Читать книгу Bildungsgeographie - Jürgen Schmude - Страница 12

2.3 Arbeitsmethoden in der Bildungsgeographie

Оглавление

Methodenwahl orientiert an erkenntnistheoretischem Zugang

Bildungsgeographische Forschungsarbeiten stützen sich auf die gängigen quantitativen und qualitativen Methoden der Sozial- und Kulturwissenschaften. Sind eigene empirische Arbeiten geplant, stellt sich die Frage, welches methodische Instrumentarium für die jeweilige Fragestellung eingesetzt werden soll. Vor der Entscheidung über die Methoden, mit denen einer Forschungsfrage nachgegangen wird, muss geklärt werden, welcher erkenntnistheoretische Zugang gewählt wird (MATTISSEK et al. 2013). Dabei werden zwei Positionen unterschieden. Ist das Ziel des Forschungsvorhabens, Regelmäßigkeiten und „Gesetze“ zu finden, wie z.B. einen Zusammenhang zwischen einer Fördermaßnahme und dem Schulerfolg, so werden Hypothesen formuliert und diese an der empirischen Realität getestet. Dieser nomothetische Zugang (abgeleitet von griechisch nomos = Gesetz und thesis = aufbauen) ist kennzeichnend für die meisten Naturwissenschaften und steht dem kritischen Rationalismus nahe. Das hierbei angewandte Methodenspektrum umfasst vor allem quantitative Methoden, wie z.B. standardisierte Befragungen und Erhebungen, deren Auswertung mit mathematisch-standardisierten Verfahren der deskriptiven und analytischen Statistik erfolgt. Der andere Zugang wird als idiographisch bezeichnet (abgeleitet von griechisch idios = eigen und graphein = beschreiben). Dabei stehen die Einzigartigkeit und die ganzheitliche Betrachtung eines Phänomens im Vordergrund. Diese Position hat sich aus den Geisteswissenschaften entwickelt und beinhaltet vorrangig hermeneutisch-interpretative Verfahren, wie Text- und Bildinterpretationen, teilnehmende Beobachtungen oder qualitative Interviews.

Analyse sekundärstatistischer Daten

Für die Analyse bildungsbezogener Daten werden häufig quantitative Verfahren eingesetzt. Als Grundlage können sekundärstatische Daten dienen, die den nationalen oder landesweiten Bildungsstatistiken entnommen werden und dementsprechend in administrative Einheiten aggregiert sind. Dies betrifft z.B. Daten zur Zahl der Absolventinnen und Absolventen von Schulen und Hochschulen, zur Betreuungsrelation in Ganztagsschulen oder zu den Studienabbrechern in einzelnen Studienfächern. Durch eine Darstellung dieser Inhalte in kartographischer Form werden regionale Disparitäten sichtbar. Dies kann einen Ausgangspunkt für die Analyse und Interpretation räumlicher Muster bzw. nachbarschaftlicher Zusammenhänge bilden. Komplexe raumwissenschaftliche Analysen werden heute überwiegend mit Hilfe von Geoinformationssystemen (GIS) durchgeführt. So konnte z.B. TERPOORTEN (2007) in seinen GIS-gestützten Analysen durch ein Verschneiden von Sozialstrukturdaten mit Schuldaten zeigen, wie eng Bildungschancen und soziale Ungleichheit räumlich miteinander verzahnt sind und welche Segregationstendenzen in den untersuchten Städten des Ruhrgebiets bestehen.

Quantitative Erhebungsmethoden

Für die Gewinnung eigener empirischer Daten steht der Bildungsgeographie – wie allen Sozialwissenschaften – ein breites Spektrum quantitativer Erhebungsmethoden zur Verfügung. So können mittels strukturierter Kartierungen z.B. die Verteilung von Bildungseinrichtungen und ihre Einzugsgebiete erfasst werden. Anhand von standardisierten Beobachtungen und Zählungen lassen sich z.B. Schulwege oder Ausgründungen von Firmen erheben. Standardisierte Befragungen sind ein sehr weit verbreitetes Instrument, in dem soziodemographische Daten, Meinungen, Bewertungen, Bildungsverläufe, Bildungsmotive u.v.m. erhoben werden können. Die Datenerhebung kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen, sei es in face-to-face-Interviews, telefonisch oder schriftlich (MATTISSEK et al. 2013, S. 65ff.).

Qualitative Erhebungsmethoden

Qualitative Methoden werden dagegen überwiegend im Rahmen von empirischen Studien eingesetzt, in denen subjektive Vorstellungen über den Raum sowie Bewertungen des Raumes und raumwirksamer Aktivitäten eine zentrale Rolle spielen. Im Vordergrund steht somit der Einzelfall (nicht die Repräsentativität) und das Ziel, die dem Handeln zugrunde liegenden Motive in einem spezifischen Kontext zu verstehen. Hierfür eignen sich z.B. qualitative Kartierungen (mental maps), offene Beobachtungen, qualitative Leitfaden- und Experteninterviews sowie Textinterpretationen. Auf diese Weise können z.B. Themen wie die Bewertung des Schulumfelds, Wahrnehmung von Ausgrenzung oder regionale Identität und Schule erforscht werden.

Methodenmix

In der bildungsgeographischen Forschungspraxis werden sowohl die genannten quantitativen und qualitativen Methoden als auch diskursanalytische Ansätze eingesetzt (BURS 2013). Diese lassen sich als sogenannter Methodenmix, -kombination oder -triangulation miteinander verbinden (DENZIN 1989; zit. nach FLICK 2002, S. 330ff.). Von diesem Vorgehen erhofft man sich, die Begrenztheit der einzelnen Methoden aufzubrechen und den jeweiligen Forschungsstand aus verschiedenen Perspektiven in den Blick nehmen zu können. In zahlreichen Forschungsarbeiten der Bildungsgeographie werden unterschiedliche Methoden derart miteinander verbunden, dass qualitative Methoden in einer explorativen Phase vor der standardisierten Methode eingesetzt oder umgekehrt nach der quantitativen Analyse vertiefende Fallstudien mit Hilfe qualitativer Methoden durchgeführt werden. Auch wenn dieses Vorgehen zunächst einmal pragmatisch und zielführend erscheint, kann es mit einigen Schwierigkeiten verbunden sein. Aufgrund der unterschiedlichen epistemologischen Grundannahmen quantitativer und qualitativer Methoden besteht nämlich die Gefahr eines einfachen „Vermischens“ der Methoden, ohne diese analytisch zu verknüpfen (MATTISSEK et al. 2013, S. 240ff.). Deshalb ist es wichtig, bei der Auswahl und Anwendung von Arbeitsmethoden deren Stärken und Begrenzungen kritisch zu reflektieren. Die Auswahl einer Methode ist keine Grundsatzentscheidung, sondern sie richtet sich im Einzelfall nach der Fragestellung und dem Forschungsinteresse, den verfügbaren Daten und Informationen sowie den Qualifikationen und Präferenzen der Forschenden.

Bildungsgeographie

Подняться наверх