aufwand den größten Erfolg für ihren Berufsweg zu erzielen. Nachdem das eigene Jungvolk-Fähnlein (Nr.282) unter der Führung des angestellten Fähnleinführers Kakerbeck und die SA-Schar der Brüder unter Leitung von Bruder Wilhelm Koch nicht ausreichten, die Begehrlichkeiten der NS-Funktionäre bezüglich Jugendführung durch das Rauhe Haus zu bremsen, wurde 1937 ein neues Arbeitsgebiet eröffnet. August Füßinger hatte an der Gründung des Altenheimes im Goldenen Boden unter Leitung von Schwester Else Burrow maßgeblichen Anteil. Dieses Arbeitsgebiet war für den auf die Jugend konzentrierten NS-Staat uninteressant. Aber die private Wichernschule, in die viele Eltern, die bezüglich der NSDAP skeptisch waren, ihre Kinder schickten, blieb den Nazis ein störender Faktor. Von außen, aber auch teilweise von innen (z. B. durch den damaligen Schulleiter und fanatischen Nazi Ackermann) wurde die Verstaatlichung der Schule betrieben und 1940 vollzogen. Füßinger hatte alle Punkte eines Mietvertrages sehr intensiv und zu Gunsten des Rauhen Hauses verhandelt. Dann sollte das Rauhe Haus zu einer SS-Heimschule gemacht werden. Wegen des für den Staat ungünstigen Mietvertrages für die Schule musste zunächst Füßinger ausgeschaltet werden. 1941 wurde er per Seitenwagenmotorrad zur Musterung abgeholt. In seiner Akte beim WBK wurde er als vorbestraft geführt, was zwangsläufig Infanterie und Russlandeinsatz zur Folge gehabt hätte. Aber er fand einen Gesprächspartner, der die üblen Absichten durchschaute, den unehrenhaften Vermerk löschte und ihn für die Marineinfanterie einzog. Dadurch blieb er in Schleswig-Holstein und betrieb unter Nutzung der Erfahrungen aus seinen Lehr- und Berufsjahren beim Norddeutschen Lloyd ein Stromaggregat für die Scheinwerfer der Flugzeugabwehr. An freien Tagen und im Urlaub stand er dem Rauhen Haus zur Verfügung, um zu retten, was noch zu retten war. Jetzt befand er sich unter dem Schutz der Marine und war im Gegensatz zu früher vor weiteren Gestapoverhören einigermaßen sicher.

Nach der anfänglichen Begeisterung der deutschen Diakonenschaft für die nationalsozialistische Bewegung, die insbesondere auf dem Hamburger Diakonentag anlässlich des 100jährigen Jubiläums des Rauhen Hauses 1933 ihren Höhepunkt fand und noch große Hoffnungen - auch für das volksmissionarische Anliegen der Diakone – in die „neue Zeit“ setzte, wollte man später gegenüber dem Machtanspruch der Nazis im Rahmen der „Entkonfessionalisierung“ durch allerlei Anpassungstricks versuchen, der Umklammerung und später der Verstaatlichung des Rauhen Hauses zu entgehen.

Wegen seiner Funktion bei der NSV saß er nach dem Zusammenbruch 1945 zwei Jahre bis 1947 bei der britischen Besatzungsmacht im Internierungslager. Im anschließenden Entnazifizierungsverfahren 1947 erhielt er Berufsverbot. Zu dieser Zeit wurde der erste Abschnitt des Goldenen Bodens wieder aufgebaut. Damit August Füßinger dem Rauhen Haus trotz des Verbotes wieder zur Verfügung stehen konnte, hatte ihn der ausführende Bauunternehmer Hammers bis zur Aufhebung des Berufsverbotes angestellt. Bruder Gottfried Scheer, der später mit dem Herausgeber dieses Buches zusammen in Dortmund als Geschäftsführer bei der Inneren Mission arbeitete, stand Fü lange Jahre ablehnend gegenüber und verurteilte besonders sein Verhalten während der NS-Zeit, bis er eines Tages ein Gespräch mit ihm unter vier Augen hatte und von Fü Details erfuhr, die ihn in seiner Meinung gegenüber Füßinger völlig umschwenken ließen. Fortan redete er nur noch in Hochachtung über diesen Mann.


Füßinger arbeitet unentwegt vom frühen Morgen bis tief in die Nacht hinein. Er fährt grundsätzlich erst immer spät abends zum Katten- oder Brüderhof, den Zweiganstalten im Norden Hamburgs, weil dann kaum noch Verkehr herrscht und in der Anstalt keine großen Probleme mehr zu befürchten sind. Neben ihm sitzt dann meistens seine Frau, die ihn knufft, wenn das Auto wegen seiner Übermüdung ins Schlingern kommt. Auf den hinteren Sitzen fahren ein oder zwei Ausbildungsbrüder mit, die den VW-Bus auf den Höfen zu ent- und beladen haben.


Es ist erstaunlich, was da alles hin- und her transportiert wird: Milchpulver und Käse aus amerikanischen Spenden zu den Höfen und Fleisch ect. von den Höfen ins Rauhe Haus zurück. Gegen Mitternacht kommt man dann auf dem Kattendorfer Hof oder dem Brüderhof bei Harksheide, mitten im Moor, an. Anschließend folgt in der Nacht die Rückfahrt.

Fü redet nicht mehr, als er für unbedingt nötig hält und verabscheut unnötiges Geschwätz. Er bemüht sich, den Diakonenschülern eine „präzise Ausdrucksweise“ beizubringen und ihnen „leere Phrasen“ abzugewöhnen. Fü ist in der Brüderschaft sehr umstritten. Wegen seiner spröden und konservativen Art und oft wunderlichen Ansichten und Entschlüsse mögen ihn viele seiner Mitmenschen nicht. Sein Gerechtigkeitssinn und sein diakonischer Opfergeist bringen ihm aber auch viel Freundschaft und Anerkennung ein. Etliche ältere Brüder verehren ihn. Akademikern gegenüber ist er sehr skeptisch. Sie müssen ihm ihre Lebenstüchtigkeit in der Praxis erst unter Beweis stellen, bevor er ihre Leistung gelten lässt. – Fü hält viel von Physiognomie und Graphologie. Er schwört bei der Einschätzung ihm bisher unbekannter Menschen auf Lichtbild und Schriftprobe. Eltern, die ihre Söhne dem Rauhen Haus zur Erziehung anvertrauen wollen und sich um einen Platz bewerben, müssen ihm von diesen auch immer Bild und Schriftprobe vorlegen. – Fü ist durch und durch Sicherheitsfanatiker. Als ich ihn später einmal von Soest aus mit dem Auto mitnehme, ermahnt er mich immer wieder, ja nicht so schnell zu fahren, er habe ständig Angst vor einem Unfall. Er selber „schleicht“ als Autofahrer immer und hält den Verkehr hinter sich auf. – Ich kenne ihn nur mit Nickelbrille und in schwarzem Anzug mit schwarzer Krawatte. Füßinger spricht immer etwas näselnd. Einige seiner Zitate mögen ihn mit seinen eigenen Worten charakterisieren: „Samariter sein wollen mit Rat und Tat: das ist unser Lebenselexier.“ – „Wahrheit ist die beste Taktik.“ – „Leere Töpfe klappern am meisten.“ – „Es menschelt überall.“ – „Der erste Griff ist der nach einem verbotenen Apfel, der zweite ist der Griff in die Kirchenkasse.“ - „Die Weisheit hat nichts mit Großmächtigkeit zu tun.“ – „Die Demokratie endet an den Mauern des Rauhen Hauses.“ – „Zwischen einem Bruder und einer Haustochter steht am besten immer ein breiter Tisch.“ – „Wer gut verheiratet ist, der hat ein natürlich gutes Ansehen.“ – „Die Ehe ist die Verknüpfung des Herzhaften mit dem Maßvollen.“ – „Die Vernunftehe richtiger Prägung ist eine Neigungsehe mit sozialer Durchführbarkeit.“ – „Komplikationen in der Ehe kann man nicht zurechtreden, sondern nur zurechtschweigen.“ – „Man soll der Frau immer das letzte Wort, dem Mann aber die letzte Entscheidung lassen.“ – „Der Schrei nach dem Kinde wird bei der Frau nicht verstummen.“ – „Nach dem zweiten Kind hört die Gemütlichkeit auf.“ – Über die Frauen behauptet er: „Sie sagen nicht, was sie denken, und denken nicht, was sie sagen.“ – „Eine gute Frau ist immer schön, auch wenn sie einen Buckel hat.“ – „Die Frau soll im allgemeinen 7 bis 9 Jahre älter als die halben Lebensjahre des Mannes sein.“ –„Im weiblichen Wesen ist eine atmosphärische Kraft vorhanden.“ – „Eine untüchtige Frau ist eine dauernde Missernte.“ – Ein Soll-Zitat: „ Für unsere Brüder haben wir immer Arbeit, und wenn sie einen Haufen Dreck von hier nach dort und von dort wieder nach hier karren müssen.“ – Brüder, die sich nicht mit der kirchlichen Verwaltungsprüfung anfreunden wollten, gab er zu bedenken: „Denken Sie auch mal an das Alter, wenn Sie in der Jugendarbeit und als Treppenterrier nicht mehr taugen.“ – Fü machte sich auch gerne das Bismarckzitat zueigen: „Gelogen wird am meisten vor der Wahl, im Kriege und nach der Jagd.“ - Über sich selber sagte er: „Ich habe ein besonderes Verhältnis zu Metall. Auch wenn ich Millionär wäre, würde ich nur in Metallbetten schlafen.“ – „Ich war in meinem Leben nur bei zwei Arbeitgebern tätig: beim Hamburger Lloyd und beim Rauhen Haus.“ – „Ich pflege alle Erfahrungen nur einmal zu machen, wenn ich sie überhaupt an mich herankommen lasse.“ – „Fremde, etwa Mitreisende im Zug, schätzen mich entweder als Pastor oder als Kriminalbeamten ein.“ – „Niemand war in der 130jährigen Geschichte des Rauhen Hauses dort so lange mit Verantwortung tätig wie ich.“ – Von seinen Nachfolgern im Rauhen Haus erwartet er, „...dass sie den jetzigen Status dem Jahre 2000 kräftig entgegenführen.“

Am 1. April 1966 traten August Füßinger und seine Frau nach fast 40jähriger aufopfernder Tätigkeit für das Rauhe Haus in den Ruhestand. Ein Zitat im Juni 1966: „Jetzt bemühe ich mich, ein tüchtiger Rentner zu sein.“ (Einige Daten über August Füßinger stammen aus der Studie „Brüderschaft und 3. Reich“ – 1981/88, zum Teil auch von seinem Sohn Gerhard).

Nach Füßinger ist Bruder Gerhard Niemer (siehe Band 11 „Genossen der Barmherzigkeit“ – bei amazon.de ISBN 978-1517397289ebook: ISBN 978-3-8476-1176-9) auf meinem Rundgang bei den Verantwortlichen an der Reihe. Er wurde am 5. Mai 1916 in Cottbus als Sohn eines Prüfamtsmeisters geboren und lernte schon als Kind unterschiedliche soziale Verhältnisse und politische Standpunkte von hart links bis stramm rechts kennen. Sein Vater war ein überzeugter Sozialdemokrat, hielt zur Kirche, hatte sich aber in manchem eine eigene vom Verstand akzeptierbare Religion gebildet. Seine Mutter war fromm und kirchentreu und hielt sich in politischen Dingen zurück. Er wuchs in einem traditionell „roten“ Arbeiterbezirk mit hohem KPD-Stimmenanteil auf, spürte schon als Kind die soziale Kluft und lernte den Klassenhass kennen, spielte mit Arbeiter-, Kaufmanns-, Fabrikanten-, Russen- und Judenkindern , erlebte aber, dass dies manchen Eltern absolut nicht recht war. Gerhard Niemers Familie war keineswegs wohlhabend. In den Jahren nach dem 1. Weltkrieg wurde auch sie recht hart von den Auswirkungen der Inflation, der Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit betroffen. Die „Goldenen 1920er Jahre“ gab es nach Bruder Niemers Meinung nur für reiche Kabarettbesucher. Für die große Masse brachten die Jahre bis 1933 überwiegend Armut und Unsicherheit. Dennoch war die Weimarer Republik in Gerhard Niemers Augen demokratischer als die Bundesrepublik Deutschland. Freiheit der Meinung bis zur Ablehnung und Bekämpfung des Staates war damals leichter möglich als heute, was denn auch zu harten Kämpfen und Straßenschlachten zwischen den extremen Parteien führte. In diesen Auseinandersetzungen spielte die Partei seines Vaters, die SPD, nach seinem Eindruck sowohl gegenüber den Nationalsozialisten wie Kommunisten eine schwache Rolle. Sie zeigte wenig Mut und Entschlossenheit zum Entgegentreten. Schon als Kind lernte Bruder Niemer erste Ansätze des Nationalsozialismus kennen. Zum Beispiel hingen in der Wohnung seines Schulkameraden Gardinen, in die Hakenkreuze eingewebt waren. Der Vater dieses Schulfreundes war Diakon und vorbildlicher Herbergsvater. Es waren „ausgesprochen nette und hilfsbereite Leute“. Ebenso hatte Bruder Niemer Zugang zu kommunistischen Familien.

Seine Jugend verbrachte er in Schlesien und durchlief Anfang der 1930er Jahre eine kaufmännische Lehre in einem jüdischen Betrieb. Seine Jugend verbrachte er in Schlesien. 1932 begann Gerhard Niemer seine kaufmännische Lehre in einer Getreidegroßhandlung, die einer jüdischen Familie gehörte. Der Direktor der Aktiengesellschaft und zwei seiner Mitarbeiter waren Juden. Gerhard Niemer wählte diese Lehrstelle zum Verdruss seines Onkels, der ein Konkurrenzunternehmen besaß, weil er glaubte, in der jüdischen Firma mehr lernen zu können. Über einen Onkel, der Verbandsvorsteher des schlesischen Verbandes der Brüderschaft des Rauhen Hauses war, kam Gerhard zu dem Entschluss, Diakon des Rauhen Hauses werden zu wollen. Er bewarb sich im Rauhen Haus und musste bei Bruder Kohl in Görlitz eine Aufnahmeprüfung ablegen. Nachdem dieser ihm ausreichendes biblisches Wissen bescheinigt hatte, wurde er 1935 zur Diakonenausbildung im Rauhe Haus zugelassen. Damals befanden sich nur sehr wenige Brüder in der Ausbildung. Es galt zu der Zeit wegen der politischen und wirtschaftlichen Situation als „völliger Wahnsinn“, eine Diakonenausbildung zu beginnen. Er leistete seine beiden Praktika 1935 und 1936 in Bad Freienwalde und Breslau ab und schildert die Armut, unter der die Heimleiter litten: „Die Ämter zahlten für die Heimunterbringung eines Jungen monatlich 24 Reichsmark, für einen alten Menschen 42 Reichsmark als Pflegegeld. In den Altbauten der Heime in Breslau waren die Räume üblicherweise verwanzt (‚Grenzkrankheit’ genannt).“ Ein Brief an den Vorsteher des Rauhen Hauses, in dem Bruder Niemer die bedrückenden Verhältnisse schilderte, wurde nicht beantwortet. Gerhard Niemer musste 1936/37 zum Reichsarbeitsdienst. Die dort herrschende Atmosphäre erlebte er als angenehm, da er auf freundliche und idealistisch eingestellte Vorgesetzte und nette Kameraden traf. Ab Ostern 1937 nahm Bruder Niemer am Unterricht der Diakonen- und Wohlfahrtspflegerschule teil. Die Sympathie der Brüder zu den Deutschen Christen bzw. zur Bekennenden Kirche war damals geteilt. Die jüngeren Brüder, auch Bruder Niemer, hielten zur Bekennenden Kirche.

Bald nach Kriegsbeginn wurde Bruder Niemer zum Militärdienst eingezogen. Wie viele andere Brüder musste er seine Ausbildung unterbrechen. Pastor Donndorf erreichte, dass er 1940 anlässlich eines Heimaturlaubs sein Wohlfahrtspflegerexamen ablegen durfte. 1941/42 versuchte Pastor Donndorf, den Diakon als lebenswichtigen Beruf anerkennen zu lassen. Es gelang ihm, dass die Brüder der D I, darunter Bruder Niemer, Heimaturlaub bekamen. Bruder Niemer wurde aber schon einen Tag später an die russische Front zurückbeordert, weil der Diakonenberuf nicht als lebenswichtig angesehen wurde. So konnte er seine Ausbildung erst nach dem Krieg und seiner Gefangenschaft in Russland, in die er 1944 geriet, im Jahre 1948 fortsetzen und das Diakonenexamen 1949 ablegen. (Einige Daten über Gerhard Niemer stammen aus der Studie „Brüderschaft und 3. Reich“.)

Danach war er als Inspektor für die Finanz- und Büroverwaltung und für die Leitung des Altenheimes im Hause „Goldener Boden“ verantwortlich und trug wesentlich zum Wiederaufbau der Anstalt bei. Er war auch für die Krankenstube im Rauhen Haus und den Verlag Agentur des Rauhen Hauses, der damals noch am Jungfernstieg beim Gänsemarkt unter einem Dach mit der evangelischen Buchhandlung Tuchel (vor der NS-Zeit dem Rauhen Hause gehörend) residierte, zuständig.


Buchhandlung Tuchel und Verlag Agentur des Rauhen Hauses – Jungfernstieg – Gänsemarkt

Unter Nieners Führung soll ich im ersten Ausbildungsjahr oft im Büro beschäftigt werden und in der Krankenstube als Gehilfe arbeiten. Ich werde ihn in seiner korrekten, menschlich offenen und ehrlichen Art bald sehr schätzen. Er kümmerte sich in den ersten Nachkriegsjahren persönlich um die jungen Brüder im Rauhen Haus, schrieb auch aufmunternde Briefe an sie in ihre Gehilfenstellung.

Gerhard Niemer heirate später die 1926 geborene Gisela Kaiser, die in den 1950er Jahren Leiterin des Hauses Schönburg im Rauhen Haus war, die Schwester des früheren Bruders und Diakons und späteren Pastors Jürgen Kaiser. Sie hatten zusammen zwei Kinder. Ihren Ruhestand verbrachten Niemers in Holm-Seppensen in der Heide. Bruder Niemer verstarb im Februar 1991.

Nach dem Laufzettel muss ich mich anschließend noch beim Vogt melden, der die Einteilung der manuellen Arbeiten im Anstaltsgelände zu erledigen hat. Das Amt wird von einem Diakonenschüler wahrgenommen, damals von Bruder Hans Niethammer. Zum Schluss muss ich noch zu Frau Rottländer, einer Kriegerwitwe aus Köslin in Pommern, die als Wirtschaftsleiterin den Bereich des kurze Zeit später eingeweihten Hauses „Bienenkorb“ mit Waschküche und Nähstube zu verantworten hat.


Haus „Bienenkorb“ mit Waschküche und Nähstube

Vom Werden eines Diakons - Rückblicke - Teil 3

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