Читать книгу Du bist doch wer - Jürgen Weigel - Страница 8

Vorwort

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„Du bist doch wer, du kannst was“ sage ich immer wieder zu dem einen oder anderen meiner 14- bis 16-jährigen Schüler an einer bayerischen Mittelschule, um sie aus den Niederungen pubertärer Verunsicherungen zu befreien oder arg cooles oder unkontrolliertes Verhalten zu hinterfragen, damit sie anfangen, ihr Leben selber in den Griff zu nehmen. Und später kann ich oft nur staunen: Bei Klassentreffen sehe ich sie Jahre danach und stelle fest: In der Tat „Du bist jetzt wer“: Mutter, Vater, Häuslebauer, im Beruf erfolgreiche Meister, Handwerker, zum Teil sogar Akademiker. Alle, wirklich fast 100 Prozent dieser Kinder auf dem Land, haben aus ihrem Leben etwas gemacht. Sie leben ein gesundes, Vernunft gelenktes Erwachsenen-Ich. Manch einer blickt zurück: „Mei, damals war ich noch blöd.“ – „Irgendwann habe ich verstanden, ich muss lernen“.

Ich muss zugeben, dass ich für das fragwürdige Verhalten 14 - 16-Jähriger Verständnis habe, gleicht doch das Gehirn von Pubertierenden einer Baustelle. Ist nicht diese Zeit des Aufs und Abs der Emotionen, im Grunde eine sehr intensiv gelebte Zeit, in der der junge Mensch vor allem mit sich selber beschäftigt ist und der Entdeckung der eigenen Identität. Wir erinnern uns doch!

„Du bist doch wer“ ist auch die Botschaft, die ich in Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen streue. Es freut mich, wenn sie sich regelmäßig vertrauensvoll mit persönlichen Anliegen an mich wenden. Dann halte ich mich mit schnell formulierten Ratschlägen zurück und frage: „Was meinst denn du?“ - „Wie willst du es denn machen?“. Ich sage: „Du bist doch schon groß“ – will heißen, du weißt doch, was zu tun ist, du spürst doch, was für dich das Beste ist. Damit appelliere ich daran, zu Entscheidungen zu stehen, welche ihrem Wissen, ihren Kompetenzen und Kenntnissen gerecht werden. Meine Botschaften sind im Grunde: Du bist doch schon so lange LehrerIn, erfolgreiche Familienmanagerin, erwachsen – Du bist wer! Dir muss man doch nichts mehr erzählen: weder Eltern, noch Kollegen, noch Vertreter der Schulbürokratie. Mach es genauso, wie du willst. -Vertraue auf dich, auf dein Bauchgefühl. Wenn sie sich dann für einen Weg entscheiden, bestätige ich sie gerne.

Der Titel dieses Buches hatte letztlich aber seine Wurzel in der Geschichte einer Kollegin. Sie erzählte mir von einem Gespräch mit ihrer Mutter, die sich verändert hatte, zuletzt viel mehr auf Menschen zuging, viel mehr und bewusster mit anderen kommunizierte und offensichtlich das Leben wieder von der positiven Seite sah. Von ihrer Tochter auf diese Veränderung angesprochen, meinte die Dame: „Vor einem Jahr sagtest du zu mir: Mama, du bist doch wer! Ich musste damals darüber nachdenken. Ja, du hast Recht und ich kann nur dankbar sein für mein Leben.“ Sie hatte im Laufe der Zeit zurückgezogener gelebt und so im Grunde Facetten ihrer extravertierten Persönlichkeit brach liegen lassen. Zuletzt hatte sie diese wieder neu entdeckt und ausgelebt. Meine Kollegin hatte einfach den immer wieder von mir geklopften Spruch weitergetragen. Ich muss zugeben, ich was richtig erstaunt und happy. Oft sind es kleine Dinge, die großes bewirken. Ich stellte fest: Es ist so: „Gedanken erschaffen dein Leben.“ Eigentlich müsste man dieser Dame das Buch widmen, bestätigte sie mich doch so sehr in meinem Denken und meinen Haltungen.

Der Leser und die Leserin stellt sich beim Lesen dieser Zeilen natürlich Fragen „Und wie sieht es bei mir aus? – Wer bin ich?“

Selbstverständlich habe ich darauf meine eigenen Antworten gefunden. Ich möchte sie allgemein – etwas philosophisch – formulieren und würde mir wünschen, dass der Leser und die Leserin beim Zuklappen dieses Buches einiges davon für sich selber mitnimmt.

Nun, ich bin vor allem Mensch. Als solcher als hilfloses Wesen auf die Welt gekommen, um mich mit anderen Menschen zu verbinden und geliebt zu werden. Für mich sind diese Bindungen und Beziehungen existentiell bedeutsam, bin ich doch durch und durch ein Sozialwesen. Ich habe mich aus mir selbst heraus entwickelt, bin schon lange selbstständig, mir selbst und anderen gegenüber verantwortlich. Ich lebe selbstbestimmt. Als Mensch besitze ich eine Würde. Daraus kann ich das Recht ableiten, von anderen mit Respekt, Wertschätzung und Achtung behandelt zu werden, so wie ich diese auch anderen entgegenbringe. Außerdem habe ich den Anspruch, glücklich zu leben und das bin ich. Wie das gelingen kann, versuche ich im Buch darzustellen. Außerdem bin ich meine Wege gegangen und habe mir Herausforderungen gesucht und das, was ich dabei an Erfahrungen gesammelt und die Art und Weise, wie ich sie verarbeitet habe, trägt mich durch mein Leben. Ich bin aus allem gestärkt hervorgegangen. Ich besitze ein positives Selbstbild und Selbstwertgefühl. Anderen Menschen mache ich es im Umgang mit mir leicht, weil mich vor allem Humor und Lebensfreude kennzeichnen. Immer wieder versuche ich mit Entdeckerfreude Neues an mir zu finden: früher als erfolgreicher Sportler, Trainer, als Vater, korrekter Lehrer, heute mit einer gewissen „Jugend-forscht-Mentalität“ als Kunsthandwerker und Buchautor. Ich möchte mit Fug und Recht von mir behaupten: „Ich bin wer, mein Leben ist schön!“

Du bist doch wer! ist der Satz mit dem ich an das Selbstwertgefühl von Mitmenschen appelliere. Gerade Zeitgenossen meiner Generation der Nachkriegskinder weisen nach meiner Beobachtung nicht gerade ein solides Selbstwertgefühl. Ich habe den Eindruck, so viele schleppen aus ihrer Kindheit einen zentnerschweren Rucksack durch ihr Leben und es fällt ihnen schwer, diesen abzulegen, um leichter durch das Leben zu schreiten.

Der Satz „Du bist doch wer!“ will aufrütteln und er tut es. Er soll zur Reflexion animieren, dass man als erwachsener Mensch doch etwas darstellt. Viele haben jahrelang im Berufsleben oder als Vater, Mutter, in welchen Aufgabenfeldern auch immer, ihren Mann oder ihre Frau gestanden. Wir besitzen in vielen Bereichen unsere Fähigkeiten und haben reichlich Grund uns als wertvoll zu erachten. So manche Frau besitzt ordentliche Frauenpower und wer ein Herzensmensch ist, zeigt sich als freundliches, herzliches und menschliches Wesen, das für jedermann erreichbar und wirklich einfach liebenswert ist. Viele besitzen Ausstrahlung, vielleicht auch ohne sich dessen bewusst zu sein, wie sie damit bei anderen „punkten“. Wir sehen auch viel zu wenig, wie sehr wir das Leben meistern und Krisen bewältigen. Es gibt also allen Grund erhobenen Hauptes durch das Leben zu gehen, an sich zu glauben und sich zu vertrauen.

Das doch im Titel möchte einen gewissen Trotz zum Ausdruck bringen und besitzt etwas Forderndes. Die erworbenen Erkenntnis „Ich bin wer“ ist auch ein Aufruf, sich nicht alles gefallen zu lassen, nicht über Gebühr zu kooperieren und nicht zum Opfer von Lebensumständen oder Menschen zu werden, die uns nicht gut tun. Denn wir haben unsere Bedürfnisse, wir leben Werte und vor allem, wir besitzen, wie gesagt, eine Würde und wir sollten es nicht zulassen, dass die Integrität, die sich in all dem verbirgt, mit Füßen getreten wird. Wir haben ein Recht, dass man uns mit unseren Bedürfnissen sieht und es ist nur recht, diese einzufordern. Wir können das kommunizieren, wir sind Erwachsen, kein Kind mehr.

Was will dieses Buch?

Dieses Buch will Leser animieren, an sich zu glauben; es gibt Anleitungen zu eigener Stärke zu finden. Es beschreibt ein gewisses Know How der Lebens- und Beziehungskompetenzen, das getragen wird von Erkenntnissen aus der Psychologie und Philosophie.

Es ist somit der Abschluss meiner persönlichen Suche nach vielen philosophischen Fragestellungen und vor allem auch einer Phase, die für mich dadurch gekennzeichnet war, dass mein Spaß am Leben ein Loch hatte. Es war die Zeit, in der ich meine Souveränität verlor, um dann wieder zu innerer Stärke und zu Einstellungen zu finden, die mich heute durch mein Leben tragen. Beides ist Gegenstand dieses Buches, das den Leser zu der Überzeugung führen möchte: Ja, ich bin wer! – ohne doch, verbunden mit einem überzeugenden Ja zum eigenen Ich.

Eins kommt noch hinzu: Man kann es schaffen in dieser kranken Welt einen gesunden Weg zu gehen. Dazu braucht es Haltungen: zu sich, zum Leben mit Anderen, zu den Gegebenheiten unserer Zeit.

Haltungen geben Halt

Die beschriebenen Haltungen führen den Leser zu einem erfüllten, guten, ich bezeichne es aus gutem Grund, als gelingendes Leben. Nur, was kennzeichnet ein gelingendes Leben? Antworten – meine Antworten – enthält dieses Buch.

Ich lade den Leser und die Leserin ein, sich mit meinen Antworten auseinanderzusetzen. Dieses Buch ist keine leichte Kost, vor allem, weil diese Reise den Leser mit sich selber konfrontiert. Er wird zu einem inneren Dialog angeregt. Das ist nicht jedermanns Sache. Menschen, für die alles klar ist, wollen sich nicht mit derartigen Reflexionen belasten. Man muss sich in der Tat nicht mit Psychologie und Philosophie beschäftigen – aber es lohnt sich.

Ein Buch schreiben

Wenn man schreibt hat man nicht die Vorstellung im Kopf eine Leserschaft zu bedienen. Man tut es, weil es einen irgendwie dazu treibt, weil es eine Leidenschaft und Freude ist, im Grunde um des Schreibens Willen. Ich kann es nur jedem empfehlen. Schreiben macht einfach Spaß. Vielleicht möchte man auch ein Thema, das einen bewegt abarbeiten und letztlich „wegpacken“. Das gilt wohl auch für mich. Dennoch muss man vor einer Veröffentlichung Realist sein und sich Fragen stellen: Wer will das lesen? Wer will das wissen? Ich denke, dies ist ein Buch für Suchende, für Menschen, für die nicht alles klar ist. Menschen, die sich für Philosophie und psychologische Fragestellungen interessieren. Und es könnten auch Menschen, insbesondere meines Berufsstandes sein, die bereit sind Anregungen aufzunehmen, um zu innerer Stärke zu finden.

Bei Vorträgen vor Eltern vertrete ich die Behauptung, dass Kinder dann glücklich werden, wenn sie eben glückliche Eltern haben. Es kommt schließlich alles aus einem Selbst. Nur, wie sollte dieses Selbst strukturiert sein? Wann ist man glücklich und wirklich stark? Dies zu erkunden trieb mich an.

Hinzu kam im Laufe der Zeit die Überzeugung: Hat man Probleme mit anderen Menschen, so kann man es wohl kaum schaffen, diese zu verändern. Was man jedoch tun kann ist, zu ihnen eine andere Haltung einzunehmen. Diese Botschaft zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.

Es liegt also an einem selbst, sich stark zu machen und glücklich zu leben. Eine These, die man heute in jedem Buchladen findet, in Büchern, die etwas spirituell angehaucht sind, in denen zum Beispiel gefordert wird, man solle sein inneres Kind heilen und sich selber lieben. Das bestätigt auch der Neurobiologe Joachim Bauer in seinem neuen Buch „Selbststeuerung“, in dem er beschreibt, wie es uns gelingen kann durch Ausprägung unseres Stirnhirns – dem Präfrontal-Kortexes – unser Impulsverhalten zu regulieren und uns selber zu kontrollieren. Er stellt dar, wie wir Herr/​Frau über unsere Gefühle und unser Leben werden können.1 Er belegt damit eindrucksvoll: Gedanken erschaffen unser Leben.

Außerdem beschäftigt mich eine zentrale Fragestellung: Wie steht es um das Selbstwertgefühl meiner Zeitgenossen? Ich denke, dass es bei vielen nicht sehr gut damit bestellt ist. Mangelndes Selbstwertgefühl zwingt so manchen in das Hamsterrad unserer Leistungsgesellschaft, was einher geht mit einem enormen Funktionsmodus und mangelnder persönlicher Achtsamkeit. Eine Freundin meinte dazu ganz lapidar: „Man tut eben, was alle tun, fleißig sein, ohne zu reflektieren.“

Hintergrund des Schreibens ist aber vor allem eine Leidenschaft. Ich sammele gerne Steine und es ist schön, daraus etwas Schönes zu bauen. Das ist im übertragenen Sinne zu verstehen. Bücher sind für mich wie Strandabschnitte am französischen Atlantik. Man „spaziert“ an diesen entlang und sammelt schöne Dinge. Manche finden Schnecken oder Muscheln. Ich liebe schöne Steine, die ich in einen Rucksack packe und mit nach Hause trage, um sie auszupacken, zu betrachten und zu sortieren. Wenn man will kann man daraus etwas bauen. Beim Lesen finde ich solche „Erkenntnissteine“, die ich in einem Büchlein verewige. Im Laufe der Zeit betrachte ich diese immer wieder und dann fange ich an zu schreiben. Es entwickeln sich so feste Überzeugungen und Haltungen, die ich gerne diskutiere. Das macht Spaß und ist zu einem leidenschaftlichen Hobby geworden. Meine ersten „Erkenntnissteine“ rankten um die Thematik des Lebens von Eltern mit ihren Kindern, die ich schließlich in dem Buch „Gelassene Eltern – starke und glückliche Kinder“2 zusammenfasste. Im Laufe der Zeit war es unbefriedigend geworden, mich bei von mir in meiner Funktion als Beratungslehrer organisierten Informationsabenden darauf zu beschränken, das bayerische Schulsystem zu erklären. Ein Grund liegt darin, dass ich es in seiner vertikalen Struktur mit der Selektion nach der vierten Klasse als grausam empfinde. Ich denke Kinder, Eltern wie auch Grundschullehrer und Grundschullehrerinnen leiden darunter. (Andererseits bietet seine horizontale Struktur der großen Durchlässigkeit wirklich gute Möglichkeiten!). Ich begann daher an solchen Abenden auch darüber zu referieren, was Kinder für ihr Leben bräuchten und das ist wirklich viel mehr als gute Noten und einen Abschluss an der Wunschschule. Mir war und ist noch heute die hohe Erwartungshaltung von Eltern, ihr Anspruchsdenken, der ganze Förder- und Erziehungshype und die oft zu beobachtende pädagogische Käfighaltung von Kindern ein Dorn im Auge. Ich kritisiere auch gerne fragwürdige Selbstverständlichkeiten im System Schule und so manches Verhalten von Lehrern, insbesondere wenn sie sich mehr dem Stoff als ihren Schülern verpflichtet fühlen. Es ist so wichtig, viel Verständnis für Kinder und Jugendliche aufzubringen. Ich bin überzeugt, man muss Menschenfreund sein um seinen Schülern gerecht zu werden. Aber das ist ein ganz eigenes Thema, auf das ich in einem eigenen Kapitel eingehe (siehe Abschnitt 15 Seite 122).

So durchlebte ich eine längere Zeit, in der ich so vieles hinterfragte und anzweifelte, die mich in der Folge in die Erkenntniswelt von Joachim Bauer, Gerald Hüther, Remo Largo und Jesper Juul führte. Ein faszinierende Welt voller Wissen und so vieler „Erkenntnissteine“. Es war letztlich auch befreiend, diese in einem Mutmachbuch für Eltern zusammenzufassen.

Ganz anders verhält es sich mit diesem Buch. Am Ende brachte mich eine eigene Lebenskrise erneut zum Schreiben. So wurde es ein Ermunterungsbuch, das einen Weg beschreibt, wie man im Leben zu innerer Stärke finden kann.

Auf dem Weg zur Erstellung dieses Buches hatte ich Begleiter. Menschen, die mich ermunterten, diese Erkenntnisse zu veröffentlichen, die mir ihre Sichtweisen vermittelten, die auch konstruktive Kritik äußerten und immer wieder Texte lasen und mir somit als Lektoren behilflich waren. Ich bin ihnen sehr dankbar. Ohne sie wäre dieses Buch nicht entstanden. Sie werden sich in diesem Buch wiederfinden. Somit ist es auch ihr Buch.

Du bist doch wer

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