Читать книгу Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre! Band 9 - Jörn Kolder - Страница 3

Peinlicher Zwischenfall in Frieder Bergmanns Dienstwohnung

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Der Weg, der von der Hauptstraße in den Wald abbog, war relativ unauffällig, zumal er nicht sonderlich gut asphaltiert war. Wer sich hier nicht auskannte und das Verbotsschild übersah musste vermuten, dass er direkt zum Seeufer hinab führte. Folgte man ihm ein Stück, wurde man aber bereits nach gut 100 Metern von einer den Wald weiträumig abtrennenden massiven Zaunanlage aufgehalten, die offensichtlich nur über ein stählernes Tor passiert werden konnte. Auch hier waren Verbotsschilder angebracht die darauf hinwiesen, dass der Zutritt zum Sperrgebiet strengstens verboten wäre. Das hinter dem Zaun liegende Grundstück schien riesig zu sein, wer es bewohnte musste wohl über erhebliche finanzielle Mittel verfügen. Auf der Zaunanlage waren in unregelmäßigen Abständen Überwachungskameras angebracht worden. Man konnte also davon ausgehen, dass ungebetene Besucher von irgendeiner Stelle her fortlaufend beobachtet wurden.

Frieder Bergmann hatte es sich gegen 11 Uhr an diesem schon warmen Werktag in legerer Kleidung in einem Liegestuhl bequem gemacht, trank Bier, und rauchte eine Zigarette. Gerade hatte er den Laptop nach einer Videokonferenz mit Deng Peng Kläng ausgeschaltet. Der chinesische Vorsitzende war bester Dinge gewesen und Bergmann wusste genau, warum. Als er selbst im vorigen Jahr Anke Meckel die Übernahme des Generalsekretärs Postens der UNO zugesagt hatte war sofort die Frage entstanden, wie man die von Bergmanns Tochter Claudia vorgeschlagene digitale Arbeitsweise der UNO überhaupt technisch umsetzen könnte. Anke Meckel hatte zwar mächtig aufs Gaspedal getreten, aber es fand sich weder in der EU noch in den USA ein Anbieter, der sich das innerhalb der Frist eines dreiviertel Jahres zutraute. Anke Meckel kannte Deng Peng Kläng selbstredend auch, aber da Frieder Bergmann den weitaus besseren Draht zu ihm hatte, sollte er mit dem Vorsitzenden über diese Angelegenheit sprechen.

Frieder Bergmanns Anwesen war damals schon auf UNO Kosten fertiggestellt worden. Absprachegemäß hatte Anke Meckel das Bundesliegenschaftsamt vorher mit der Suche eines angemessenen Grundstücks in Sachsen beauftragt und man war an einem ruhigen See, ohne weitere eventuell störende Anlieger, fündig geworden. Das Objekt besaß eine beeindruckende Ausdehnung von gut 600 Meter Länge direkt am Gewässer. Vom Seeufer bis in den nahe gelegenen Wald maß es ungefähr 200 Meter. Fast direkt am See, aber auf einer sanften Bodenanschüttung, war dann ein zweistöckiges Haus errichtet worden, dessen ebenerdige Etage an der zum See weisenden, gut 7 Meter breiten Front, komplett mit mehr als 2 Meter 80 hohen und massiven Glasscheiben verkleidet worden war. Die Glasfront bestand aus 5 Segmenten, die sich zum Öffnen einzeln längs verschieben ließen. Tat man dies, ergab sich so ein Zugang auf die große Terrasse. Natürlich war es wegen Bergmanns Status als UNO Generalsekretär erforderlich gewesen, dass das Glas extremen Beanspruchungen widerstehen sollte. Der Hersteller hatte Bergmanns Büroleiter Herbert Büchsenschuss ein Demonstrationsvideo zugestellt, welches die Güte des Produktes demonstrierte. Erst wurde gezeigt, wie ein Mann mit einer großkalibrigen Pistole auf so ein Glassegment schoss. Das Glasstück zeigte nicht den geringsten Schaden. Dann kam eine Maschinenpistole zum Einsatz, die mit ihren Geschossen das Glas nur minimal ankratzte. Auch ein Maschinengewehr konnte das Material nur wenig schädigen. Erst der Einsatz einer Panzerfaust führte dazu, dass kleine Fragmente absplitterten, aber die Struktur nicht im Geringsten beschädigten. Das war alles kein Wunder, denn das siebenlagige Verbundglas konnte selbst dem Geschoss eines Schützenpanzers Paroli bieten. So gesehen war Frieder Bergmann in seinem Haus absolut sicher untergebracht, zumal auch noch sämtliche Fenster abschließbar waren.

Um Störungen seiner Ruhe brauchte sich Bergmann keinerlei Gedanken zu machen. Das Grundstück war komplett eingezäunt, und die Bilder der Überwachungskameras kamen auf den Monitoren in einem kleinen separaten Gebäude an, wo sich die Leute vom Sicherheitsdienst um Bergmanns Schutz kümmerten. Die Seeseite wurde von einem ununterbrochen dort patrouillierenden Boot abgesichert. Dieses verfügte über einen leistungsstarken batteriegetriebenen Motor, um den Generalsekretär nicht mit unbotmäßigem Lärm zu belästigen.

Dass sich im Haus noch etliche andere Räume befanden, die Bergmanns Entspannung dienten, war selbstverständlich. Im Sommer war er oft auf dem Golfplatz zugange, bei schlechtem Wetter zog er sich dann in das Billardzimmer im Haus zurück. Die Sauna nutzte Frieder Bergmann mit höchstem Genuss, den Fitnessraum eher mehr widerwillig. Sein Lieblingsplatz war die Sitzecke, von der aus er in direkter Linie auf den See schauen konnte. Wenn seine Frau Petra zum Spätdienst im Krankenhaus war lümmelte er sich mit Vorliebe dort hin, und auf dem flachen Tisch standen dann stets ein wohltemperiertes Bier und ein Drink bereit. Die Auswahl an der Hausbar war sensationell. Frieder Bergmann konnte finanziell wegen seines üppigen Bewirtungsfonds aus dem Vollen schöpfen, und das verdeutlichten auch die an der Bar aufgereihten Getränke. Dem Kenner wäre sofort klar gewesen, dass der Whisky aus Japan oder der französische Wein sündhaft teuer waren. Etwas verschämt hatte Bergmann hinter den edlen Tränken eine Flasche Jagertee versteckt. Peter Petersen hatte ein paar Mal an den Köstlichkeiten genippt, aber Bergmann dann erklärt, dass ihm das alles nicht schmecken würde und seinen Freund letztendlich dazu gezwungen, sein Leibgetränk, eben den Jagertee, mit in die Flaschenbatterie aufzunehmen. Wenn sich Frieder Bergmann in der Sitzecke mit den Getränken entspannte genoss er noch Musik aus einer High-End-Musikanlage, deren leistungsstarke Lautsprecherboxen allesamt drahtlos an die Anlage angebunden waren.

Da er zur Tiefenentspannung immer auch eine Zigarette benötigte, aber im Haus nicht rauchen wollte, war Frieder Bergmann an einem milden Sommerabend so gegen 23 Uhr 30, durch einige Drinks schon etwas beschwingt, zum Ende des Bootsanlegestegs gegangen. Dort hatte er sich die Zigarette angezündet und stand dann vollkommen zufrieden mit sich und der Welt, breit grinsend, und ziemlich heftig schwankend auf den Holzbohlen. Er genoss den Panoramablick mit allen Sinnen, die allerdings durch den Alkoholeinfluss schon etwas gedämpft waren. Auch seine Reflexe waren nicht auf Beststand gewesen. Da er heftigen Harndrang verspürt hatte war ihm die Idee gekommen, sich die Zigarette zwischen die Lippen zu klemmen, und sich gleich an Ort und Stelle vom Steg aus zu erleichtern. Wegen seiner fehlenden Körperspannung hatte er aber große Mühe gehabt, sein Schwanken durch tänzelnde Schritte auszugleichen. So driftete er, kräftig in den See urinierend und mit der Zigarette zwischen den Lippen immer weiter nach rechts, also auf das Ende des Steges zu, um dann dort schließlich vollkommen die Kontrolle über sich zu verlieren, und dann ungebremst in den See zu stürzen.

Durch diesen Zwischenfall zeigte sich aber auch sehr deutlich, wie perfekt der Personenschutz funktionierte. Das Motorboot war innerhalb kürzester Frist bei Bergmann und ein Mann hechtete von Bord, um ihm Hilfe zu leisten. Auch an der Landseite waren sofort zwei Männer erschienen die den Steg entlang hetzten. Bergmann wurde aus dem Wasser gezogen und zum Haus getragen.

„Haben Sie sich verletzt, Herr Generalsekretär“ fragte einer der Männer besorgt und schielte auf Bergmanns noch aus der nassen Hose heraushängendes Glied.

„Nein“ erwiderte der dann wieder schwankend dastehende Bergmann mit unsicherer Aussprache „ich war vollkommen in Gedanken bei der Formulierung einer Resolution und bin bloß auf dem Steg ausgerutscht. Da muss mal ein besserer Belag drauf. Vielen Dank für Ihre Hilfe. Es ist alles in Ordnung. Ich werde jetzt wieder ins Haus gehen. Schönen Dienst noch. Ich muss jetzt noch einige Zeit an der Resolution arbeiten.“

„Herr Generalsekretär“ bat einer der Männer des Personenschutzes „es ist bald Mitternacht. Bitte schonen Sie sich etwas. Auch Sie brauchen Ihren Schlaf!“

„Die Welt braucht mich“ erklärte Bergmann mit schleppender Stimme „mein Schlafbedürfnis spielt da keine Rolle. Guten Abend.“

Frieder Bergmann bewegte sich dann, ohne die Terrassentür abzuschließen und das Licht zu löschen, in seinen klatschnassen Sachen und auf unsicheren Beinen durch das Haus in Richtung Badezimmer. Dort wollte er die nassen Sachen ablegen und sich kurz abduschen. Als er dort angekommen war entkleidete er sich. Plötzlich fiel ihm ein, dass er seinen Schlafanzug nicht mitgenommen hatte. Er musste also erst ins Schlafzimmer gehen, um die frische Kleidung zu holen.

Die ziemlich paranoiden Sicherheitsexperten der UNO hatten in Bergmanns Haus allerlei technische Raffinessen einbauen lassen. Alle Türen besaßen zwar scheinbar ganz normale Klinken, aber der Schein trog. Das betraf auch die Türen selbst. Hinter dem edlen Holzfurnier verbargen sich mehrere Lagen von extrem widerstandsfähigen Titan- und Teflon Platten. Man hatte in aufwendigen Simulationen und Planspielen den außergewöhnlichen Fall angenommen, dass ein Terrorkommando den land- und seeseitigen Personenschutz komplett ausgeschaltet hätte und Bergmann dann ungeschützt allein im Haus wäre. So war der Gedanke entstanden, dem Generalsekretär die Möglichkeit zu bieten, sich in jedem Zimmer des Hauses in Sicherheit zu bringen. Das sollte mittels elektronisch zu schließender Türen erreicht werden. Im Normalfall ließen sich die Türen aber auch von Hand öffnen und schließen. Frieder Bergmann musste also im Fall der Fälle nur eine vierstellige Nummer rufen, dann würde sich die Tür des Raumes, in dem er sich gerade aufhielt, sofort schließen und verriegelt werden. Bergmann wäre dann vorerst in Sicherheit, denn auch vor den Fenstern wären dann Schutzplatten heruntergerauscht. Die täglich wechselnde Codenummer erhielt Bergmann exakt 9 Uhr über ein vielfach gesichertes Programm direkt auf seinen Dienstlaptop. Außer ihm kannte selbstredend niemand den Code. Wollte er die Sicherungsmaßnahmen – eventuell wegen eines Fehlalarms – wieder rückgängig machen, musste er die Zahlenkombination nur nochmals in den Raum rufen. Zusätzlich waren in allen Räumen noch Sensoren installiert worden, die dem Sicherheitsdienst in dessen Zentrale erlaubten, den dann verschlossenen Raum zu identifizieren. Die Zentrale lag gut 50 Kilometer von Bergmanns Haus entfernt und dort hielt sich ständig ein schwer bewaffnetes Einsatzkommando auf, um Bergmann im Gefahrenfall dann raushauen zu können. Man ging davon aus, dass das Kommando in knapp 30 Minuten vor Ort wäre. Das sollte ausreichen, denn die Schutztüren würden sämtlichen Aufbruchsversuchen mindestens 60 Minuten standhalten. Wenn das Einsatzkommando die Situation bereinigt hätte würde in dem entsprechenden Raum ein akustisches Signal ertönen und eine grüne Anzeige aufleuchten, die man per Funk von draußen aktivieren würde. Bergmann sollte dann einfach das Codewort rufen und so die Tür wieder öffnen. Das alles hatte man ihm natürlich zu seiner Beruhigung mitgeteilt und eingeschärft, ja nicht die Nerven zu verlieren.

Frieder Bergmann lief nackt und nur mit Hausschuhen bekleidet durch sein großes Haus zum Schlafzimmer. Dort griff er sich den Schlafanzug. Vor dem Duschen wollte er sich noch einen Schluck Bier genehmigen und nahm einen Umweg über den Kühlschrank. Als er die Tür öffnete sah er, dass er vergessen hatte, Flaschen nachzulegen. Verärgert ging er zum Lebensmittellagerraum. Da Bergmann des Öfteren internationale Gäste in seinem Haus hatte war dieser Bereich großzügig dimensioniert. Er bestand aus drei Räumen. Im ersten befanden sich konservierte Produkte, die nicht gekühlt werden mussten. Wenn man in den zweiten Raum ging spürte man Kühle, hier lagerten Fleisch, Fisch, Eier und ähnliches, sowie Bergmanns Biervorrat und diverse andere alkoholische Getränke. Die Temperatur dort betrug genau 7 Grad. Darauf hatte Bergmann vehement bestanden, denn so würde das Bier bestens temperiert sein. Der dritte Raum beherbergte zwei große Kühlzellen für länger aufzubewahrende Lebensmittel. Frieder Bergmann nahm seinen Bierlagerbestand in Augenschein. Dieser war durchaus umfangreich, aber er stellte fest, dass er nur aus zwei Sorten bestand: Radeberger und Wernesgrüner.

„Diese lieblose 0815 Auswahl geht mir tierisch auf den Sack“ rief Frieder Bergmann wütend aus.

Im nächsten Moment schlossen sich die Türen zum ersten und zum dritten Raum krachend und er hörte wie Riegel knackten. Frieder Bergmann stand zwar mit Hausschuhen aber vollkommen nackt und schockstarr im Kühlraum. Was jetzt gerade geschehen war konnte er sich in seinem angetrunkenen Zustand nicht erklären. Die Männer in der Zentrale des Sicherheitsdienstes sahen im gleichen Moment auf ihren Monitoren, dass sich der Generalsekretär in den mittleren Lagerraum geflüchtet hatte. So etwas war noch nie passiert, und in der Aufregung vergaßen die Sicherheitsleute, die Situation durch einen Anruf bei den vor Ort befindlichen Personenschützern zu verifizieren. Als das Einsatzkommando exakt 27 Minuten später an der Zaunanlage aufkreuzte wurde es von ihren vor Ort befindlichen Kollegen verwundert empfangen.

„Was wollt ihr denn hier“ fragte einer der Männer.

„Die Schutzperson hat sich in einen Raum geflüchtet“ erwiderte der Führer des Einsatzkommandos aufgeregt „wir müssen ihn schnell befreien.“

„Aber hier ist doch gar nichts vorgefallen. Alles ist ruhig“ meinte einer der Männer des Objektschutzes.

„Er muss einen Grund gehabt haben sich in Sicherheit zu begeben“ vermutete der Führer des Einsatzkommandos „wir gehen jetzt rein.“

Seine Männer zogen ihre Sturmhauben über die Gesichter und entsicherten ihre Waffen. Dann verteilten sie sich und gingen aus verschiedenen Richtungen geduckt auf das Haus vor.

„Die Tür ist offen und das Licht brennt“ flüsterte einer erstaunt „nichts wie rein.“

Um die Ecken lugend durchsuchte die Elitetruppe das ganze Haus, fand aber niemand vor. Schließlich trafen sich alle vor dem Lagerbereich. Die Tür zum ersten Raum stand offen, die zum zweiten war geschlossen.

„Da ist er drin“ flüsterte der Führer des Einsatzkommandos „ich sende jetzt das Entwarnungssignal.

Frieder Bergmann war kurz nach dem Türschließen dann doch noch irgendwie eingefallen, dass es ein Codewort gab. Welches am heutigen Tage gültig war wusste er aber nicht. Es musste also mit dem zusammen hängen, was er vorhin gesagt hatte. So sehr er auch grübelte, er kam nicht darauf. Langsam begann er zur Frieren. Nach gut 10 Minuten war er schon ordentlich durchgekühlt, nach 20 Minuten zitterte er bereits heftig. Um sich Aufwärmung zu verschaffen griff er sich eine Flasche Jagertee, öffnete diese, und nahm einen kräftigen Schluck. Wie aus dieser vertrackten Situation herauskommen könnte war ihm absolut schleierhaft. Vor seinem geistigen Auge sah er bereits die Schlagzeilen der Presse vor sich:

„UNO Generalsekretär Frieder Bergmann in Kühlraum erfroren. Wer hat ihn dort eingeschlossen?“

„Hatte Putkinow seine Hände im Spiel? Warum musste Frieder Bergmann so qualvoll sterben?“

„Wer hat den Reformer Frieder Bergmann aus dem Weg geräumt? Warum wurde er so grausam beseitigt?“

Nach ungefähr 30 Minuten erlitt Frieder Bergmann den nächsten Schock, denn im Raum ertönte ein nicht zu überhörendes Signal, gleichzeitig ging ein grünes Licht an. Durcheinander wie er war hämmerte er an die Tür. Wegen der perfekten Schutzfunktion der Türen konnten die Männer des Einsatzkommandos auf der anderen Seite allerdings nichts hören. Da sich nichts tat, ließ sich Frieder Bergmann mit seinem nackten Hintern entmutigt auf eine Kiste mit Fisch fallen und nahm noch einen Schluck Jagertee zu sich.

Die Männer vor der Tür wunderten sich, dass Bergmann überhaupt nicht reagierte und die Tür mittels des Codes öffnete. Ratlosigkeit machte sich breit, so ein Fall war eigentlich überhaupt nicht vorgesehen.

„Was machen wir jetzt“ fragte der Führer des Einsatzkommandos seine Männer.

„Vielleicht hat sich der Generalsekretär einfach überarbeitet und ist bewusstlos geworden“ antwortete einer aus seiner Truppe „seine Einsatzbereitschaft ist ja legendär. Wir müssen ihn unbedingt raushauen!“

„Aber wie denn“ wollte ein anderer wissen.

„Wir müssen uns das Codewort besorgen“ schlug einer vor.

„Vergiss‘ es, das kennt nur Bergmann persönlich.“

„Dann müssen wir eben die Tür aufbrechen.“

„Mit ner Brechstange und nem Hammer“ höhnte einer.

„Ich verlange konstruktive Vorschläge“ brüllte der Führer des Einsatzkommandos jetzt erregt los „der Generalsekretär liegt da drinnen und ich will nicht als derjenige dastehen, der zu blöd war, ihn dort rauszuholen.“

„Wir brauchen jemanden von der Türbaufirma“ meinte einer der Männer „die müssen doch wissen wie man den Schutz deaktiviert.“

„Genau“ sagte der Einsatzkommandoführer „ruf‘ sofort in der Zentrale an, die sollen das sofort, ich sagte, sofort, organisieren.“

Nach gut 40 Minuten traf ein mürrischer und verschlafener Mann in Bergmanns Haus ein. Er war überfallartig von zwei Männern der Sicherheitszentrale von zu Hause abgeholt worden. Der Mann trug einen Laptop bei sich und hockte sich vor die Tür. Dann gähnte er herzhaft und als der Rechner hochgefahren war tippte er einige Befehlszeilen ein. Einen Augenblick später öffnete sich die Tür. Der Führer des Einsatzkommandos war mit einem Satz an der Tür und schrie entsetzt auf.

Frieder Bergmann war auf der Fischkiste sitzend immer mutloser geworden. Nach seinem Empfinden war er schon mehr als eine Stunde in dem Raum eingeschlossen. Seine Frau Petra war zum Spätdienst im Krankenhaus, aber selbst wenn sie da gewesen wäre, sie kannte den Code nicht und ihm fiel er partout nicht ein. Er erinnerte sich, dass Petra gegen 2 Uhr wieder zu Hause sein wollte. Um sich nicht noch weiter zu unterkühlen stand Bergmann auf und lief ein wenig umher. Dabei trank er noch etwas Jagertee. Sein Promillespiegel war beachtlich hoch und so bemerkte er auch nicht, dass an seinem Hintern ein Heilbutt und eine Scholle festgebacken waren. Frieder Bergmann war der Bewusstlosigkeit nahe und wollte sich entkräftet wieder irgendwo hinsetzen, verlor aber das Gleichgewicht, und stürzte mit nach vorn ausgestreckten Armen in einen Behälter, in dem sich Eier befanden. Seine Hände, sein Unterkörper und sein Gesicht zerbrachen mühelos die Eierschalen, und Eiweiß und Eigelb verbreiteten sich über diese Körperteile. Kaum noch bei Sinnen raffte sich Bergmann auf, wischte sich provisorisch die Augen frei, und taumelte erneut durch den Raum. Dann riss er eine Packung Salami auf, weil er plötzlich Hunger verspürt hatte. Salami aß er prinzipiell nur mit Ketchup, und er begann nach einer Flasche, die diesen enthielt, zu suchen. Er wurde fündig und spritzte auf die Scheiben ordentlich Ketchup drauf. Wegen seiner unsicheren und vom Ketchup beschmierten und durch die Eierreste glitschigen Hände segelten einige der Scheiben zu Boden. Andere wiederum fielen ihm aus den kalten und kraftlosen Händen und blieben an seiner Brust und dem Bauch haften. Als Bergmann einige von seiner Brust abpflücken wollte verschmierte er den Ketchup an dieser Stelle noch großflächig. Auch Spuren von Eigelb waren dort verblieben. Beim weiteren Umhergehen trat er in die auf dem Boden liegenden Salamischeiben, die mit sich mit schmatzenden Geräuschen an seinen Fußsohlen anhafteten. Frieder Bergmann fühlte sich plötzlich aus irgendeinem Grund von seinen mit Eiweiß, Eigelb und Ketchup verunreinigten Händen gestört. Früher, als Junge, hatte er den Dreck an den Händen immer kurzerhand an seiner Hose in Oberschenkelhöhe abgewischt. Das tat er jetzt auch, allerdings trug er ja keine Hose, und schmierte die schleimige Masse an seine nackten Oberschenkel. Etliches von dem Brei geriet auch an seinen Genitalbereich und färbte ihn rot und gelb. Bergmann musste sich vor Erschöpfung wieder hinsetzen und fand sich neben einer Kiste mit Wiener Würstchen wieder. Er griff sich zwei heraus, hatte aber keine Kraft mehr, in diese hineinzubeißen. Er lehnte sich an der Wand des Raumes an und schloss die Augen. Die Wiener rutschen aus seinen kraftlosen Fingern fallend über seinen Körper abwärts. Erst an Bergmanns Genitalbereich wurden sie abgebremst, und blieben dort liegen.

Jede Hausfrau weiß, dass man Eiweiß auch als Kleber verwenden kann. Dieser Stoff befand sich im Übermaß an Bergmanns Schambereich. Die Wiener Würstchen und das Eiweiß gingen jetzt eine zwar nicht sonderlich stabile, aber ausreichende Verbindung ein, weil Frieder Bergmann der Bewusstlosigkeit nahe reglos an der Wand lehnte, so dass die Würste jetzt neben seinem Gemächt festklebten. Nach einer Weile wurde Bergmann wieder kalt und er erhob sich mühevoll. Er stand schwankend im Raum. In seinem Gesicht war Eigelb verschmiert, auf seiner Brust klebten immer noch einige Salamischeiben und blutroter Ketchup war dort auch zu sehen. Die beiden Wiener wurden links und rechts neben seinem Geschlechtsteil immer noch vom Eiweiß gehalten und baumelten neben seinen Schwanz nach unten. Auch der Heilbutt und die Scholle klebten immer noch an seinem Hintern fest. Die Salamischeiben an seinen Fußsohlen hatten sich ebenfalls noch nicht gelöst.

Der Führer des Einsatzkommandos – Frank Dietrich - hatte schon einiges erlebt, und hielt sich selbst für einen ganz harten Hund. Was er jetzt jedoch sah erschien ihm unwirklich. Der nackte Generalsekretär, der wohl ganz offensichtlich gefoltert worden war - darauf wiesen eindeutig die Blutlachen und die schon gelben Hämatome an seinem Körper hin – stand schwankend im kältevernebelten Raum. Das wäre noch erträglich gewesen, aber als der Elitekämpfer seinen Blick weiter nach unten wandern ließ, konnte er einen Entsetzensschrei nicht unterdrücken. Im blutrot gefärbten Genitalbereich des Mannes erkannte er, dass dort drei Penisteile herumbaumelten. Wahrscheinlich hatte man dem Opfer seinen Penis mit einem rasiermesserscharfen Gegenstand in diese drei Teile gespalten. Dietrich lief ein Angstschauer den Rücken herunter und er zitterte am ganzen Körper. Als der Mann sich wieder etwas bewegte fielen zwei der Penisteile plötzlich auf den Boden. Frank Dietrich schrie erneut vor Entsetzen auf. Die Gestalt im Raum drehte sich jetzt mühsam und mit unsicheren Bewegungen um, und Dietrich sah an deren Hinterteil zwei schwarze und schuppenförmige Bereiche. Seiner Meinung nach konnten das nur Brandmale sein, verkohltes Fleisch also. Wie der Mann diese Schmerzen ohne zu jammern aushielt war ihm unverständlich, seine Qualen mussten doch furchtbar sein. Es grenzte an ein Wunder, dass sich der schwer verletzte Mann immer noch auf den Beinen hielt. Jetzt schien er aber mit seinen Kräften am Ende zu sein, denn er fiel rittlings auf einen Behälter und blieb dann regungslos liegen. Die gut erkennbaren roten Bereiche an seinen Fußsohlen mussten auch ein Ergebnis der grausamen Folter sein.

Auch die anderen Elitekämpfer des Einsatzkommandos hatten fassungslos gesehen wie schwer der Generalsekretär verstümmelt worden war. Vier von ihnen hielten diesen schockierenden Anblick nicht länger aus und rannten in Panik aus dem Haus. Die zwei, die noch bei Frank Dietrich geblieben waren, arbeiteten sich jetzt schrittweise an den geschundenen Mann heran. Dieser bewegte sich plötzlich wieder etwas und versuchte offensichtlich auf die Beine zu kommen. Das gelang ihm auch, und mit nach vorn ausgestreckten Händen bewegte er sich mühevoll auf die Elitekämpfer zu. Diese konnten jetzt ganz klar erkennen, dass auch die Handinnenseiten des Mannes vollkommen rot waren, ganz offensichtliche Folterspuren. Dietrich und seine bei ihm verbliebenen Leute waren unfähig sich zu bewegen. Als der Generalsekretär knapp einen Meter vor Frank Dietrich stand, waren dessen Kraftreserven wohl vollkommen aufgebraucht, denn er kippte nach vorn, direkt gegen den Körper des Leiters des Einsatzkommandos. Dabei hauchte er dem Elitesoldaten eine ganz üble Schnapsfahne ins Gesicht und schmierte seine schleimigen Hände an Dietrichs Kampfanzug ab. Dietrich konnte den Generalsekretär nicht einfach zu Boden fallen lassen und umklammerte Frieder Bergmann, so gut wie es eben ging. Dessen Körper war aber durch die an ihm haftenden verschiedenen Substanzen so glitschig, dass er Bergmann nicht festhalten konnte. Dieser prallte jetzt recht heftig auf dem Boden auf und blieb dann schwer atmend mit geschlossenen Augen dort liegen.

„Schnell, einen Notarzt“ herrschte Dietrich einen seiner Männer an.

„Und du“ befahl er dem anderen „hole eine Decke oder was Ähnliches, wir müssen ihn aufwärmen.“

Die beiden verschwanden.

Frank Dietrich betrachtete den vor ihm liegenden Generalsekretär mit irrlichternden Blicken. Dann sah er aber, dass die scheinbaren Verwundungen lediglich Überbleibsel verschiedener Lebensmittel waren. Jetzt geriet er vollkommen aus der Fassung, denn in ihm stieg ein furchtbarer Verdacht auf. Konnte es sein, dass der UNO Generalsekretär Frieder Bergmann irgendein dunkles Geheimnis mit sich herumtrug? Einen Fetisch oder etwas Ähnliches? Als sein Kollege mit einer Bettdecke zurückkam wurde er aus diesen Gedanken gerissen. Vier Minuten später erschien der Notarzt zusammen mit zwei Rettungssanitätern und begann sofort mit der Untersuchung von Frieder Bergmann.

„Hm, ne ganz ordentliche Schnapsfahne“ sagte der Mann „leichte Unterkühlung, Kreislaufkollaps. Tragen Sie ihn mal in das Badezimmer. Der muss erst mal gesäubert werden. Ist mir vollkommen unklar, was das mit den Lebensmittelresten auf sich hat. Na gut, ist ja nicht mein Problem.“

Dietrichs Männer schleppten Frieder Bergmann in das Badezimmer und bugsierten ihn in die Wanne.

„Abspülen und festhalten“ sagte der Arzt.

Während Dietrichs Männer Frieder Bergmann festhielten, spülte der Leiter des Einsatzkommandos ihn ab. Davon wurde Bergmann munter und stammelte unverständliche Worte.

„Ist ja gut“ beruhigte ihn der Notarzt „der Onkel Doktor ist schon da und kümmert sich um Sie. Wir machen Sie jetzt schön sauber, und dann geht es zum Schlafen in die Heia.“

Bergmann wurde abgetrocknet und ins Bett verfrachtet.

Nach einer Minute war er laut schnarchend eingeschlafen.

„Was machen wir jetzt“ fragte Frank Dietrich den Arzt.

„Ich sehe ihn mir noch einmal an und bleibe noch eine halbe Stunde hier. Glaube aber nicht, dass er ins Krankenhaus muss. Hat wahrscheinlich nur einen mörderischen über den Durst getrunken. Dürfte dann mit einem gewaltigen Brummschädel aufwachen. Hab‘ gehört, dass seine Frau Ärztin ist. Die kann sich dann um ihn kümmern.“

2 Uhr 13 erschien Petra Bergmann und war mehr als verwundert, dass drei Männer in martialischen Uniformen sowie ein Mann in Notarztkleidung und zwei Rettungssanitäter sich am Bett ihres Mannes aufhielten.

„Dr. Neumann“ stellte sich der Mann vor „diensthabender Notarzt. Bin zu Ihrem Mann gerufen worden. Sieht nach ner deftigen Alkoholvergiftung aus. Keine Ahnung, wie das alles passiert ist.“

„Wir sind hierher wegen einem Alarm im Haus ausgerückt“ erklärte Frank Dietrich „nach Lage der Dinge war der Generalsekretär in höchster Gefahr. Als wir hier waren stellte sich die Sache aber als Fehlalarm heraus. Was genau vorgefallen ist, wird wohl nur Ihr Mann selbst erklären können. Wir rücken jetzt wieder ab.“

„Dann können wir ja auch gehen, Frau Kollegin, oder“ fragte der Notarzt.

„Natürlich.“

Frieder Bergmann wurde mit bohrenden Kopfschmerzen munter. Seine Frau lag nicht neben ihm. Er mühte sich hoch und ging auf unsicheren Beinen in die Küche. Dort fand er einen Zettel vor.

„Ich bin zum Dienst und erwarte von dir, wenn ich wieder da bin, eine Erklärung, was vorgefallen ist. Eins steht aber fest: du warst gestern so blau, dass ich mich riesig für dich geschämt habe. Ich will nur hoffen, dass die Leute, die dich so erlebt haben, das nicht rumerzählen. Und ich erwarte von dir, dass du dein Verhalten ab sofort grundlegend änderst!“

Frieder Bergmann sah dem Eintreffen seiner Frau mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. Zur Aufklärung des Zwischenfalls würde er aber nicht viel beitragen können, denn er hatte einen kompletten Filmriss erlitten.

Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre! Band 9

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